Martin Oetting hat da was gehört: Für 3.000 Euro sollen manche A-List-Blogger bereit sein, für ein “Web2.0-Startup” zu schreiben, ohne es als Werbung zu deklarieren. Mal abgesehen davon, dass es ein ganz schöner Preisunterschied ist zu dem wäre, was man für einen mediokren G-Lister ausgeben muss: ich würde das nicht unbesehen glauben. Wer oft mit Startuppern zu tun hat, kennt das verlogene Pack. Aufsexen, lügen, erfinden, beschönigen und aufschneiden sind für diese Leute in einem Ausmass normal, das die meisten Blogger tomatenrot werden lassen würde “Naturprall” nannte man diesen Zustand zu der Zeit, als ich als Berater unterwegs war. Wenn man bei solchen Geschichten die Hälfte wegstreicht, ist es immer noch zu wenig.

Vor allem, wenn es Deppen sind, die sowas wirklich andenken. Mit 3000 Euro gibt es bessere marketingmassnahmen, als einen Blogger kaufen – Blogger haben nmlich schlichtweg zu wenig Reichweite, um diesen Preis zu legitimieren. Und “schlimmer”: Die Leser sind meines Erachtens vergleichsweise zynisch im Umgang mit solchen Empfehlungen. Ich will hier nicht die Mähr vom mundigen Konsumenten auspacken, aber gerade die von Martin beworbene Firma Trnd sollte eigentlich wissen, was die Meinung ihrer Freebierosettenleck produktaffinen First Mover Tester wert ist: Gar nix. Für zwei lumpige 100 Euro Scheine oder Links zu PR5-Blogs kann man sich eine Menge Awareness kaufen, bis das nächste Marketingpack mit der gleichen Idee den gleichen Blogabschaum ködert. Nachhaltigkeit? No way. Das lehrt zumindest meine eigene Erfahrung, wenn ich ab und zu mal auf Dienste hingewiesen habe. Das Abkacken so eines Schmiererstartups nach der letzten Gewinnspiel-Blogkaufe, das Versagen eines Softdrinks trotz aller gezogenen Register und Hilfen, das Versprechen einer Bedienung der Blogger mit Informationen vor den Medien – das alles befriedigt eher Leute, die zum Bloggen gekommen sein dürften, als sie kein Geld mehr für 9Live hatten. Und natürlich gibt es auch dezidiert korrupte Blogger, die für jeden Scheiss zu haben sind.

Aber: Das sind keine Kunden. Wer als Startup 3000 Euro im Monat für so einen Gimpel verpulvert, wird schnell Probleme haben, das gegenüber den Investoren zu rechtfertigen. Darin liegt die eigentliche Crux dieses Vorgehens. Dazu kommt noch was anderes: Die “A-Lister”, die wirklich in der Lage wären, eine Art Hype um ein Produkt zu veranstalten, sind sehr, sehr selten, weitaus seltener als die 25 Hansel, die in Deutschland als A-Lister bezeichnet werden. Und selbst dieses halbe Dutzend könnte keinerlei Garantien geben, dass es klappt. denn selbst ann müssten die ihre Leser dazu bringen, die Geldbörsen aufzumachen. A-Lister können viel. Aber gerade in deutschland haben sie allesamt nachhaltig bewiesen, dass sie genau diese eine Sache noch nicht mal bei sich selber schaffen. Weil das telent zum Schreiben nun mal selten mit dem Talent des Verkaufens zusammenkommt.

ich würde nicht ausschliessen, dass es dennoch welche gäbe, die mitmachen würden. Prekäre Lebensbedingungen sind bei den Bloggern nicht selten, wie ich überhaupt nur wenige Leute kennen, die bloggen und wirklich gut (mehr als 70.000 Euro/Jahr) verdienen. 3000 Euro ist für manche ein ziemlicher Haufen Geld, da kann es durchaus sein, dass sich einer mal interessiert zeigte. Aber die Argumentation, dass jeder einen Preis habe; der Versuch der generell käuflichen Ecke der Blogosphäre zu sagen, dass wir doch alle die gleichen Stricher werden, wenn das Geld passt – das hat mit der Realität ebenso wenig zu tun wie mit dem, was in den Italowestern vorgelebt wird, aus denen sich solche Sprüche speisen.

Es gibt hier draussen keine Behörde, keinen Marshall, und es geht natürlich auch zu wie im wilden Westen, es finden sich Handlanger und Falschspieler – aber auch welche, die immer noch eine Kugel im Lauf haben. Und das ist das eigentliche Problem für die Tonnenrauasteller: Dass man als Käufling nie wissen kann, wer einen über den Haufen ballert. Denn wie man bei Martin sieht: Die widerlichsten Zyniker sind die Auftraggeber selber, die deratige Pläne verraten. Es gibt immer einen Verräter. Und auf jeden A-Lister kommen 5, 10, 100 andere, die ihn hassen und jede Gelegenheit nutzen, ihn zu diskreditieren. Das sind de facto die Sitten hier draussen. Manchmal werden sie etwas vergessen, bis einer sich wieder eine Ladung Schrot einfängt. Und sich kaufen lassen ist die beste Methode, um an der Mündung der Flinte zu lutschen. Wie heisst es nicht so schön im Vorspann von “2 glorreiche Halunken”?

“Siehst du nicht aus wie jemand, dessen Gesicht 3000 Dollar wert ist?” – “Ja. Aber du siehst nicht aus wie jemand, der 3000 Dollar kassiert.”