Verkauf und Vermarktung sozialer Bindungen
Bin ich eigentlich der einzige, der bei so einer Formulierung stutzig wird? Gibt es einen Bereich des normalen wirtschaftlichen Lebens, in dem das üblich ist? Prostitution ist in meinen Augen eine banale Dienstleistung, ist also keinesfalls mit dem Vergleichbar, was soziale Netzwerke tun, wenn sie sich selbst als Paket anbieten, oder das Verhalten ihrer Nutzer als Werbemarktplatz.
Doch. Es gibt Beispiele. Die Tupperwareparty, oder die Typen, die ihen Bekannten für eine Provision sinnlose Versicherungen aufschwatzen. Ansonsten wäre es aber hochgradig unüblich, mit sowas hausieren zu gehen.
Aber inwiefern kann ein Dritter davon profitieren, wenn zwei andere miteinander gut können? Die Frage klingt dumm und banal, aber es scheint mir, als könnte das der Schlüssel zur kommerziellen Problematik von “social networks” sein. Gestern hat sich Holtzbrinck in einem Interview vom Ziel verabschiedet, 2008 mit StudiVZ Gewinne zu machen, Yahoo ist an der Vermarktung von Flickr ebenso gescheitert wie Google mit der Videoplattform Youtube. Der Medienunternehmer Murdoch hat mit den fraglichen Aussichten von Myspace an der Börse ein üppiges Vermögen verloren, und irgendwie scheint es auch bei Facebook nicht mehr so schnell voranzugehen – vom vergeigten Deutschlandstart mal ganz abgesehen. Einer meiner Favoriten, der 2006 äusserst heisse Clubdienst Schwazekarte, ist schon lange wieder auf dem absteigenden Ast.
Auf der einen Seite irrwitzige Clickzahlen und hoher Aufwand für den Traffic, dazu der ständige Stress mit den Nutzern, die irgendwelchen Blödsinn von Nazitum bis Taschengeldprostitution betreiben, auf der anderen Seite kein Ansatz, um mit den miserablen Clickraten für Werbung fertig zu werden. Das sieht nicht gut aus. Von den vielen kleineren Versuchen, spezialisierte Netzwerke für Küche, Verein und Hund aufzumachen, mal ganz zu schweigen, oder den Shoppingcommunities, bei denen die begeisterten Kommentatoren offensichtlich gefaked sind.
Das alles ist nicht mal mau, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, sondern: Es ist schlecht. So schlecht wie jeder Dienst, der Leistungen verschenkt und nicht weiss, wie man das refinanzieren soll. Keine Bank, kein Kaufhaus, kein Bäcker und lediglich ein paar linke Restaurants, bei denen jeder in die Schublade legen kann, was er will, kann so funktionieren. Umgekehrt sehe ich aber auch nicht, dass mit dem Thema Merchandising viel möglich wäre. Dazu werden soziale Netzwerke zu sehr als Dienstleister wahrgenommen – und StudiVZ-T-Shirts habe ich auch schon lang nicht mehr gesehen.
Ich glaube nicht, dass aktuell Microsoft wirklich so dumm ist, facebook zu kaufen. Ich halte das für einen Spin, um Yahoo unter Druck zu setzen, die sich immer noch verkaufen möchten. Die erste Investition von Microsoft hat Facebook mit 15 Milliarden bewertet, der gesamte Kauf müsste substantiell mehr einbringen, 25 oder 30 Milliarden vielleicht. Und wofür? Für eine Klitsche ohne Geschäftsmodell und Gewinne?
Sehe ich nicht. Vielleicht, weil ich nicht wie “Netzökonom” Holger Schmidt von der FAZ irgendwelchen mit Millionenzahlen garnierten Scheissdreck abschreibe, den mir Pressemitteilungen und Studien komischer Klitschen vorwerfen (http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/arc hive/2008/05/02/soziale-netzwerke-werden-zum-massenph-228-nomen.aspx)
Sorry, the comment form is closed at this time.
wert aus verbindungen zwischen dritten = element des sozialen kapitals. um dieses zu heben, kann man sich mit einem der beiden verbinden und dann auf die ressourcen des anderen indirekt zurückgreifen. so die theorie, bei untersuchungen zum sozialen verhalten von netzwerkaktueren auch festgestellt.
einfaches beispiel: wenn dem don seine schwester eine hübsche ist und ich mangelhaft raffiniert bin, lade ich den don auf ein bier ein und hoffe, über *seine verbindung zu der mir dritten hübschen schwester* auf ihre ressourcen (i.e. tiefgreife juristische gespräche usw.) zugreifen zu können.
so in etwa stets in burt 1983.
ich hoffe, dass bsp nimmt mir der hausherr nicht übel. grüße aus aus sonnigen heimat btw.
Das wäre fast so profitabel wie meinvz, das kann ich hier garantieren :-)
Das Youtube kein Geschäftsmodell hat, wage ich aktuell noch zu bezweifeln.
Momentan ist es doch so, dass Geräte wie beispielsweise das AppleTV (ich glaube die Wii hat sowas auch), die nur und ausschließlich eine Youtube Anbindung zur Verfügung stellen, obwohl es X andere Portale gibt. Wenn es dann genug Geräte im Feld gibt, wäre es für Google ein einfaches vor jedem Video einen kurz Werbespot einzublenden (und dank der Geräte vielleicht sogar noch zielgruppenorientiert, der Apple Nerd hat ja vielleicht das Geld lockerer sitzen fuer technische Gadgets).
Den werbegewohnten Fernsehzuschauer wird es freuen, dass es nur ein Spot ist…
Vielleicht muss man nur “etwas” langfristiger denken, vielleicht haben wir aber auch Glück und gewisse Dinge lassen sich nicht vermarkten…
es ist die ehrfurcht vor millionenzahlen. die geilheit, über ultrakewle startups zu berichten, sich im glanz von web2.0 zu sonnen.
wenn man endlich flächendeckend gerafft hat, dass sich von trafficzahlen alleine nichts kaufen lässt. wenn man sieht, dass bei all diesen plattformen kein geschäftsmodell dahinter steht (alles für umme gegen nervige werbung ist kein geschäftsmodell). die ewigen durchhalteparolen (siehe kommentar über mir) verstummt sind. wenn man kapiert, dass man mit ein paar bannern keine angestellten bezahlt bekommt. alles nur blabla war, high-fly ohne substanz. dann ist die party vorbei.
Sie wollen aus allem geld machen, aber sie sind zu einfallslos. Sie lesen (oder irgendwelche Berater von ihnen), daß “Communities” groß im Kommen sind, also kaufen sie die auf, klatschen die mit Werbung zu und meinen, jetzt das dicke Geld machen zu können. Klappt natürlich nicht. Und das ist auch gut so. Es ist nämlich u.a. auch ein deutliches Signal in Richtung derer, die den Menschen nicht mehr als Bürger ansehen, sondern lediglich noch als Konsument (den es zu schröpfen gilt). Der feuchte Traum jener, die beständig den “homo ocoenomicus” ausrufen, kippt in einen Albtraum um. Und auch das ist gut so.
Du bist nicht der einzige, dem bei dem Titel komisch zumute wird.
Ist doch klar, wer 100 mio € in eine Seite reinsteckt, der will am Ende > 100 Mio damit erwirtschaften. Wenn es auf die anfängliche Tour nicht geht, dann wird zu härteren Bandagen gegriffen, und dann ist ein vor einem halben Jahr “mal geäussertes” “Wir verkaufen keine Nutzerdaten” schnell wieder vergessen.
Schön, dass aus ihren eigenen Claims á la “kauf Dich glücklich” nichts wird. Ich kann das nur immer und immer wieder betonen.
Ich glaube nach wie vor, da “niemand” weiß, wie es weitergeht. Vllt. sind Ausgaben für die Ãœbernahme von socCom wie studiVz für Medienkonzerne nur peanuts, mit denen man “ausprobiert”, was wohl funktionieren kann.
De facto sind Print-Werbeanzeigen für Auto/Jobs/Immobilien schneller geschmolzen als Polarkappen und die alleinige Aussage “mitmichnich”, was Internet betrifft, hilft halt nicht mehr weiter.
Bevor hier noch jemand sagt, man müsse halt nur wieder zum Qualitätsjournalismus von Uni-Blättchen der 80iger zurück, kann ich sagen, daß die Nummer wohl gelaufen ist.
“Irgendwie” muß man ran an den Feind … äh… Kunden und wenn Internet quasi zu einem POI point-of-information wird, wird man sich entsprechendes einfallen lassen müssen. Und ja, Beziehungen sind kommerzialisiert … waren sie auch schon früher, wenn man nicht im öffentlichen Dienst arbeitete (da benötigte man bloß das richtige Parteibuch um selbst Hausmeister zu werden) oder man Omma Lisbeth brauchte, weil die Beziehungen zum Ersatzteildienst hatte und einen Auspuff besorgen konnte. ;-)
Angeblich hat Facebook 70 Millionen “aktive Mitglieder”. Wer’s glaubt.
Das hieße Microsoft würde 400 Dollar pro Mitglied zahlen.
Echt jetzt. Was rauchen die in Seattle?
@avantgarde, facebook hat nicht nur angeblich sondern nach medienberichten auch nachweislich über 70 mio produktive mitglieder.
aber kann mir das mit den wertumsetzungen auch kaum vorstellen.
Es gibt eben Grenzen der Vermarktbarkeit, so sehe ich das. Oder: Ãœberraschung – die Welt ist doch kein Markt!
Aber hat Google mit der Werbevermarktung auf Youtube nicht gerade erst angefangen? Ist es da nicht vielleicht etwas zu früh von Erfolg oder Misserfolg zu sprechen? Ich will ja jetzt gar nicht unterstellen, dass Google immer alles richtig macht: Aber bisher haben sie eigentlich immer gewusst, wie sie Daten für sich auf gewinnbringende Weise nutzen können. Ob das nun gut oder schlecht ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt.
DIe ganzen Beispiele vom Don haben ein ganz großes Problem:
Die Nutzer dieser Seiten sind alle zum Grossteil nicht sher kaufkräftig.
Auch wenn die Nutzer von Youtube, Studivz oder Myspace anfangen würden zu konsumieren:
1 Mitdreißiger hat mehr finanziellen Background als 10 junge Youtube-Nutzer.(überspitzt)
Das wundert mich bei diesen Modellen immer. Dass sich Unternehmen dem Jugendwahn anschließen und ihre Werbung vollkommen an falsche Zielgruppen verschiessen. Man mag dies frühe Kundenbindung nennen, sinnvoll ist es trotzdem nicht. Und daher werden m.E. die Unternehmen auch weiterhin ihr Geld rauswerfen.
Das hat nichts mit Jugendwahn zu tun. Jugendliche und junge Erwachsene sind kommunikativer, suchen ihren Weg im Leben, probieren Dinge aus – und haben die zeitlichen Ressourcen dafür. Die ideale Nutzergrupep für social media Angebote. Jenseits der Mitte 30 lässt die Nutzung rapide nach.
Um es mal ganz platt zu beschreiben: Wer Geld hat, hat keine Zeit – wer es nicht hat, vertreibt sich die Zeit in social networks.
Catch22 für die Anbieter. Sie können keinen Erfolg haben.
Einerseits .. ist es richtig: Junge Kunden haben (idR) kaum Kaufkraft und man muß sich andie wenden, die Zaster, Penunsen, money haben.
Andererseits … hat jede Generation neue Präferenzen. Zwar nicht für alle Produkte/Dienstleistungen – wie man bspw. an Silberbesteck-aficionados erkennen kann – aber es wäre denkbar(!), daß sich *youtube* für die “dann” 30-40-jährigen als “der” Medienkanal darstellt, der sie mit Kino-, Film- etc.Infos versorgt.
Nix is fix.
P.S. Was müßte man denn hinblättern, wenn man ABCNBCCBSFOX kaufen wollte ?
die kaufkraft der nutzer ist hier ein untergeordnetes problem. selbst wenn man sich mit einem social network an kaufkräftigere user richten würde: das problem ist die plattform selbst.
ich habe es hier immer und immer wieder geschrieben: communities bzw social networks sind prinzipiell schlecht geeignet, um user mit werbung anzusprechen. und werbung auf der plattform ist immer noch die beabsichtigte vermarktungsmethode.
der user geht auf die plattform, um seine sozialen kontakte zu pflegen, also chatten, profile stöbern, messages schreiben etc.
er geht *nicht* auf die plattform, in der absicht etwas zu kaufen. diese kaufstimmung wird allerdings zwingend benötigt, um user werblich anzusprechen. ich muss den user dann erreichen, wenn er weitestgehend auf der suche ist, sein geld auszugeben. zb wenn er gerade produktinformationen sucht. ihn bei seinen sozialen interaktionen zu stören, mag er nicht. da muss ich mit unterirdischen aufmerksamkeits- und klickraten rechnen.
informationsseiten über produkte im weitesten sinne sind hier also für eine werbliche vermarktung bedeutend besser geeignet. kurzum: ich kann den user nur dann erreichen, wenn er bereit dafür ist.
Klicken wird überschätzt. :-)
Wer sagt denn, das es allein um verkaufsfördernde Werbung geht ? Zunächst einmal geht es um direkten Kontakt zum Kunden, quasi um “Image-Werbung”.
Statt Champagner-Zelt beim Polo, statt Sponsoring von Golf (wo angeblich trotz Tiger W. die TV-Einschaltzahlen zurückgegangen sind), statt Spenden für ein Museum … das widget/gadget für die Konsumenten von Morgen.
Kundenbindung. Verstärkung der Marken-Botschaft. Man denken daran, was ein popeliger TV-Spot kostet.
Herold, ist natürlich richtig, dass Werbung nicht allein auf Klick oder gar Abverkauf zielt. Es gibt im Netz wenn man so will eine Zweiklassengesellschaft von Werbeträgern: Diejenigen, die genügend Reichweite oder Kontaktklasse bieten können, um auf Basis von Tausendkontaktpreisen abzurechnen (wie TV-Spots oder Printanzeigen auch). Da findet dann auch Imagewerbung statt.
Und dann sind da die anderen, die auf Basis von Pay-per-Klick oder Pay-per-Buy vermarkten müssen. Das ist eigentlich schon fast keine Werbung mehr, sondern Drückerkolonnenscheiße Direktmarketing, das sich sein Elend schönredet damit, dass es “erfolgsorientiert” abgerechnet wird. In diese Sparte gehört auch übrigens die ganze automatisierte Google-Werbegülle.
Trotz ihrer z.T. gigantischen Besucherzahlen werden es Communities und Social Networks sehr schwer haben, in die Liga der TKP-basierten Werbeträger vorzustoßen. Das würden die natürlich gerne, aber es kommt erschwerend hinzu, dass die Mitglieder nicht in Communities gehen, um Banner oder Imagespots anzugucken, sondern sich mit Leuten virteull treffen und austauschen, ihr virtuelles Wohnzimmer verschönern, was auch immer.
Das sind nicht gerade die Rezeptionsvoraussetzungen, die Deine Werbebotschaft braucht, wenn sie durchkommen soll. Und es zeigt sich auch zunehmend, dass angeblich zielgenaue und an den vermeintlichen Bedürfnissen der User orientierte Werbung nicht weniger nervt als mit der Gießkanne gestreute.
Aber solche “Kundenbindungsprogramme” sind doch nur für eine paar Handvoll weltweit agierender Konsumgüterkonzerne interessant. Dieser Werbemarkt ist heiss umkämpft, nicht gerade optimal um gute TKP zu erhalten.
Ups, der strike-Befehl tut nicht. Man denke sich das Wort “Drückerkolonnenscheiße” durchgestrichen.
image-werbung. wieso sollte ich mir als werbetreibender ein umfeld aussuchen, wo die user die werbung mental ausblenden, weil sie stört. wieso sollte ich ausgerechnet eine plattform aussuchen, die millionen von page impressions von sekundendauer generiert und mir somit mein budget aus der tasche zieht, ohne dass dem rezipienten irgendwas aufgefallen wäre. wieso sollte ich auf einer interaktiven website werben, mit all den unsicherheiten, meine markenbotschaft zu äußern – illoyale, schlecht kontrollierbare konsumenten. wieso sollte ich mein produkt zwischen klingelton-abzockern, völlig sachfremden inhalten und konkurrenten präsentieren. wieso sollte ich mir ein ambiente mit null aufmerksamkeit aufsuchen, ich rufe und niemand hört mich. wieso sollte ich mir eine worst-case zielgruppe aussuchen: “notoriously broke internet-savvy kiddies looking for fun”.
gerade für image-werbung brauche ich die richtige präsentationsfläche.
Zumindest bei sozialen Netzwerken scheint das Bezahlmodell tatsächlich besser zu funktionieren, wie man an Xing sieht – was nicht bedeutet, dass ich dieses Unternehmen generell in den Himmel loben würde.
Das XING-Bezahlmodell läuft ähnlich gut wie das auf Dating-Seiten. Da werden Hoffnungen verkauft. Bei XING prekäre Freiberufler und Abzocker, bei den Dating-Communities sexuell Unterforderte.
Sozusagen vereint diese Communities die Ausnutzung der Notlage ihrer Mitglieder.
@ strappato
Grundsätzlich d’accord. Zusatz: Darf man das quälende und zwanghafte Bedürfnis, in Netzwerkforen ständig spionieren, quasseln und chatten zu müssen, auch als Notlage bezeichen? :-) Dann ist XING tatsächlich voller Notleidender.
Das Bezahlmodell XING läuft doch hervorragend: Immer mehr (Voyeur?)-Funktionen, die vorher “free” waren (wer war auf meinem Profil, u. a.) sind 2008 nicht mehr free verfügbar. Ein free account ist 2008 kaum brauchbar. Also muss man als “Bedürftiger” sich einen Ruck geben und einen “Premium”-Account für fünf fuffzich einrichten, sonst gibt’s nichts mehr zu gucken und zu finden.
Die Raffinesse ist die Salamitaktik beim Geschäftsmodell XING: Erst (2006)gibt es fast alle Funktionen for free, dann wird Stück für Stück abgespeckt, wenn die Süchtlinge nicht mehr anders können.
So gesehen anderen Luft-Modellen im Web Zwo weit voraus, *läster*.
“Soziale” Netzwerke benutzen das Wort “sozial” als Fassade. Es gibt kein soziales Netzwerk im Netz, die Absichten sind von vornherein kommerziell (und es ist fraglich, ob da bei manchen “Netzwerken” jemals Geld reinkommt.) Ich bin gespannt, wann das der letzte kapiert.
padeluun ist Künstler und Netzaktivist. Mitbegründer des Datenschutzvereins Foebud und Mitglied im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
Don, die kommerzielle Nutzung “sozialer Bindungen” würde ich analytisch von der Nutzung des Aufmerksamkeitswertes eines Social-Web-Projektes für Werbung trennen.
Wer seinen guten Ruf (als Autor, als Blog-Autor oder als Häuptling/Unterhäuptling einer Web 2.0-Sippe) dazu nutzt, um Vertrauen auszunutzen, ist das z.B. eine andere Sache. Das wäre für mich die Trennlinie (mal abgesehen gezielt nervenden Formen der Werbung). Wenn ein gut gelittener A-Blogger für sattes Geld zum Beispiel Onlinepoker anpreisen würde und Menschen in diesen Dreck reinlockt – das wäre richtig mies.
Es ist aber die Frage, wo hier überhaupt ein großes kommerzielles Potential steckt.
Wenn der FAZ-“Netzökonom” Schmidt über das Wachstum sogenannter “social Web”-Angebote angesichts gewisser Wachstumsaussichten erfreut ist: “Damit ist der Markt aber noch lange nicht erschöpft.“, dann zeigt das für mich ein kulturell verkommenes Denken, welches Menschen, das Internet und den Austausch von Menschen im Internet vorrangig unter dem Gesichtspunkt des Geldmachens betrachtet.
Gleichzeitig bemängelt Schmidt, zurecht, dass das große Geschäft im “social Web” trotz der Wachstumsaussichten bei den Nutzerzahlen nicht zu machen ist, und er beklagt, dass ein Veröffentlicher namens “data monitor” (wer ist das?) keine neuen Geschäftsmodelle für das social web anzubieten hat, abgesehen von der Nutzung für Online-Werbung.
Eben.
Das sind nur Brosamen. Es kommt kein Boom, es kommt weit und breit kein Wir-werden-alle-reich.
Das social web lässt sich nicht als direkter Zugang zum Geldhahn begreifen.
Insofern ist es vielleicht schon deplatziert, wenn jemand, der sich “Netzökonom” nennt, sich überhaupt mit dem Web 2.0 befasst.
(Man kommt der Sache vermutlich näher, wenn man das Web 2.0 als eine Form der Anti-Ökonomie versteht: Offene Lästerei über Produkte und Firmen, an Stelle des Kaufs von Verlagsprodukten beschäftigen sich junge Menschen in sozialen Netzen, statt fleißig zu arbeiten: surfen Angestellte im social web, man tratscht und tauscht gegenseitig Tipps für Kostenlos-Angebote und Downloads oder produziert z.B. als Blogger selber Kostenloses. Tatsächlich – all das hat bereits einen guten Hauch von Anti-Ökonomie.)
Es gibt einen verdammt guten Grund, eine Community zu kaufen, der hier nirgendswo aufgetaucht ist:
Schon mal was von Web 2.0 Befruchtung gehört?
Wenn Unternehmen wie Holtzbrinck eine Community kaufen, dann muss es nicht unbedingt für DAS Geschäftsmodell der gekauften Community interessant sein. Vielmehr haben die inzwischen 80 Portale, die zum Teil auch schon heute schwarze Zahlen schreiben, denen es aber – wie so vielen – an Mitgliedern mangelt. Das Befruchten funktioniert. Wir haben eigene Communities gebaut und festgestellt, dass wir ca. 10% der Mitglieder zu komplett neuen und anders positionierten Communities mitschleppen können.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hat Holtzbrinck ein gutes Geschäftsmodell bei einer anderen Community, um die Mitglieder dort zu monetarisieren, oder sie füllen eine neue Community mit “alten” Mitgliedern auf und verkaufen sie weiter! Noch gibt es genug Interessenten : )
[Edit: Immer wieder komisch, wie solche plötzlich auftauchenden neukommentatoren gerade zu-fäl-lig in ihrem verlonkten Blog das gerade neu erschienene Buch vermarkten. Daher Link gestört. Don, der nicht an Zufälle glaubt]