Das Recht auf Anonymität vs. die Pflicht der Verantwortung
In Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema der verwendeten Sprache in der Blogosphäre und dem Versuchen, sie zu reglementieren, ein paar Gedanken zu Anonymität in den Blogs.
Es gibt meines Erachtens ein hohes, natürliches Recht, als Verfasser eines Blogs anonym zu sein und zu bleiben. Dieses Recht ergibt sich aus dem scheinbaren Widerspruch der persönlichen Erzählung und der dennoch zu wahrenden Privatsphäre. Oder, um das konkrete Horrorbeispiel zu benennen: Mama entdeckt das eigene Blog, in dem Dinge stehen, die nicht wirklich für Mama gedacht sind. Würde jeder sein Blog so schreiben, dass es potenziell mamasicher wäre, die Blogosphäre wäre arm, grau und öde.
Umgekehrt macht die persönliche Erzählung aus einem “anonymen” Blogger natürlich einen Charakter, eine Person, die in der Regel auch nicht künstlicher ist als das, was man den anderen tagein tagaus so vorgaukelt. Die Kunstfigur wird so zu einem Moment, der die Anonymität zumindest im Netz auflöst, aber dennoch viele Freiheiten lässt. Hier wegen ein paar Zwischenfällen eine Hexenjagd zu veranstalten oder verbindliche Regeln gegen die Anonymität, wie es besonders gerne vom blogüberwachenden Klügel der PR und der angeschlossenen privatwirtschaftlich-politischen Kontrollschweinen gefordert wird, geht unendlich an den realen Bedürfnissen der Nutzer vorbei. Gebloggte Texte sind in aller Regel ein Geschenk an die Leser, da hat man danke zu sagen und nicht Google anzuschmeissen, um den anderen auszuspionieren – was leider oft genug getan wird. Wenn es einen Common Sense in der Blogosphäre geben muss, dann ist es die Einwilligung, die Privatsphäre der anderen zu respektieren. Es ist nicht so, dass diese Ansicht allgemein geteilt wird, es gibt auch manche, die meinen, man müsste partout eine Art “Identität 2.0” einführen.
Das kann man machen. Es gibt genug offizielle Daten, die man in das Netz blasen kann. Aber bezeichnenderweise sind die Leute, die diese Identität auch für Blogs fordern, entweder
– keine Leute, die irgendwelche privaten Dinge erzählen oder
– so jenseits von gut und böse, dass sie sich gar keinen gedanken mehr über ihr Tun machen, wenn sie sogar massenhaft Bilder ihrer Kinder online stellen
Diese Leute können sich gern irgendwo treffen und sich ihre endgeilen Identitätsnetzwerke ausdenken. Für den Rest wäre es wirklich nett, wenn man diese Anonymität respektieren würde. Wer hier draussen länger unterwegs ist, weiss, dass man anonymen Bloggern nicht weniger trauen kann als den Psychos, die meinen, jede feuchte Ausdünstung ihres Daseins bigbrothermässig ins Netz zu blasen. Im Gegenteil, die Anonymität ist ein mögliches Anzeichen dafür, dass der Blogger sich stets ein gesund kritisches Verhältnis zum Internet bewahrt hat. Umgekehrt ist es die Anonymität, die es seit Jahrhunderten erlaubt hat, übermäsiger Kontrolle zu entgehen. Blogger sind heute nicht mehr durch die Inquisition bedroht und auch nicht durch die Gestapo, aber durch Abmahnabschaum, die Schnüffelschweine der PR-ostitution, die Blogs als Gefahrenmoment an Firmen verraten, und jeden verdammten Psychpathen hier draussen, dem es gefallen kann, sich gefundene Informationen zurecht zu lügen. Den Kopf hält man für das, was man schreibt, so oder so hin; Anonymität macht es der anderen Seite lediglich sehr schwer.
Dass es auch Momente gibt, in denen die Anonymität die nach menschlichem Ermessen Falschen schützt, ist auch klar. Dass man dagegen vorgeht, ist da nur folgerichtig. Und dass ein anonymer Kommentator oder Mailversender in einer anderen Art anonym ist als ein Blogger, der sich eine neue Identität schafft, steht ebenfalls ausser Frage. Aber diese Anonymität hat seit Jahrhunderten geholfen, andere Sichtweisen und Geschichten zu erzählen, sie hat die Aufklärer geschützt und Diktatoren getroffen, und wer daran rütteln will, sollte sich überlegen, ob er als Apparatschik in Teheran oder Peking nicht besser aufgehoben wäre, als im westlich-säkularen Wertesytem.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Der vorliegende Fall mag tragisch sein.
Doch leider gibt es auch die andere Extreme:
Blogger die aus dem Schutz der angeblichen Anonymität heraus genau DAS tun: Sie stiftan an – sie wiegeln auf – sie hetzen Parteien aufeinander – sie zerren Privatpersonen ohne deren Recht auf Anonymität zu respektieren an die Öffentlichkeit.
Hier nun abzuwägen, was schlimmer wäre, ist sehr schwierig.
Doch spätestens wenn man mal so einem Schnüffelschwein über den Weg gelaufen ist, hat man für das angebliche Recht auf Anonymität nichts mehr übrig.
Nun eine Lösung wäre, alle würden anonym bleiben. Dann hätten wir jedoch ganz schnell einen rechtsfreien Raum. Von der schwindenen Glaubwürdigkeit mal abgesehen.
Oder niemand wäre anonym – dann bleiben die von Dir beschriebenen Widerständler aus.
Nun – beides wird nie eintreten. Solange werden wir mit den Sauereien, dem Abschaum und den Schweinen leben müssen:
Und zwar sowohl mit den Anonymen als auch mit den nicht Anonymen.
Den Text hättest Du mal vorab den Abgeordneten in Berlin vortragen sollen. Denn so Sachen wie Impressumspflicht & Co. sind einem anonymen Geblogge irgendwie entgegenstehend.
Ich schreib in meinem Blog so, dass auch meine Mama das lesen kann, ohne mich des klein Häuschens in der Pampa zu enterben oder rot zu werden.
Weil ich in dem Sinn keine “small literature” herstelle, die schon mal oder gerade von autobiografisch veränderten Grenzsituationen lebt. Dann hätt ich das gleiche Problem.
Mein derzeitiges ist ein anderes: ich schreibe neuerdings auf Seiten, wo es stellenweise heiß hergeht, z.B. hier, lieber anonym. Weil ich es nicht leiden kann, dass, wenn man ehrlich postet, und einen dann ein Anonymer, der im Raketentempo durchs Kinderzimmer geschossen ist oder ein Problem hat, blöd anmachen kann. Wehr dich mal als Klarname sauber gegen einen Anonymen, der alle Register des Unfairen zieht. Nicht so leicht in dieser Zwickmühle, Eier zu zeigen und dennoch die Contenance zu behalten.
Man würde schon am liebsten schreiben, dass man ihm am liebsten ungespitzt ins Gesicht hupfen will und dass ihn tausend Kamelflöhe…. Nur, es geht nicht, weil alle Welt dann weiß, wersd bist und dassd ein ungehobeltes Mensch bist. Dabei hast nur sauber und ehrlich zurückgebissen… .)
oh, auch als nicht anonymer kann man auf blogs die sau rauslassen. ich persönlich mag das lieber. wenn ich zu etwas eine meinung habe, verdammt, dann sollte ich auch die eier haben dazu zu stehen. ob das meine mama nun mag oder nicht, die mein blog btw regelmässig liesst ,).
andererseits kann ich es verstehen, wenn jemand die anonymität wählt. aber meine erfahrung nach ist es viel zu oft so, dass diese anonymität viel zu oft falsch ausgenutzt wird. denn mal ehrlich, es gibt viel mehr deppen im netz als gescheite menschen. und da geht es mir schon auf den sack, wenn sich jemand hinter irgendeinem pseudonym versteckt und fröhlich scheisse ausspuckt.
(4)
Gemeinplätze, wie man sie aus dem deutschsprachigen Usenet kennt. Abgedroschen, durch Wiederholung nicht sinnträchtiger und – nebst Machogehabe – durchaus studiVZ-würdig.
Aber: Maman “liesst” mit …
oh, das ist also ein allgemeinplatz? interessant. eigentlich spiegelt das nur meine einstellung zu dem thema wieder, die sich in mehreren jahren so gebildet hat. machogehabe? was auch immer :)
[…] Das Recht auf Anonymität vs. die Pflicht der Verantwortung Ich unterschreib das mal… (tags: blogging anonymität verantwortung) […]
Na sixte, was sich “in mehreren Jahren so gebildet hat” – kann manchmal schlicht einfach Scheiße sein.
Mein Kommentar bezog sich auf (6). Sorry.
und warum? es ist ja nicht so, dass ich die entscheidung, anonym zu bleiben, nicht nachvollziehen könnte. ich sag auch nicht, dass ich das verdamme. ich sage nur, dass ich persönlich keine problem damit habe, nicht anonym zu sein. und eigentlich mag ich es auch lieber, wenn ich weiss, wer die person ist, mit der ich gerade wie auch immer spreche. dann kann ich das gesagte in einen kontext einordnen und besser verstehen. es machts mir schlicht einfacher.
wenn ich sage, dass ich kein problem habe, etwas nicht-anonym zu sagen, auch wenns irgendwo gegen konventionen verstösst, ist das einfach persönliche einstellung. ich akzeptier und respektiere, wenn es jemand fuer sich anders sieht.
und das anonymität gerne für irgendeinen scheiss ausgenutzt wird, ist ja nun wirklich keine neuigkeit oder?
Gut gebellt Katze!
Soll heißen volle Zustimmung auch abseits von Impressum und denic, etc.
Zusätzlich zum Problem oder Nichtproblem der Anonymität kommt bei mir oft belustigte Verwirrung auf Blogs (ich glaub, deswegen les ich die überhaupt noch…): Ich weiß oft nie, wenn ich Kommentare – ob mit oder ohne Eierzusatz – lese, wer sich auf wen oder was genau bezieht. So gehen die hübschesten Beschimpfungen verloren und erreichen nie punktgenau ihren Adressaten…
Ohne Informantenschutz gäbe es keinen investigativen Journalismus. Und ohne Anonymität keine blogs, in denen Insider über die Machenschaften der Branche berichten. Das ist nicht immer spassig. Von verschiedenen Seiten wird mir berichtet, dass ich wohl beim nächsten Kongresss in Wien, den ich in besuche, kein Schild: “Ich bin strappato” am Revers tragen sollte. Aus den logs sehe ich, dass in den Pharmakonzernen meine kritischen Berichte verfolgt werden, sicher nicht immer mit Freude. Ohne Anonymität könnten Schweinereien erheblich schwerer durch blogger aufgedeckt werden.
Ich gehe soweit, dass Anonymität eine Art Waffengleichheit herstellt. Denn gegen die Unternehmen und grossen PR-Agenturen ist der einzelne ohne Anonymität machtlos. Die internationalen Konzerne haben eigene Abteilungen, die wie Geheimdienste arbeiten und auch von Ex-Agenten geleitet werden.
Unabhängig vom Impressum bedrohen “online-Durchsuchungen” und die Vorratatsdatenspeicherung den Schutz der Anonymität bei blogs und Informanten:
http:// http://www.presseportal.de/ story.htx?nr=959011
Der Bundesdatenschutzbeaufragte Peter Schaar: Allein die Möglichkeit der Überwachung “wird bei den Menschen dazu führen, dass sie sich nicht mehr so äußern, wie sie es eigentlich tun würden. Mehr Überwachung führt nicht zu mehr
Sicherheit”, warnte Schaar.
Da steht mehr auf dem Spiel als nur die Frage, ob man von Papa und Mama enterbt wird.
Ohne Informantenschutz gäbe es keinen investigativen Journalismus. Und ohne Anonymität keine blogs, in denen Insider über die Machenschaften der Branche berichten. Das ist nicht immer spassig. Von verschiedenen Seiten wird mir berichtet, dass ich wohl beim nächsten Kongresss in Wien, den ich in besuche, kein Schild: “Ich bin strappato” am Revers tragen sollte. Aus den logs sehe ich, dass in den Pharmakonzernen meine kritischen Berichte verfolgt werden, sicher nicht immer mit Freude. Ohne Anonymität könnten Schweinereien erheblich schwerer durch blogger aufgedeckt werden.
Ich gehe soweit, dass Anonymität eine Art Waffengleichheit herstellt. Denn gegen die Unternehmen und grossen PR-Agenturen ist der einzelne ohne Anonymität machtlos. Die internationalen Konzerne haben eigene Abteilungen, die wie Geheimdienste arbeiten und auch von Ex-Agenten geleitet werden.
Unabhängig vom Impressum bedrohen “online-Durchsuchungen” und die Vorratatsdatenspeicherung den Schutz der Anonymität bei blogs und Informanten:
http:// http://www.presseportal. de/ story.htx?nr=959011
Der Bundesdatenschutzbeaufragte Peter Schaar: Allein die Möglichkeit der Überwachung “wird bei den Menschen dazu führen, dass sie sich nicht mehr so äußern, wie sie es eigentlich tun würden. Mehr Überwachung führt nicht zu mehr
Sicherheit”, warnte Schaar.
Da steht mehr auf dem Spiel als nur die Frage, ob man von Papa und Mama enterbt wird.
Das Anonym ist deshalb sinnvoll, weil ich meinungsfreudiger sein darf. Nicht gleich jeder, der unter meinem Klarnamen googelt, stößt dann auf alle Fundstellen, die ich als mein Alter Ego schrieb. Trotzdem wird jeder, der es will, innerhalb von fünf Minuten wissen, wer ich ‘wirklich’ bin. Das ist ja auch kein Geheimnis – aber was hat er davon?
Mit anderen Worten: Mein Pseudo ist sicherlich keine geeignete Methode, um anonym zu bleiben, sondern nur so etwas wie ein dünner Paravent. Ein Hauch Rollenspiel ist sicherlich auch dabei, der Chat Atkins ist ein bisschen ‘böser’ als sein Gedankenpapa.
Trotzdem sind meines Erachtens alle Vorwürfe der Art, wer nicht unter seinem Klarnamen schreibe, sei bloß zu feige dazu, simpler Bullshit. Ich sehe darin oft den narzisstischen Neid schwarzlochbetankender Poser, die es einfach nicht aushalten würden, wenn ein einziger ihrer ach so hochbedeutenden Wortbeiträge nicht mit ihrem tollen Klarnamen identifizierbar wäre …
Leicht OT: Auch wenn ich dem Text eigentlich gerne zustimmen mag – ich finde es immer wieder interessant zweischneidig, so etwas von jemandem zu lesen, der mal meinen Namen im Impressum gefunden und diesen auch statt des Pseudonyms in seinem Artikel verwendet hat – aber die ebenfalls dort stehende E-Mail-Adresse, über die man einfach mal vorher Details hätte klären oder überhaupt nachfragen können, irgendwie problemlos ignorieren konnte…
Wahre E-Mailadressen anderer in einem eigenen online-Beitrag zu posten, verstößt immerhin bei dem mir ansonsten recht verleideten openBC/XING gegen die Forumsregeln. Da meist RSS-befeedet (hängt natürlich auch von den User-Einstellungen was privacy betrifft ab) = also öffentlich dann lesbar – und wird regelmäßig von den meisten Mods geahndet und moniert. Wer es weiterhin tut, fliegt raus.
Als meinungsfreudiger Politblogger hätte ich schon einige Nächte schlecht geschlafen, wenn die mehrfachen Morddrohungen gegen mich seitens von Rechtsbloggern nicht (weitgehend) ins Leere gelaufen wären. Die mich bedrohenden “liberalen” Rechtsblogger waren gottlob zu blöd, um meine Identität aufzudecken.
Anonymität sichert einen guten Schlaf.
Ich finde zudem Strappatos Argument gut, dass Anonymität “Waffengleichheit” schafft, aber ich finde dann auch, dass derjenige, der anonym agiert, dies dies dann angemessen rücksichtsvoll tun sollte, mit Sinn für Verantwortung.
Würde ich Straftaten begehen, dann würde mich meine Pseudonymität nicht schützen. Insofern bleiben alle relevanten Interessen gewahrt. Insofern kann ich im Moment kein einzigen guten Grund entdecken, warum es besser sein sollte, wenn man nur noch nichtanonym bloggen könnte.
Anonymität sichert einen guten Schlaf.
Aber hallo.
1. Als ich auf den Wirtschaftsforen des SPON noch unter Klarnamen schrieb, bekam ich Droh-Mails (auch von Rechten) und wurde mit Viren beballert. Man wollte mich gezielt lahmlegen.
2. Als Blogger (habe wohl für jemanden was missliebiges geäußert, wüsste nur nicht was, weil nicht zu Beleigungen neige) wurde zur Strafe mein Geschäfts-Websiteaccount gehackt (den blog-account von six-apart schafften sie wohl nicht).
Lösung:
Wenn ich könnte, nur noch überall anonym. Schnauze voll.
Leider braucht mein Blog ein Impressum.
Ich hatte auch schon ein paar mal den Fall, daß – wie bei diät – mein Name aus dem Impressum anstatt meines Pseudonyms in den Artikeln verwendet wurde. Schade, denn so werde ich sicher über die ein oder andere interessante Tatsache in meinem Blog nicht berichten.
Ich würde mir wünschen, dass es eine Stelle gäbe (Behörde? gemeinnütziger Verein?), die die Adressen von Bloggern kennt und in juristischen Streitfällen die Verfolgbarkeit sichert. Und ansonsten niemals Klarnamen und Adressen rausgibt.
Und dass es dann reicht, die Zugehörigkeit zu dieser Registrierungsstelle im Impressum anzugeben.
@ D-Bloggerin
Der Vorschlag gefällt mir.
Endlich was Konstruktives.
Es stellt sich die Frage:
Was ist eine Information wert, wenn man die Herkunft, den Urheber, nicht kennt?
Manchmal ist die blosse Verfügbarkeit sicherlich sinnvoll. (Investigativer Journalismus, Informatenschutz) Aber selbst dort hat der Nachforschende selbst den Informanten gekannt und wir kennen wiederum den Journalisten. Wenn die ganze Kette komplett anonym ist, war hat dann was gesagt, und warum? Mit welchem Motiv und welchen Zielen? Desinformation? Astroturfing? Pharmaangestellte, die in Selbsthilfeforen mitbloggen? ….
Wenn’s erlaubt ist, hier ein Hinweis auf die Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung am 14. April in Frankfurt.
Ansonsten bitte wieder löschen.
Was wäre denn eigentlich so schlimm daran, wenn Mama Dein Blog entdecken würde?
Bist Du bei ihr eine andere Person als sonst? Warum? Wessen Maßstäben willst Du genügen? Deinen oder denen Deiner Mutter? Wenn ersteren, warum verstellst Du Dich in der Gegenwart Deiner eigenen Mutter, die doch das erste Recht haben sollte, Dich so zu kennen, wie Du bist? Und wenn letzteren, warum setzt Du sie dann nicht in Deinem Blog um?
Glaubst Du, sie würde Dich nicht mehr lieben, Dich enterben…, wenn sie hier etwas über Dich lesen würde? Und wenn, was wäre das für eine Mutter? Warum würdest Du mit einer solchen Mutter zu tun haben wollen?
Wovor. Hast. Du. Angst?
Vor Leuten, die völlig humorfrei Ironie nicht verstehen. :-)
So ironisch kam mir das Mutti-Beispiel nicht vor. Selbst wenn, lohnt es sich meines Erachtens, ernsthaft zu diskutieren, warum so viele Angst davor zu haben scheinen, daß Mama ihr Blog liest. So what?
@ Andi
Echt jetzt, gehts noch.
(Kann es sein, dass DU Angst vor DEINER Mama hast?
Oder warum beschäftigt dich das so…
ähnlich doof hobby-freudianisch zurückhau, *g*)
Das Beispiel mit Mutti schien mir nur geeignet, exemplarisch die Unbegründetheit der Angst vor der Aufdeckung der Anonymität aufzuzeigen. Ich sehe weiter nicht, was so schlimm daran ist, wenn im Netz etwas über einen steht, und wäre wirklich für eine entsprechende, ernsthafte Diskussion dankbar. Wo sonst, wenn nicht in den Kommentaren eines einschlägigen Eintrages in einem Blog?
* Erstens findet sich ohnehin nur ein Teil meiner Person im Web, oft ein durch das Medium als auch gewollt verzerrter. Von Stephen King glaubt auch keiner, daß er sich als Clown verkleidet in der Kanalisation rumtreibt, warum sollte es bei Bloggern anders sein? Will ich mit Menschen zu tun haben, die sowas erstens glauben und mich zweitens deswegen anders behandeln würden? Selbst wenn ich gerne laut lachend und mit Schuhen Größe 60 durch die Abflußrohre renne, so what?
* Zweitens kapiere ich auch das mit der angeblichen Erpreßbarkeit nicht. Sicher muß man nicht willentlich allen Psychopathen der Welt eine Fotokopie des Schulwegs seiner Tochter mailen, so wie man sich auch nicht mit Robbenblut einschmiert, wenn man nach Haien tauchen geht, aber wo ist der Schaden, wenn ich verrate, was ich von Schäuble halte (Artikel 20 Absatz 4) oder daß ich erschreckenderweise Vanilla-Sex richtig mag? Erneut, so what the fuck? Will ich bei Leuten arbeiten, die mich deswegen nicht einstellen würden? Oder Freunde haben, die mich deswegen schneiden würden? Eine Frau, die mich deswegen verlassen würde? Nein und nein und nein.
Damit keine Mißverständnisse aufkommen, wer anonym bleiben will, soll es von mir aus ruhig tun und hat ein Recht, nicht geoutet zu werden, und auch das Argument des Selbstschutzes vor der Obrigkeit, zumal einer wie des “anständigen” Schäubles, sticht. Aber über das große Ganze gesehen halte ich es auf Dauer für gedeihlicher, weil Vorurteile abbauender und Menschlichkeit fördernder, wenn man weniger Geheimnisse vor seinen Mitbürgern hat. Schließlich bleibt Nachbar Bolte der gute Mann, der uns immer die schweren Tüten in den dritten Stock trägt, selbst wenn er in seiner Jugend Männer geküsst hat. Das Gegenteil behaupten, hieße ein pessimistisches Menschenbild haben.
Naja idealistisch gesehen, seh ich das auch so. Sprich in einer nahezu perfekten Welt (zumindest mal mit perfekt-toleranten Menschen) sollte es keine (direkten) Probleme mit sich bringen sich im Netz zu offenbaren. Dazu muss dann aber auch der letzte Personaler, Staatssicherheitsler und konservative Kleinunternehmer begriffen haben, dass man aus den privaten, verzerrten Mosaikeindrücken die man im Netz über jemanden sammeln kann nicht direkt auf seine fachliche Qualifikation, seine wahre Einstellung schließen kann. Denn es kann Teil eines Zerrbildes oder gar absichtlichen Fakedaseins sein. Oder eben nur eine Seite einer Person.
Aber generell sehe ich Anonymität auch als eine Form der Gemütlichkeit. Man muss sich z.B. nicht mit Mama über die seltsamen Vorlieben die man haben mag auseinander setzen, erspart sich Belästigungen im Real Life usw. Denn mal im Ernst so vernünftig ein Großteil der Menschheit auch sein mag, wenn man etwas aggressiver verbal auf ein Lieblingskind von Bevölkerungsteilen eindrischt, gibt es oft genug jemanden, der das persönlich nimmt und es ist einfach weitaus bequemer seine Beleidigungen wegzuklicken, als ihn mit dem Disco-Türsteher-Nachbarn zusammen wieder aus dem eigenen Flur zu schieben während der geschobene vielleicht noch seine simple Meinung auf einen einflucht… oder seiner Famile zu erklären warum man denn nun plötzlich so viel Liebesbriefe mit Zeitungs(buchstaben)ausschnitten bekommt. ;)
Und ja ich mag da überziehen, aber auch Kleinigkeiten nerven und anstatt sich die Mühe zu machen über das “was könnte man mit meinen Daten alles anstellen” und “wie reagiere ich nun am dümmsten, Anwalt kein Anwalt” kann man sich das auch ersparen.
Und ansonsten gibt es halt Menschen die sich nicht gern gläsern geben, im Grunde gehe ich den Rest der Welt ja auch nichts an solange er nicht auf meine “Leistungen” angewiesen ist o.ä.
Ob Heinz gern im Sandkasten oder lieber im Bettkasten spielt ist für eine fachliche Diskussion doch erstmal uninteressant, ergo brauchts erstmal auch keiner wissen. Dass man einer Einzelperson nicht einfach unreflektiert alles glauben/nachplappern sollte, sollte man so oder so wissen.
Aber wie du schon sagst, die Freiheit anonym zu sein ist doch der Punkt. Duch Anonymität eines Anderen wird niemand in seinen Rechten eingeschränkt und durch (begrenzte) Anonymität auch keine Strafverfolgung unmöglich gemacht.
P.S.Generell steh ich zu dem was ich sage, aber da ich es in aller Regel völlig unangebracht/unnötig finde meine Aussagen zu irgendwas nur in Bezug zu meiner realen Identität zu sehen, braucht die auch keiner zu kennen. (Natürlich gibt es da Ausnahmen, setzt z.B. jemand Gerüchte in die Welt, die er nicht mit offenen Quellen belegen kann, mag es sinnvoll sein den Hintergrund und etwaige Motive desjenigen zu kennen. )
@ D-Bloggerin, bör:
Das köntne mand ann ja ähnlich machen wie bei der eMail Zertifizierung oder der Domainadressenvergabe, nur dass die Daten eben nicht generell öffentlich wie bei DeNic und Co sind sondern nur auf Richterantrag herausgegeben werden. Nur sollte dafür gesorgt sein, dass entsprechende Unternehmen/Instanzen unabhängig von großen Konzernen/Regierungen sind. Optimal wäre natürlich eine entsprechende nationale Regierungsstelle die entsprechenden Service anbietet aber auch unabhängige Instanzen damit betrauen kann, dann kann man sich aussuchen, wem man eher vertraut.
Ich finde das hochgradig naiv. “Idealistisch” wäre noch ein Euphemismus; daher sage ich, was es wirklich ist: dumm und naiv. Sorry for that :-)
Begründung:
Wenn man mit jedwedem Menschen reden und umgehen will, muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass man missverstanden und fehlinterpretiert werden kann. Immer. (Dei linde Selbstirnonie von don wurde wohl auch nicht von jedem Wohlwollenden kapiert hier…): Das Problem liegt – meist – am Sender, es kehrt zu ihm zurück, denn der Empfänger hört immer nur das, was er hören will. Er hört oft nur auf einem – mangelhaften – Ohr. Das ist Fakt im Leben.
Wenn man diese – wichtige – Lebenserfahrung EINMAL gemacht hat, dass einen selbst ein gutwillig und wohlwollender Zuhörender/Leser missverstehen kann, geht man an sowas im offenen Internet nicht mehr blauäugig ran.
Denn da tummelt sich alles. Von gern Zuhörenden und geistig-seelisch Gesunden bis schier Bösartigen oder Grenzwertigen, die unwillentlich krank im Kopf sind und mit einer beyonden Weltsicht unterwegs sind.
Daher ist es ein Zeichen von Klugheit, sich rechtzeitig zu schützen.
Oder geht ihr im Hagel ohne Kleider raus ins Freie?
Das hochidealistische Ding mit der “Authentizität”. Seit das als Ideal in der Internet-Welt ist (das hat sicher irgendein Graswurzel-Idealist, der von Spät-68ern abstammt, als supertoll in die Welt gesetzt, damit er kindlich weitersabbern kann und sich nicht verändern, also erwachsen werden muss), vermisse ich eine saubere philosophische Reflektion darüber: Es KANN scharfkantig überlegt und philosophisch gesehen (und im echten Leben auch nicht) KEINE wahre Authentizität geben, und die Forderung nach ihr ist ein paradoxer Appell. Ein Zwickmühlen-Paradox ist zum Beispiel die Aufforderung: “Sei spontan!”. Wenn man dieser Aufforderung folgt, ist man eben gerade nicht spontan, denn man ist ihr gefolgt und hat daher nix eigenes, originäres gemacht. Folgt man ihr nicht, auch blöd: ist man sowieso nicht spontan.
Und dann verwechseln viele Spoantaneität, Authentizität, Echtheit mit Unbeherrschtheit und finden es ganz toll, herumzublöken, inklusive sich wundern, warum denn da so komisch reagiert wird, oder einer einem was strickt.
Vergesst es einfach. Wer ehrlich zu sich selber ist, muss doch zugeben, dass er/sie gelegentlich nicht einmal authentisch (=echt) zu sich selber oder seinen liebsten Menschen ist. Denn das ist die schwerste Übung, an der selbst ZEN-Meister noch knabbern.
Wir haben Masken und Persönlichkeitsschichten, die jeden Tag etwas anders reagieren. Und wir brauchen sie auch.
Ich gehe sogar noch weiter: Menschen, die von sich selbst behaupten, sie wären immer authentisch unterwegs, misstraue ich sogar. Denn sie unterliegen der kapitalsten Selbststäuschung, die es gibt; damit werden sie mich manipulieren, ohne dass sie es selber merken. Denn wer sich selber nicht kennt, spielt immer unbewusste Spielchen und weiß hinerher ganz unschuldig von gar nichts.
____________
Das war ein kleiner Aufsatz/Nachruf zu Ehren von Paul Watzlawik, der gestern gestorben ist. Wer nicht weiß, wer dieser große Mann ist: Gooole und Wikipedia sind dein Freund :-)
Das Recht auf Anonymität ist ja völlig unstrittig, wer Dinge für sich behalten will, soll das gerne tun und wird von mir auch gegen die Schäubles und Becksteins dieser Welt bis aufs Blut darin verteidigt.
Aber um nochmal auf die Sache mit den Vorurteilen zurückzukommen, glaube ich wirklich, daß der Weg zu mehr Entspannung, und vielleicht beschreiten wir ihn allein schon deswegen, weil es jetzt die technischen Möglichkeiten dazu gibt, was wieder einmal meine These bestätigen würde, daß es sozialen Wandel nur aufgrund technischer Neuerungen gibt, aber ich schweife ab – der Weg zu mehr Entspannung also führt meines Erachtens über das freiwillige Selbstouting, so wie das freiwillige Outing vieler Schwuler und Lesben in meinen Augen ihre gesellschaftliche Akzeptanz stark befördert hat.
Wenn Nachbar Bolte nicht nur früher, sondern auch heute gerne Männer küsst und es einem sagt, wobei man diese warmen Brüder doch eigentlich hasst, dann muß man sich eben damit konfrontieren, daß der nette Nachbar, der immer so höflich grüßt, nie laut ist und einem die Tüten hochträgt, auch einer von “denen” ist; und den soll man jetzt hassen?
In den meisten Fällen scheint die Menschlichkeit diese Konfrontation zu gewinnen, und ich bin überzeugt, daß es genauso wäre, wenn wir mehr über die Vorlieben und Neigungen unserer Mitmenschen wüßten. Und dann hätten auch die Arbeitgeber und der Reichsminister des Innern keine Handhabe mehr, so wie man heute schon kaum mehr jemanden wegen seiner Homosexualität erpressen kann. Im Gegenteil ist es sogar schon Diskriminierung, wenn man jemanden nur wegen seiner sexuellen Orientierung nicht einstellt, und sehr zurecht. Das einst schamhaft Verschwiegene ist zu einem natürlichen Merkmal der Person geworden.
Mit studiVZ, Xing, Google und was nicht noch alles kommen wird, ist es mehr und mehr so, daß mehr und mehr Details eines Lebens online zu finden sind. Schon heute kosten US-Politiker die lang vergangenen Online-Untaten ihrer jüngst eingestellten Helfershelfer fast ihre Kandidaturen (Edwards/Pandagon), und wenn in zwanzig Jahren der erste Mensch mit einem Facebook-Profil und Gruppen wie “Sex ist nur schmutzig, wenn er richtig gemacht wird” Präsident werden will, wird die Kacke so richtig am Dampfen sein.
Es sei denn, wir lernen, und wie gesagt, vielleicht kommt das durch die technischen Neuerungen automatisch, weil es bald niemanden mehr ohne ausführliches Onlineprofil geben wird, daß Menschen eben verschiedene private Vorlieben und Neigungen haben, diese aber nicht unbedingt etwas mit ihrer öffentlichen Leistung zu tun haben und auch nicht damit zu tun haben sollten.
Pointiert gesagt: Wollen wir von Menschen regiert und eingestellt werden, mit Menschen zu tun haben, die entweder ihre Neigungen und Geheimnisse böswillig abschotten und verleugnen bzw. roboterhafte Karriereunleben ohne einen einzigen Fleck auf ihrer Brust geführt haben? Oder von Menschen, die wissen, wie Menschen leben, die Toleranz üben und Fehler machen, aus denen sie lernen?
Meine Wahl ist klar.
@ Andi
“…weil es bald niemanden mehr ohne ausführliches Onlineprofil geben wird, daß Menschen eben verschiedene private Vorlieben und Neigungen haben, diese aber nicht unbedingt etwas mit ihrer öffentlichen Leistung zu tun haben und auch nicht damit zu tun haben sollten.”
…zu tun haben sollten. Sollten?
Aber sie tun es nicht, stimmts?
Da war schon wieder der Wunsch Vater des Gedankens.
Meister :-), man gibt die Kontrolle über das ab, sobald es im Netz steht. Das muss begriffen werden. Mit “sollten ” kommt man nicht weiter. Wahrscheinlich bist du noch recht jung und ich will nicht so böse sein.
“…weil es bald niemanden mehr ohne ausführliches Onlineprofil geben wird”
Da bin ich mir nicht so sicher. Bin so frei und behaupte sogar, es wird wieder mehr Menschen geben, die ihre Profile bewusst halbfertig rumstehen, löschen lassen oder ihre Accounts veerwaisen lassen. Je nachdem ,ob sie älter, klüger oder sonstwie weniger Zeit haben werden.
Es wachsen zwar immer wieder jüngere nach, aber sobald dieser tennagerhafte, unreife Poesie-Album-Hokuspokus in ihrer eigenen geistigen Entwicklung durch ist, ziehen sie woanders hin oder gehen ganz raus.
Ich habe sogar einen neuen Trend ausgemacht: Menschen, die heute zeigen wollen, dass sie was besseres sind, sind entweder nur in EINEM ganz kleinen exklusiven Zirkel oder überhaupt nirgends im Internet zu finden. Entscheider, die ihr Privatleben schätzen, tun das längst. Suche mal die E-Mailadresse von ihnen :-) oder ein Blog von ihnen. Du wirst nicht einmal die postalische Adresse von denen ohne super-detektivischen Spürsinn finden.
Der Mensch ist so: er will Distinction.
@bör:
Natürlich wird man mißverstanden. Aber das ist im Internet nicht anders als sonstwo. Und nochmal: so what? Wenn ich gegen die Mullahs und Hassan Nasrallah hetze, kann das einer von denen lesen und mich niederschießen, ja.
Aber soll das im Umkehrschluß heißen, daß ich diese Meinung tunlichst für mich behalten und ja niemandem erzählen, schon gar nicht damit politisch aktiv werden soll, man weiß ja nie, wer sich so auf den Marktplätzen der Republik tummelt?
Nein.
Im Gegenteil.
Die müssen zum Schweigen gebracht werden. Nicht ich.
Nenn das naiv und dumm, wenn Du willst. Man muß sich auch heute nicht als Schwuler outen und kann so ein Leben frei von Diskriminierungen führen, nur halt im 2×2 Meter großen “closet”, und man überläßt das Feld dann denen, die Schwule hassen bzw. ihre Homosexualität vor ihrer Ehefrau verstecken oder denen, die am liebsten 21-Jährige mit fünf Jahren Berufs- und drei Jahren Auslandserfahrung einstellen würden. Wenn das für Dich eine clevere und kluge und erstrebenswerte Welt ist, bitte.
Meine ist es nicht.
Und ich werde alles tun, damit diese “clevere” Welt verkleinert wird.
Ach ja: Aus der Unmöglichkeit wahrer Authentizität, was sicher stimmt, zu folgern, jede Bewegung hin zu mehr Authentizität sei vergebens, ist schon ein bemerkenswerter Fehlschluß. Nur weil ich die hundert Meter nicht in zehn Sekunden laufen kann, soll ich sie gar nicht laufen?
Am Ende bleibt nur die Frage vom Anfang, und sie zeigt, wo der Schmerz sitzt, denn da, wo’s wehtut, geht’s lang:
Wovor. Hast. Du. Angst?
Ui, Andi. Heya!
Ein Hobby-Freud unter uns. Ich wusste es doch.
Und von Hobby-Freuds weiß ich listig: die geben nicht auf.
Ich gebe mich dann auch, listig wie ich bin, hoffnungsfroh geschlagen.
Weil ich immerhin mittelschnell merke, dass das Empfängerchen eine bestimmte Botschaft einfach nicht hören will…
Jedem sein Himmelreich :-)
Und ich Zukunft will ichs noch etwas rascher merken… :-)
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Buchtipp, auch wenns nix bringt: “Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen.” Über das Glück und die Konstruktion der Wirklichkeit.
Ich ignoriere die innewohnende Arroganz und Ignoranz der Bemerkung und lasse mich mit 27 gerne noch “recht jung” nennen, wenn das heißt, daß ich noch nicht so verbittert und menschenfeindlich bin, zu sagen, daß man mit “Sollen” nicht weiterkommt.
Natürlich ist es nicht genug, nur ein Sollen zu wollen.
Man muß auch etwas dafür tun, soweit man eben kann, und da hilft jedes einzelne Outing und jeder einzelne Stand gegen die, die nur ihre Meinung und ihre Welt gelten lassen wollen. Weil man damit, unter anderem, Kontrolle gewinnt. Wenn ich zugebe, daß ich gerne Nutella von kleinen Kätzchen ablecke und mich dafür auch nicht schäme, wer kann mir dann noch was?
Aber man kann nichts tun, wenn man nicht weiß, wohin man gehen will.
Und dafür braucht man ein “Sollen”.
Aber was weiß ich schon, ich bin ja nur ein Küken, das die Welt vielleicht so sieht, wie sie ist, aber in seiner Naivität und Dummheit glaubt, sie ändern und dem Hackebeil entkommen zu können.
Statt sich seinem unvermeidlichen Schicksal zu fügen, ruhig und leise.
Wie ein kluger Sklave.
Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.
Kommst a schon mol aus dem “Sollen”-Alter raus. Das wird lockerer machen.
Grüße von einem fröhlichen Pragmatiker.
Du hast “menschenfeindlicher Zyniker” komisch geschrieben, Haussklave.
Das hochidealistische Ding mit der “Authentizität”. Seit das als Ideal in der Internet-Welt ist (das hat sicher irgendein Graswurzel-Idealist, der von Spät-68ern abstammt, als supertoll in die Welt gesetzt, damit er kindlich weitersabbern kann und sich nicht verändern, also erwachsen werden muss), vermisse ich eine saubere philosophische Reflektion darüber: Es KANN scharfkantig überlegt und philosophisch gesehen (und im echten Leben auch nicht) KEINE wahre Authentizität geben, und die Forderung nach ihr ist ein paradoxer Appell. Ein Zwickmühlen-Paradox ist zum Beispiel die Aufforderung: “Sei spontan!”. Wenn man dieser Aufforderung folgt, ist man eben gerade nicht spontan, denn man ist ihr gefolgt und hat daher nix eigenes, originäres gemacht. Folgt man ihr nicht, auch blöd: ist man sowieso nicht spontan.