Wikipedia contra Blogs
Auf der gestrigen Veranstaltung habe ich Dirk Franke von Wikipedia gefragt, wie sich die länderspezifischen Unterschiede in der Popularität zwischen Wikipedia und Blogs erklären.
Einerseits gilt Deutschland als Blog-Entwicklungsland, andererseits ist die deutsche Wikipedia die zweitgröße Sprachversion. Einerseits gelten Blogs in Ländern wie Frankreich, Polen und Iran als außerordentlich populär. Andererseits kommt die iranische Version kaum in die Hufen und die polnische und französischen Versionen hinken, gemessen an der Zahl von Bloggern, auch weit hinter ihrem Potential her.
Dirk Franke machte es an einigen Punkten fest: in Deutschland hat die Wikipedia Glück gehabt, recht früh von den Medien aufgegriffen worden zu sein und die richtigen Leute als “Hubs” zu haben die für eine schnelle Verbreitung sorgten.
Der Deutsche an und für sich, ist möglicherweise auch ein “Qualitätsfaschist”, dem eine subjektive Stimme (wie z.B. in Blogs) nicht so liegt wie eine Enzyklopädie.
Er wollte auch nicht ausschließen, dass die deutsche Wikipedia inzwischen viele potentielle Blogger für sich in Beschlag genommen hat, die dort Artikel schreiben, statt irgendwo Blogs anzulegen.
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Sorry, da ist Dir offenbar ein kleiner Freudscher passiert: muss es statt “Qualitätsfaschist” nicht Qualitätsfetischist heißen? Ansonsten, wie wir in Bayern sagen: Basst scho. (-;
Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war wirklich von “Qualitätsfaschist” die Rede. Und selbst wenn: es war freie Rede und damit nur begrenzt Goldwaagen-kompatibel.
hochinteressant. ich denke auch, dass in deutschland viele potentielle blogger in der wikipedia “feststecken”.
und beides zu machen ist auf die dauer zu zeitaufwändig. das merke ich an mir, denn ich würde auch gerne öfter an der wikipedia mitarbeiten, aber es geht zeitlich einfach nicht, ohne meine sozialen kontakte völlig aufzugeben.
Blogs vs. Wikipedia
Vergleich zwischen der Anzahl der Blogger und der groesse von Wikipedia. Interessant….
So, ich weiss nicht mehr genau, ob mich der zivilisatorische Impuls auf dem Weg vom Hirn zum Mund noch eingeholt hat, gedacht habe ich auf jeden Fall “Qualitätsfaschismus”. Was natürlich hochspekulativ ist, wahrscheinlich empirisch kein bißchen gedeckt, aber ich denke schon, dass Deutsche eher das Verlangen haben etwas “objektives, bleibendes, richtiges und wahres” zu schreiben, denn etwas subjektives wie es Blogs nunmal sind.
Mit den “richtigen Leuten” meinte ich aber nicht nur unbedingt extern, sondern auch intern – Leute, die es geschafft habe, andere Leute anzuziehen und zur Mitarbeit zu bewegen.
Und den Konkurrenzbegriff würde ich in dem Sinne sehr ambivalent sehen. Langfristig denke ich eher, beides macht sich gegenseitig stark. Kurzfristig aber gibt es halt nur ne begrenzte Zahl von Leuten, die sowohl den Mitteilungsdrang als auch die Internetaffinität haben und bereit sind, die Zeit zu investieren.
Ich bin nun gar kein Fan von so kulturellen Stereotypisierungen, aber andererseits bringt es natürlich auch Spass.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in D so wenig internetaffine Leute gibt, dass es nicht für ein paar mehr brauchbare Blogs reicht. Vielleicht ist es aber ein Problem, dass “Internetaffinität” in dieser Diskussion überhaupt eine relevante Kategorie darstellt. Wenn man dahinter schaut, sind Wikis und Blogs dermaßen verschiedene Medienformen, die ja auch völlig verschiedene Bedürfnisse befriedigen, dass es mir schwerfällt, da einen Zusammenhang zu sehen. (Die “Szene” differenziert sich natürlich deshalb nicht richtig aus, weil sie so überschaubar ist.) Und zusätzlich ist da der massive Unterschied zwischen Internetaffinität und dem Willen zur Partizipation.
Ich hab im letzten Winter an einer Magisterarbeit über Weblogs rumgestümpert. Das führt automatisch dazu, dass man hundertmal, privat und an der Uni, von blogfernen Leuten gefragt wird, was man da gerade genau mache. Und dabei habe ich recht schnell gemerkt, dass sich praktisch niemand ernsthaft für die Materie oder die grundlegende Idee begeistert, sich beispielsweise mal ein gutes Weblog empfehlen lässt oder was auch immer. Von der Ignoranz und dem Desinteresse, die die Leute vom KoWi-Institut ausstrahlten, ganz zu schweigen.
Das spiegelt sich dann in miesen Klickzahlen wieder (siehe Blogcounter), die wahrscheinlich auch wieder Leuten die Lust nehmen, bevor sie sich richtig warmgeschrieben haben usw. Sprich: Die Dynamik fehlt, die Strukturen sind statisch.
Kann es sein, dass es hier ein kulturelles Problem gibt mit dem Konzept der radikal subjektiven Stimme (die hat ja immer ein egozentrisches Element, eine Abgrenzung gegenüber Gemeinschaft) gegenüber dem übermächtigen Wunsch, dass man sich auf einen Konsens, eine für alle verbindliche Darstellung der Realität einigen möge. Das führt dann zu einem durchschnittlich höheren inneren Widerstand.(Einen besseren Ansatz hab ich nicht, sorry. Mit anderen Worten: eher “Qualitätsfaschismus”)
Ich werde Mitte September vor Firmenmenschen einen Vortrag über Wikis und Weblogs halten und bin einmal gespannt, wie die Reaktionen sein werden.
Das contra sehe ich eigentlich nicht so sehr und bin außerdem mal gespannt, ob es irgendwann sinnvolle Kombinationen geben kann (im Moment muss dogfood ja meinen Pings hinterherrennen und die Namen ausbessern, sowas hätte Vorteile in einem Wiki).
Um Wikipedia und Wikis gruppieren sich ja auch ein paar Blogs mit mehr oder weniger regelmäßiger Berichterstattung und viele Wikis verweisen auf Wikipedia für Hintergründe, lumma.de hatte da neulich ein paar interessante Statistiken dazu.
Wer umfassend ein Thema beackert oder ein Thema irgendwo durchdrücken will, sollte eh nicht nur auf einem Bein stehen – vermutlich können wikis und weblogs helfen, sich gegenseitig auch in Deutschland zu etablieren.
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und viele Wikis verweisen auf Wikipedia für Hintergründe
*gnarf* wo ist der edit-button? dann könnte ich da jetzt die von dir wahrscheinlich gemeinten Blogs eintragen :-)
Naja, das Blog spiegel.de hatte früher mal Probleme, uns auch nur zu nennen. Im Moment arbeiten sie noch, den Nutzen von links zu erkennen.
Ansonsten hilft technorati.com und die anderen üblichen Verdächtigen.
…”Er wollte auch nicht ausschließen, dass die deutsche Wikipedia inzwischen viele potentielle Blogger für sich in Beschlag genommen hat, die dort Artikel schreiben, statt irgendwo Blogs anzulegen.”
Das kann ich nicht ganz glauben – im Rahmen eines Gesprächs mit Jimmy Wales, das ich beim 10. deutschen Trendtag führen durfte, meinte dieser, dass ja gerade bei Wikipedia die 80/20 Regel eher eine 99/1 Regel ist, d.h. dass bei Wikipedia 7o% des Content von 0,3% der User kommen (oder so in der Richtung). Soll heißen, de.Wikipedia basiert zum größten Teil auf wenigen 100 Leuten (unter 400). D.h. das sind einfach zu wenige als die der Blogosphere fehlen könnten.
Ich denke schon eher, dass ein Volk, das mit Brockhaus und Co aufwächst eben diese Enzyklopädien viel viel lieber hat. Und das “sich exponieren”, für etwas einstehen, nicht Teil einer großen Menge sein, hat im deutschen Sprachraum gesellschaftlich nicht ganz die selbe Tradition wie im angelsächsischen zB. Wobei das nur eine oberflächliche Einschätzung von mir persönlich ist… Keine Ahnung ob das belegbar wäre…
Bloggen versus Wikipedia
Über die Freuden und Nachteile des Bloggen habe ich ja berichtet. Bloggen mit dem Privat- und Berufsleben in Einklang zu bringen ist schon stressig genug. Beteiligt man sich noch bei Wikipedia steigt die Belastung noch stärker.
Ãœbrigens, bei Wikip…
Nur mal so dahin gedacht. Ist nich D eines der Länder, mit der höchsten SMS Nutzung?
Warum dann noch bloggen?
Sierra: Sich exponieren ist hier nicht so üblich – könnte sein. Könnte auch sein, dass folglich die Narzißten stärker vertreten sind und dies abschreckende Wirkung auf normalsterbliche Menschen hat ;o)
Für mich ist es ganz einfach der gesellschaftliche Wert.
Wenn man einem Mitstudenten, Kollegen, Freund, Bekannten, … erklärt, man beteilige sich an wikipedia, dann wird dies anerkennend zur Kenntnis genommen. Hat was von Kultur, Intellekt, Gelehrsamkeit, aber auch ehrenamtlicher Arbeit für eine gute Sache. Dagegen gilt das bloggen als Hobby von Teenies und narzistischen Schwätzern und ohne gesellschaftlichen Nutzen.
@strappato: “Teenies und narzistische Schwätzer”. Ja, könnte wahr sein, könnte aber auch eine komplette Fehleinschätzung sein.
Ist das nur Gefühl oder hat das irgendwelche Grundlagen, dass Du zu der Einschätzung kommst?
Oder doch nur die eigenen Erfahrungswerte?
Mal ein paar Gegenthesen (unter anderem auch gegen meine eigene):
Ich weiss nicht, 400 Leute sind nicht viel, aber wenn es 400 sind, die extrem viel machen und daueraktiv sind; mir fällt da ja der (vielleicht falsch überlieferte, aber von mir bestimmt falsch gemerkte) Spruch aus der französischen Revolution ein: 10 entschlossene Menschen, können 10.000 in Angst und Schrecken versetzen.
“Anerkennung.” Ich weiss es auch nicht. Gerade viele von den Hyperaktiven stammen noch aus Zeiten, in denen man für Wikipedia erst ein ungläubiges “Was ist das?” erntete gefolgt vom Kommentar, dass das doch eh nichts werden kann. Bei netten Leuten kam dann noch “Naja, jeder engagiert sich so wie er mag”, weniger nette haben einen dann angekuckt als wär man Yogi-Fliegern beigetreten.
Und zum subjektiven Einstehen: mir ist mittlerweile wieder eingefallen, dass Deutschland ja mal eine sehr aktive und sehr rege Fanzine-Szene hatte, die ich inhaltlich nicht sehr weit entfernt von Blogs einordnen würde. Irgendwo müssten die ganzen Leute doch auch hin sein, bzw. die hat es ja damals auch geschafft, sich zu rekrutieren. Wo sind sie hin?
@siegfried
Ob es wahr ist oder nicht, war nicht mein Thema
Einschub:
Obwohl ich eher geneigt bin, dies so zu sehen, da braucht man sich nur mal die 20six, myblog, usw. anzusehen. Die sind mengenmässig dominierend. Die offizielle first-class-blogosphere hat da meienr Meinung nach eine sehr selektive Sichtweise.
Einschub Ende.
Trotz, oder wegen?, allen Berichten über blogs in den Zeitungen, Fernsehen und anderen old-Medien, werden blogs bei den Normal-Internetnutzern als dummes Geschwätz abgetan. Und mal ehrlich, die blogs, in denen ein gesellschaftlich relevanter Diskurs gepflegt wird, sind doch eher rar. Moblogging von Flughäfen, Strickblogs, Berichte über den ßrger mit dem Chef oder der worst blowjob sind nun mal nichts, was auf Nicht-bloggende user Eindruck machen könnte.
Die Nagelprobe ist die Frage: Warum soll ich blogs lesen? Wäre mal einen keinen Elevator-pitch-Wettbewerb wert. Denn: Ich wüsste auf die schnelle keine gute Antwort. Erst wenn blogger diesen Elevator-pitch mit Erfolg meistern, wird sich was bewegen in Deutschlands blogs, weil, dann blogs-Schreiber und -Leser nicht mehr die grösste Schnittmenge bilden. Dann wird den old-fashioned Medien das Thena blogs nicht nur 3 Seiten oder 3 Minuten in der Rubrik Buntes und Vermischtes wert sein. Ich denke wikipedia hätte keinen Probleme jemanden in 3 Minuten von wikipedia und wikis im Allgemeinen zu überzeugen.
Elevator-pitch – wer macht denn sowas auf blogbar.de ?
“Weil ich durch Lesen von Blogs Menschen kennenlerne, denen ich auch im RL begegnen möchte und mich mit ihnen austauschen kann, ohne bei Adam und Eva anfangen zu müssen”.
Nein ist ein pitch – aber für mich ein ausreichender Grund weiterhin Blogs zu lesen und nicht bei ein paar wenigen hängen zu bleiben.