Im Oktober 2000 war ich auf einer Party in einer Räumlichkeit beim Haus der Kunst in München eingeladen. Dass es schon nicht mehr die ganz tolle zeit der New Economy war, merkte man nicht nur am Fiingerfood, das schlichtweg zu gering ausgefallen war. In Zeiten des allgemeinen Cost Cuttings hatte es auch die Autos eines beteiligten Projekts erwischt: “Vivi@ns“, Mitarbeiterinnen der damals gestarteten neuen Frauenzeitschrift von Burda, fuhren in einer kleinen Flotte üppig beklebter Smarts vor. Und dabein sollte Vivi@n doch erklärtermassen die Blaupause für die zukünftige Ausrichtung von Printtiteln sein, von einem üppigen Onlineangebot begleitet und ein starkes Communityelement definiert. Die Party war dann eher langweilig und trist, aber immer noch ein rauschendes Fest gegen den Tag, an dem die Redaktion auf der Website nach neuen Stellen suchte – und diese dann schnell plattgemacht wurde. Nach enormen Anlaufproblemen und einem von Februar auf Oktober verschobenen Start wurde es eine der grösseren publizistischen Pleiten des Jahres.

Man sagt, Geschichte wiederholt sich nicht, und ich sage, dass sowas nur Leute sagen können, die sich mit Geschichte nicht auskennen. Ich denke, die modernen Vivi@ns tragen Namen wie Ivyworld.de (Burda) und Utopia.de, setzen sich wie Vivi@n in eine Nische und hoffen, dass irgendwann schon die passende Community entsteht. Wer sich die beiden Portale angeschaut hat, wird bemerkt haben, wie zäh sich das Wachstum bislang gestaltet. Bei beiden sind die Inhalte eher lieblos zusammengeschrieben, für eine Zielgruppe, die es im Kopf der Vermarkter gibt, aber nicht zwingend in der Realität und schon gar nicht bei deren Leserschaft.

Ein ähnliches Prinzip Hoffnung treibt meines Erachtens auch die diversen Kochprojekte um. Burda ist mit Bongusto.de dabei, Gruner+Jahr mit dem web2.0igen essen-und-trinken.de, und der Kochverlag Graefe und Unzer hat für Kuechengoetter.de einige Blogger und Autoren eingespannt. Es lohnt sich, die Seiten nebeneinander aufzumachen und zu vergleichen: Mal abgesehen von den Farben sind die Ähnlichkeiten frappierend. Und alle hätten sie gern eine Community für ihren Cross Media Ansatz. Alleinstellung? Keine Ahnung. Mitmachen? Wo ist der Benefit? Rezepte tauschen, ah ja. Hm. Wenn man genauer nachliest, fällt Bongusto – zumindest in meinen Augen – durch die lieblose Machart ab, und die Küchengötter hatten zumindest heute Abend ein wenig vom technischen Fluch der WAZ – auch hier war die Agentur Artundweise am Werk.

Aber wo wollen die hin, und was sorgt dafür, dass die Nutzer mitgehen? Ich werde den Eindruck nicht los, dass man heute wieder genauso planlos wie zu Vivi@ns Zeiten vorgeht. Auch damals waren die Inhalte nicht schlecht. Die Zielgruppe hat es auch irgendwo gegeben. Aber das zusammenzubringen, ist eine hohe Kunst, und nicht mit ein paar verlosten Fresskörben, CO2-Emissionszertifikaten, Gratisrezepten und Ratschlägen für eine bessere Umwelt zu machen. Dass Verlage eine Strategie für das Internet brauchen, wenn ihre Inhalte dort einfacher zu verteilen und zu finden sind, steht ausser Frage, natürlich lassen sich Mitglieder prima verwerten, siehe etwa die Kuechengoetter-AGB (http://www.kuechengoetter.de/verschiedenes/agb.html) Marke Halsabschneidung

Mit der Einstellung räumen die Nutzer Küchengötter an den Inhalten unwiderruflich die nicht-ausschließlichen, weltweiten und inhaltlich unbegrenzten Nutzungsrechte zur Veröffentlichung und Verbreitung der Inhalte im Internet ein, insbesondere das Datenbank- und Archivierungsrecht und das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung sowie zur Sendung (jeweils zur Selbstnutzung und Lizenzvergabe an Dritte); die Rechtseinräumung gilt über das Nutzungsverhältnis hinaus

– aber ich frage mich, ob man Nutzer nicht doch flexibler halten kann, ohne den Zwang zu einer Community, einfach auf Grundlage konsequent guter Inhalte. Mich zumindest schreckt all der zusätzliche Ballast dieser Seiten ab, den Communities verlangen – die aber kaum entstehen werden, wenn die Vereinnahmung der Nutzer den Nutzwert der Seite in den Schatten stellt. Nutzer sind nicht blöd, wenn es ihnen etwas bringt, kommen sie wieder. Aber das hat schon Vivi@n mit dem Versuch, als Leserinnen “Vivi@ns” zu machen, nicht verstanden.