Nachher ist man immer klüger: Dieser Beitrag spiegelt meine Position zum gestrigen Zeitpunkt wieder. Inzwischen habe ich aber einiges erlebt und erfahren, und ich bin mir in einigen Punkten absolut nicht mehr sicher, ob ich es heute auch noch so lässig sehe. Der Blogger in mir hat für manches immer noch Verständnis, aber der Journalist in mir bekommt bei einigen Aspekten das kalte Kotzen. Sagen wir es mal so: Es ist die freundliche Sichtweise auf ein komplexes Problem, man könnte es auch anders sehen.

Nico Lumma, einer der Leute hinter der “4 bekanntere Blogger fahren ein Auto mit mässigen Leumund”-Aktion, fasst hier seine Sicht der Dinge nochmal zusammen. Ich halte es für verfrüht, jetzt schon eine Zusammenfassung zu geben, nachdem doch sehr viel Pulverdampf im Raum ist. Nur eine Sache würde ich gerne ausführen, um die sich Lumma und alle Testteilnehmer ausser Don Dahlmann bislang herumgeredet haben: Das mit der Glaubwürdigkeit ist ein Problem, wenn solche Sätze kommen:

Wir haben von Anfang an offen gelegt, dass Opel diese Kampagne finanziert, dass es eine Aufwandsentschädigung gibt und dass es hierbei nicht um reines Gutmenschentum, sondern natürlich auch um Werbung geht. […] Dabei fliesst etwas Geld und Benzin oder Diesel, damit die Blogger die Wagen auch etwas bewegen können.

[Edit: Nico Lumma hat obige Passage inhaltlich ergänzt, es lautet jetzt:
“Wir haben von Anfang an offen gelegt, dass Opel diese Kampagne finanziert, dass es eine Aufwandsentschädigung gibt (1200 EUR plus 200 EUR Tankgutschein) und dass es hierbei nicht um reines Gutmenschentum, sondern natürlich auch um Werbung geht.”
Mag sich jeder selbst ein Bild davon machen, was das Auftauchen der konkreten Zahlen erst jetzt zu bedeuten hat, meines Erachtens rückt man die Wahrheit scheibchenweise raus Erklärung siehe Kommentar von Nico.]

Von Don Dahlmann nun weiss man aber, dass es hier auch um eine Art indirekte Spesenentlohnung geht:

Aber wir bekommen nicht nur den Wagen, sondern auch eine Aufwandsentschädigung, die die Kosten decken soll, die mit dem Auto verbunden sind. Meint Sprit, Parkgebühren, Knöllchen und anderen Blödsinn. Ob die Aufwandsentschädigung davon aufgefressen wird, oder ob am Ende etwas übrig bleibt, weiß ich noch nicht. Aber ich stelle mir die Frage, was ich mit dem Restgeld mache.

Und da wird schon ein gewisser Unterschied deutlich. Der unterschiedlich kommuniziert wird. Wenn fünf Leute das gleiche Angebot kennen und der eine die Karten komplett auf den Tisch legt, schauen die anderen vier gar nicht mehr gut aus. Das Problem der Glaubwürdigkeit ist also zuerst eines der inneren Abstimmung. Will sagen, Don Dahlmann ist glaubwürdig, und dagegen fallen die anderen ab.

Vielleicht sollte man deshalb differenzieren zwischen einer tatsächlichen, einer angewandten und einer gefühlten Glaubwürdigkeit. In meinen Augen ist der Trick mit den satten Spesen gradraus Bestechung, und wird im normalen Journalismus auch so betrachtet; es ist der zweitälteste Trick seit dem wattierten Umschlag. Dass dergleichen etwa in der Pharmabranche weitgehend normal ist und Besucher von Pressekonferenzen Blankoschecks bekommen, in die sie ihre Aufwendungen für den Besuch derselben einfügen können, macht die Sache keinesfalls besser. Blogger sind da vermutlich billiger, aber genauso willig, und in der Geschichte geht es halt nicht um den Preis, sondern nur um den Vorgang.

Die andere Seite mit der angewandten Glaubwürdigkeit ist komplexer. Da liesse sich eine Menge anführen, von der Frage der Kompetenz der Probanden, etwa, wie jemand die Qualität eines Autos beurteilen kann, der jahrelang keines mehr hatte, über Vergleichsmöglochkeiten und Informationen zur Karre. Vielleicht haben sie ja die High End Super Edel 30.000 Tacken Version rumstehen, die was anderes ist als die 14.999 Euro Angebote. da ist dann auch der Unterschied zu den “Tests”, die manche Blogger bei ihnen nahestehenden Themen durchführen. Einem, der jeden Tag 10 Stunden auf dem Mac entwickelt, glaube ich sofort, wenn er die neue Version von Adobe problematisch findet. Aber vier “Typen”, die nach Marketing-, Reichweiten- und Zielgruppenvorgaben (für jeden was dabei) ausgesucht wurden und ausser einem Führerschein keine Qualifikation haben, sind als Tester nun mal nicht glaubwürdig. Zumindest nicht glaubwürdiger, als wenn ich als Rechnereinschalter und Wordkompliziertfinder einen Monat einen Mac hätte und dann was wirklich sinnvolles über die Kiste schreiben sollte. Nico verweist mit Recht auf die normalen Geschichten von normalen Fahrern, die die Firma haben will, “weiche Themen” heisst das im Joirnalismus. Kann man machen, aber man muss dann auch damit leben, dass die Glaubwürdigkeit bei solchen Themen nicht hoch ist.

Beides, nehme ich an, hat Einfluss auf oder bildet einen rationalen Ãœberbau für die gefühlte Glaubwürdigkeit. Bei der viel hineinspielen kann, sei es nun echte oder falsche Moral, Neid, Verachtung für den kASTRAt, oder einfach nur das blöde Gefühl, dass einer sein Blogtagewerk jetzt plötzlich um eine Karre herumschreibt. In fact, ich persönlich habe da schon so einen komischen Eindruck bei Felix von wirres.net und bei Don Dahlmann, die auf meiner privaten Glaubwürdigkeitsskala weit oben waren – einfach, weil ich sie persönlich kenne und sie auch einschätzen kann. Die anderen beiden sind Typen, bei denen ich privat ohnehin davon ausgegangen wäre, dass sie sich für jede Vermarktungsstrategie hergeben. Was bedeutet: Bei denen passt dieses Zeug auch rein, das liest sich weiterhin wie aus einem Guss. Bei Felix und Don bin ich dagegen betrübt, wie die Qualität im Bemühen um die Einpassung des ansonsten artfremden Sujets runtergeht. Sie hätten ohne die Karre und die Situation nie so etwas geschrieben, jetzt müssen sie, und das merkt man. Zumindest beim Bloggen. Andere werden die Glaubwürdigkeit da nochmals anders verorten. Aber so ist das mit der Subjektivität.

Und daran hängt auch die Diskussionskultur. Eben weil hier drei Ebenen durcheinanderlaufen, gibt es für alle Beteiligten jede Möglichkeit, blitzschnell die Ebene zu wechseln, vom objektiven Problem hin zur direkten Attacke, von der Pauschalisierung bis zum Loshetzen des Mobs auf eine Einzelmeinung. Und an dieser Stelle läuft die Diskussion völlig aus dem Ruder, eben weil jeder nach Lust, Laune und Notwendigkeit zwischen den Problemfeldern springen kann und es letztlich auf der persönlichen Ebene endet. Was man meines Erachtens kaum vermeiden kann – nur ist es entscheidend, ob man diese Ebene erst mal durch objektivierbare Glaubwürdigkeitsprobleme gross macht. Und an der Stelle haben die Initiatoren selbst die Lunte an ein Projekt gelegt, das jetzt schon gescheitert ist.

Denn bei allem öffentlich erkennbaren Streit sollte man nie übersehen, dass Sympathie der eigentliche Träger des Projekts Blogosphäre ist. Leute lesen Blogs, weil sie das mögen. Und ausser ein paar Hardcore-Unterstützer ist es mit der Sympathie vorbei, wenn Felix die Jungs mit Begriffen wie “Schnauze polieren” von der Leine lässt. Ich würde als Unternehmen mein Projekt keinesfalls in so einer Debatte sehen wollen, selbst wenn dadurch – und gerade die persönliche Härte, die im Kern eine menschliche, nicht gekaufte ist – wieder ein Stück Glaubwürdigkeit zurückkommt. Nur ist es keine, die dem Produkt weiterhilft. Natürlich wünscht sich Nico eine drastische Verbesserung des Diskussionskultur, denn die würde Unternehmen nutzen. Ich persönlich wage es zu bezweifeln, ob das geht. Möglicherweise kommt es nach dem tausendsten “Myblog-Blogger bloggen für 3 Cent pro Text über rosa Badeschaum”-Produkttest zu einer Abstumpfung. Ich wage aber zu behaupten, dass die Firma die Agonie dann aber schon von denen kennt, die Werbung wegzappen.

Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass es keine Verbindung zwischen Blogosphäre und kommerziellen Interessen geben kann – dieses Blog hier ist ja auch Vermarktungsplattform für unser Buch, es gibt Spreeblick, Mac-Essentials, und andere glaubwürdige Projekte. Jeder da draussen weiss auch, dass man im Kapitalismus Geld verdienen sollte, um zu überleben. Deshalb halten sich solche Debatten bei vielen Fällen in recht engen Grenzen. In deren Erfahrungen stecken die Ansätze, wie es gehen kann. Dank Eineaufdenrüsselbekommensheim wisen wir jedenfalls, wo es haken kann, falls wir das von den diversen anderen Versagern von Open BC über Süddeutsche Blogs bis zu lachnummernbetreuten VNU-Blogs noch nicht wussten. Die Jungs mit der hässlichen Glasrüsselkarre haben damit einen Erkenntnisgewinn finanziert, ist doch auch schon was, wenngleich Opel damit als Testerspesenabschmierer auf meiner tiefschwarzen Liste ist und ich daraufhin meiner Mama unbesehen zu einem 1er BMW, Alfa 147 oder Audi A3 raten werde. Darf ich mal was postulieren?

NEBEN DISKUSSIONEN IST GLAUBWÜRDIGKEIT IST ZWAR DER TREIBSTOFF DER BLOGOSPHÄRE, ABER KEIN PRODUKT, DAS MAN EINFACH ABZAPFEN KANN. SCHON GAR NICHT OHNE DISKUSSIONEN.