Unbillen im Franzosen-Lande
“Notizen aus der Provinz” linkt auf einen Artikel in dem französische Blogger ihre Verärgerung über die Ãœbernahme von U-Blog durch SixApart Ausdruck geben.
Was bisher geschah: Es gibt einen umtriebigen französischen Internet-Unternehmer namens Loic Le Meur. Bei dem erwachte Interesse für Blogs und machte sich 2003 auf, sich an einem französischen Blog-Dienstleister zu beteiligen. Ein Dienstleister lehnte ab, aber Stéphane Le Solliec, der U-Blog aufbaute, nahm an.
Ab Dezember ging es dann plötzlich HopplaHop. Am 9.12.2003 wurde das Unternehmen U-Blog SA angemeldet, im Laufe des Dezembers verabschiedete sich der Gründer Le Solliec aus dem Unternehmen und Loic LeMeur führte kostenpflichtige Versionen von U-Blogs ein und schaltete Werbebanner auf den Gratis-Blogs.
Einige Monate später wurde Le Meur und U-Blog offizieller Europa-Vertrieb von SixApart und ihren Produkten, und wieder wenige Monate später, vor etwas mehr als zehn Tagen, wurde der Aufkauf von U-Blog durch SixApart (gegen Tausch von Anteilen) bekanntgegeben und Loic Le Meur wurde Vize-Präsident und Verantwortlicher für Europa, Mittl. Osten und Afrika.
Doch es herrscht nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Einige französische Blogger machen Streß. Als Außenstehender läßt es sich nicht beurteilen, ob es eine Revolte der U-Blog-Nutzer ist, oder nur um jene 20-30 Unzufriedenen, die es bei jeder Änderung des Status Quo gibt, handelt. Da man aber in den Kommentaren schnell auf die üblichen Verdächtigen stößt, scheint mir letzteres der Fall zu sein.
U-Blogger sehen das Ende ihrer Plattform drohen und fürchten eine “Zwangsemigration” auf Typepad. Es gibt durchaus konkrete Kritikpunkte. So soll Le Meur bei Einführung der kostenpflichtigen U-Blog-Dienste im Dezember Features versprochen haben, die bislang in U-Blog nicht umgesetzt wurden sind. Le Meur dementiert jedes justiziables Vergehen und verweist auf Angebote, zum gleichen Preis auf TypePad zu wechseln, macht aber indirekt auch deutlich, dass er nicht willens oder in der Lage ist, U-Blog Plus im einst beworbenen Ausmaß aufzurüsten. Das hinterläßt ein Geschmäckle.
U-Blogger beschweren sich auch über die immer stärkere Vernachlässigung, mangelnde Pflege der Plattform und kaum vorhandenen Unternehmenskommunikation, die erst jetzt, als die Unruhe Wellen schlägt, von Le Meur offensiver angegangen wird. Die französischen U-Blogger sind im übrigen nicht ganz unwichtig, denn sie stellen 90% der 25.000 mit in den Deal mit SixApart eingebrachten Kunden dar. LeMeur weist aber daraufhin, dass U-Blog-Abteilung immer noch rote Zahlen schreibt.
Was ist aber das besondere an U-Blog, dass es derart das Blut in Wallung gebracht hat, fragt Padawan?
Es sind ausgerechnet die Community-Features. Eine Portalsite mit Verlinkung zu frisch aktualisierten und populären Blogs, mitunter nach Rubriken und Stichwörtern gegliedert und Foren in denen abseits von Blog-Kommentaren kommuniziert wird. “Ausgerechnet” deswegen, weil Typepad eigentlich Community-Features zum Unterscheidungsmerkmal von anderen Blog-Dienstleistern machen will.
Von Anti-Amerikanismus ist nicht viel zu spüren, allenfalls latente Anti-Kommerz-Haltung, die Kritik konzentriert sich auf Le Meur und U-Blog, mitunter geht sie mächtig unter der Gürtellinie.
Es gibt Parallelen zu dem Aufschrei den SixAparts angekündigte Änderungen an den MovableType-Lizenzen erzeugt hat. Ãœberhöhte Erwartungen die durch mangelnde Kommunikation geschürt oder nicht angegangen wurden und die Angst ein “Spielzeug” weggenommen zu bekommen.
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Wenn man mir sagt, ich soll für was zahlen, was dann nicht kommt und wohl nicht mehr war als ein Trick, weil der Typ, der das versprochen hat, es gar nicht kann, dann ist das m.E. Betrug. Und dann kann der Typ froh wein, wenn es bei ßrger im netz bleibt.
Noch so ein paar Pleiten, und ich kann sixapart bei DCT finalisieren.
Das Problem mit dem Features, das Le Meur nur lauwarm betreitet, ist unter seiner ßgide entstanden, als U-Blog noch nichts mit SixApart zu tun hatte. SixApart/TypePad ist sozusagen ein Teil der “Lösung”, aber zwischen den Zeilen kann man schon herauslesen, dass er frühzeitig Resoucen von der Weiterentwicklung von U-Blog abgezogen hat, um alles auf die Karte Typepad zu setzen.
Ich wäre vorsichtig mit dem Ausdruck “Betrug”, denn das sind alles Infos aus zweiter Hand. Ich habe in den Blogs bislang nicht ersehen können, das jemand gerichtlich dagegen vorgegangen ist. Daher bezweifle ich es, dass es wirklich derart eindeutig Betrug ist.
Es gab unlängst von verschiedenen Seiten Gemaule, warum hier SixApart gedisst werden würde, warum blogbar.de sich mitunter wie eine Kopie von DotComTod ausnimmt.
Ich kann nicht erkennen, dass SixApart in den Einträgen pauschal niedergemacht wird. Don ist offensichtlich 6A gegenüber kritischer als ich eingestellt. Sein gutes Recht.
Und ich kann es nachvollziehen. Don hat wenig konkretes in der Hand, aber vergleicht ablaufende Vorgänge und Mechanismen, kann einige Parallelen zu den altbekannten Auswüchsen der NewEconomy sehen und leitet daraus ab. Vielleicht muss man bereits verbrannt worden sein, um derart wenig Vertrauen in Menschen zu haben.
Ich bin da vorsichtiger, ehe ich mein Urteil fälle.
Ich beobachte und speichere es in meinem Gedächnis. Und irgendwann ergibt sich aus den einzelnen Begebenheiten ein Gesamtbild.
Also, nochmal zusammengefasst: Wir haben ein paar Leute, die geradezu idelatypisch erstmal Software verschenken. Dann haben wir eine idealtypische Nutzerbegeisterung mit enormen Wachstumsraten, die Jungs aus dem VC-Business aufmerksam machen. Dann wird entwickelt, eine Lösung vorgestellt – und die ist nun in der Regel kostenpflichtig, was Leuten vor den Latz geknallt wird, die auch ein halbes Dutzend anderer Lösungen benutzen können.
Danach übernimmt auch noch ein VC-Boy das Ruder bei der Firma, es wird heftig am Bezahlmodell geschraubt, um die abwandernden Horden einzufangen.
Wie kann es zu sowas kommen?
OK, let's face the buzz: VC ist kein Kindergarten, sondern ein beinhartes Geschäft. Der VC will im Business Plan 4 Dinge sehen: Marktbeherrschung, uneinholbarer Vorsprung bis zum Zeitpunkts des Exits, zu dem der VC seine Anteile verkauft, eine gute Story, und, wichtigster Punkt: Jährlich mindestens 25% Wertzuwachs bei der Beteiligungsfirma, 50% wären aber besser. Das sind die Regeln des Spiels, ohne die es keinen gewinnbringenden Exit für den VC geben kann, ganz gleich. über welche Firma wir reden. Weder als Börsengang noch als Trade Sale. Bleibt 6A drunter, fressen allein die Fees und Costs des VCs den möglichen Gewinn auf.
Jetzt schauen wir uns mal 6A an: Marktbeherrschung zu Beginn – sicher. Nachdem kein Konkurrent entsprechend Geld bekommt, kann man als VC davon ausgehen, dass es erst mal so bleibt, und die anderen schlechtere Vorraussetzungen haben.
Uneinholbarar Vorsprung ist eigentlich eine Folge davon, zumal der Wechsel der MT-Blogger zu was anderem nicht gerade in 10 Minuten zu machen ist. Aber hier haben sie sich schon verrechnet, nach dem neuen Lizenzmodell gab es Wechsel zu WordPress, und es scheint nicht besonders schwer zu sein.
Die gute Story, das von den Usern geliebte 6A mit seiner netten Software und freundlich bloggenden Gründern, hat gewaltige Macken abbekommen.
Wertzuwachs: Eine Welle der Begeisterung kann ich nirgendwo erkennen, also auch kein Wertzuwachs. Stillstand heisst in diesem Geschäft Untergang, denn es kostet das Geld des VCs. ohne dass der Wert der Firma steigen würde. In so einem Fall heisst es dann “Grow or go”. Mena Trott ist keine gute Story mehr und ist gegangen. Der VC übernimmt das Ruder. Muss er wohl auch, denn nach diesem negativen Pressereaktionen wird er für die nächste VC-Runde garantiert keinen Co-Investor finden – und muss ab jetzt erst mal alles selber zahlen.
Das ist das Spiel. Das sind die Regeln. Es ist nicht mein Spiel, es sind nicht meine Regeln. Es sind die Regeln, nach denen 6A überleben muss. Das soll weder gemein, gehässig oder mitleidserweckend sein. Nur ein Versuch, den Fall nach den Kriterien zu erfassen, für die man sich bei 6A entschieden hat.
Ansonsten – das da oben ist von mir bewusst unpersönlich geschrieben. Kein Wort über U-Blog, 6A, whatever.
Wegen Dotcomtod: Wenn ich 100 Leute mit 200 in den Betonpfeiler habe krachen sehen, dann mache ich mir wenig Illusionen darüber, was beim 101. passiert. VCs sagen selbst, dass im Bereich IT eine Todesrate von 80% bei den Beteiligungen normal ist. Alles kein Problem, solange ein Highflyer dabei ist. Aber 6A scheint es nicht zu werden.
Es ist nicht mein Zynismus. Es ist der Zynismus des Systems.