Lesfakes oder das angeblich mutmasslich zweitgrösste deutsche Blog.
Na, das sind doch mal Zahlen. 900.000 Page Impressions im Monat. Macht 30.000 pro Tag. Gut, bei 160 Beiträgen im Monat verteilt sich das etwas, aber trotzdem: Durchschnittlich so grob um die 5000 PIs pro geschriebenem Beitrag. Na? Das ist richtig gut. Mit einem einzigen Blog ein Viertel von dem, was das Blogwerbenetzwerk Adnation mit seinen zig angeblichen Topblogs zu erreichen behauptet. Damit liegt dieses Ding mutmasslich in der absoluten Spitzengruppe der deutschen Blogs, und da müsste auch ich mich mit meinem Projekt in der FAZ, dessen Zahlen, sagen wir mal, pro Beitrag schnell mal fünfstellig werden und auch über 100 Kommentare ziehen, aber heftig verstecken.
Ich erwähne das explizit und im Sinne eines Disclosures, weil das besagte Blog von einem anderen Medienhaus kommt. Namentlich: Burda. Die Sache mit den – meines Erachtens nicht glaubwürdigen – 900.000 PIs pro Monat ist in Der Zeit nachzulesen, deren Autorin Carolin Ströbele ein bemerkenswert kritik- und ahnungsloses Interview mit Julia Knolle führt, die mit einer weiteren, na, sagen wir mal Autorin, das Blog “Les Mads” betreibt. (http://www.zeit.de/online/2009/22/interview-les-mads, zu sowas setze ich ganz sicher keinen Hotlink) Ein Modeblog, dem man kaum weniger Anbiederung an die Industrie nachsagen kann, als man es in anderen Fällen der gleichen Burdaecke gewöht ist. Ein paar Leute plappern auf Burdas Gehaltsrechnung über Einladungen und andere Formen der distanzlosen Schreiberei, die man in anderen Bereichen ohne Federlesens als Schleichwerbung abtun würde. Die inhaltlichen Fehlleistungen von Burdas Internetleuten, die sowas im anschieben, ist die eine Sache.
Die andere Sache ist aber dieses dauernde FürBlödVerkaufen der Leser. Das Haus Burda hat das schon mal mit 40.000 Lesern am Tag für das sang- und klanglos eingestellte Börsenblog eines gewissen Herrn Koch versucht – jetzt kommt die gleiche Nummer schon wieder aus dem Siphon der Angeberei hoch. Es wäre erheblich leichter, über Erfolg und Misserfolg von Blogs zu sprechen, wenn nicht dauernd irgendwelche Pseudoprofis versuchen würden, ihre Zahlen mehr oder weniger dreist hinzubiegen. Das würde der ganzen Sache auch etwas mehr den Anschein einer ernsthaften Betätigung verleihen, und es weniger im Sumpf der Maulaufreisser und Plärrer aus dem Netz verorten, der vor Kurzem andernorts in der Zeit beklagt wurde – mit PR-Stunts wie diesem Interview und seinem Gegenstand ist man fast versucht, jenem Manne mit seinem Hass auf das Netz recht zu geben.
Die professionellen Blogs in Deutschland pfeifen nicht aus dem letzten Loch, weil zu wenig gehyped, gelogen und übertrieben wurde – sie pfeifen aus dem letzten Loch, weil man sich kaputtlacht über die billige Masche, das unprofessionelle Gehabe, mit dem da manche auf dem Markt agieren und das Thema zur Lachnummer verkommen lassen. Wenn heute “gewisse Leute” aus der blognahen Agenturenbranche jammern, dass das Internet beim Riesenthema Wahlkampf nicht richtig ankommt, dann sind das oft genug jene Leute, die nach gescheiterten Verkaufs- und Kooperationsverhandlungen exakt diese Erfahrungen der Ablehnung wegen Kaputtlachen gemacht haben. Weil man nach all den Jahren noch immer nicht mehr beherrscht, als das Posen, das Klappe aufreissen und das Versprechen von Zeug, das abzuliefern man nachher nicht in der Lage ist. Deutsche Profiblogger: Bringschuld seit 2004. Und jetzt warten wir mal, wann es Burda so nass reingeht, dass er auch bei diesen Projekten wieder die Vivi@n macht und den Stecker aus der Blasenmaschine zieht.
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Na, hör mal, auch Duplo ist doch die angeblich größte Praline der Welt!
Ich warte ja achon auf ein politischen Ehrenwort aus dem Hause Burda, nachdem ich da schon mal von jemandem brutalstmöglich ins Gesicht gelogen wurde.
Immer wieder erstaunlich, wenn blogs angeblich solche Nutzerzahlen haben, die bisher komplett an mir vorbei gegangen sind. Okay, bin wohl auch nicht im Beuteschema drin.
Mich würde allerdings zu einem anderen Thema ein Kommentar von Dir interessieren. Hast Du verfolgt was, die Ruhrbarone da gerade zum Thema FDP haben und die seltsamen Reaktionen?
Bitteschön:
http://rebellmarkt.blogger.de/stories/1414034/
Ich denke aber auch, dass man das nochmal vertiefen sollte.
Der Alexa Rank und die Google Reader Leserzahlen (525) passen nicht wirklich zu einer Site, die angeblich knapp 1 Mio. PIs haben will.
Gut, es kann sein, dass die Leser von *sowas* keinen RSS-Reader benutzen und es kann auch sein, dass die nicht kommentieren, trotzdem:
I’ll call fake!
(aber was will man in der Modebranche auch anderes erwarten außer Blendern?)
Die haben ja auch eine Kategorie mit dem Namen
“Top-Artikel der Woche”
Und das sieht, wenn man das denen glauben darf, so aus:
* Wer ist eure bloggende Stilikone? 29.05.2009, 8369 Besuche
* Tagesoutfit: Creepers mit Cut-Out 26.05.2009, 6840 Besuche
* Shopping bei COS 29.05.2009, 6205 Besuche
* Tagesoutfit: DIY-Kette 29.05.2009, 5138 Besuche
* Filmfestspiele in Cannes: Charlotte Gainsbourg und Co. 25.05.2009, 4066 Besuche
* Twitter-Verlosung: Williamson für H&M 26.05.2009, 3657 Besuche
In einer Woche mit 38 Artikeln. Sprich: 32 Beiträge sind (vermutlich erheblich) unter 3657 Besucher. Wie die dann auf die Zahlen kommen wollen, ist mir schleierhaft. Sie müssten es aber genauer wissen, denn bei der Geschichte läuft im Hintergrund Google Analytics.
Laut Google Trends hat Les Mads rund 2000 Unique Visitors pro Tag.
Wie da 30.000 PIs täglich zusammenkommen sollen…
“der vor Kurzem andernorts in der Zeit beklagt wurde”
Das hättest Du ruhig verlinken können. Ich fand den Text phänomenal. ;)
Die Zahlen von Google Trends und Alexa sind immer mit etwas Vorsicht zu genießen. Aber man kann sie abgleichen , z.B. mit den Angaben aus dem Google Ad Planner. Dort wird “Les Mads” auf monatlich 830.000 Pageviews geschätzt. Der Ad Planner liefert schon recht realistische Zahlen (jedenfalls zu den Seiten, auf deren Statistiken ich Zugriff habe). Wenn die Daten auch bei “Les Mads” in etwa stimmen sollten, käme das Blog den offiziellen Zahlen zumindest nahe.
Hat “Les Mads” die guten Werte “verdient”? Keine Ahnung; ich würde da gar nicht urteilen wollen, weil ich mich bei Modeblogs nicht auskenne. Vielleicht klickt die Zielgruppe ja wirklich wie blöd auf den Seiten rum…
Das wollte ich auch schon sagen: Die Page Impressions sagen noch sowas von gar nichts über die Besucherzahlen aus. Wenn z.B. ein Benutzer (mal eine ganz extreme Annahme) pro Session 100-mal Klickt, dann wären das bei 900.000 PIs gerade mal 9.000 Besucher im Monat. Bedingt durch das Layout muss jeder Benutzer, der die Seite besucht, sich zumindest einmal weiterklicken, wenn er einen kompletten Eintrag lesen möchte.
Das ist ja übrigens auch der Grund, warum Verlage so heiß auf Social Networks waren. Weil sie dann auf Kongressen aller Art mit ihren Page Imgressions rumprahlen können. zommer z.B. hatte seine PIs, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, auch über Google Adwords und StudiVZ generiert. Bei “Les Mads” konnte ich allerdings stichprobenartig keine Google Anzeigen finden. Sie betont in dem Interview ja aber auch, dass sie es ohne die Hilfe des Verlags hinbekommen haben. Wie auch immer.
Pardon, es hätte natürlich zoomer heißen müssen.
Was natürlich auch sein kann, dass konzernintern draufgeklickt wird, weil auf den Link dahin auf irgendeiner Intranetseit prominent drauf verwiesen wird. In einem grossen Laden können so schon viele Links produziert werden. Ich kenne deutsche Intranets, die im Monat einige Millionen interne Clicks produzieren. Ganz abwägig ist dieser Gedanke also erstmal nicht. Oder die Seite wird ständig in deren Newsletters cross-promotet.
Aber selbst dann, wenn es so wäre… es wäre dann auch ein Fake. Dass die Betreiber die Zugriffszahlen um Zehnerpotenzen hochjubeln, einfach so, das wäre sogar weniger als “nicht nett”.
Blogs in den Click-Regionen sind mir nicht bekannt. Ist denn das besagte Medium bei den IVW Online vertreten??
@CEMB: Besagtes Blog ist Teil des GLAM-Netzwerks, das derzeit noch nicht bei der IVW gemeldet ist, seinerseits aber seit Monaten die (Online Marketing-)Republik mit vermeintlichen Nielsen-Reichweiten versorgt – eine Messgröße, die hierzulande imho niemanden interessiert.
In Sachen Crosspromotion traue ich Burda im Übrigen keine Kompetenz zu. Die sprechen viel von Crossmedia und interdependenten Webangeboten, haben selbst i.d.R. jedoch keine Ahnung, wie beispielsweise GLAM in deutschland funktionieren könnte.
MS
Vielleicht haben sie Requests mit PIs verwechselt. Deren Bilder sind als /mg_img.php?u=[URL] eingebunden. Wenn man über die Logs eine Auswertung drüberjagt, werden die möglicherweise als PHP-Dokument, also als Seite, und nicht als Bild gezählt. Nur so eine Vermutung. Andererseits ist Google-Analytics eingebaut.
Ist doch super. Solche Erfolgsstories braucht man in der Krise. Man nehme ein Thema, zwei motivierte Blogger, ein paar Beziehungen und in wenigen Monaten bekommen die etablierten Medien und fachlich ausgewiesene Redakteure es mit der Angst zu tun. Da gibt es sicher Social Media Berater mit und ohne Irokesenschnitt, die das als “Best Practice” Beispiel verkaufen.
Lustigerweise habe ich heute für ein Panel zum Thema Qualitätsjournalismus zugesagt. Da sind zwar auch Leute wie der WAZ-Reitz anwesend, aber in die ganz tiefe Kiste des Burdahauses haben sie sich doch nicht greifen getraut. Vielleicht auch, weil bei Burda gerade viel Bewegung drin ist; man hört da so einiges von Kostengründen.
Die Krise bei Burda wird doch sicher bald vorbei sein. ARD und ZDF löschen ja schon fleißig Seiten.
Also wenn ich mir die Alexa-Zahlen anhand von “Umrechnungsfaktoren” ansehe, dann komme ich etwa auf 180.000 Besucher (unique visitors) im Monat. Gehen wir mal davon aus, dass jeder mindestens 2x klickt, dann hätten wir 360.000 Page Impressions. Wenn natürlich die Bilder beim Abruf auch “zählen”… ja, irgendeine Erklärung für die 900.000 wird es sicherlich geben :)
wie dem auch sei, bei lesmads haben sie mal ordentlich ein seo-team drüberrutschen lassen – die website ist hochoptimiert für google. hat zur folge, dass sie für alle möglichen auch unspezifischen suchanfragen recht hoch positioniert sind (ich weiß das, denn für einige keywords sind sie meine konkurrenten). die besucherzahlen könnten dadurch recht hoch sein, dafür sind die besucher aber völlig unqualifiziert. was bei der reinen zahlenspielerei natürlich keinen interessiert.
inzwischen weiß man wohl, dass das ganze blog von anfang an gefaked wurde, konsequent auf userverarsche aufgebaut. so ähnlich wie studivz, die sich auch anfangs erstmal sympathiepunkte bei der basis erhaschen wollten (unkommerziell, “wir sind doch welche von euch” etc pp.)
seitdem die protagonistinnen mittlerweile nur noch abgehoben von irgendwelchen catwalks in rio und sydney berichten (weil sie sämtliche spesen von burda bezahlt bekommen), ist bei vielen sämtliche glaubhaftigkeit verloren gegangen. aus neid wird hass. man kopiert ein schmieriges lifestyle-werbe-printprodukt auf diese art und weise ins netz und erwartet dafür ernsthaft authentische userbeteiligung. für mich ein beweis für die totale inkompetenz burdas im internet-bereich.
Bei allem Aufruhr gegen die Verlage möchte ich an dieser Stelle mal sagen, dass es nicht gerade leicht ist, einen erfolgreichen Blog zu schreiben. Insbesondere dann, wenn damit Autoren ihr Geld verdienen sollen. Für vernünftige Webeeinnahmen über 1000 Euro braucht man schonmal mindestens 100.000 PIs im Monat, in der Praxis eher mehr. Von Catwalks ist selbst bei 900.000 PIs im Monat noch nicht die Rede, um die Seitenaufrufe zu halten, müssen mehrere Leute Vollzeit an einer Seite arbeiten – das ist zumindest meine Erfahrung.
Zu dieser Diskussion um das Corporate Blog von Burda (diesen Begriff mögen die beiden Autorinnen und ihr Unterstützer nicht, wie sich auf dem Bloggertreffen in Berlin gezeigt hat, als eine andere Bloggerin das Blog so bezeichnete) gab es in der Blogosphäre schon einmal zumindest einen Mini-Skandal. Die Fashionblogger (meistens junge Mädchen) sind erst seit wenigen Jahren in Deutschland aktiv und haben zunächst gar nicht gemerkt, in welchen Strudel sie da hineingeraten. Als das dann herauskam, gab’s von einer Person einen etwas längeren aufklärenden Bericht, der unter dem Strich aber dann doch nur zu größerer Bekanntheit und Marketing für Lesfakes geführt hat. Aber der Blogbericht ist herrlich nachzulesen und damit dürften sich auch viele der Fragen, die Don oben aufgerufen hat, beantworten lassen:
Ich nenne es thebrats.de
korrektur: der beitrag ist auf die neue adresse der bloggerin umgezogen:
http://spiegeleule.blogspot.com/2009/02/ich-nenne-es-thebratsde.html