Beim momentan ausgetragenen Konflikt Online vs. Print gibt es sehr unterschiedliche Annahmen über dessen Ausgang. Da sind die – oft jungen – Manager der Medienkonzerne, die Erfolge wollen und deshalb mit aller Macht in das Internet drängen. Hier liegt ihres Erachtens die Zukunft, hier sind die jungen Leser, hier kann man ohne grosse Vertriebskosten vom anziehenden Werbemarkt profitieren. Auf der anderen Seite sind die – oft älteren – Kollegen des Print, die auf die Pleite der New Economy verweisen und meinen, Print zu neuer Grösse führen zu können, wenn sie so viel Geld wie die Onliner hätten.

Ich persönlich bin Kulturhistoriker und weiss deshalb, dass es beim Wandel erst mal nie perfekte Siege gibt; beide Kontrahenden müssen Blut lassen, und nirgendwo steht geschrieben, dass es nachher besser ist als vorher. Und die, die unten sind, sind dabei immer die Blöden, die den Scheiss und die Propaganda der Kommandozentralen ertragen müssen.

Aber um mich geht es nicht, sondern um die Gegnergruppen, die einander bekämpfen. Der Mittelweg, der beide Gruppen in ein gemeinsames Ziel mit einbindet, nennt sich “Online First”. Dazu werden grosse Redaktionen geformt, die aktuell im Internet publizieren und am Ende die Entwicklung für das Printorgan zusammenfassen. Das soll schneller sein, effizienter, dem Print Qualität sichern und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Nutzerströme des Netzes nicht an einem vorbeischwimmen. Steigerungsraten von manchmal bis zu 500% erwarten sich Deutschlands Papiermedien in den nächsten Jahren in der Onlinereichweite, und denken dabei an Videoportale, Communities und was sonst noch modern ist.

Mit der reaktionären “Welt” aus dem alles andere als feinen Hause “Springer” hat im Januar eine grössere Zeitung versucht, sich auf dieses neue Web einzustellen. Neben der modischen Grossredaktion gibt es Videos, Blogs, enorm viele Beiträge und auch viel Startgetön, das die Einladung von Bloggern umfasste, die Interesse für diesen Versuch wecken sollten. Mitunter war das Anschmeicheln aber dann doch nicht so erfolgreich. Dennoch soll dann schon im Januar noch vor dem Relaunch der Welt die Luft gebrannt haben: Stolze 40% Zuwachs bei den Page Impressions vermeldete man aus einem der hässlichsten Gebäude Berlins.

Inzwischen gibt es neuere Zahlen aus der Zeit nach dem Relaunch. Und die dürften Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die nichts vom Onlinegeschäft halten: Trotz des Boheis um die neue Seite blieben von den laut IVW 8.287.555 Besuchern im Januar nur 6.934.721 für Februar übrig, und im März waren es nur noch 5.878.785; ziemlich nah am Ergebnis vom März 2006 mit 5.813.282 Visits. Ähnlich mittelprächtig sieht es bei den Page Impressions aus: Waren es im November 2006 noch 35.809.529 PIs und im Januar die Rekordmarke von 49.105.642, ging die Zahl im Februar auf 40.991.920 und im Januar 36.242.105 zurück. Trotz Relaunch und erweitertem Angebot. Die ganzen Zahlen der IVW finden sich hier – langfristig wächst die Welt, aber der als Start in eine neue Epoche angekündigte Relaunch selbst ist erst mal trotz Interesse und Besuch vieler Kollegen und neuer Angebote verpufft. Dass einzelne Besucher mehr klicken, kann meiner Erachtens auch eine Menge mit der wenig sinnvollen Navigation und manchen Aussetzern bei Werbeschaltung zu tun haben.

Ein Relaunch ohne Anhebung der Qualität ist eben auch nur “painting lipstick on a pig”. Wie man aber bei einem Verlustbringer wie der Welt und ihren Autoren das Wunder schaffen will, qualitativ auch nur ansatzweise an die Süddeutsche, die FAZ, Sat1 online oder Knuddels.de heranzukommen, ist eine Frage, die zu beantworten mir nicht obliegt. Ich kann nur sagen: Wenn sich das als Ergebnis von Online First verfestigt, dann ist diesem Trend ein Platz in der Mediengeschichte sicher. Als weiteres Versagen der Medienhäuser im grossen digitalen Wandel. Es gibt nur fünf Dinge, die Journalismus im Internet stark machen können: Qualität, Recherche, Meinung, Exklusivität, Glaubwürdigkeit. An allen anderen fachfremden Systemen von der Community bishin zum Videoportal werden sich die Medienhäuser nur blutige Nasen holen – und Geld verschwenden, das sie besser mal in ihre Kernkompetenzen gesteckt hätten.