Keine Frage, ich glaube nicht, dass die meisten deutschen Verleger wirklich einen sinnvollen Plan haben, wie man das Internet für sich nutzt. Das Problem dieser Leute ist, erst mal den Bedeutungsverlust innerhalb des Mediums zu akzeptieren und sich zu überlegen, wo sie mit dieser reduzierten Meinungsführerschaft und begrenzten Informationshoheit sinnvoll agieren können. Ist nicht so leicht, wenn man Jahrzehnte unangefochten war, noch eine Finanzkrise im Rücken hat und die Werbeeinnahmen wegbrechen. Die allgemeine Antwort heisst sparen, Qualität noch weiter runterfahren, sich nicht mal mehr Blogger für lumpige 300 Euro im Monat leisten können (huhu derwesten!) und denken, dass alles gut wird, wenn Google zahlt und der Perlentaucher verschwindet. Da stehen wir noch vor einem langen und schmerzhaften Prozess der Anpassung. Grob gesagt: Ich glaube, es wird einen gossigen Massenanbieter geben, einen gossigen Massenanbieter, der so tut, als sei er weniger verkommen als der erste Massenanbieter, und einen oder zwei Anbieter von Qualität. Wer kein Marktführer ist, wird alle Probleme der Welt haben. Das ist das eine. Ich gehöre da irgendwie dazu, denn ich schreibe ziemlich viel für eines dieser Medien im Wandel.

Auf der anderen Seite ist die Welt, aus der ich als Blogger komme. Das war zuerst radikaler Journalismus bei Dotcomtod, dann Geschichten erzählen, und inzwischen – inzwischen finde ich es prima, dass mich da draussen viele nicht mehr leiden können. Man muss nicht bei Der Zeit arbeiten, um manchmal die Krätze ob der infantilen Idioten mit Blogs zu bekommen. Man muss nicht die Strukturen kennen, mit denen Pseudopunks alternativ schleimen und momentan versuchen, ihre Projekte für Kooperationen für die Wahl zu vermieten. Es reicht, rivva aufzumachen und schlechte Laune zu bekommen, wenn das grosse gegenseitige Linkficken bei deutsche-startups losgeht, diese elende Pusherei von Dreck und Infomüll, von PR-Lügen und hirnlosem Geschwalle irgendwelcher selbsternannter Missionare, im realen Leben kleine PR-Heinis mit prekärem Lebensstil. Für jemanden wie mich, der in der Realität in einem vernünftigen bürgerlichen Kontext lebt, ist diese seit ein paar jahren grassierende Internetsekte mit ihrem Anspruch auf Allgemeingültigkeit eine Beleidigung mit jedem Trackback, den sie setzen. Idealtypisch: Der “Missionar” Martin Weigert von netzwertig.com, bei dessen Blödsinn über Eliten aus Netz (http://netzwertig.com/2009/06/09/von-digitalen-missionaren) und Gesellschaft (http://netzwertig.com/2009/06/04/siegeszug-des-internets-die-elite-hat-angst/) ich als mutmasslicher Teil beider angesprochener Eliten, Bildung wie Internet, wirklich nur den Kopf schütteln kann.

Kein Mensch hat Angst vor so einem Neuen aus dem Netz. Ausser den Betreibern kennt das keine alte Sau. Es juckt keinen, und zwar vollkommen zurecht. Es ist den Leuten so scheissegal wie das Gewinsel der Verleger um einen nicht existierenden Qualitätsjournalismus. Beide Seiten plustern sich mit Ansprüchen auf, die sie nicht erfüllt haben, nicht erfüllen und auch nicht erfüllen werden. Es ist unfassbar, dass sie ernsthaft annehmen, man würde sie mit dieser Nullleistung als gesellschaftlich relevante Gesprächspartner akzeptieren. Niemand braucht diese PRler in eigener Sache, ihre lächerlichen Ingroupdebatten, ihr Geseier über Distributions- und Publikationsformen, wenn die Leute nur Inhalt, Inhalt und Inhalt interessiert. Statt dessen schreiben die Verleger kryptische Aufrufe an die Politik mit der Bitte, Google einzudämmen, und Blogger faseln sich einen ab, um ihrer 140-Zeichen-Befindlichkeitsscheisse Nachrichtenwert, Politikbedeutung und Kulturhaltigkeit zu unterstellen.

Ich arbeite in keiner Redaktion und muss auch nicht jeden Abend mit einem Blogger über das Bloggen zu reden. Ich wohne so weit weg, wie man in Deutschland eben davon weg wohnen kann. Hier werden die Dorfnachrichten noch an der Kirchenmauer angeschlagen. Man kann mir nicht mal sagen, dass ich mal wieder rausgehen soll, wenn meine Schreibe jemandem nicht in seinen Selbstvermarktungskram passt – ich steige hier jeden Tag auf einen Berg. Sehr weit weg von all dem, was sich da im Netz gerade abspielt. Der ökonomische Druck wird die Netzwertigs dieser Welt wie die schlechten Klickstreckenanbieter zerreiben, und dann gibt es eine Lösung. Ich weiss nicht, ob es eine schöne Lösung sein wird, und ob sie in ein neues Mediensystem mündet, ob es stabil sein wird oder eine Fortführung von Konflikten, die zu nichts führen. Ich weiss, dass ich dann noch da sein werde, denn ich kann es mir leisten, wie ich es mir heute leisten kann, mit dem Ganzen nichts zu tun zu haben.

Schöne Geschichten lese ich natürlich trotzdem gern, gute Formulierungen und eigene Meinungen.