Weil hier die Frage aufkam: Es ist keine Koketterie, wenn ich sage, dass vielen bekannteren Bloggern die Leserzahlen eher wurscht sind. Ein paar unsortierte Gedanken dazu.

In der Phase des schnellen Wachstums, die die meisten grösseren Blogs mal erlebt haben, bekommt man Zweifel. Man überlegt sich, das Blog dicht zu machen. Mir ging das vor rund zweieinhalb Jahren so, als mein Blog “Rebellen ohne Markt” dauerhaft auf mehr als 1000 Besucher am Tag kam. Damit meine ich nicht die überzogenen Zahlen auf Basis von Awstats, die manche Scharlatane so gerne rumbrüllen, und auch nicht die Googleabfragen, mit denen sich SEO-Trash und Tittenposter wie Erik Hauth feuchte Höschen machen. 1000 echte Besucher, die nur wegen der Texte kommen. Das sind in etwa so viele Leute wie in meinem Gymnasium, 5 mal so viele wie in meinem Institut, 40 mal so viele wie in der Redaktion, und lediglich 100 von diesen 1000 sind so freundlich, hin und wieder etwas zu sagen. 900 kommen, trappeln durchs Blog, denken sich was, und gehen wieder. Man spricht also zu einer anonymen Masse und wenigen Bekannten. Vergleichbar einem grossen, dunklen Saal, in dem man Texte vorliest und nur die ersten beiden Reihen erkennt. Dieser unschöne Gedanke drängt sich einfach auf.

Natürlich schreibt man dann keinen Beitrag ins Blog, in dem man den Zustand beklagt. Aber man redet mit denen, die mit so einer Situation schon länger klar kommen müssen. Und siehe da: Das Problem kennen viele. Wobei: Es spielt kaum eine Rolle bei denen, die nichts Persönliches schreiben. Das Persönliche gehört meines Erachtens aber dazu zum Bloggen, ansonsten ist es halt PR, Googlespam, Werbung oder was auch immer, das auf Basis von Blogsoftware veröffentlicht wird. Und das Persönliche liebt man, es sind die Dinge, die einen selbst bewegen, die dann aber auf die graue, stille Masse der reinen Leser trifft. An dieser Stelle entsteht ein Hürde, ich ich vom Live-Radio kenne: Man sitzt allein vor dem Mikro, die Musik wird ausgeblendet, gleich ist man dran, und draussen sitzen tausende am Radio. Da entsteht ein Fluchtreflex, man wil eigentlich gar nicht mehr, man will nur noch raus. Dann geht das rote Licht an, man spricht die ersten Worte, und alles beruhigt sich.

Und warum: Weil man die Hörer oder Leser vergisst. Sie werden einem egal, wenn man sich auf die Moderation konzentriert. Sie können nicht, und sie wollen beim Bloggen nicht. Kann man nichts machen. Der Weg heraus aus dieser Massendepression ist ein abgeklärtes Verhältnis zu denen. Sie sind halt da. Es sind viele. Sie stören nicht weiter. Sie sind eine abstrakte Zahl im Counter, eine Kurve bei Alexa, sie ändern nichts am Blog und der Qualität der Beiträge. Ich denke, dass das der Grund dafür ist, dass man in viel besuchten Blogs so wenig über die Userzahlen liest. Irgendwann sind sie einfach da, es ist ok, man gibt gerne auch was mit Links und über Kommentare davon ab, wobei ich beim besten Willen nicht glaube, dass es viel bringt, aber warum nicht. Sie kommen schon zurück, und wenn einer bei einem viel besuchten Blog kommentiert, damit Leute kommen – muss er eben was bringen, damit sie bleiben. Meines Erachtens geht das am besten mit eigenständigen, unabhängigen Geschichten. Zumindest ist das der Ansatz der Blogbar. Und es geht.

Aber es ist mir egal, ob es momentan 200, 6000 oder 25.000 Leser am Tag sind. Kommentare sind ein ganz anderes Kapitel; während sich 100 oder 10.000 Leser lediglich an der Festplattenaktivität festmachen lassen, ist der Unterschied zwischen einem und 10 Kommentaren enorm. Sobald Beiträge auf ca. 50 Kommentare kommen, ist es super. Natürlich gehen Kommentare auch Hand in Hand mit den echten Leserzahlen, also denen, die einen Text von Anfang bis Ende lesen und geistig erfassen. Aber Leserzahlen sind nochmal was ganz anderes als die mit strukturellen Analphabeten verseuchten Zahlen, die Messinstrumente ausliefern.