Es gibt einige Blogger, die mit Diensten wie Places, heute gern auch mit Twitter, hziemlich viele Menschen wissen lassen, wo sie gerade sind, und wohin sie sich begeben. Theoratisch lassen sie es damit jeden wissen, der ĂŒber einen Internetanschluss verfĂŒgt. Und wenn ich dann die penibel dokumentierten TagesablĂ€ufe lese, die eigentlich niemanden etwas angehen, bin ich versucht zu fragen, ob die nicht alle den A ob die angesichts des angeblichen sozialen Sogs nicht mehr zum Nachdemken kommen ĂŒber das, was sie da eigentlich tun.

Ich frage mich das, weil ich vor ein paar Jahren bei einer Studie involviert war, die eine mobile Softare testen sollte, die Twitter – und hier besonders auch die kontinuierliche Lokalisierung der Freunde – vorausgeplant hat. Das Projekt wurde von einem kleinen Startup, einem Mobilfunkkonzern und einer grossen Agentur umgesetzt, und brachte fĂŒr die kommerzielle Nutzung eher enttĂ€uschende Resultate zutage. Die teilnehmer, jung, netzaffin, gebildet, Traumzielgruppe, hatten Angst vor derartigen Lokalisierungs- und TĂ€tigkeitsfunktionen, und etwas, das ich als gesundes Bewusstsein fĂŒr PrivatsphĂ€re bezeichnen wĂŒrde.

Hatten wir damals nur die “falsche” Zielgruppe? Hat sich da etwas in den letzten fĂŒnf Jahren dramatisch verĂ€ndert, oder liegt das vor allem daran, dass viele Nutzer solcher Dienste ohnehin durch Blogs, StudiVZ etc. kaum mehr Hemmungen haben, alles möglichst vielen möglichst oft mitzuteilen? Bei Twitter kommt noch eine gewisse “publish or perish”-haltung dazu; nur wer dauernd mitquasselt und alle möglichen Leute “updatet”, wird im Strom der Nichtigkeiten wahrgenommen.

Ich stelle mir diese Frage besonders nach dieser Woche, in der ich mich auf meinem Blog, was meinen Aufenthalt angeht, ziemlich durchgelogen habe. Ich war ĂŒberall, wo ich gewesen zu sein behaupte, aber das Blog bildet ĂŒber weite Strecken nicht den realen Ablauf ab. Ich mache inzwischen Bilder mit der Idee, sie irgendwann zu bringen, um meinen Aufenthalt woanders zu vertuschen, ich konstruiere einen Lebenslauf, weil ich den Eindruck habe, dass meine RealitĂ€t all die Unbekannten im Internet nichts angeht. Manche Orte lasse ich aus, manche Tage werden Tage spĂ€ter nachgereicht. WĂŒrde man als Einbrecher mein Blog als Ortsbestimmung benutzen, hĂ€tte man gute Chance, in der scheinbar leeren Wohnung meine historische Stichwaffensammlung anders einzustecken, als es aus rĂ€uberischer Sicht angenehm wĂ€re. Manchmal kommentiere ich von unterwgs, um eine Anwesenheit daheim vorzutĂ€uschen, manchmal ignoriere ich Debatten, um zeitliche FreirĂ€ume zu schaffen. Manchmal schreibe ich einen Beitrag und poste ihn Tage spĂ€ter.

Weil es da draussen keinen was angeht, was ich wirklich tue. Weil ich absolut nicht einsehe, was mein reales Leben irgendjemanden, und seien es die besten Kommentatoren, angehen sollte. Das Blog ist ein Mittel zur Entlokalisierung, es erlaubt Reisen, wenn ich auf der Dachterasse bin, und bleibt daheim, wenn ich zu einer Auktion fahre. Es ist kein Seelenstrip, sondern eine Schutzschicht, ein Panzer, den ich niemals ablegen wĂŒrde, angesichts all der Idioten, die sich im Netz rumtreiben. Gegen SchĂ€uble sein und gleichzeitig 20 mal am Tag festhalten, was man gerade so tut, passt nicht zusammen. Es mag konservativ klingen, aber schon Blogs können einen wĂ€hrend des Lernprozesses im Umgang mit der Internetöffentlichkeit ins Schleudern bringen. Ich will nicht ausschliessen, dass man sich Ă€hnliche Kompetenzen auch bei anderen Diensten aneignen kann. Jeder muss die Grenzen fĂŒr sich selbst definieren, aber ich fĂŒrchte, dass es beim dummen Gequassel der gelangweilten ZeittotschlĂ€ger erheblich schwieriger ist, als in der komplexen Konstruktion einer Persönlichkeitskonstruktion im Blog.