DJV und WAZ: Gute und schlechte Krisenkommunikation mit Blogs
Einige Blogger – darunter auch der Autor dieser Zeilen – halten den Deutschen Journalistenverband nicht nur für verschnarcht, sondern angesichts seiner von diversen leitenden Mitgliedern vertetenen Standpunkten zu Blogs in diesem Bereich für arrogant, dummdreist und inkompetent. Und ich muss deshalb ehrlich zugeben, dass mich das Medienmoral-NRW-Blog des DJV-Landesverbandes NRW wirklich positiv überrascht. Angesichts der geplanten Einschnitte bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung – Lokalredaktionen sollen geschlossen, bis zu 300 leute entlassen und ein zweistelliger Millionenbetrag eingespart werden – hat der DJV ein wirklich funktionierendes, mit angeregten Debatten versehenes Blog geschaffen, das alles bringt, was man zur Krise der WAZ wissen muss. Und was die Beiträge nicht sagen, taucht in den Kommentaren auf – wie etwa die Arbeitsbedingungen, unter denen Printredakteure Inhalte für das wenig erfolgreiche Portal “DerWesten” – nach der neuen Devise “Online First” produzieren sollen:
derwesten.de – Medium der Zukunft, die schon begonnen hat. Die sieht dann so aus:
Sonntagsdienst am 23.11. in der Lokalredaktion. Zwischen 16.30 Uhr und 18.15 Uhr kommen die 4 nachstehenden E-mails:
Meldung 1: die DerWesten-Technik meldet, dass Hugo wieder etwas wackelig ist. Die Experten der IVO versuchen, ihn fitzuspritzen. Wir melden uns, sobald Hugo wieder auf dem Damm ist.
Meldung 2: die Abteilung IVO meldet: Hugo hat sich wieder gefangen und ist arbeitsfähig. Falls das bei Euch/Ihnen nicht so sein sollte: Bitte
“mailden” an wazonline@waz.de :-)
Meldung 3: leider schwächelt Hugo doch wieder – und zwar beim Bildexport. Die Abteilung IVO arbeitet dran…
Meldung 4: Neues von Hugo: Er ist laut IVO auch beim Bildexport wieder genesen. Nun werde noch die Warteschlange der Bilder abgearbeitet – das soll ca. 45 Minuten dauern. Bilder, die schon exportiert sind, müssen laut IVO nicht nochmal exportiert werden. Sie brauchen nur ein bisschen Zeit…
Dass die Kommentare keine Permalinks haben [Edit: Übersehen; Es gibt vorne neben den Namen der Autoren ein paar winzige Punkte, die den Permalink enthalten] – hier ist es der aktuell letzte Kommentar unter dem Beitrag – ist angesichts der Debattenqualität wirklich schade. Das Blog läuft wie Schmitz Katze.
Katastrophal und peinlich dagegen der Versuch der WAZ, diesem Blog eine Hausmitteilung unter dem Titel “Bleibt alles anders” entgegenzusetzen. Letzte Meldung ist eine offizielle Verlautbarung, warum die Verlagsleitung eine Betriebsversammlung, wie von der Gewerkschaft veranstaltet erst später und in eigener Regie sehen möchte:
Wir freuen uns, dass dies nun von den dafür verantwortlichen Chefredakteuren und der Chefredakteurin zu einem gemeinsamen, uns überzeugenden Konzept verdichtet wurde.
Die wirtschaftlichen und organisatorischen Konsequenzen unserer Sparnotwendigkeit bei den Titeln in Nordrhein-Westfalen werden wir – nach dem mit den Betriebsräten vereinbarten Zeitplan – nach dem 21. November 2008 präsentieren können. Wir werden deshalb Anfang Dezember 2008 zu einer Informationsveranstaltung einladen oder – was wir bevorzugen -, wenn die Abstimmung über Termin und Ablauf mit den Betriebsräten möglich sein wird, einer Einladung der Betriebsräte zu einer erneuten Betriebsversammlung folgen.
Am 21. November wurde dann schon mal der Besatzung der MSG, eines Beilagenzulieferers, gekündigt, wie man mit einem Haufen unschöner Details bei Medienmoral NRW nachlesen kann. Kein Wort davon natürlich beim Haublog der WAZ, die damit ziemlich deutlich zeigt, was sie von einer offenen Informationspolitik hält. Auch kein Hinweis auf die Proteste der Mitarbeiter, oder die Einschränkungen bei der Ausbildung. Wundert es da, dass beim WAZ-Blog keine Diskussion aufkommen will?
Am Ausgang der ekligen Geschichte wird das vermutlich nichts oder nur wenig ändern, aber zumindest sorgt der DJV dafür, dass die Propagan PR der Verlagsoberen nicht die einzige bekannte Version der Abläufe ist.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Links neben den Namen, unter dem Rautezeichen verstecken sich drei rote Punkte. Dort ist der Permalink zum einzelnen Kommentar hinterlegt.
Selbstverständlich gibt es zu den einzelnen Kommentaren Permalinks. Wie in jedem WordPress-Blog, wenn sie niemand auskommentiert.
Nur die Feeds, die hat offenbar jemand erfolgreich gekillt. Was weit bedauerlicher ist.
Was an “Hugos” Ausfall bedauerlich oder gar skandalös sein sein soll, verrätst du uns sicher noch, oder? Offensichtlich handelt es sich bei Hugo ja um einen Content-Server o.ä., die wackeln schonmal.
Ups.übersehen.
So wie hansi, der mal die anderen Kommentare hätte lesen können, wie den hier. Scheint ja eher ein Dauerproblem zu sein und irgendwo auch nicht so doll, wenn die Mitarbeiter Quote machen müssen. Für die Ansürüche, mit denen beim Westen rumposaunt wurde, ist das schon zumindest erheiternd. Um es positiv zu sagen.
@Don: Im verlinkten Kommentar steht lediglich, dass “Hugo” gestreikt hat. Nicht wie oft und auch nicht wie lange. Eigentlich nicht einmal, ob das öfter vorkommt.
Auch sonst findet sich in den – für Aussenstehende kaum verifizierbaren – Kommentaren herzlich wenig, woraus man eine qualifizierte Aussage zur Verfügbarkeit der WAZ-IT ableiten könnten.
Wenn man sich ein wenig hineinliest, findet man durchaus eine Menge internes Fachwissen bei den Autoren, deren Aussagen ja auch von der derwesten-Chefredakteurin nicht bestritten werden. Zwei bzw. drei Kommentare später kommt es wieder, und man kann durchaus den Eindruck haben, dass da der Schuh drückt, wenn man es lesen möchte/kann.
Muss man natürlich nicht. Man kann es auch ignorieren. Ich finde es jedenfalls spannend.
Was mich ja wirklich wundert, ist die Personalpolitik bei der WAZ. Da höre ich auf einmal den Ulrich Reitz – den ich bisher immer bei der stramm konservativen Rheinischen Post verortet hatte – als Chefredakteur der WAZ in die Kamera sprechen, er müsse jetzt als Christ und Kirchgänger soundsoviel Leuten bei ihrer Entlassung in die Augen blicken (oder so ähnlich). Der Typ sieht doch äußerlich schon so aus, wie der Bruder von Jürgen Rüttgers und zischelt beim Sprechen ganz genauso. Und die WAZ gehört doch zum großen Teil der SPD! Bei DER WESTEN werden höhere Töchter ehemaliger CDU-Minister in die Chefposition gehievt. Die wissen zwar angeblich, wie man sexy schreibt (oder auch nur: “sex sells”), können aber einen Kommentar nicht von einer Analyse und eine Analyse nicht von einer Nachricht unterscheiden. Was macht der Hombach da eigentlich? Sein Freund Clement ist ja gerade zu Recht aus der SPD ausgetreten. Ich denke, Hombach täte gut daran, es ihm nachzutun. Damit einige treue WAZ-Leser nicht mehr auf den wirklich außerordentlich dummen Gedanken kommen, die Zeitung läge politisch auf ihrer Linie.
Auffällig finde ich beim kurzen Reinlesen, dass auch hier mal wieder besonders kräftig bei den “Billig-Kräften” gekürzt werden soll, die sowieso schon untertariflich beschäftigt wurden (die für den Service- und Reiseteil). Was ist denn mit dem Argument, dass Medien nur deswegen Probleme hätten, weil die Mitarbeiter zu faul und zu teuer seien? Für mich ist das ein Signal, dass sich Jungjournalisten lieber gleich einen anderne Beruf suchen sollten, als sich auf solche Konditionen einzulassen – weil die Chance, dass sich die Konditionen irgendwann verbessern, eher gering sind. Auch wenn das natürlich manchmal leichter gesagt ist als getan.
Blogs sind grundsätzlich ‘individualisierte Medien’, zu denen die Leser gern und von selbst kommen – oder aber auch nicht. Daher gilt: Würde bspw. der Konken oder ein anderer ‘Holzkopp’ aus der DJV-Zellulose-Fraktion ein Blog machen, dann würde es mit Sicherheit ein Flop, weil denen jede Antenne für das Neue fehlt, weil sie bisher keinerlei Einsicht in die Unausweichlichkeit des Medienwandels zeigen und weil kein Leser, der seine fünf Sinne beisammen hat, solch ein Gebräu dann freiwillig schlucken würde.
Machen dagegen aufgeschlossene und gute Leute im DJV mit viel Engagement etwas Solides, dann kann’s auch so abgehen wie das WAZ-Kritik-Blog in NRW. Im Netz hängt eben alles von den schreibenden Menschen ab, nicht von Parteien oder Verbänden, jedes ideologische Funktionärstum scheitert notwendigerweise im Ansatz. Dumm für die Funktionäre, gut für die Schreiber …
Amüsanter Nachtrag zum Thema ‘Qualitätsjournalismus’: ‘Die Reise-Beilage, so war zu hören, soll künftig die Anzeigenabteilung erstellen, …’
@Klaus Jarchow
Wie ich drüben schon schrieb, war mir als Ex-WR-Leser gar nicht aufgefallen, dass für diesen ganzen Beilagen-Werbemüll überhaupt echte Redakteure schroben. Das ist für die Kundschaft eigentlich viel amüsanter;-)
@Hans Dampf
Die “Verfügbarkeit” von Hugo bzw. der WAZ-IT kannst Du selbst testen, wenn Du Dich traust, Dir denwesten.de über einen längeren Zeitraum anzutun. Die Aussagen der Redakteure passen exakt zusammen mit den z.T. völlig chaotisch gestöpselten Seiten aus den angeschlossenen Häusern, deren miserabler Performance und den seit mehr als einem Jahr nicht gefixten Bugs. Die Tatsache, dass neben dem Online-“Hugo” die alten Redaktionssysteme für Print munter in Koexistenz leben und so für Doppelarbeit sorgen, kommt da noch on top.
Ich finde einen Aspekt beim Protestblog sehr interessant:
Da wurde mit dem Blog eine Diskussionsfläche geschaffen, die eigentlich gar nicht so sehr von den Blogbeiträgen sondern von der recht direkten und ehrlichen Kommunikation der Kommentatoren lebt.
Die Blogautoren sind eher anonym im Hintergrund bzw. verbergen sich pressrechtlich bei den beiden Gewerkschaften und beteiligen sich nicht an den Diskussionen. Dennoch kann man dort gut an der Diskussion teilnehmen bzw. an ihr teilhaben.
Etwas, was beim drögen Pinwandaushang (auch Mediengruppen-Blog) genannt der Geschäftsführung nicht gemacht wird. Und warum? Wahrscheinlich hat man Angst, dass man überprüft (in der Analogie) wer die kommentierenden Post-Its auf die Aushänge geklebt hat. Da will man dann wohl lieber nicht kommentieren.
Und aushängen will man dort wohl auch nichts mehr…
die online fist fistet sich sich selber.
mal nüchtern betrachtet ist der konzern doch mit seinem schrottigen internetportal noch unter das niveau der printwurst namens waz gegangen. die zeitung = ein hohn. das onlinedingen = lächerlich. die billigpreisstrategie im ruhrgebiet ist doch nur allzu konsequent im hinblichk auf die märkte, die man beackert: Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Serbien, Mazedonien, Albanien, Russland. Style- und Preisniveau wie ebendort. Fort mit Schaden.
Mittlerweile ist dort Hängen im Schacht angesagt, seit dem zumindest den DJV-affinen Mitarbeitern der WAZ Medien Gruppe klar wird, dass ihr Betriebsrat a) weder Ahnung vom Tuten noch vom Blasen hat und b) sich eine geplante Betriebsversammlung am 05.12. von der WAZ-Geschäftsführung abkaufen lassen hat und diese Veranstaltung nun hirnlos als “Zwitter” zwischen BV und GesamtGeschäftsführungs-Veranstaltung bezeichnet.
Leider sind im medienmoral-nrw.de-Blog jetzt nur noch zwei Lager vertreten: Die, die sich demnächst einen Strick nehmen müssen, weil der Abschied von einer Beschäftigung bei der WAZ Medien Group sie in abgrundtiefste soziale Unter-Sieben-Brücken-Millieus mit Selbstmord-Garantie schaufeln wird und die, die bei Vertragsauflösung mal eben 120.000 Euronen Entschädigung fordern, weil sie ja knapp unter den Pulitzer-Regeln immer schon was Besonderes aka “Ich reiss mir für euch auch ohne Kamera, nur mit meinem Handy den Ar… auch nach 22 Uhr auf!” waren.
Gut, eigentlich sind Journalisten ja bekanntlich nicht die Letzten, die von Downturn oder “Kernkompetenz”-Schweinereien erfahren, aber solche dermassen vom Leben “da draussen” unbeleckte Existenzen, die noch nicht mal in der Lage sind, ihrem Betriebsrat die Leviten zu lesen, sind mir in meiner bestimmt nicht spassigen Arbeitswelt noch nie vorgekommen. Brrrrr…
Na gut, wenn sonst Keiner hier was zu interpretieren hat, dann schliesse ich mal mit einem “Leute, wie oft und lange sollen wir euch noch den Sinn eines Betriebsrates erklären, damit ihr in die Puschen kommt?” ab.
Dieser Film heute in der Lichtburg in Essen bei einer Arbeitgeber-Veranstaltung, die vom WAZ-Betriebsrat versehentlich als “Betriebsversammlung” announced wurde, mit der abschliessenden Kürung des (eigentlich in mitten eines Arbeitskampfes steckenden) Betriebsrats-Vorsitzenden der WR und langjährigen Chefs der DJU Malte Hinz durch Hombach&Co. als neuem Chefredakteur der im Grunde genommen jetzt toten Westfälischen Rundschau sollte als Trainingsvideo in der Ausleihe der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgenommen werden. Ausleihe-Titel: “Denn sie wissen nicht, was sie zu tun gedacht hätten 2008…”.
Vollgeheulte Taschentücher anwesender Hausbau-Kredit-abzahlender Vollblut-Journalisten bitte in die Kiste mit der Aufschrift: “Mein Gott, wer konnte denn ahnen, dass das da draußen wirklich so schlimm ist, wie wir immer auflagen-geil behauptet haben?”.