Sekten & Co.: Mit Blogs in die Reputationshölle
Wer rĂŒckgratlose Schleimerei ĂŒber sich in Blogs lesen möchte, sollte sich vielleicht mal an die Apollo Ltd. in Honkomg wenden, die aus RumĂ€nien das Projekt “Gamegoods” betreibt und dort als Gold- und ItemhĂ€ndler fĂŒr das Onlinespiel World of Warcraft auftritt. Gamegoods jedenfalls hat sich zum Promoten ihrer Dienste vertrauensvoll an den Schweizer PR-Dienstleister Trigami gewandt, und Trigami hatte tatsĂ€chlich einen Haufen Blogger bei der Hand, die das illegale, weil auf Urheberrechtsverleztung aufbauende GeschĂ€ftsmodell von Gamegoods ausprobierten – was auch juristischen Ărger nach sich ziehen kann – und in ihren BeitrĂ€gen durch die Bank fĂŒr gut befanden. Das gleiche klappte auch beim “Hilfswerk” einer radikalen, evangelikalen Sekte, die sich dann der UnterstĂŒtzung von bekannten kommerziellen Bloggern wie Trigamis Vorzeigeautor Roman Hanhart erfreuen konnte – bis sich dieses Blog hier mit der Sache auseinandersetzte.
Wie man es besser nicht machen sollte: Momentan spamt die angebliche Hilfsorganisation World Vision deutsche Blogger, um einen “Blogday fĂŒr Patenkinder” anzustossen. Blogger sollen bitte auf das Anliegen von World Vision hinweisen, und sie haben offensichtlich von anderen Pleiten gelernt, denn die Mail beginnt so:
Wir bitten Sie heute nur persönlich um ein paar Minuten Ihrer Zeit und entschuldigen uns ausdrĂŒcklich fĂŒr das Herausfischen Ihrer Emailadresse aus dem Impressum.
Nicht schlecht – wĂ€re es nicht verhĂ€ltnismĂ€ssig einfach, sich World Vision mal etwas genauer anzuschauen. Zum Beispiel bei Wikipedia, die umfassend ĂŒber die evangelikalen BezĂŒge des Hilfswerks berichtet:
In Deutschland ist seit 1991 der evangelische Pfarrer Wilfried Reuter Vorsitzender von World Vision Deutschland e.V.. Reuter war bis zum Jahr 2005 10 Jahre lang Leiter der evangelischen theologischen AusbildungstĂ€tte âGeistlichen RĂŒstzentrum Krelingen”, das in der evangelischen Landeskirche arbeitet und vom Evangelischen Pressedienst wiederholt als “evangelikal” und “evangelikal-konservatives Zentrum in Deutschland” bezeichnet worden war.
Ich bin nicht herzlos, und ich finde durchaus, dass es unerfreuliche ZustĂ€nde auf dieser Welt gibt, die man öffentlich machen und immer wieder anprangern soll und muss, die ganze Kette von den Verursachern ĂŒber die Verharmloser bis zu den Nutzniessern. Aber dazu möchte ich nicht einer Organisation zuarbeiten, die einen Zustand zu beheben verspricht, und dabei Teil eines anderen, unerfreulichen Zustandes ist. Mit so einem Vorleben jedenfalls sollte man es sich als Organisation gut ĂŒberlegen, Blogs fĂŒr kostenlose Werbung anzuquatschen. Es sorgt eher dafĂŒr, dass man hinschaut, mit wem man sich da einlĂ€sst. Und wer da keine weisse Weste hat, findet sich trotz freundlicher Anrede nicht als UnterstĂŒtzter, sondern als Kritisierter wieder.
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World Vision (kram, kram… Bingo!). Ich wusste nicht mehr, warum sich mir bei dieser Bude intuitiv die ZehennĂ€gel aufrollen, aber meine Föstplodde lĂ€sst mich nicht im Stich;-)
Erinnert sich noch wer an diese fette KraftZumLeben-Kampagne mit SechserEisen-Schwinger Bernhard Langer als Zugpferd, so gegen Ende 2001/Anfang 2002?? Initiator war damals die Christliche InterNet-Arbeitsgemeinschaft e.V., die von World Vision mitbegrĂŒndet wurde.
Aber das Ding war eine globale Marketing-Kampagne der Arthur S. DeMoss Foundation aus den Staaten, die milliardenschwer im speckigen BibelgĂŒrtel der USA hocken und selbst bei den Amis als ultra-rechts gelten. Es gab (und gibt bestimmt immer noch) viele Querverbindungen zwischen DeMoss und World Vision (u.A. hochrangige World Vision-Manager, die zu DeMoss wechselten), also hat mein neuerlicher Kotzreiz schon seine Richtigkeit.
Wer sich vor diesen Karren spannen lÀsst, sollte exakt und scharf argumentieren können, warum er das tut.
[…] Das kann funktionieren, wie das Beispiel hier zeigt. Das kann aber auch ganz dumm nach hinten losgehen. In einem aufschlussreichen Blogbar-Artikel Sekten & Co.: Mit Blogs in die Reputationshölle taucht nun World Vision in einem Zusammenhang mit der sektenähnlichen Gruppe Hilfswerk und der Blog-Spam-Bude Trigami auf und macht auch sonst keine gute Figur. […]
Naja, sie haben wohl ein paar Dutzend (oder hundert Blogger)n angeschrieben, da kann sowas schon mal passieren, dass man die Idee an sich gut findet und einen Link setzt. Nur muss man leider feststellen, dass es dort auch schwarze Schafe gibt, die das ausnutzen. Um so widerlicher finde ich deren AnsÀtze.
Damals wurde RTL wegen der Aussendung der Werbespots fĂŒrchterlich angedisst und sie haben das dann aus ihrem KoofMich-Programm genommen. Dann war Grabesruhe um World Vision, zumindest hierzulande.
Dass diese SpendenjÀger nun nach angemessener Medien-Absens wieder umtriebig werden (es gibt ja auch wieder zaghafte Spotserien im Sparten-TV), zeigt nur, mit welcher Beharrlichkeit solche ScheinwohltÀter ihr GeschÀft verfolgen. Man lotet aus, ob die damaligen Schandflecke noch auf der Weste erkennbar sind und wenn nicht, dann druff auf die Ahnungslosen.
Die kommerzielle Korruption der BlogsphÀre steckt vermutlich erst gerade in den Kinderschuhen.
Aber warum verliert man so viele Zeilen mit Nachweisen oder MutmaĂungen darĂŒber, ob der Pfarrer evangelikale Sympathien hegen könnte? Was haben die Differenzen zwischen verschiedenen Richtungen innerhalb der EKD mit dem Thema zu tun?
Weil es gut ist, wenn sich jeder ein Bild darĂŒber machen kann.
Wir haben ein seit Jahren ein Patenkind bei World Vision. Wir erhalten regelmĂ€ssig Nachricht und einmal im Jahr ein aktuelles Foto. Ein an World Vision Simbabwe geschicktes PĂ€ckchen ist definitiv angekommen, denn auf einem Foto des Kindes waren Buntstifte und ein Block zu sehen, die im PĂ€ckchen waren. Ob World Vision evangelisiert oder nicht ist uns egal. Wir wollen, dass ein kleiner Kerl eine Chance auf regelmĂ€ssige ErnĂ€hrung und Schulbildung hat- und es klappt. Ob er hinterher evangelisch oder katholisch oder sonst einer Religion angehört ist zweitrangig, Hauptsache er ist einigermaĂen satt und kann lesen und schreiben.
Man muss nicht alles glauben, was bei Wikipedia steht. Laut Spiegel ist das, was dort steht, alles andere als demokratisch entstanden. Ich bin weder Christ noch evangelikal, aber dennoch unterstĂŒtze ich die Arbeit von World Vision mit einer Patenschaft und ich habe durchweg gute Erfahrungen gemacht. Wenn man sich die Internet-Seiten der verschiedenen World Vision BĂŒros weltweit ansieht, wird ĂŒberall betont, dass man mit Christen der verschiedensten Glaubensrichtungen zusammenarbeitet und wenn man World Vision und Pakistan googelt, sieht man, dass die Organisation sogar mit Mitarbeitern islamischen Glaubens zusammenarbeitet.
Ich kenne jemanden, der viele Jahre fĂŒr World Vision Deutschland gearbeitet hat. Sicher, die Wurzeln dieser Organisation sind sehr evangelikal und sehr amerikanisch. Aber die deutschen Mitarbeiter z.B. sind oft ganz normale Christen ohne extreme Ansichten. Eher so evangelische Kirchentagsbesucher und “Gutmenschen” wie solche Leute ja von den Coolen dieser Erde schnell bezeichnet werden. Der Zusammenhalt ist dort sehr ausgeprĂ€gt, was sicher auch am gemeinsamen Glauben liegen kann. Vor Ort arbeitet World Vision aber – wie von NICHTCHRIST gepostet – tatsĂ€chlich mit allen Religionen zusammen. Und die Patenschaften laufen ja imo auch sehr gut und beschwerdefrei. Man kann christliche Organisationen natĂŒrlich immer kritisieren – aber fĂŒr evangelikale Gotteskrieger halte ich World Vision nicht.