Profis und ihre PR
In meiner Zeit in der einzigartigen Munich Area sass ich öfters mal mit Venture Capitalists zusammen, und wir stellten uns nach den Kurzpräsentationen der diversen Startup-Teams immer ein paar zentrale Fragen. Jetzt nicht unbedingt gleich “Wird das ein geiler IPO”, sondern eher die Fragen, die lang vor dem Börsengang wichtig sind. Die zentrale Fragen waren: “Können die was, was sonst keiner kann”, “Ist das ein Team, das unter allen Bedingungen funktioniert”, “Können die Krisen bewältigen, ohne dass es auffällt” und “Sind die Assets bei denen sicher”. Der Hintergrund: Man will so wenig wie möglich Konkurrenz, man will keinen Streit, man will eine starke Gruppe, die sich selbst trägt, und man will – als Allerwichtigstes – die Garantie, dass die Werte dort geschaffen werden, wo man investiert. Alle diese Anforderungen sind oft genug nicht erfüllt worden, übrigens durchaus auch von Firmen, die einen prima Start hingelegt haben
Und diese vier Anforderungen sind es auch, die es VCs so schwer machen, sich im Bereich Blogs und Partizipative Medien zu engagieren. Denn Blogsoftware und Webspace aufsetzen kann theoretisch jeder (praktisch kann man sich mal die Nörgeleien der User bei myblog und 20six anschauen – die haben übrigens VC), die Blogger sind eine amorphe Masse, bei denen man nie weiss, was als nächstes passiert, auf Krisen reagieren sie pampig und fordernd oder wandern gleich ab – und wenn jemand mal so gut ist, dass man damit was reissen könnte, ist er möglicherweise schnell weg. Der Wechsel des Tech-Bloggers Pete Rojas von seinem alten Arbeitgeber und dem Blog Gizmodo zu einem anderen Anbieter und dem Blog Engadget ist ein beispiel – wovon sich Gizmodo nie so richtig erholt hat.
Und wenn man mal sehen will, wie sich mit dem Videoblog Rocketboom eine der grössten bisher bekannten Blogmarken – 250 – 300.000 Zuschauer und Werbeeinnahmen pro Folge bis zu 17.000 Dollar – ruiniert, der schaue sich mal das Blog des berühmten Gesichts von Rocketboom, Amanda Congdon an. Da implodiert gerade das Team in aller Öffentlichkeit mit Mails, Lügen und Videoaufzeichnungen. Unschön, wenn so ein Projekt von einer Person wie Congdon lebt. Da geht gerade das Core Asset, die einzige Identifikationsfigur drauf. Das, was so ein Blog ausmacht: Der Blogger. Kann schon sein, dass ihr Expartner ein Videoblog-Genie ist – vor der Kamera braucht er gar nicht anfangen,Žnicht mal mit blonder Perücke. Wir hätten damals gesagt: Hier liegt erheblicher Neubewertungsbedarf vor.
Eine Geschichte, die sich alle merken sollten, die an das Geschäft mit den Bloggern glauben. Blogger reagieren nun mal nicht wie abgezockte Managementprofis. Sie können sich zertreiten, sie können plötzlich als käuflich angesehen werden oder als Schleichwerber, mitunter auch von manchen, die nachher das gleiche tun, das moralische Substrat, auf dem das Pflänzchen des Vertrauens gedeiht, ist dünn und die Emotionen sind heftig – und wenn es doch mal einer zur Berühmtheit schafft, gibt es sicher Konkurrenz, die schon den Wagenschlag Richtung neue Firma aufhält. So wird aus der ersten Wahl, wenn sie es denn je war, ganz schnell “a pain in the ass”.
Und dann gibt es auch noch Blogberater, die etwas vorschnell im Vortrag ihrer Jubelarien sind:
http://klau seck.typepad.com/prblogger/2006/06/rocketboom.html
Geschäft ist halt immer noch was anderes als PR. Gerade dann, wenn ein Thema PR-Katastrophen so magisch anzieht wie die Bloggerei.
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Du gönnst dem Klaus aber auch das Schwarze unter den Fingernägeln nicht ;-).
Ja, was denn nun?
3.7.2006 | 13:07:
“Das Ausmass der Nichtwanderung der Blogcommunities sieht man…”
“Auch bekanntere Blogger mit vielen Lesern bewegen ihre Leser nicht oder nur sehr begrenzt…”
7.7.2006 | 17:43:
“Der Wechsel des Tech-Bloggers Pete Rojas von seinem alten Arbeitgeber und dem Blog Gizmodo zu einem anderen Anbieter und dem Blog Engadget ist ein beispiel – wovon sich Gizmodo nie so richtig erholt hat.”
“Da geht gerade das Core Asset, die einzige Identifikationsfigur drauf. Das, was so ein Blog ausmacht: Der Blogger.”
Du widersprichst Dir selbst.
Nein, überhaupt nicht. Du berücksichtigst nicht die Fakten. Tatsächlich gibt es in den geschilderten Fällen keine erkennbare Wanderung von den bisherigen Blogs zu Kommerzblogs. Pete Rojas hat er unter der kommerziellen URL1 genau das gleiche wie unter der kommerziellen URL2 gemacht. Nach aussen hat sich lediglich die Adresse geändert. Dass die Leute da mitgehen, finde ich jetzt nicht erstaunlich.
@ 50hz: Für gewisse Regionen Italiens ist das Schwarze unter den Nägeln an einem gewissen Feiertag eine verpflichtende Speise – aber da stamme ich nicht her. Unter meinen Nägeln jedenfalls ist nichts Schwarzes. Und natürlich habe ich keine Lust, gewisse kommerzielle Anbieter, die fragwürdiges Blogmonitoring betreiben wollen, zu unterstützen. Und schon gar nicht, falls sie, wenn ich als Herausgeber von einem Buch vorgestellt werde, an das Mikrophon watscheln und sagen, dass sie auch schon mal in einem Buch geschrieben haben.
In der Business Week ist die ganze Story. Die kommen zu einem ähnlichen Ergebnis, was das Geschäft mit Vlogs angeht.
In der Blogger-Szene mit ihrer “individualisierten Massenkommunikation” werden wir IMHO solche Dinge noch oft erleben. Schließlich handelt es sich nicht um große “Gatekeeper-Redaktionen”, sondern um kleine Projekte mit ein, zwei oder drei Hanseln (und Greteln) und den dementsprechenden “Psycho-Kisten”: Divengehabe, Beziehungsknatsch, Egomanie – gerade dann, wenn da der Erfolg hinzukommt, kommt auch der Krakeel. It’s only human …
Du berücksichtigst nicht die Fakten.
Was fuer Fakten? Deine Fakten halte ich in diesem Zusammenhang fuer irrelevant, vor allem wenn es sich nicht um empirisch ermittelte Daten geht, sondern nur um von Dir ausgewaehlte Beispiele.
In dem ersten Beitrag ist Deine These dass Blogger keine Leser zu anderen Projekten mitziehen koennen (ob die kommerziell sind oder nicht halte ich hier fuer irrelevant, es geht um die Blogger) und dass Blogcommunities (die sich ja um den jeweiligen Blogger scharen) nicht zu anderen Projekten mitziehen wenn der Blogger woanders schreibt.
In diesem Beitrag schreibst Du jetzt dass die Blogger genau dies tun, also dass Blogger ihre Leser mitziehen. Wenn es nicht auf den Blogger ankommt, warum sollten dann Gizmodo und RocketBoom Probleme haben? Und warum sollten nicht ein paar Firmen ein paar Blogger einkaufen um professionell bei ihnen zu bloggen?
Ich sehe da einen ziemlichen Widerspruch.
Beides ist möglich. Es kommt auf den Grad der Bindung zwischen blogger und Leser an. Hier in Deutschland hat noch kein blogger (sag’ ich mal so) den Grad der Beliebtheit geschafft, die so stark ist, dass die Leser/Fans ihm unkritisch folgen. Das ist in blogs auch schwer. Schrift kann schlecht Persönlichkeit, Emotionen oder Zwischentöne überragen. Bei vlogs sieht das schon anders aus. Das hat man ja gesehen, als Karin (heisst die so?) bei ehrensenf ein paar Tage unangekündigt Urlaub hatte. Die Reaktionen waren immens, obwohl die Vetretung auch nicht schlecht war.
Bei Gizmodo kommt hinzu: Da geht es um “Wissen”. Das sind Leute, die Ahnung haben und die haben Leser, die das schätzen. Klar nehmen die die Leser mit.
Die Frage ist: Warum werden die bekannten und beliebten blogs/Blogger in Deutschland geschätzt? Ahnung? Vielleicht Robert Basic oder IT&W. Starke eigene pointierte Meinung? Vielleicht DonAlphonso. Aber die unsäglichen shop/law/taxi/phonesex/bar/-blogger und viele andere in den TOP-50 leben von netten Geschichten – die aber keine besondere Bindung erzeugen. Und wenn die Geschichten nicht mehr ins Gesamtbild passen, wird weggezappt (äh, geklickt).
@ Armin: Wenn Du den Unterschied zwischen einemn kommerziellen Projekt und einem nichtkommerziellen Projekt nicht erkennen kannst, lasse ich Dir gerne Deine Meinung. Du kannst auch gerne mal versuchen, deutsache Beispiele zu finden, bei denen die ßbertragung geklappt hat. Und Dich dann hier melden. Dass es neben den hochgezogenen Marketingblogs “Transitionsprozesse” zum Profibloggen gibt, wie Mac Essentials oder den Spreeblick, ist keine Frage. Aber das sind organische, ineinandergreeifende Entwicklungen. Ohne irgendwelche Firmen, die jetzt mal was mit Blogs machen wollen.
@ strappato: Ich glaube, es ist gar nicht so leicht, Leserbindungen an Blogs aufzubrechen. Da muss schon was Gröberes passieren – und selbst dann kommen die oft als Stalker, Provokateure oder Spammer wieder zurück. Es gibt ja durchaus vormals hier vertretene Knilche, die einen grossen Teil ihres Bloggerdaseins aus Nörgeleien an meiner Person beziehen. Das sind Extrembeispiele, die auch was mit den besonderen Zuständen im Netz zu tuin haben. Ich vermute mal, dass Bloggen, geraade Profibloggen noch ein grosses Feld für Soziologen werden kann. Wenn es denn so lange Thema bleibt – generell geht der Trend wohl eher zum User als Lieferanten, der dem Journalisten die Füsse küssen darf. Der Journalist ist dann eben nicht mehr Gatekeeper der Informationen, sondern der Leserschaft.