Wie warŽs denn, insistiert die Kaltmamsell.

Stressig. Und ganz anders als sonst. Wenn man alleine liest, weiss man immer, was als nächstes passiert. Mit sechs anderen sitzen sechs weitere Risikopotenziale auf der Bühne, es ist eine verdammt grosse Maschine, die man als Moderator steuert, und wäre da nicht schon die Generalprobe bei einer Lesung in Frankfurt gewesen, wäre sicher mehr Adrenalin im Blut aller Beteiligten gewesen. Abber Frankfurt entpuppte sich dann als lockere Geschichte, alles sass nach 2 Stunden Vorbereitung, und in Berlin hatten wir gut 7 Stunden Zeit, um uns einzustimmen, Texte einüben, Atemtipps geben. lang-sam- m e r l e s e n, wird schon gut gehen, sie werden Euch lieben, ein paar kleine Pannen vielleicht, aber sonst…

Sonst rief dann die Technik an. Wirklich 7 Leute auf der Bühne? Äh, das mit dem Beamer würde dann aber nicht gehen, zu wenig Platz. Na denn ohne, Powerpoint ist eh was McKinseys, und das sind wir ja zumindest heute Abend nicht.

Ab einem gewissen Punkt, etwa 2 Stunden davor, schaltet man sowieso auf Autopilot. Zusammengepackt, rein in die Autos, rein nach Mitte und kurz vor dem Alex ab zur Volksbühne. Wir suchen den Eingang, draussen stehen schon ein paar, die leider den falschen Termin im Tip Glauben geschenkt hatten. Rauf in das rote Plüschambiente, und auf dem Podium, über dem Parkett, stehen die Tische und 7 knallorangeStühle. Von da an sind es nur noch – 75 Minuten. Aufbau, Soundcheck Checkbabycheckbaby onetwothree Check, Stühlerutschen, Laptop booten, Elfe und Dekaf kennen lernen und sich einen Moment wünschen, man könnte doch auch einfach im Publikum sitzen, mit Elfe plaudern, aber dann geht der Autopilot wieder los, Ulrike von der Presse schiebt die Radioheads mit den Interviews dazwischen, also rauf in die Gedärme der Volksbühne in eine Garderobe, dann nur noch -20 Minuten, runter, Saal ist schon halb voll. Letzte Gespräche, Oli, der beste aller Verleger macht ein paar Andeutungen, 10 Minuten, es ist ziemlich voll und rauf auf die Bühne mit uns, letzte Worte bei -5 Minuten, hinten sind schon keine Pätze mehr, ein paar Stühle werden gebracht, -3, -2, -1, und dann sagt Oli, ich hätte ihm als Sachbuchverleger schon zum zweiten Mal Literatur untergejubelt und insgeheim denke ich böse, ach Oli, wenn Du wüsstest, was ich plane, und dann bin ich auch schon dran, und mache bei der Vorstellung gleich den ersten Schnitzer. Wie heisst Franks Blog nochmal? Ach so, Argh, bei + 7 Minuten. Egal, wie sind on Air, und das Publikum verschwindet in der Dunkelheit.

Wie es zum Buch kam, was unsere Vorstellung war, erzähle ich, wie es wurde, ist dann Kais Teil. Im Hinterkopf immer die Frage: Wer da unten versteht, was wir da eigentlich reden? Wissen die, was Blogs sind? Und langweilen sich die Blogger, weil wir erzählen, was sie schon seit dem Zeitpunkt wissen, als sie Blogs in einem kleinen finnischen Club erlebt haben? Aber dann ist es auch schon +20 Minuten, und wir kommen zu den Texten. take one, take two, take three, take four, take five, wir moderieren sie wie Musikstücke im Radio, kleine Anekdoten, was wir an ihnen mögen, unten im Parkett wird gegluckst und gegrinst, soweit man das durch den Lichtschleier erkennen kann. Kurzzeitig meldet der Autopilot: Rappelvolles Haus, alles ok, das ist ein feiner Abend, die verdammt grosse Maschine läuft, sie ist gut in der Zeit, und wir im Cockpit haben alles unter Kontrolle. Dann bei +45 Minuten die zweite Runde von Texten. Jeweils mit Fragen gespickt, und man merkt bei ihrem Atmen, dass sie längst nicht mehr aufgeregt sind. Eine folgenschwere Frage zur Popliteratur, Marco als Rausschmeisser, fertig, die Publikumsrunde bei + 75 Minuten, erst traut sich keiner, aber dann gehtŽs los, freundlich, weniger freundlich, dann ein blöder Zwischenruf, den Typen stellen und es ihm ganz klar sagen, pass auf Don sagt die Stimme im Kopf, das hier ist Real Life, das ist kein Flamewar (fuckwarumeigentlichnicht, wo ist die Bordkanone ;-)?), hinten stehen die ersten auf und es gibt eine gewisse Unruhe – was? Noch eine Frage? Pech gehabt, das hätte Dir gleich am Anfang einfallen sollen, alles weitere hinten an der Bar, danke für die Aufmerksamkeit, bei +95 Minuten. Aufstehen, umarmen, glücklich sein. Blogs gelesen.

Klar, was sonst. Und genau zu wissen bei + 103 Minuten, wenn auch das letzte Interview gelaufen ist, dass es erst der Anfang war. Und dass alle 7 lieber heute als morgen wieder fliegen möchten. Weil es etwas ist, was man nicht erklären kann, sondern erlebt haben muss. Irre.