Was Radio bei iPods und Laptops nicht versteht
Am Anfang war das Radio. Also irgendein Sender, dessen Erzeugnisse man nicht einfach so konsumieren konnte – wie etwa ein Gespräch, eine Zeitung oder etwas, das man gesehen hat. Man brauchte dazu ein technisches Gerät. Das war lange Zeit sehr teuer, aber Radio hatte so viele Vorteile, dass es sich lohnte. Man bekam nach dem Kauf fast kostenlos Musik, Nachrichten, Gespräche, Meinungen. Und es war von Anfang an ein extrem schnelles Medium, schneller als alles andere – und ist es, bei Live-Reportagen, bis heute.
Kurz, die Leute gaben Gel für einen Kasten aus, in den man etwas hineinsenden konnte und was auf der anderen Seite wieder herauskam. Das Radio ist eine einzigartige technische Erfolgsgeschichte, vielleicht nicht so schnell wie das Handy, aber sicher mit enormen Einfluss auf die Besitzer. Und diese Erfolgsstory ist es, die denen, die das Radio mit Inhalten befüllen, demnächst die Gurgel zudrehen wird. Demnächst ist nicht in drei Wochen, aber in einem – für die 90jährige Geschichte des Mediums – kurzen Zeitraum.
Als ich vor ein paar Wochen in Chemnitz auf einem Podium war, fragte ich die anwesenden Kommunikationsstudenten, was sie am Morgen zuerst einschalten: Radio oder Internet. Die Mehrheit schaltet zuerst das Internet ein. Wenn man also weiss, dass selbst bei den Medienmachern das Radio keine allzu wichtige Rolle mehr spielt, wundern einen solche Probleme nicht: Als Informationsmedien haben Radiosender bei jungen Leuten nicht mehr viel zu melden, denn da ist das Internet umfassender und je nach Interessenslage spezialisierter. Als Musiktapete greift man zum iPod und zu Downloadangeboten. Sprich, die Zielgruppe kauft wie vor 80 Jahren wieder teure Kästen, in die was reingeht – aber das Radio, das in der Regel eine Zielgruppe linear bedient, bleibt aussen vor.
Und da wollen sie jetzt hin, allen voran der Bayerische Rundfunk mit seiner nicht mehr auf UKW verbreiteten Multimediawelle für die “junge Zielgruppe”:
Das Angebot von jungen Menschen für junge Menschen soll beispielsweise auch über Beteiligungsformen wie akustische Hörer-Tagebücher aus der Region zum Runterladen auf ein mp3-Gerät realisiert werden. Die Grundhaltung der Jungen Welle ist dabei immer: Bayerisch, selbstbewusst, lebensfroh und nah vier Attribute, die den Umgang mit den Themen und den Hörern on-air, off-air und online bestimmen. Der lineare Programmablauf wird bei der Jungen Welle des Bayerischen Rundfunks bewusst aufgebrochen: Das Publikum ist teilweise selbst Sender und kann zum Beispiel einen Blick in den Audio-Speicher der Programmmacher werfen und online Inhalte vorhören, noch bevor sie von den Moderatoren im Radio ausgestrahlt werden.
Man merkt es: Das kann nicht sein, dass die einen Kasten kaufen, ohne dass das erfolgreiche Radio dabei ist. Da muss man auch rein, das kann ja nicht sein, dass es ohne einen abgeht. Und deshlab investiert man in das Zeug, für das die Kästen bislnag genutzt werden. Man versucht, sich als Radio kleinkastengängig zu machen. Man hätte sie gern wieder, die Nutzer, die den neuen Kästen mehr abgewinnen können, auf Podcastingblogkommraus.
Nun versuchen die ARD-Wellen schon seit Jahren erfolglos, den Internetusern ihre Beitrags-MP3 anzubieten. Was das Radio einfach nicht begreifen will und kann, ist der Umstand, dass man den Kasten iPod oder Laptop kauft, um eben nicht mehr von deren On-Air-Monopolen abhängig zu sein. Es geht dabei weniger um die Begrenztheit des Mediums, sondern einfach darum, dass im Internet alles simultan ausserhalb jeglicher Grenzen geht. Das real eistierende Radio, noch dazu das föderal organisierte deutsche Radio, ist da nur ein Player unter ganz vielen. Und es kommt verdammt spät. Zumal, wenn man sich mal anschaut, was etwa der Zündfunk an “Blogs” bislang anbietet, Anno 2006.
Ab 2007 muss der Internetnutzer in Deutschland auch Zwangsabgabe an die GEZ zahlen, für eben diese Kästchenversager. Kann schon sein, dass sie damit was im Internet für Kästchen aufziehen. Sie werden damit in etwa den Ruf bekommen, den die Musikindustrie heute schon hat. Und hoffentlich das selbe lange Siechtum erleiden. Weil das Rennen der Kästchen bei den jungen Leuten gelaufen ist. Und das, was die Leute jetzt schon im Internet treiben, wird kein Medienmoloch kopieren können.
15 Jahre gebe ich denen noch, bis sie nur noch für Rentner senden.
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Was der Zündfunk da anbietet, sind keine Blogs, sondern klassische Rubriken. Es gibt nichtmal ne Kommentarfunktion.
Ein völlig unstrukturiertes Kraut-und-Rüben-Forum haben sie auch noch, aber separat.
Die öffentlich-rechtlichen Hörfunk-Angebote laufen doch heute schon, bis auf wenige Ausnahmen, ausschließlich für die Altersklasse über 50 Jahre. Dass ist soweit auch in Ordnung, nur dass eben die jüngere Generation ö/r Radios quasi nicht mehr nutzt!
Don, du warst selbst in Berlin. Hier gibt es zwei große Ausnahmen: RadioFritz und RadioEIns. Ich kenne zwar keine genauen UNtersuchungen…Aber RadioEins wird wegen der Sprecher und der Redakteure gehört! Ja da gibt es auch noch Musikredakteure! Diese Sendungen, meist spätabends oder am Wochenende scheinen mir die einzigen iPod fähigen Angebote. Eine Stunde erklärt ein Redakteur im Studio am praktischen Beispiel wie Paul Young wurde was er ist…da könnte es vielleicht 100 potenzielle Downloads geben. Vielleicht!
Diese beiden Hörfunkangebote retten mich bei jeder unsäglichen GEZ-Diskussion. Sachlich ist mit den meisten Mitbürgern schwer darüber zu diskutieren…aber diese Beispiel verstehen zumindet in Berlin eine ganze Reihe von Leuten.
Die Frage, welches Medium nutzt du morgens zuerst finde ich übrigens wirklich schön. Ich kenne immer nur die Mediennutzung im Tagesverlauf.
Und was machen nach diesem absehbaren Radiotod unsere autistisch vor sich hin quakelnden “Hörfunkjournalisten”? Das ist doch schließlich ein Ausbildungsberuf. Sollen die jetzt im Supermarkt die Sonderangebote durchsagen?
Naja, die Muzak bei den ßffentlich-Rechtlichen stimmt uns längst schon perfekt ein auf den Einkauf in einem solchen Erlebnis-Ambiente. Kaum noch ein Unterschied. Bei den Texten ist die Umstellung auch nicht allzu groß: “Hallo-ho, unser Fleischermeister empfiehlt heute ein saftiges, zartes Rumpsteak, das Kilo für nur …”
MfG
Vielleicht hänge ich zu sehr an dem Medium Radio (dass ich allerdings überwiegend im Internet oder per DVB-C höre), aber ich halte es für ein sehr deutsches Problem.
Es dürfte nicht sehr viele westeuropäische Länder mit ähnlicher Bevölkerungsgröße geben, die eine derart trostlose Radiolandschaft haben, wie Deutschland. Und das obwohl z.B. die deutschen ßRs neben der BBC zu den am besten finanziell ausgestattesten Rundfunkorganisationen Europas/weltweit gehören.
Was unter anderem auch ein Problem des Förderalismus/Kleinstaaterei ist. Für den normalen Hörer/Seher ist kein einheitliches Konzept der ARD insbesondere bei den neuen Medien zu erkennen. Das Maximum an Einheit ist es den BR oder SR zu beauftragen, überall eine kleine “Eins” hinzuhängen, um den ARD-Verbund kenntlich zu machen. Ansonsten macht jeder Kleinstaat sein eigenes Nachrichtenradio, seine eigene Servicewelle und nun seine eigene Jugendwelle auf, mit einem Profil so scharf wie ein feuchtes Toastbrot. “Hey, wo ist das Problem? Wir kooperieren doch?! Nachts schalten wir MDR Info auf!”
Während die BBC im 6-Monats-Rythmus in Wahnsinnsschritten die eigene Organisation gen Digitalisierung und Internetzeitalter prügelt, muss in Deutschland schon jedes Audio-on-Demand-Angebot gelobpreist werden. Während die BBC über Copyright-Fragen und einen Open Source-Mediaplayer nachdenkt, hat es das Deutschlandradio immerhin dieses Jahr schon geschafft das OggVorbis-Format anzubieten… Wow.
Das kann man auf die erzwungene Beschränkung des Internetbudgets (ich glaub 0,75%) schieben. Muss man aber nicht. Die BBC ist da schon einen Schritt weiter und macht Lobby-Arbeit für ihre Expansion im Internet: das positive Image der BBC in Sachen Content im Internet soll die gesamte englische Medienbranche auf dem Weltmarkt attraktiver machen.
[…] Am Anfang war das Radio. Also irgendein Sender, dessen Erzeugnisse man nicht einfach so konsumieren konnte – wie etwa ein Gespräch, eine Zeitung oder etwas, das man gesehen hat. Man brauchte dazu ein technisches Gerät. Das war lange Zeit sehr teuer, aber Radio hatte so viele Vorteile, dass es sich lohnte. Man bekam nach dem Kauf fast kostenlos Musik, Nachrichten, Gespräche, Meinungen. Und es war von Anfang an ein extrem schnelles Medium, schneller als alles andere – und ist es, bei Live-Reportagen, bis heute.Weiterlesen bei DonAlphonso: “Was Radio bei iPods und Laptops nicht versteht” […]
ßffentlich-Rechtliche für Altersgruppe ab 50? Das würde ich weder vom Deutschlandradio sagen (das kann man vielleicht als elitär bezeichnen, wendet es sich doch in erster Linie an politisch oder wissenschaftlich interessierte Akademiker)noch vom NDR, der natürlich ein Spartenprogramm für Senioren macht. Ich bin allerdings auch jemand, der nicht podcastet, keinen MP3 Player besitzt und seine MP3s auf dem Rechner als Hintergrundprogramm hört, aber mehrere Stunden am Tag das Radio an hat.
Und ich glaube kaum, dass Mp3 Player etwa bei der küchenarbeitenden Hausfrau/Hausmann oder dem Fernfahrer das Radio ersetzen werden.
Geräuschtapete und aktuelle Informationen. Hmm. Ich persönlich bin ja auch als technophober Kalk kleckernder Senior bekannt. Das wird auch der Grund sein, warum ich den Deutschlandfunk so gerne mag. Die ganze Scheisse des Dudelfunks bleibt außen vor. Berichte sind -soweit man das beurteilen kann- seriös recherchiert. In der ganzen Welt gibt es wohl keine einzige teurer produzierte Sendeminute. Und auch wenn Don DLF/DRadio gerne mal als Hirnfickerei bezeichnet: Das Zeug ist das Beste der Deutschen Broadcasting-Landschaft.
Wann immer ich den Bayerischen Rundfunk einschalte überkommt mich das kalte Grausen. Dudelfunk für alle Generationen. Die Musik ist mies, die Sprüche sind mies, die Beiträge sind …. ehrlich gesagt: mir ist kein Beitrag je in Erinnerung geblieben.
Etwas Off-Topic: Solange das ßfftl.Rechtl. Fernsehen das Private nur nachmacht kriegt die GEZ nur das Geld fürs Radio. Keinen Heller für die Glotze. Mir reicht der Mist, den ich gelegentlich im Hotel sehe.
Daher meine Forderung: GEZ-gebühren nur für die Deutschlandweiten Informationsprogramme DLF, Dradio. Fernsehen und ßft.recht. Dudelfunk von der Subvention ausschließen.
Ach so: Und ich lade gerne die Beiträge vom DLF.Audio.on.Demand runter. Die höre ich auf langen Zugfahrten im MP3-Handy oder als CD mit eigener Musik gemischt auf Autofahrten.
Das ist ehrlich gesagt wirklich gut!
Geht’s nicht vielleicht ein bißchen schneller als 15 Jahre? Meinetwegen hätte der Kasten schon vor etwa vierzig Jahren abgeschafft werden können. Nie mehr ungewollte Belärmung im Taxi, in der Cafeteria, wenn Handwerker kommen und wann und wo auch immer. Wenn ich wissen möchte, wie das Wetter ist, kann ich aus dem Fenster schauen. Verkehrsmeldungen sind Folter. Börsenkurse sollen diejenigen, die’s interessiert, bitteschön der FAZ entnehmen. Und ich hasse es, wenn mir jemand ungefragt seine Meinung aufschwatzt. Von der Musik will ich jetzt mal gar nicht anfangen. Zu Radio fällt mir eigentlich nur Sprenstoff ein.
Hehe, Sprengstoff ist gut, aber Stecker ziehen reicht schon. Im besten Fall ist Radio Selbstzweck, im schlechtesten Fall, Propagandamaschine.
Polemik, so begründet sie auch ist, kommt immer schlecht, wenn man derart viele Tippfehler drin hat. Auch da hilft Software.
Noch eine interessante Frage: Wenn es mit dem Radio aufhört, gehts es dann mit sämtlichen Audio-Medien zu Ende?
Mit Sicherheit wird sich das Format “Radio” in den nächsten Jahren tiefgreifend ändern müssen, letztlich auch durch den schwächer gewordenen Markt und die damit verbundene Auslese. Aber, besteht nicht auch weiterhin Bedarf an Nachrichten, die nur über Audio-Kanäle verbreitet werden können? Was ist mit Reportagen, Musik, gesprochenem Wort?
Mein erster Eindruck ist, dass die Zündfunker es mit eigenen Mitteln und eigener Potenz nicht schaffen, ein 24h-Angebot (und das war doch der lange gehegte Wunsch) auf DAB (tja, nix ist mehr mit UKW) zu schaffen. Stattdessen schnipptelt man sich aus anderen BR-Rundfunksendern Beiträge zusammen. Okay, wird vielleicht nett, aber es wird kaum jemand zu DAB rüberlocken. Totgeburt. Positiviver sehe ich die Internetpläne – immerhin erreichen sie damit ein paar Leute. Ist es denn nicht besser, wenn sie die 0,75% Etat, die fürs Internet reserviert sind, in Zündfunktartige Angebote investieren? Mir persönlich wäre es noch lieber, wenn sie ihre 0,75% für Wikipedia sowie die Internet-Verfügbarkeit freier Literatur, Kunst und Forschung verwenden würden. So würden sie ihrem “öffentlichen Auftrag” m.E. besser gerecht. Besser als dadurch, dass sie redundante Angebote für abgehobene Zündfunk-Spießer und fleißig dünkelnde Jung-Bildungsbürger schaffen.
Sie haben es in der Vergangenheit nicht geschafft ihre Zielgruppe zu erreichen, und sie werden es auch in Zukunft nicht schaffen, schon allein deshalb, weil sie dieser Zielgruppe fremd sind – in jeder Hinsicht. Vielleicht urteile ich hier sehr ungerecht, aber ich werde im Moment einfach den Eindruck nicht los, dass hier GEZ-Kohle für die Pflege extrem spezieller und völig unnötiger Steckenpferde verbraten wird.
“Mit Sicherheit wird sich das Format â??Radioâ?? in den nächsten Jahren tiefgreifend ändern müssen, letztlich auch durch den schwächer gewordenen Markt und die damit verbundene Auslese.”
Wenn , dann wird das aber nur die Privatsender betreffen, für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gibt es ja schliesslich den Medienstaatsvertrag.Aber die schlafen auch nicht,da ja (wahrscheinlich) ab 2007 auf Heimcomputer GEZ-Gebühren erhoben werden.Somit ist deren Zukunft gesichert , egal ob man es hört oder nicht.
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Die Zukunft für mich ist so etwas wie http://www.pandora.com: Man gibt die Band ein, nach deren Musik einem gerade ist – und schon wird man mit Hilfe der beteiligten Musikwissenschaftler mit analog strukturierter Musik von ähnlich veranlagten Bands gefüttert, von deren Existenz man bisher noch gar nichts ahnte. Die Folge: Neue interessante Musik satt, die musikalischen Vorlieben werden exakt bedient, kein nerviger Kommentator und schon gar keine Werbung labert dazwischen, das alte Dampf-Radio ist restlos ausgegrätscht, und die Musikindustrie spielt mit in der Hoffnung auf neue CD-Käufer. MP3-Downloads – sorry, liebe iPod-Enthusiasten – sind bei alldem trotzdem nicht möglich. Nach den “Impossible Shapes” (kannte ich schon) höre ich gerade “Sean Na Na” ( kannte ich noch nicht) und jetzt die “Birds of America” (auch gut).
So ähnlich individuell wird’s also zukünftig gemacht.
Das Ganze funktioniert übrigens auch für uns Deutsche, sofern wir nur eine amerikanische Postleitzahl für die Copyright-Abfrage kennen.
MfG
Chat:
Schau mal auf last.fm. Das ist umsonst und hat noch mehr web2.0 dabei.
Merci vielmals.
ßbrigens ist Pandora auch gebührenfrei.
MfG
Also, als ich das probiert habe, da war das nur die ersten zwei Wochen umsonst. Ist das jetzt anders in der Zwischenzeit?