Blogs und das Lokale
Ab und an hört man auf Kongressen auch Ideen, dass Blogs in die Lücke stossen könnten, die Zeitungen durch den Abbau ihrer Lokalredaktionen hinterlassen. Tatsächlich gab es auch schon ein paar wenig erfolgversprechende Versuche von Medienhäusern, so etwas selbst zu initiieren, beispielsweise Opinio der rheinischen Post, die Nutzerbeteiligung des blogähnlichen “Echo-Münster” oder das Gebettel der WAZ-Plattform derwesten, dort einer Community beizutreten und damit das hauseigene Sparprogramm bei den Lokalredaktionen durch user generated Dorfeppenhilfsarbeit wie Geotagging zu belohnen.
Umgekehrt gibt es durchaus schon einige regionale Blogs, und über die Jahre waren nicht alle so erfolglos wie das Gestöpsel von Minga.de. Aber auch nicht so erfolgreich, dass sie eine ernstzunehmende Alternative zu Regionalzeitungen wären. Man tut den Betreibern sicher nicht unrecht, wenn man ihnen keine absolute Hingabe an das Thema nachsagt, und damit eine Haltung, die es vermutlich wirklich bräuchte, um es einmal den Lokalblättern wirklich zu zeigen. Mal ganz abgesehen davon,dass man sich in Bloggerkreisen noch immer erheblich falsche Vorstellungen vom Thema Internetnutzung am Morgen oder in der Arbeit macht.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass unter Bloggern das Lokale, oder das, was sie selbst als das Lokale wahrnehmen, das Internet selbst ist. Das Wort von “Kleinbloggersdorf” ist nicht mein Ding, aber gewisse Mechanismen der Debatten und Gespräche erinnern tatsächlich mehr an den Dorfklatsch, denn an extrem effiziente Medienkonglomerate. Dorftratsch ist im Moment vor allem das sogenannte Microblogging, oder auch die Frage, ob man Mails veröffentlichen darf, oder die Freude mancher, dass man jetzt endlich wieder irgendwelchen Leuten die Daten der Besucher in den Rachen schmeissen darf, nachdem sich auch schon Google über diese Informationen freut. Ich habe jetzt über Nacht darüber nachgedacht, ob es überhaupt schon mal ein lokales Thema gab, das in den Blogs ganz gross rauskam. Und es ist mir nichts eingefallen.
Was es gibt, ist eine gewisse lokale Verortbarkeit mancher Blogs, aber selbst da sehe anderes, was weitaus dominanter ist: Soziale Gruppe oder Selbstdefinition, das Bemühen um Coolness oder die Verortung zwischen Mainstream und Indie, zwischen privatem Erzählen und öffentlichem Preisgeben, und all das unter dem grossen Begriff des Internets, das die Inhalte natürlich über weite Strecken beeinflusst. Dazu kommt noch, dass eine grosse Teile der bekannteren Blogger neben dem Bloggen und ähnlichen Tätigkeiten im Netzumfeld nur ein sehr begrenztes Realleben haben, was sich dann auch schon mal in Wünschen nach immer neuen Barcamps ausdrückt, wo man andere trifft, die sonst auch nichts mit ihrer Freizeit anzufangen wissen und sich schlecht fühlen, wenn nicht alle drei Minuten ein Update auf dem iPhone auftaucht. Und wer die meisten anderen Sozialgestörten zum Bejubeln der Sozialstörung zusammentrommelt, ist der King und bekommt das auch durch einen Kumpel beim Tagesspiegel bestätigt.
Ich bin hier gerade in einem echten Dorf, ich bekomme ähnliche Verhaltensstrukturen durchaus mit, ich sehe die Menschen, die ohnehin dauernd zusammenhängen, am Abend in Tracht in der Tenne vor Bier und Würsten sitzen, und vermutlich reden sie genauso inhaltsleer über das Leben in diesen kleinen Sozialsystemen und halten es für gross, toll und die einzige Art zu leben, bis es als Thema selbststabilisierend und definierend ist. Es ist diese Haltung, die unkritischen Lokaljournalismus nährt und überall auf der Welt einen engagierten Lokaljournalismus zur Netzbeschmutzung werden lässt. Das ist im Internet auch nicht anders, warum auch nicht, es steht nirgendwo geschrieben, dass das Lokale nicht auch der entgrenzte Ort des Internets und seine Mäuerchen, Hecken und Zäune rund um die Schrebergärten der Blogs ist. Es ist ok, es ist legitim, und deshalb sehe ich auch nicht, warum so etwas wie Lokaljournalismus im Netz funktionieren sollte – wer erst mal so weit im Netz ist, dass er wirklich Blogs als Informationsquelle ernst nimmt, hat einfach andere Interessen und Definitionen von relevanten Inhalten als der Miesbacher Trachtenfreund, dem er nur insoweit gleicht, als sich der eine zur Erkennung seiner Einheimischkeit ein Hirschhornbapperl auf seine Latzhose klebt, und der andere ein @ vor den Namen.
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Bei Lokalblogs, wenn sie von mehreren Autoren gemeinsam geführt werden, sieht man auch das “barcamp”-Phänomen. Mindestens genauso wichtig wie das Blogschreiben ist die soziale Kommunikation mit den Mitautoren.
Oh zu schnell geklickt.
Ein anderer Aspekt: Kritische Sachen in Lokalblogs sind aus zwei Gründen schwierig. Zum einen die übliche soziale Kontrolle (Nestbeschmutzung usw.), zum anderen das eigene Selbstverstämdnis. Wer will denn in einer Stadt leben, die mit unappetitlichen Skandalen auffällt? Bei Themen im Schlamm graben ist schwierig genug. In der Grube in der man selber sitz, dies zu machen, ist nicht förderlich für die Inszenierung der eigenen Person, für die die Frage wo und wie man wohnt essentiell geworden ist. So wird das lokale Bloggen schnell zu einem alternativen Stadtmarketing.
Noch eins (das Thema finde ich spannend).
Ein engagiertes “Lokalbloggen” würde ja schnell in Richtung Kommunalpolitik gehen. Super: Direkte Demokratie, Initiative von den Bürgern, aktive Beteiligung an der Entwicklung des sozailen Umfelds. Das Problem: In der (Kommunal)politik braucht man einen langen Atem. Ergebnisse sind erst Jahre später zu sehen. Nicht motivierend für Blogger, die kaum wissen, wo sie in 2 Jahren wohnen werden.
Augenblick, Augenblick,
die Probleme, die hier aufgezählt werden, gelten ja wohl für Blogger und Lokaljournalisten gleichermaßen. Und dass Lokaljournalisten – anders als der Leitartikler des überregionalen Blattes oder auch die meisten Blogger – am nächsten Morgen denjenigen vor dem Schreibtisch stehen hat, den er in der jüngsten Ausgabe ans Bein gepinkelt hat, ist ja eine Leistung, die von vielen gar nicht gesehen wird.
So gesehen stimme ich zu, wenn gesagt wird, die “Hingabe” der lokalen Blogger fehle.
Gar nicht einverstanden bin ich allerdings mit der Einschätzung, man habe andere “Interessen und Definitionen von relevanten Inhalten” als irgendwelche Trachtenträger, wenn man erstmal so richtig im Netz sei – das kommt mir (mit Verlaub) zu überheblich daher. Da könnte man ja auch das Gesülze in einer Berliner Eckkneipe zum Maßstab der allgemeinen Geistesverfassung der Großstädter machen…
mal wieder ein kleiner aber so feiner Artikel. Mir gefallen die gedankliche Verknüpfungen. So kommt zusammen, was erst einmal im Kopf so gar nicht zusammen gehen will. Aber das imaginierte Bild eines jungen dynamischen Bloggers neben einem dörflichen Urgestein ist einfach zu schön … das Bild für den Grinser am Tag.
Merci!
Strappato hat völlig recht: Vermutlich müsste man, um ein erfolgreiches Lokalblog zu machen, auch bereit sein, immer wieder den Vertretern der Beharrungskräften vor Ort ans Schienbein zu treten und vors Hoftor zu pinkeln. Damit macht man sich aber dauerhaft auch keine Freunde.
Ansonsten sehe ich es exakt genauso, dass das Internet für unsereins schon sowas ist wie ein Nachbarschafts-Substitut. Wenn ich rübergucke zu den Stehtischen vor Pauls Pinte gegenüber und mich frage, was die üblichen Verdächtigen da jeden Tag/Abend zu bekakeln haben, dann kann ich mir ausrechnen, das denen mein Treiben im Blog nicht weniger befremdlich erscheinen dürfte.
Ich muss gerade an die Düsseldorf-Berichterstattung denken, die der Rainer dort in seinem Blog betreibt. Er ist doch oft der einzige, der die affirmativen Bugwellen von ‘Rheinischer Post’ und Co. mit seinem Kajütkreuzer durchschneidet.
Vielleicht sollte man trennen zwischen denen, die wirklich Lokaljournalismus machen und denen, die (wie oben beschrieben) lokal verortbar sind, wo aber anderes dominanter ist und die eigentlich auch gar nicht den Anspruch haben, journalistische Lokalberichterstattung zu betreiben. Ich fühle mich mal als Teil der letzteren angesprochen.
Das hat zum einen den Grund, daß in einem relativ kleinen Gebiet wie Stralau (3000 Einwohner, Teil von Berlin) nicht genug passiert, daß man täglich oder auch nur wöchentlich darüber schreiben könnte.
Zum anderen aber gibt es da einen Rollenkonflikt: ich bin tatsächlich lokalpolitisch aktiv und bin (im Unterschied zu Lokaljournalisten) von den meisten Themen auch persönlich betroffen. Außerdem erfahre ich Dinge, die nicht unbedingt sofort im Internet stehen müssen oder bin an Entwicklungen beteiligt, von denen ich weiß, daß es sich erst in ein paar Monaten lohnt darüber zu schreiben. Klar, und dann kommt natürlich auch der konkrete Ärger mit Beteiligten dazu, die sich falsch wiedergegeben fühlen.
Ich habe allerdings nicht den Anspruch, erfolgreichen Lokaljournalismus zu betreiben. Ich muß nicht von den Texten leben, ich will nicht groß rauskommen. Ich freue mich, wenn ich auf Texte angesprochen werde und wenn ich merke, daß es Gespräche gibt. Es ist also mehr eine virtuelle Dorfkneipe (die Stralau auch in der Realität gebrauchen könnte).
Ich bin nicht mit anderen lokalen Weblogs vernetzt, finde einige aber sehr sympathisch, vor allem kleinere, die eben keinen klassischen Lokaljournalismus machen, sondern Geschichten erzählen können.
Für Lokaljournalisten gelten verschärfte Fesseln: Er muss das Interesse der Anzeigenkunden beachten, die Eitelkeiten der Grosskopferten aus Vereinen und Politik, die zur Verfügung stehende halbe Zeitungsseite, usw. Lokalseiten in der Zeitung bilden eine künstliche Realität ab. Z.B. nimmt das Vereinsleben grossen Raum ein, obwohl sich das Leben der Leser in der Regel nicht mehr primär um Vereine dreht.
Blogs hätten die Chance, diese Einschränkungen zu überwinden. Weg von den Miesbacher Trachtlern. Ein Beispiel: Das Interesse an Kommunalpolitik sinkt, auch weil in den lokalen Medien die Berichterstattung darüber nur läuft, wenn es Personalien oder brisante Themen gibt. Wäre ein Feld für Lokalblogs. Gibt es auch gute Beispiele – aber zu wenig.
strappato, wenn ein Lokaljournalist momentan versucht, dieses von Dir passend gezeichnete Spannungsfeld ins Netz zu übertragen, wird er jämmerlich scheitern, denn: Die handelnden Personen lesen nicht online.
Hab grade selbst die Erfahrung gemacht, dass man in Blogs von Lokalzeitungen die herbsten Sprüche ablassen kann, aber nur wg. eines einzelnen Leserbriefs in der Printausgabe auch verklagt wird. Das “Andere” hatte noch nicht mal der Journalist selbst zur Kenntnis genommen.
Wo lokale Berichterstattung bereits funktioniert, das ist auf den Webseiten von Bürgerinitiativen. Auch kleine Sportvereine, die ihr Vereinsleben online dokumentieren, würde ich zum Lokalen rechnen. Alles darüber hinaus Gehende nichtkommerziell betreiben zu wollen, stelle ich mir schwierg vor. Je größer die Stadt – Hamburg, München, Berlin – desto schwieriger wird die Sache. Da muss ein fundierter Lokaljournalismus zu viele verschiedene Felder abdecken. Daran ist schon die Alternativpresse der 70er und 80er Jahre gescheitert.
Ein grosser Unterschied zwischen Lokalpresse und Lokalblogs ist, dass – überspitzt gesagt – die Zeitungen keine Rücksicht auf den Leser nehmen. Es gibt mehr als genug “Einzeitungskreise”, in denen ein Lokalblatt das Quasi-Monopol bei der Lokalberichterstattung hat. In anderen Regionen ist die Wahl der Lokalzeitung eher von der Familientradition bestimmt, als vom Inhalt. Oder das Kriterium, welche Zeitung die ausführlicheren Sportergebnisse druckt.
Viel Raum für Blogs. Aber ich habe das Gefühl, dass er nicht genutzt wird – ähnlich wie in anderen Bereichen, die hier auf der Blogbar diskutiert worden sind.
Wenn es einen Bloggersdorfer Lokalanzeiger gibt, dann doch die Blogbar ;)
Ansonsten geb ich Dir auch recht. All das Selbstreferenzielle in der Blogosphäre ist im Grunde Dorftratsch. Finde ich aber nicht sehr schlimm. Im Gegenteil, sogar irgendwie wichtig für das Selbstverständnis. Das gehört einfach dazu, zu einer wie auch immer gearteten “Gemeinschaft”.
Und klar ist das bei Twitter nicht anders. Mehr oder schlimmer aber auch nicht. Eigentlich das selbe in kurz.
@Don:
Kennst Du die Ruhrbarone? Das sind zwar alles Journalisten die gemeinsam dort bloggen, aber sie haben es geschafft, dass ihr Blog auch schon mal vom Umweltminister im Düsseldorfer Landtag erwähnt wurde, denn in Sachen PFT-Skandal ist einer der dortigen Autoren sehr gut dabei der Landesregierung das eine oder andere nachzuweisen.
the king of lokales bloggen ist für mich das hier http://mks.antville.org
“All das Selbstreferenzielle in der Blogosphäre ist im Grunde Dorftratsch. Finde ich aber nicht sehr schlimm. Im Gegenteil, sogar irgendwie wichtig für das Selbstverständnis.”
Ich habe ein wenig den Eindruck, als wäre dieser Dorftratsch unter der Prämisse des gegenseitigen Baushpinseln ähnlich erfreulich, wie die Medienlinkwebsite Turi2 und ihre Gefälligkeitsstücke für den Medienbetrieb: Eine schwere Bürde für alle, die den Job ordentlich machen wollen. Zumal, wenn man nicht mal mehr in der Lage ist, dieses Treiben ein wenig von aussen zu betrachten und alles für gut und sinnvoll erklärt, wie der Bürgermeister des Kaffs sein Kaff. Der Lokalkolorit, das Gespiesse, die Brauchtumspflege, die in den üblichen Zirkeln veranstaltet werden, das alles geht mir inzwischen etwas auf die Nüsse.
Sorry, ich bin gerade etwas angefressen vom Hetzjagd-Pingpong in der billigen Kram- und Werbegasse des Blogdorfes zwischen den Amateurvortragenden Kaltmamsell und Felix Schwenzel, nur weil jemand in Twitter keine besondere Qualität sieht.
mks ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie derartige Formate bei Medien nicht funktionieren: http://www.derw esten.de/blogs/machm irnBild/ ist eine peinliche, schlechte Kopie.
Don, “Hetzjagd” ist nicht gerade der richtige Ausdruck. Was mir auf die Nüsse geht, ist dass man dauernd von Leuten kritesiert wird, weil man einen bestimmten Dienst benutzt. Das wollte, glaube ich, auch Felix ausdrücken, nichts weiter sonst.
Man kann gerne alles mögliche von Twitter und ähnlichem halten. Ich persönlich zum Beispiel verstehe den ganzen Buzz um Sozial Networks nicht. Habe ich nie verstanden und mittlerweile beinahe alle meine Accounts gelöscht. (xing nutze ich noch als Online-Adressbuch, mehr nicht)
Dennoch muss ich zugeben, dass es für viele – noch für viele mehr als Twitter – zu funktionieren scheint und die Leute dort ihren Spaß haben.
Ich muss aber dennoch nicht die ganze Zeit darüber schreiben und öffentlich Mutmaßungen über die Intelligenz oder Reifegrad von Social Network-Nutzern abkotzen.
Da gibt es also einen Dienst, der für mich nicht funktioniert. Dann lass ich es halt. Und den anderen ihren Spaß. Wo ist das Problem?
Bei WDR Servicezeit Familie grad kritischer Beitrag zum Schueler VZ.
@strappato: Tut mir leid, aber Du hast keine Ahnung von Lokaljournalismus. Es ist eben nicht so, dass wir Lokaljournalisten (ich leite den Tölzer Kurier, eine Lokalausgabe des Münchner Merkur, http://www.merkur-online.de) der Lokalprominenz nach dem Maul schreiben müssen (zugegeben, viele Kollegen tun dies), aber wir befinden uns natürlich in einem permanenten Spannungsfeld, weil der, den wir anschießen, für gewöhnlich viele Fans hat, und der ist, den wir auch anderntags wieder zu einem anderen Thema um eine Stellungnahme nachfragen (müssen). Aber es geht.
Lokalpolitik zu transportieren ist viel schwieriger als vor Jahren, aufgrund einer grassierenden Parteienverdrossenheit und des ausschließlichen Interesses der Bürger an dem, was vor seiner Haustür passiert (und wenn’s die zu kurze Laufzeit der Fußgängerampel ist), aber es kann funktionieren, wenn man Wirkungen darstellt.
Lokal(journalistisch)e Blogs sind da ein Thema, wo sich Regionalzeitungen aus der lokalen Ebene zurückgezogen haben (etwa in Großstädten wie Berlin) – aber bitte schön professionell gemacht. Wer schreibt, was er gerne selber liest, schreibt am Leser vorbei.
Mein Zuständigkeitsbereich ist einer dieser beklagten Ein-Zeitungs-Landkreise (seit sich die Süddeutsche Zeitung weitgehend zurückgezogen hat), am Qualitätsanspruch meiner Redaktion hat dies nichts geändert. Das hat etwas mit Qualitätsanspruch und persönlicher Zufriedenheit zu tun. Aber ehrlich gesagt, vermisse ich die Konkurrenz, weil sie gerade bei heiklen Themen hilft, Kritik auf eine breitere Basis zu stellen.
Und im Gegensatz zu der auch vom Betreiber dieses Blogs gerne geübten Kritik an den traditionellen Medien, befassen auch wir uns intensiv mit den höheren Reichweiten, die uns die Digitalisierung bietet. Beispiel gefällig? Ein Lokalredakteurs-Seminar zum Thema: http://www.drehscheibe.org/weblog/
@Joachim Braun
Ich würde keinen Lokaljournalisten unterstellen, “der Lokalprominenz nach dem Maul schreiben”, ohne dass ich das am konkreten Fall darlegen kann. Ich wollte nur das Spannungsfeld aus meiner Sicht zeigen. Defizite sehe ich bei Lokalzeitungen beim Austausch mit den Lesern. Da gibt es Beispiele wo Redaktionen die Interessen des Lesers nicht treffen und es nicht merken, da nur die notorischen Leserbriefschreiber Rückmeldung geben.
apropos opinio: in der “rheinischen post” vom samstag gab es eine viertelseitige anzeige, die dazu aufrief, die spd-kandidatin karin kortmann zur düsseldorfer oberbürgermeisterin zu wählen. als unterzeichner mit dabei: mario sixtus.
Ich las in einem Blog “Würde ich in Hamburg, Berlin oder München wohnen, dann würde ich auch über etwas Regionales berichten…” Die Begründung, die dieser Blogger nannte war einleuchtend: “Keine Sau kennt Klein XY-Dorf” und ich muß ich ihm leider Recht geben – ich auch nicht! Ich selbst bin auch so ein Dorfkind, hier aufgewachsen, kurze Auszeit in der großen bösen Stadt und zurück aufs Land. Ich berichte aber gern mal über etwas Lokales, wenn es sich anbietet…aber ganz ehrlich: SO RICHTIG VIEL PASSIERT HIER EINFACH NICHT! :)
@Tshalina: Eine weise Entscheidung. Während Dorf-XY nicht zu kennen noch keine Schande ist, sollte man sich nämlich auch auf das Feedback der hinterbliebenen Einwohner einstellen, wenn man als Stadtflüchtling mal ein kritisches Wort über das heimatlichte Idyll verliert.
Ich hatte das volle Programm: Ein Pensionierter Studienrat, dem Vernehmen nach internetsüchtig, entdeckt mein Blog und dort drei (harmlose) Zeilen über das Leben in der Provinz, mit denen er als ehrenamtlicher Heimatpfleger von Amts wegen nicht einverstanden sein wollte.
Statt sie zu kommentieren, oder mich zwecks Klärung zu kontaktieren, wurde daheim erstmal meine buckelige (und so gar nicht internetaffine) Verwandschaft über die Ungeheuerlichkeiten in Kenntnis gesetzt, die ich verbreiten würde.
Monate später – bei einem runden Geburtstag – dann das große Tribual am Kaffeetisch. Details schienen der Runde nicht bekannt, gleichwohl hätte ich mein Blog(!) sofort zu löschen. Man würde es nicht weiter tolerieren, dass ich den Ruf des Dorfes in den Schmutz ziehe.
Das mit dem “Ruf ruinieren” fand ich interessant: Meine Rückfrage, warum der ehrenwerte Herr in einem Forum für Sextouristen das gleiche Pseudonym benutze, wie im Bürgerportal der Stadt (wo er nochmal Oberlehrer sein darf, nun, wo ihn auch Frau und Katze verlassen haben …), blieb allerdings unbeantwortet und führte zur spontanen Auflösung der Runde. Ich bin jetzt nicht mehr so oft daheim.
@7 (Chat Atkins): Danke für den Verweis auf mein Blog http://www.rainersche-post.de, auf dem ich tatsächlich und zunehmend versuche, Lokaljournalismus zu betreiben. Zumindest bei den Lesern kommt das an: Artikel in der Rubrik “Düsseldorf” haben regelmäßig die höchsten Zugriffszahlen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass ich ohne eigenes Zutun in die Presseverteiler der im Stadtrat vertretenen Parteien geraten bin und sich die Kollegen von den Old-School-Medien bisweilen fragend oder kommentierend melden.
Lokaljournalismus in Blog-Form ist für mich aber nicht nur die Beschäftigung mit der Lokalpolitik, sondern vor allem das Berichten über lokale Geschichte und Geschichten, über Stadtviertel und empfehlenswerte Läden, Kneipen, Restaurants und Dienstleister sowie natürlich über den hiesigen Fußballverein, der Fortuna Düsseldorf, die mir persönlich ein großes Stück Heimat ist.
Seitdem (ab April) ich so blogge, verliere ich zunehmend das Interesse an den typischen Blog-Themen (Medien, Web Zwonull, Bloggen an sich, Twittern etc.) und schreibe auch wenig über mein persönliches Innen- und Außenleben.
Ich denke, Voraussetzung für gutes und erfolgreiches Lokalbloggen ist – und nun kommt ein Wort, für das ich regelmäßig gescholten werde – ein Stück Heimatliebe.
Tja, ich weiß nicht, Rainer. Lass mich eine kurze Geschichte erzählen. Ich bin zusammen mit Nico Haupt aka ewing2001 zur Schule gegangen. Du wirst sie vielleicht kennen, es ist das Max-Planck-Gymnasium in D-Stockum. Er ging nach New York und wurde am 11. September 2001 Zeuge der Anschläge. Bereits 5 Tage danach begann er — als einer der ersten Skeptiker überhaupt — im Netz Fragen zu stellen, ob die offizielle Version der Ereignisse eigentlich stimmen konnte. Er wurde zu einer der bekanntesten Protagonisten der 9/11-Truth-Bewegung. Vor dem 11. September war er wie du ein lokaler Blogger, arbeitete bei einem Internet-TV-Projekt, das dann scheiterte. Die Ereignisse des 11.9. veränderten die Parameter, nach denen er bloggte. Er war immer noch New Yorker, fühlte sich persönlich beleidigt, wenn er glaubte, plot holes in der offiziellen Legende ausgemacht zu haben. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich glaube, — bei aller Wertschätzung für deine Arbeit –, dass jeder Lokalblogger nur darauf wartet, durch Ereignisse mit überregionaler Relevanz wachgeküsst zu werden.
Das Hauptstadtblog zeigt, wie man es nicht machen sollte. Da schreiben laut Impressum 25 Autoren dran und im blog wird trotzdem meist nur einen Artikel, oft nur ein Foto, pro Tag veröffentlicht. Die Postings sind windelweich, alles andere als “meinungsstark” und kritische – besonders politische – Themen werden vermieden. Nun werden noch die Kommentare abgeschaltet, weil die Macher überfordert sind – statt eine klare Kommentarpolicy zu fahren und Kommentare zu kicken.
Wer die Kommentarfunktion abschaltet, bekommt entweder keine response oder die Qualität der zugesandten Beiträge ist durch die Bank besser als die der original posts. Das führt nicht selten zu Ego-Problemen bei den Verantwortlichen. Ich geh davon aus, dass diese Sorge den Don nur gaaaaanz selten beschleicht 8-)
Ist ja eigentlich genau mein Thema: ich arbeite als freier Journalist für eine Lokalzeitung, in meinem Blog sind die Artikel über lokale Ereignisse die, die am häufigsten gelesen werden.
Warum mache ich das? Aus Geltungssucht sicherlich nicht, dazu sind die Leserzahlen zu gering. Berichten, was sonst keiner berichtet, kan’s ja auch nicht sein, schließlich berichte ich ja oft genug selbst auch für die Zeitung. Der will ich es deshalb auch nicht “mal so richtig zeigen”, ist immerhin meine Arbeitgeberin.
Ich blogge, weil ich da selbst bestimme, was geschrieben wird. Ich kann da auch Stellung beziehen und lokalpolitische Stümperei auch mal so nennen. Freiheitsliebe und der Wunsch nach Kommunikation – und ich dachte, das wäre es, was alle Blogger umtreibt…
Okay, das versteh ich. Du bloggst über lokale Topoi, weil du dich qua deines Jobs bei der Lokalzeitung damit auskennst. Das nennt man Synergie, gell? Die interessante Frage ist doch ne andere. Angenommen, du wärst im Hauptstadtbüro einer überregionalen Tageszeitung tätig. Im Ressort Außenpolitik beispielsweise. Würdest du dann über lokale Ereignisse in Zehlendorf oder Dahlem bloggen? Vermutlich nicht. Man muss eine Affinität mitbringen fürs Kleine, Private, Gemütliche, Idyllische, um über lokale Ereignisse zu bloggen. Versteh mich nicht falsch. Ich mein das gar nicht despektierlich. Ich glaube halt nur, dass sich die meisten Hardcore-Lokalpatrioten was vor machen, wenn sie glauben, sie könnten widerstehen, wenn ihnen das Angebot gemacht würde, über big news zu berichten/bloggen.
Oops, 3 Euro ins Oxymoron-Schwein. Ein Ressort Außenpolitik im Hauptstadtbüro is natürlich albern. Scusi.
@blumentorso: Ich denke, ich würde in dem Fall tatsächlich über anderes bloggen. Allerdings deshalb, weil ich denke, dass man sich mit dem Thema seines Blogs gefälligst ernsthaft auseinandersetzen sollte. Entweder man bloggt über sein Privatleben (da ist jeder eigener Experte), über seine Hobbys oder über das, was mit dem eigenen Beruf zu tun hat. Das kann man Synergie nennen.
Wenn ich Lokalgebloggtes lese, dann sollte sich der Autor auch tatsächlich ausgiebig damit beschäftigt haben. Und dazu würde mir im Außenpolitikressort des Hauptstadtbüros (sorry) dann schlicht die Zeit fehlen.
@10: Zur Zeit ist es wirklich noch ein Problem, daß viele politischen Akteure auf dem Dorf sich nur im Print informieren. Mein Blog befaßt sich auch mit Dorfpolitik – bin selbst aktiv – und ich bin seit Kurzem positiv überrascht, wer alles mitliest. Denn, die Lokalpresse kann nicht tiefergehend berichten, die Zusammengänge werden verkürzt. Aber – mensch braucht Rückgrat, denn oft gerät mensch in den Geruch des Nestbeschmutzers, viele Kommunalpolitiker reagieren ausgesprochen sauer auf diese “neue” lokale Öffentlichkeit.