Kurz vor und nach der Machtergreifung der damals schwarzblauen Koalition aus ÖVP und FPÖ in Österreich, also 1999 und 2000, war ich längere Zeit in Wien stationiert. Wir von der Auslandspresse fuhren herum, suchten Geschichten, schnüffelten Skandalen und Intrigen hinterher. Unsere österreichischen Kollegen sassen derweil im Cafe Kranzler, kamen aus dem Staunen über diesen Arbeitseifer kaum heraus und bestellten noch einen Braunen bei einem Kellner, der ihnen einen erlogenen Titel gleich mitservierte. Überhaupt würden wir das alles viel zu Ernst nehmen, da passiert schon nichts, ach was der Haider, der macht nix, gengaanŽS Haam.

Will sagen, Recherche und Kritik haben bei weiten Teilen der österreichischen Medien nicht viel verloren. Selbst die besseren Häuser – FM4, Profil und Standard – haben neben einigen renommierten Journalisten eine Vielzahl von, im Landesjargon, Mastdarmakrobaten bis hinauf in die höchsten Ebenen. Und weil nun mal nachhaken und Gegenchecken oft nicht zum Handwerkszeug in Wien gehört, passieren solche Artikel wie der hier im Standard, die mit kleinsten Änderungen und ohne weiteres Nachdenken von Pressetext Deutschland* übernommen werden. Demzufolge gäbe es bei Blog.de inzwischen 30.000 Blogger bei gerade mal 260.000 Unique Visitors (?!) im Monat. Spätestens stutzig hätte der Verfasser bei derBehauptung werden müssen, es gäbe eine Viertel Million MSN Spaces in Deutschland. Hat es aber nicht. Hauptsache Content.

*Nach Selbstbeschreibung: “pressetext.europa (pte) ist die Online-Nachrichtenagentur der New Economy im deutschsprachigen Raum.” Und weiter: “Für den Kunden ist die Nutzung allemal profitabel: Er erspart sich Kosten für den Versand von Pressetexten, die Nachrichten-Recherche oder die technische Implementierung verschiedenster Informationsquellen…” Offensichtlich ist das so.