Fehlender Rampensauismus
Es ist ja nicht so, dass es überhaupt niemanden im realen Leben vor reales Publikum treibt: Herr Dahlmann macht diesen Monat Hamburg unsicher. Aber sonst?
Bei Frau Tiefseefisch war gerade wieder ein Text, der eigentlich gelesen werden müsste, ebenso bei Herrn Spalanzani, und ich würde mir wünschen, sie mir anzuhören von denen, die sie geschrieben haben, zumal da vielleicht mehr, pardon für den pathetischen Begriff, Wahrhaftigkeit in den Worten sein könnte, weil weniger fiktionalisiert wurde.
Und warum swappt man bei Frau Kathleen nur Musik von diversen Bloggern – und nicht ausnahmsweise mal die eigenen Texte, vorgelesen? Warum geht niemand in der deutschen Blogosphäre diesen Schritt, die rein virtuelle Textabgabe durch, banal gesagt, Erzählen zu ersetzen?
Es ist ja nicht so, dass da nicht was kommen würde – in fact, es gibt bei Blogs! natürlich von Anfang an Planungen, manche Texte auch vor Publikum vorzulesen. Erleichtert wird es dadurch, dass es eben ein Buch gibt und die Lesung dann meist ein logischer Literaturbetriebsunfall ist. Nötig, zwingend wäre es aber keinesfalls. Und wenn man einen Blick in die einschlägigen Programme der diversen verschnarchten Käffer wie München, Berlin oder Frankfurt wirft, mit den immer gleichen, hundertmal auf die Bühne gezerrten Buchortsvorstehern und alten, unerfüllenden Hoffnungsschleppern, fragt man sich schon, warum da niemand aufbegehrt und das Microphon an sich reisst. Manchmal meint man so etwas wie Sehnsucht nach der Bühne herauslesen zu können, doch dann wird auch schon wieder abgewunken. Was ist das? Angst? Faulheit? Lethargie? Ist der Bloggrill genug?
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Oh nein! Ich habe fest damit gerechnet, dass die Blogs!-Illustrati gemeinsam vorlesen werden. Weil, so dachte ich mir, ein Verlag das doch sicher zwingend in der Verträge und so. Jetzt sag’n S’ nicht, dass ich mich geirrt habe. Oder anders: Wenn ich verspreche, dass ich für eine solche Lesung Kuchen backte und selbst nach Berlin oder Hamburg reiste?
Nein, nein, Frau kaltmamsell: Wie im Text bei genauem Lesen dargestellt: Wir lesen natürlich vor. Sicher. 100% pro. Alles schon sackgetütet.
Nur verstehe ich nicht, warum all die anderen das nicht machen – in München, Hamburg, mitten in der Mitte Bayerns, wo auch immer… Sie, ja, Sie zum beispiel, Sie sind ja keine Rampensau, aber doch zumindest ein Bühnenzeiserl, warum also nicht Sie?
Das ist ja sehr lieb von Ihnen, Frau Kaltmamsell, dass sie da eigens mit Kuchen für anreisen wollen. Mir wird allerdings im Vorfeld so schlecht sein, dass ich garantiert kein Stück davon herunterbekomme.
Da mich ausser Frau Lu sowieso keiner kennt, komme ich einfach incognito und schaue nur zu. So.
Hm, Emily, da mich außer Don Alphonso keiner kennt, werd ich den Kuchen eh anonym abgeben müssen. Oder ich geb ihn einfach der Frau, die sich – weiß im Gesicht – mit Händen und Füßen dagegen wehrt, auf die Bühne zu gehen.
es ist nie so ganz einfach mit lesungen. wenn der autor nicht bekannt oder skandalös genug ist, kommen kaum leute. leider. da kann man plakatieren wie man will.
ausnahmen sind etablierte vorlesebühnen, da hab ich das glück, hier in ffm ein paar angenehme leute gefunden zu haben. wenn das regelmäßig stattfindet, also als veranstaltungsreihe, dann geht das – man schleppt immer ein paar neue stammgäste von einer zur nächsten veranstaltung mit und irgendwie ist am ende doch immer die bude voll.
Ist das ein Angebot?
angst. sich selbst nicht gut genug finden, niemals nicht.
Gerade Sie hätten aber nur ganz wenig Grund dazu. Zumal Sie geradezu für das Vorlesen schreiben.
Ich würde wollen wollen. Allerdings keinesfalls als Solistin. Und mit dem ähnlich blöden Gefühl im Bauch, zu wenige Texte zu haben, die ich lesen WILL. Aber doch. Ich tät’s schon. Genau an einem Ort in Köln und niemals an einem anderen.
Hoffend, inniglich, daß keiner meiner Kunden im Auditorium sitzt. Dann kann ich nämlich zum nächsten Geschäftsgespräch – gefühlt jedenfalls – gleich nackt auflaufen.
Nackt auflaufen? Damit wäre Andreas Forderung nach dem Skandal natürlich – natürlich – Rechnung getragen. Wenn sonst schon nichts getragen wird.
was fürn angebot? lesen? ich les immer und überall. brauch nurn text und ggf. ein mikro. stuhl oder tisch (oder beides) wären natürlich auch toll.
ansonsten hätt ich ja vorgeschlagen, ne lesung an der uni zu machen.
leider sind uns heute sämtliche gelder gestrichen worden. aber zur neverending-story ich und die endstufe bald mehr an gegebener stelle.
Echt? Wegen der Geschichte? Schon skandalös, das. Lass mich raten: Eifereitrige Linke bei der Vereinnahmung jüdischer Standpunkte…
ich hätte es nicht besser ausdrücken können.
Na wenn denen nicht mal die jüdische Kavallerie aufs Dach steigt…
Dann melde ich mich nun doch noch und bedanke mich für das Kompliment und die Zugriffe, halte mich aber mit einem “au ja” zurück, weil ich beim Kommentarschreiben auch so schon immer das Gefühl habe, mich unangenehm ranzuschmeissen.
Was die Sache selbst angeht: Andrea hat Recht. Man kann nicht einfach irgendwo ankommen und vorlesen wollen, das interessiert niemanden. Gerade hier in Berlin ist der Markt pappsatt, und die Leute von den Lesebühnen sind manchmal auch verdammt gut. In so eine Konkurrenz kann man nicht eintreten, ohne eingeladen zu sein. Und wer ist schon demütig genug für eine richtige Ochsentour.
Meine einzigen zwei Lesungen haben deswegen ironischerweise in Bonn stattgefunden – ich bin darum gebeten worden und musste mir keinen Open-Mike-Auftritt ansaufen. Sehr schön war’s allerdings, weil es einen nicht zu unterschätzenden Reiz hat, als Autor behandelt zu werden. Sie merken schon, ich bin ein Snob, es ist ganz furchtbar. Vor allem aber war es gut, weil die vorlesenden Hanebüchlein-Autoren teilweise begabte und schön fanatische Leute sind, jung genug, um noch auf eine Nische zu hoffen jenseits vom “Ich mach große Kunst und keiner versteht mich”-Gelaber.
Schon beim Wort “Lesebühne” schliesst mein Zuckmuskel. Sie können hier gerne “au ja” sagen, denn es mag durchaus sein, dass diese Stadt die Lesebühnen nicht mehr hören & sehen kann, was übrigens nicht an der Langeweile hoher Qualität liegt, sondern an dem Perpetuieren der immer gleichen Gesichter, die verlagstechnisch für den Mitty-Hype zu spät dran sind und nach denen kein Agent mehr kräht. Hart, aber es ist so, und noch schlimmer, denn so besonders knusprig sind die Lesebühnen oft auch nicht – Brauseboys mal ausgenommen. Bliebe also die entscheidende Frage: Gibt es ein Publikum jenseits der Rituale, das angesprochen werden kann? Ein Blog-Publikum?
Mir als überzeugtem Münchner fällt zu der Unschlüssigkeit nur Valentin ein: Möchten täten wir schon wollen, aber traun haben wir uns nicht dürfen!