Myspace gehört Rupert Mudoch, der meines Erachtens eine sehr unerfreuliche Gestalt des Mediengeschäfts ist. Er ist fraglos auch ein ehrenwerter Mann und hat eine durchaus preiswürdige, unangenehme Einstellung zu den Möglichkeiten, die Spin, Lüge und Netzwerke so bieten. Er kontrolliert Medien, die Mob und Trailer Trash bevorzugen. Er behauptet, auf der Seite des kleinen Mannes zu sein, sagt ab und an auch was nicht Dummes über den Medienbetrieb, für das ihm dann Internetmacher zujubeln, und scheffelt ansonsten Geld mit diesem System, das historisch und politisch durchaus Vergleichsfälle kennt: Der Kirchkonzern in seinen schlimmsten Zeiten, Hugenberg, Berlusconi, und noch einige andere mehr.

Myspace selbst ist werbeverseucht, voller Fakepersonen, deren Absichten alles andere als seriös sind, es gibt Datensammler, Kindsverführer, Nazimusiker, man ist heute als junger Mensch bei Myspace, und so ziemlich alle, die was von jungen Menschen wollen, sind auch dort. Myspace ist eine grellbunte Kindergartenparty, voller geklauter Bilder, Videos und Texten, die Zweifel an der Wirksamkeit von Schulen und Universitäten aufkommen lassen würde, hätte man nicht soeben erlebt, wie dieselben versagen. Myspace ist as Äquivalent zu Junkfood, es trägt nicht wirklich zur Erbauung und Bildung des Menschen ein, und offenen Maules wird es umstanden von den Medien, die nicht verstehen, warum die jungen Leute dort sind. Und nicht bei ihnen. So gesehen ist Myspace auch meines Erachtens nicht das Internet, das ich mir während des Schreibens des Buches, das dieses Blog fortführt, erhofft hätte.

Dennoch finde ich Myspace gut. Gut für die Zielgruppe derjenigen, die keine Ahnung davon haben, was zum Teufel sie eigentlich tun. Das Internet ist nicht nur eine lustige Party, es ist auch Öffentlichkeit, von der und deren Schattenseiten man als junger Mensch in aller Regel keine Ahnung hat. Mama kann einem sowas nicht beibringen, Mama kennt das alles nicht. Und tatsächlich hat es keine Periode der Menschheit gegeben – zumindest kenne ich keine – die so hirnlos und unbedacht mit den eigenen Informationen umgeht. Myspace ist da, wenn man so will, das kleinste Ãœbel.

Denn Myspace ist praktisch abgeschlossen. Mit einer praktischen Googlesuche kommt man bei Myspace nicht weiter, man muss sich als Interessent für Daten schon erheblich aufwendig hineinwühlen. Es ist eben nur dieser eine Space, und dort passiert alles: Bilder, Videos, Texte, es ist ein eigener Raum, den man sich tapeziert und zumindest ansatzweise überlegt, was man da hineinstellt und was nicht. Trotz allem nehme ich an, dass es sowas wie ein grundsätzliche Ahnung gibt, was man besser nicht mit dem eigenen Namen online stellt. Der Kanal Myspace lässt eine Identität entstehen, und so, wie man im realen Leben auch nicht jedem alles erzählen würde, macht das geschlossene Sozialsystem trotz aller exhibitionistischen Tendenzen einen gewissen sozialen Druck.

Das ändert sich, wenn man auf die wenig kluge Idee kommt, das gleiche Spiel auf mehreren Plattformen nebeneinander zu spielen. In der Zeit nach Myspace werden nämlich Flickr, Facebook, StudiVZ, Xing, Myblog, sevenload, Mvideo, Jubiblog, twitter, jetzt.de spannend. So viel zum Ausprobieren, so viele unterschiedliche Möglichkeiten, und so viele Gelegenheiten, den Exhibitionismus noch ein Stück weiter zu drehen. Denn wenn man partout Bilder herzeigen will, die man bei StudiVZ nicht sehen sollte, gehen sie eben zu Flickr. Video vom letzten Autorennen durch die Stadt stehen unter einem anderen Nick bei Myvideo. Bei jetzt.de gräbt man Kinder an, bei Xing knüpft man schon mal Kontakte für das Berufsleben. Für jeden Aspekt des Lebens gibt es ein eigenes soziales Netzwerk, jedes dieser Netzwerke verlangt eine andere Facette der Persönlichkeit, mehr Öffentlichkeit, Herausgabe von Daten, um dort zu bestehen. Und irgendwo liegen dann auch noch die allerersten, peinlichen Versuche eines Sexblogs rum.

Das Problem ist nach meinen Erfahrungen der letzten Monate das reale Freundesnetzwerk der Betroffenen. Man kann sich noch so gut mit verschiedenen Nicknames verstecken, wenn man in anderen Sozialen Netzwerken dann die Sau rauslässt, die man bei StudiVZ verschweigt – die Freunde sind der Schlüssel jeder Nachforschung, wenn sie ebenfalls in diesem Netz unterwegs sind. Und es ist immer einer dabei, der die Sau nicht rauslässt und denkt, dann kann er ja mit seinem altbekannten Nick weiterspielen – und somit der Schlüssel zu seinem identischen Umfeld im neuen sozialen Netzwerk ist.

Wie das geht, sieht man übrigens auch schon innerhalb von StudiVZ: Man kann dort zwar das eigene Profil und die mitunter etws peinlichen Gruppen verbergen, aber wenn man irgendwo als Freund auftaucht, reicht es meistens, die Gruppen der Freunde durchzugehen, um die Gruppen der Betreffenden zu finden. Und das verborgene Profil hilft da nicht weiter – die wenigsten dürften wissen, dass das Abschalten des Profils einen in den Gruppen weiterhin sichtbar bleiben lässt. Anmelden, reingehen, schauen, was der Mensch mit dem verborgenen Profil so schreibt – kein Problem.

Das Problem der Datensicherheit ist weniger die Software eines Startups, das Problem sind die Querverbindungen und Spuren aus diversen sozialen Netzen. Die Schlamperei mit den eigenen Daten und Inhalten potenziert sich, wie auch die Möglichkeiten, Personen zu durchleuchten. Man muss nicht bei StudiVZ schreiben, wie die eigene Freundin heisst, wenn ihr Bild mit Beschreibung bei Flickr ist, das ein Kumpel unter “des StudiVZlers tolle Bilder” auf seinem Blog verlinkt. Der Glaube, durch eine Aufteilung der Interessen auf verschiedenen Plattformen den Datenschutz unter Kontrolle zu haben ist, so überhaupt vorhanden, eine Illusion.

Myspace bündelt das alles. Myspace bedeutet, dass die jungen Nutzer des Netzes (klingt saualt, ich weiss) weitegehende Kontrolle über ihre Daten behalten. Und den Krempel, wenn er ihnen mal peinlich ist, mit einem Knopfdruck löschen können. Etwas, das man schnell vergisst, wenn man gleichzeitig 10 soziale Netzwerke beliefert. Und dort steht das dann, bis der Server ausgeschaltet wird, oder es einer findet, den es nichts angeht. Nicht gut, das. Wirklich nicht.