Äquidistanz
Keine Frage, ich glaube nicht, dass die meisten deutschen Verleger wirklich einen sinnvollen Plan haben, wie man das Internet für sich nutzt. Das Problem dieser Leute ist, erst mal den Bedeutungsverlust innerhalb des Mediums zu akzeptieren und sich zu überlegen, wo sie mit dieser reduzierten Meinungsführerschaft und begrenzten Informationshoheit sinnvoll agieren können. Ist nicht so leicht, wenn man Jahrzehnte unangefochten war, noch eine Finanzkrise im Rücken hat und die Werbeeinnahmen wegbrechen. Die allgemeine Antwort heisst sparen, Qualität noch weiter runterfahren, sich nicht mal mehr Blogger für lumpige 300 Euro im Monat leisten können (huhu derwesten!) und denken, dass alles gut wird, wenn Google zahlt und der Perlentaucher verschwindet. Da stehen wir noch vor einem langen und schmerzhaften Prozess der Anpassung. Grob gesagt: Ich glaube, es wird einen gossigen Massenanbieter geben, einen gossigen Massenanbieter, der so tut, als sei er weniger verkommen als der erste Massenanbieter, und einen oder zwei Anbieter von Qualität. Wer kein Marktführer ist, wird alle Probleme der Welt haben. Das ist das eine. Ich gehöre da irgendwie dazu, denn ich schreibe ziemlich viel für eines dieser Medien im Wandel.
Auf der anderen Seite ist die Welt, aus der ich als Blogger komme. Das war zuerst radikaler Journalismus bei Dotcomtod, dann Geschichten erzählen, und inzwischen – inzwischen finde ich es prima, dass mich da draussen viele nicht mehr leiden können. Man muss nicht bei Der Zeit arbeiten, um manchmal die Krätze ob der infantilen Idioten mit Blogs zu bekommen. Man muss nicht die Strukturen kennen, mit denen Pseudopunks alternativ schleimen und momentan versuchen, ihre Projekte für Kooperationen für die Wahl zu vermieten. Es reicht, rivva aufzumachen und schlechte Laune zu bekommen, wenn das grosse gegenseitige Linkficken bei deutsche-startups losgeht, diese elende Pusherei von Dreck und Infomüll, von PR-Lügen und hirnlosem Geschwalle irgendwelcher selbsternannter Missionare, im realen Leben kleine PR-Heinis mit prekärem Lebensstil. Für jemanden wie mich, der in der Realität in einem vernünftigen bürgerlichen Kontext lebt, ist diese seit ein paar jahren grassierende Internetsekte mit ihrem Anspruch auf Allgemeingültigkeit eine Beleidigung mit jedem Trackback, den sie setzen. Idealtypisch: Der “Missionar” Martin Weigert von netzwertig.com, bei dessen Blödsinn über Eliten aus Netz (http://netzwertig.com/2009/06/09/von-digitalen-missionaren) und Gesellschaft (http://netzwertig.com/2009/06/04/siegeszug-des-internets-die-elite-hat-angst/) ich als mutmasslicher Teil beider angesprochener Eliten, Bildung wie Internet, wirklich nur den Kopf schütteln kann.
Kein Mensch hat Angst vor so einem Neuen aus dem Netz. Ausser den Betreibern kennt das keine alte Sau. Es juckt keinen, und zwar vollkommen zurecht. Es ist den Leuten so scheissegal wie das Gewinsel der Verleger um einen nicht existierenden Qualitätsjournalismus. Beide Seiten plustern sich mit Ansprüchen auf, die sie nicht erfüllt haben, nicht erfüllen und auch nicht erfüllen werden. Es ist unfassbar, dass sie ernsthaft annehmen, man würde sie mit dieser Nullleistung als gesellschaftlich relevante Gesprächspartner akzeptieren. Niemand braucht diese PRler in eigener Sache, ihre lächerlichen Ingroupdebatten, ihr Geseier über Distributions- und Publikationsformen, wenn die Leute nur Inhalt, Inhalt und Inhalt interessiert. Statt dessen schreiben die Verleger kryptische Aufrufe an die Politik mit der Bitte, Google einzudämmen, und Blogger faseln sich einen ab, um ihrer 140-Zeichen-Befindlichkeitsscheisse Nachrichtenwert, Politikbedeutung und Kulturhaltigkeit zu unterstellen.
Ich arbeite in keiner Redaktion und muss auch nicht jeden Abend mit einem Blogger über das Bloggen zu reden. Ich wohne so weit weg, wie man in Deutschland eben davon weg wohnen kann. Hier werden die Dorfnachrichten noch an der Kirchenmauer angeschlagen. Man kann mir nicht mal sagen, dass ich mal wieder rausgehen soll, wenn meine Schreibe jemandem nicht in seinen Selbstvermarktungskram passt – ich steige hier jeden Tag auf einen Berg. Sehr weit weg von all dem, was sich da im Netz gerade abspielt. Der ökonomische Druck wird die Netzwertigs dieser Welt wie die schlechten Klickstreckenanbieter zerreiben, und dann gibt es eine Lösung. Ich weiss nicht, ob es eine schöne Lösung sein wird, und ob sie in ein neues Mediensystem mündet, ob es stabil sein wird oder eine Fortführung von Konflikten, die zu nichts führen. Ich weiss, dass ich dann noch da sein werde, denn ich kann es mir leisten, wie ich es mir heute leisten kann, mit dem Ganzen nichts zu tun zu haben.
Schöne Geschichten lese ich natürlich trotzdem gern, gute Formulierungen und eigene Meinungen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Auf die Gefahr hin, hier ordentlich abgebürstet zu werden: Ich glaube nicht, dass man das Angebot des Internets so schwarz sehen sollte. Zwischen Großkopferten und Speichelleckern gibt es doch einfach zu viele Dinge, denen zu begegnen sich lohnt. Gerade wenn man das Internet nicht als grundlegend neue Kulturtechnik mit eigenen Gesetzen begreift, sondern vielmehr glaubt, dass es Kommunikation schlicht vereinfacht und es nur Leute braucht, die die Leere mit Inhalten füllen. Inhalte, die viele dieser Leute ohne das neue Medium nicht mit ihren Mitmenschen teilen können.
Es braucht nur Zeit! Zeit, dass ein Maß an Normalität die Aufgeregtheit eindämmt. Zeit, in denen neue Köpfe, die mit dem Medium sozialisiert wurden, das Potential voll ausschöpfen. Zeit, die man nicht mit dem Grämen über verschenktes Potential verbringen sollte. Und Gelassenheit, die täte sicherlich allen Beteiligten gut.
Ich glaube nämlich, dass trotz der Verachtung, die man von ihrer Wichtigkeit überzeugten Revolutionistas wie auch den in ihrer Selbstgefälligkeit erstarrten Arrivierten entgegen bringen mag, es tatsächlich das Internet sein wird, das eine ausreichend hohe Identitätsstiftende Kraft ausübt, um eine neue Bewegung von gesellschaftlicher Relevanz hervor zu bringen. Eine Bewegung in der eine in ihrer Lebenswirklichkeit nicht repräsentierte Generation nach Teilhabe an der Mitbestimmung der Gesellschaft einfordert.
Vielleicht magst du ja ausführlichere Formulierungen zu diesem Thema lesen. Ob sie auch gut sind, mag ich nicht zu beurteilen – die Meinung ist jedenfalls ganz sicher die meine.
Das Blogging-Thema sah ich gerade heute in einem Cartoon hübsch auf den Punkt gebracht.
(Eine hier auch ganz gut passende Anmerkung bezüglich der Quelle: Der “Seattle Post-Intelligencer” ist eine US-Lokalzeitung, die im März aufgrund der Krise ihren traditionellen, 146 Jahre währenden Vertriebsweg auf Papier komplett eingestellt hat und seitdem ausschließlich im Internet erscheint.)
Es wird keine Lösung geben. Sie sterben in Deutschland aus. Die Y-Generation und jünger bauen keinen Bezug mehr zum Print auf, konsumieren mit einer geteilten Aufmerksamkeit, und hauptsächlich online und digital. Always on, always connected. Man führt irgendwann alles digital mit sich. Und wird sich jeden Tag neu entscheiden, ob die neueste Ausgabe auf einen Kindle (hoffentlich mit Farbe und Touchscreen :)) heruntergeladen werden. Bild hat dann nur noch 500.000 Auflage. FAZ, Sueddeutsche, Zeit, and so on unter 100.000 Euro. Es wird kritisch, eingeschränkt. Geschäftsmodelle sind nicht mehr haltbar. Online schafft es auch nicht zu kompensieren, d.h. Gesundschrumpfen, Online Aufkaufen, Neue Synergiegeschäftsfelder finden. Alle arbeiten daran. Geld einfordern, verzweifelt wie die Musikindustrie. Einen Verband gründen, der wie die Gema oder GEZ arbeitet? Es wird Zeit. Die Demokratie ist gefährdet. Tatsächlich sehe ich den Punkt. Ohne starke Printmedien weniger Demokratie/Transparenz. Problem: Menschen/Leser (dumm?) lesen menschenverblödende Publikationen. Wie kann also die Demokratie gerettet werden. Einzig und allein durch den Spiegel ;-). Ok, also mal ehrlich. Glaubst Du nicht auch, dass alles so fad, langweilig und blogs keine relevanz haben, weil die deutschen allgemein und im Kern zu ihrer Tradition zurückwachsen. Die Hochphase einer Demokratie macht die Gesellschaft dumm, sprunghaft und schweifend. Protest ist weg. Die Dichter und Denker auch. Deutschland ist eingelullt durch ein ständiges Senden von positiven Botschaften der Politik und anderen Institutionen + Werbebotschaften. Es gibt keine Reibung mehr. Kritik stösst auf Schaumgummi. Positiv-monoton. positiv-gleichgeschaltet im alltagskampf. Die Deutschen also sind zurückhaltend. gefühlskalt. es lohnt sich nicht für sie, auf die strassen zu gehen. So gesehen ist alles gerade das ende, as we know it. es wird nicht klüger, es wird nicht besser. erst mit stress, veränderung der lebensumstände, armut, repression. dass heisst wir müssen es leider hinnehmen, dass wir bis zum grossen Zeitungssterben mit oft unsäglichen geschichten leben müssen.es scheint zurzeit, dass journalisten auf der grossen suche nach sich selbst sind. es gibt nicht wirklich die starken rollen, die starken kontroversen, die über alle kanäle geführt werden. sie verkriechen sich, sie verteidigen sich, sie klagen an, aber immer auch desorientiert. komplett. ich bin gespannt. ich glaube, dass man sich an dem thema in einer endlosschleife steckt. es ist so, man kann tatsächlich nichts machen und es wird viel geweint. verzweifelt experimentiert. Zur Entspannung noch ein paar Zeilen von Cocorosie:In these times of evil spirits, Of material thugs and mischief, Fear saint nonis wisdom
And his love for rainbow spirits.
Nachtrag: “Was man auch immer von den neuen Simulationen hält, das Ende der Erde kommt mit Gewissheit. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent wird die Sonne weitere fünf Milliarden Jahre vor sich hinstrahlen, um sich dann, wenn sie ihren Brennstoff fast verbraucht hat, zu einem sogenannten Roten Riesen aufblähen. Dabei verschlingt sie erst den ihr am nächsten gelegenen Planeten Merkur, dann Venus, Mars und schließlich auch die Erde.” Source: kopiert von Spiegel Online.
Mein persönliche Wahrnehmung des Medienverhaltens junger Leute sieht anders aus: In der Altersgruppe zwischen etwa 20 und 30 (ich habe Kinder in dem Alter) wird das Internet kaum genutzt. Im Freundeskreis von rund 60 Leuten dieses Alters gibt es genau 1 “Internet-Freak”. Dieser Kreis ist von Herkunft, laufender Ausbildung und Beruf her sehr gemischt. Hauptinformations- und unterhaltungsmedium ist das Fernsehen. Ich habe nachgefragt: von den rund 60 Leuten haben nur knapp die Hälfte einen PC samt DSL. Vom Rest sagte wiederum etwa die Hälfte, Computer und Internet, das sei doch Schule, das sei blöd. Ãœbrigens: Die Befragten gaben alle an, dass sie keine Tageszeitungen lesen, sehr wohl aber SI-Zeitschriften.
Mag sein, dass das nicht repräsentativ ist. Aber die selbstreferenziellen Akteure des laufenden Hypes (vor allem rund um dieses unsägliche Twitter) repräsentieren eine deutlich ältere Zielgruppe.
@rainersche
Nein, das ist wahrscheinlich wirklich nicht representativ.
Bin selber in der angesprochenen Zielgruppe und habe eine völlig andere Wahrnehmung. Vielleicht vor einem anderen sozio-kulturellem Hintergrund (Student, urbanes Gebiet)?
Da ist es nämlich so:
Das Fernsehen ist tod. Die Hälfte der Leute bestitzt gar keinen Fernseher mehr und die Andere Hälfte besitzt zwar noch einen, nutzt ihn aber kaum.
Der PC und das Internet ist das Medium der Wahl. Dort liest man Nachrichten, schaut Filme und kommuniziert.
Ach, wer weiss – vielleicht führen wir ja in zehn Jahren die Diskussion, warum das anno 2009 mit dem ganzen Digitalkram doch nicht geklappt hat.
Obwohl die Erwartung und Hoffnungen doch überlebensgross waren. Und obwohl diese ganzen “Experten, Mediagurus und Internetkenner” (mit oder ohne rote Haare) die Medienzukunft so affentittengeil geschildert hatten.
P.S.: Und dann werden sich wohl auch nur noch die älteren an den Twitter-Quatsch erinnern.
Armin, der ganze “Digitalkram” klappt dann nicht, wenn man nur über ihn redet, anstatt ihn tatsächlich einzusetzen :)
Ein Rad, welches nur auf dem Boden herumliegt, hat zwar so einiges an Potential, aber solange es nur auf dem Boden liegt, hat man ausser wilden Visionen, was man damit theoretisch anfangen könnte, nichts davon. Irgendwann wird das Rad ins Feuer geworfen, damit es zumindest zu irgendetwas nützlich ist und man vergißt diese seltsame Episode.
Es gibt leider zu wenig Leute, die zB. mit Hilfe einer Gabel, einer Achse und eines Behälters das Potential des Rades ausschöpfen, in dem sie eine Schubkarre daraus basteln. Halt, nein, zu wenig Leute gibt es nicht. Nur gehen sie in dem Gebrülle der “Visionäre” unter, weil kaum jemand auf sie achtet.
Jedenfalls könnte das:
http://meedia.de/nc/details/article/die-faz-prsentiert-sich-krisenfest_100020911.html
erklären, warum sich die FAZ den Don geholt hat. Vielleicht differenziert sich das wirklich alles neu aus. Und die, die wirklich Qualität bieten, stehen anders da. Die, und auch die SZ, müssen noch viel tun, sich öffnen, aber es wäre in meinem Sinne, wenn qualitätsplattformen entstehen.
Mit Freude und Genugtuung gelesen.
[…] ÄQUIDISTANZ Keine Frage, ich glaube nicht, dass die meisten deutschen Verleger wirklich einen sinnvollen Plan haben, wie man das Internet für sich nutzt. Das Problem dieser Leute ist, erst mal den Bedeutungsverlust innerhalb des Mediums zu akzeptieren und sich zu überlegen, wo sie mit dieser reduzierten Meinungsführerschaft und begrenzten Informationshoheit sinnvoll agieren können. […]
@rainersche
Meine persönliche Erfahrung (Kleinstadt, 50 000 EW, Gymnasiasten)weist in die gleiche Richtung. Fernsehen wird im Alltag kurz (!) genutzt, Tagesschau überfliegen, das war es fast. Der PC wird häufig, aber extrem oberflächlich benutzt. Geht auch nicht anders, da mangels tiefergehendem Interesses sehr einfache und grundlegende handwerkliche Details nicht beherrscht werden.Als Nachrichtenquelle werden dort nur die ganz leicht zugänglichen Publikationen benutzt (SPON, T-Online, Lokalmedien) im Vorbeigehen genutzt. Mit Leidenschaft dagegen nutzt man StudiVZ u.ä.
Die Bloggerszene ist, wo sie politisch ambitioniert ist, aber immer noch ein Derivat der Printpresse. Es wird faktisch meist über gedruckte Veröffentlichungen gesprochen. Eigene Recherche ist, natürlich, äußerst selten. Wo rein Persönliches gebloggt wird ist es, da spreche ich nur für mich selbst, fast immer langweiliges Gehampel um Distinktion, also wertlos. Faszinierend sind ganz neue Entwicklungen, wenn Leute das Netz benutzen, um sich blitzschnell zu informieren/organisieren und das Verabredete zu verbreiten:
– bei der Diskussion um von der Leyen
– ePetition
Schade, dass durch mangelnde Erfahrung und Urteilsvermögen dieser Erfolg durch die erfolglose Kandidatur der Piratenpartei so schnell auf Null gebracht wurde.Das Selbstbild, das manche Leute aus deren Umfeld in den Blogs abbilden, ist illusionär und größenwahnsinnig.
“Schade, dass durch mangelnde Erfahrung und Urteilsvermögen dieser Erfolg durch die erfolglose Kandidatur der Piratenpartei so schnell auf Null gebracht wurde.”
Das mögest Du bitte ein wenig erläutern? Steh gerade auf dem Schlauch …
Nun, vor dieser Wahl war die ,,C 64″-Generation für den etablierten Politikbetrieb eine offenkundig reale Gefahr, weil sie fast aus dem Nichts heraus z.B. 100 000 Unterschriften mobilisieren, in Gestalt von MOGIS das Manipulations-Werkzeug Repräsentativ-Umfrage ruinieren und durch koordiniertes Kommunikationsverhalten das Ablenkungsmanöver Paintball-Verbot killen konnte. Niemand wußte wie groß diese Gruppe überhaupt ist.
Jetzt weiß man es besser.Und, zack, konnte sich ein Wiefelspütz, der das ganze Wochenende eine Lachnummer mit seinem halben Dementi abzog (ohne zu sagen, was er gesagt hatte und ob die SPD den Aufbau einer Sperr-Infrastruktur beim BKA erlauben würde), leisten, sich mit der CDU diesbezüglich zu einigen. Ja, und das Verbot von Ballerspielen als Ablenkungsmanöver kann man getrost weiter betreiben.
Wenn es sich wirklich um ein Generationenproblem handelt haben die Etablierten noch mehr als ein Jahrzehnt Zeit damit, auf diese Leute politisch wirklich einzugehen. Bis dahin würde jede Stimme für eine Piratenpartei immer nur CDU/SPD/FDP unterstützen.
@gelegentlich
Dieser Argumentation zufolge hätte es die Grünen aber nie geben dürfen oder? Selbst wenn die Piratenpartei nicht das endgültige Mandat einer unterrepräsentierten, aber doch relevanten (natürlich nicht ganz so wichtig, wie sie sich selbst nimmt) Bevölkerungsschicht bekommt – es gab auch viele “Versuche” der Friedensbewegung und der Atomkraftgegner, bevor sich die eine Bündelung von Interessen herauskristallisierte, die erfolgreich nach politischer Teilhabe verlangte. Und das hat einige Ostermärsche länger gedauert, als mal eben eine Petition bis in die Tagesschau zu bekommen.
Ich habe meine Zweifel, ob die aus einer völlig anderen Lebenswirklichkeit stammenden Vertreter der etablierten Parteien (da gehören die Grünen ja mittlerweile auch zu) es schaffen, sich die Perspektiven der Netizens in ausreichendem Maße zu eigen zu machen, als dass diese sich repräsentiert fühlen.
@gelegentlich (14):
Die Art der Parteien-Aufzählung im letzten Absatz interpretiere ich so, dass Du es vorgezogen hättest, wenn die Wähler der Piratenpartei stattdessen grün gewählt hätten.
@ neonberlin “Die Demokratie ist gefährdet. Tatsächlich sehe ich den Punkt. Ohne starke Printmedien weniger Demokratie/Transparenz.”
häh? genau das geschwafel der printindustrie. was hat demokratie mit dem publikationsmedium zu tun?
wenn, dann schafft das internet durch den freien zugang zur tastatur anstatt dem beschränkten zugang zur druckpresse *mehr* demokratie und transparenz.
also ersetze “printmedien” mit “journalismus”.
Ich bedaure, das die meisten Aktionen der Verleger dahin gehen, einen Status Quo zu erhalten, der kaum noch Nutzen bringt. So geht die Zeit und der Umsatz und irgendwann auch der Verlag flöten.
Dann überlebt wirklich nur noch der gossige Massenanbieter.
Ich persönlich hätte ja gern mehrere Abonnements – z.B. in der Art: den International-Teil des Standard, ein Feuilleton der FAZ, die Zeitläufte der Zeit, … Je nach Umfang und Lieferhäufigkeit (gern wöchentlich zusammengefasst) so für je 3-5 Euro im Monat pro “Sparte”.
Was ich von einer “Zeitung” nicht brauche, sind Agenturmeldungen (wenn sich ein längerer Bericht nicht gerade darauf bezieht – die sind im Web wirklich überall vorhanden.), die Börsenkurse (die hat der Online-Broker), den Wirtschaftsteil (da sind die Blogs mittlerweile viel besser), den Sport (interessiert mich nicht), den Autoteil, Reise-Wellness-Tralala, PR & Co. und sonstige Füllmasse.
Von mir aus mag das ja bedeuten, das von heutigen Zeitungen nur ein Teil der Redaktionen überlebt. Aber wenn sie gut sind, haben sie dann auch eine Zukunft.
Vielleicht liegt das Versagen der Printmedien im Umgang mit den Möglichkeiten des Netzes einfach am Nichtverständnis. Wenn ich das bisher richtig verstanden habe, sehen die Herrschaften einfach nur einen neuen Distributionskanal, wo gefälligst der Staat, der Wiefelsspitzel oder wer auch immer sich angesprochen fühlt, dafür sorgen soll, dass die alten Geschäftsmodelle unverändert weiterbetrieben werden können, nur halt in neuer Vertriebsform. Dass aber das Internet eben neues Medium mit neuen Möglichkeiten und geänderten Konsumgewohnheiten der Nutzer ist, scheint sich in den Verlagshäusern noch nicht herumgesprochen zu haben. Klickstrecken aneinanderreihen und Agenturmeldungen ungeprüft zu übernehmen ist nun wirklich nicht das Gelbe vom Ei des Journalismus – it´s the content, stupid! möchte man ihnen zurufen, wenn sie nicht auf diesem Ohr taub wären und lieber krampfhaft versuchen der Entwicklung hinterherzuhecheln, das Ganze kaschierend durch das Jammern über böses Google, böse Blogger und überhaupt diese ganzen Nerds.
Der andere Punkt über die ganzen Ãœberbleibsel der alten NewEconomy erschließt sich mir als Blog-Anfänger noch nicht wirklich – was ich bisher verstanden habe ist, dass es wohl sogenannte Profiblogger geben soll, die über Selbstvermarktung und ähnliches, meinen, vom Bloggen leben zu können oder zumindest etwas Geld einnehmen zu können. Nun, ich denke, das funktioniert nur, wenn dahinter ein gewisses journalistisches Handwerk und jede Menge Arbeit steckt – oder halt wie bei Stützen der Gesellschaft eine klare, streitbare Haltung. Alles andere ist entweder Hoby wie bei mir oder aber fortgeschrittenes Blendertum, dass dann auch über kurz oder lang regelmässig scheitern wird.
@MOTI (17): Viele Generationen (ältere) nutzen eben zurzeit noch vorrangig TV und Print als Informationsmedium. Die Aufmerksamkeit oder Quantität der Leserschaft ist letztlich wichtig um als 4 Säule überhaupt zu agieren/ beeinflussen zu können. Sie dient als Spiegel für Ausuferungen und Grenzüberschreitungen (vorausgesetzt) die Publikation ist so gut. Sollte das mal nicht mehr sein, wird es gefährlich. Siehe Italien. Keine unabhängigen Medien mehr (ausser reppublica, l´espresso) und sie schaffen es nicht gegen Berlusconi anzuschreiben, weil 90% TV und Zeitschriften gleichschalten müssen. Internet reicht in dem mix eben überhaupt nicht aus. zurzeit schon gar nicht. später vielleicht, wenn wir digitalisierte formen haben.
Nur weil ein Medium in seiner Bedeutung erodiert (und ganz im Ernst, so weit ist es noch lange nicht, wenn man sich ansieht, wo agendasetting betrieben wird – die Relevanz der etablierten Medien wird sicher noch eine zweite Politikergeneration überleben) muss das ja nicht zum Vakuum führen.
Vielmehr ist ein Verpuffen von Meinungsautorität insofern unmöglich, als die Verteilung von Autorität ein Nullsummenspiel ist. Was der eine dazu gewinnt, verliert der andere. Es wird also irgendwann zu einer Wachablösung kommen, das Warten darauf kann allerdings recht schmerzvoll werden, wenn man das Affengebrüll der posierenden Kontrahenten “Herausforderer” und “Alphamännchen” ertragen muss.
@ERZ
Der Sichtweise stimme ich zu. Ich wollte einfach nur herausstellen, dass es damals nicht nur um ein Thema ging, dass sich Bündnis sehr verschiedenartiger Bewegungen, Subkulturen, Lebenswelten gebildet hatte, welche alle mit den damals etablierten Parteien und Formen der Meinungsbildung nichts mehr anfangen wollten.
Rein taktisch finde ich es unklug, mit der Kandidatur der Piratenpartei das Überraschungsmoment aus der Hand gegeben zu haben, während die eigene Basis noch so dünn ist.
,,Die Netizens” gibt es einfach nicht als relevante Gruppe. Was sich in Kommentaren von Blogs zu Wort meldet ist so heterogen dass es viele Jahre dauern würde, bis daraus etwas entsteht, das bei Wahlen mit einer Stimme sprechen kann, was ich für die Gründung einer Partei aber für wesentlich halte. Mit Leuten, die FDP wählen könnten, wenn der freie Download gesichert wäre, möchte ich nicht in einem Boot sitzen und würde für solche Leute auch niemals stimmen. Das Netz ist schließlich nicht Alles…
@neonberlin: du sagst doch selber, dass die nachwachsende generation schon vollkommen losgelöst von print ist. das heißt also: im zeitablauf sinkt im gleichen maße wie die auflage der printmedien auch deren bedeutung (für die demokratie). gleichzeitig steigt die reichweite des “demokratischeren” weil vielfältigeren mediums internet.
das ganze unbeeinflusst von der güte des publizierten inhalts, denn die ist unabhängig vom publikationsmedium. ein guter text wird im internet nicht schlecht. er wird auch nicht durchs internet schlecht. noch interessanter: selbst wenn er (mangels refinanzierbarkeit von recherchearbeit) verhindert würde: es ist nicht die *schuld* des internets. das ist der denkfehler der printmedien.
durch die enorme vielfalt, den umfang, die tiefe und ständige verfügbarkeit der informationen (freiwillig erstellt, kostenlos, unkommerziell, aus erster hand) im internet wird die versorgung mit erstklassigen inhalten erst gesichert (man braucht nur jemanden, der die informationen ordnet, z.b. suchmaschine). es gibt nicht “im internet find ich dazu nix, ich hol mir mal ne zeitung”. also ist doch von daher alles im lot.
ich habe die kommentare nicht alle ausführlich gelesen, vielleicht wiederhole ich also etwas, das schon gesagt worden ist, dennoch: bravo! über derlei dinge kann ich mich in genau dieser expliziten form ebenfalls regelmäßig aufregen.
es wird weiterhin und noch mehr übelste online-scheiße geben, das internet ist in dieser hinsicht noch mal sehr sehr viel schlimmer als das fernsehen. das wirklich gute wird nie mainstream werden, das kann man im netz einfach knicken. und leider kann man es hier auch noch um längen mehr knicken als beispielsweise im deutschen fernsehen, wo es zumindest über die öffentlichen eine art edukative reste-regulierung gibt. internet ist auch nicht wirklich demokratisch, denn dafür wäre die voraussetzung, dass es repräsentativ alle meinungen abbildet. es ist im gegenteil im grunde sogar eine höchst undemokratische plattform, weil es überdurschnittlich viele aussagen abbildet, für die geld und wohlstand der “1. welt” voraussetzungen sind, und weil es in diesem mehrheitsgebrabbel auch noch (zum teil glaubhaft) so tut, als würde es die welt in summa und totale oder sogar alternative auslegungen der wirklichkeit verkörpern.
@MOTI: Grundsätzlich hast Du ja recht. Was mir ein wenig sorgen bereitet ist der Übergangszeitraum. Wenn ein Vakuum entsteht und alte Eliten glauben, dass sie ohne aufpasser agieren können. Was sowas angeht, sind Italien und viele schlechtere Demokratien ein perfektes Beispiel. Klientelismus en gros, und es geht leider auch in diesen Ländern noch extremer. Zum Beispiel Russland und die Tötung von Enthüllungsjournalisten. Es werden Grenzen überschritten. Man benötigt eine valide Öffentlichkeit bzw. das Regulativ. Wenn das Internet mit Qualitätsjournalismus es schafft, sich mit den dann existierenden Medien zu vernetzten, neutral zu bleiben und die Agenda mit einem möglichen Sturz zu schaffen, dann ist alles in Ordnung.
Don, Du schreibst aber ziemlich oft über doofe Blogger, die die nicht interessieren … aber das geht wohl auch nicht anders. Selbst wenn man sich versucht zurückzuhalten, lässt man sich doch manchmal hinreissen. Geht mir ja genauso. Manchmal habe ich aber schon das Gefühl, dass manche Blogs überhaupt kein wirkliches, eigenes Thema haben. Es ist ja OK, mal den einen oder anderen Rant loszuwerden, Musik zu verlinken, Links zu schleudern. Aber irgendwie muss inhaltlich doch irgendwo ein roter Faden sein. Und den haben allzuviele wirklich erfolgreiche Blogs leider nicht. Und die sollten sich dann wirklich mit Kritik an den Mainstreammedien zurückhalten.
@ITHA
Ich verstehe deine Kritik so, dass du mit 1.Welt die deutschsprachige Blogosphäre meinst. In Südkorea braut sich andauernd was im Internet zusammen, was dann Mainstream wird. Also umgekehrt. Gibt natürlich Gutes und Übles drunter.
Ich lese immer wieder was von “Versagen der Printmedien im Umgang mit den Möglichkeiten des Netzes”.
Was heisst das ? Welches Versagen ? Ja, das frage ich wirklich! Ist das Versagen bereits Fakt, weil es die Bloggergemeinde gerne so hätte ? Ich sehe das nicht, überhaupt nicht. Und das wird auch durch ständiges plattes Wiederholen nicht deutlich für mich. Es findet eine Entwicklung statt, die nicht jedem Printmedium schmeckt, wie Don ganz richtig schreibt. Dabei jetzt schon von ‘Versagen’ zu sprechen ist grober Unfug und an Ãœberheblichkeit kaum zu überbieten, aber typisch für Blogger, die im Grunde immer nur eins sind: PR’ler in Sachen Selbstmarketing.
Es gibt einige Printmedien, die waren bereits lange vor der ersten Internet-Hype so überflüssig wie ein Kropf aber leider auch hartnäckig, wie Fusspilz. Was jetzt passiert ist eine längst fällige Marktbereinigung, die ein wenig durch die Existenz des Webs beschleunigt wird, aber mehr auch nicht.
Der Untergang der Printmedien ist ein Mähr von selbsternannten und -gerechten PR’lern, die mit Geek-Sprache und Anglizismen nur so um sich werfen, damit aber nichts von Bedeutung mitzuteilen haben.
Vielmehr werden die guten Printmedien überleben und zwar genau die, die bislang noch zögerlich mit dem Netz umgehen, aber sich jetzt langsam aufmachen, sich dem neuen Medium zu öffnen. Gutes Timing nenne ich das: Wenn alle Hypes durch sind, steigt man mit klarem Blick in das ein, was übrig ist. Nichts ist verloren, es fängt gerade erst an.
Nein, ich bin kein Journalist, sondern nur ein ganz normaler Angesteller in der IT, 46, verheiratet, ein Kind, Marke Mittelstands-Durchschnittstyp mit Anspruch auf Information, die seriös, gut lesbar (@NEONBERLIN: so ein Gekritzel ist unlesbar und völlig ohne jeglichen Stil, grausam, selbst wenn du was sinnvolles mitteilen willst), interessant und spannend ist.
Achja: Danke Don, wie immer seriös, gut lesbar, interessant und spannend ;)
Ja die Blogger nerven manchmal und ja das Getöse um Twitter genauso, aber hey was soll’s, wenn Leute daran Spaß haben sollen sie. Niemand zwingt mich dazu das zu lesen oder gar alles ernst zu nehmen.
Auch im Usenet, Foren, Chats und was auch sonst noch für nicht “Web 2.0” Techniken die letzten Jahre benutzt wurden wird viel Unsinn geschrieben. Aber geht man an einem beliebigen Abend in eine beliebige Kneipe und hört den Gesprächen zu dann stellt man fest das das meiste genau der gleiche Unsinn ist. Menschen wollen miteinander Kommunizieren und sich austauschen, manchmal sogar einfach nur so, das ist im Internet nicht anders als überall sonst.
Wenn man über “das Netz” spricht, dann sollte man einfach die diversen Anwendungen wie Blogs, Twitter und Web 2.0 Blah beiseite lassen. Genauso müssen alle die sich gesellschaftliche Veränderungen durch das Internet erhoffen/prognostizieren/befürchten klar machen, das solche Veränderungen lange dauern, sehr lange. Daran wird auch die dem Internet eigene Geschwindigkeit nur teilweise etwas ändern. Das Internet verändert bereits unsere Gesellschaft, langsam und stetig. Auch wenn Verleger, Politiker und manch andere an statischen Verhältnissen interessierte es nicht wahrhaben wollen, das Internet wird nicht mehr weggehen oder als Modeerscheinung irgendwann bedeutungslos werden, schlimmer noch es wird einfach so normal werden wie Fahrräder, Autos, Telefon oder Schreibtische.
Die meisten Menschen in meiner Umgebung benutzen das Internet einfach zum Einkaufen, Kommunizieren, Nachrichten und vor allem der Suche nach speziellen Informationen die man offline nur sehr aufwändig und langsam bekommt. Twitter, Blogs interessieren da nur wenn sie Informationen liefern die gewünscht werden, nicht um ihrer selbst willen. Und diese normalität der Nutzung die immer mehr um sich greift und was diese bedeuten kann ist das eigentlich faszinierende. Nicht die selbstreferenziellen Diskussionen von alternden Nerds.
[…] Don Alphonso schreibt recht vernünftige Dinge in der BlogBar. Er wirft den deutschen (Presse-) Verlagen zu Recht vor, sich zu langsam anzupassen, und stellt für die Welt der ihre Etabliertheit verlierenden etablierten Medien eine Prognose auf: Ich glaube, es wird einen gossigen Massenanbieter geben, einen gossigen Massenanbieter, der so tut, als sei er weniger verkommen als der erste Massenanbieter, und einen oder zwei Anbieter von Qualität. Wer kein Marktführer ist, wird alle Probleme der Welt haben. Das ist das eine. Ich gehöre da irgendwie dazu, denn ich schreibe ziemlich viel für eines dieser Medien im Wandel. […]
Gut gebrüllt. Ich denke, Du hast in einer Hinsicht völlig recht: Ein guter Blogger kann man nur dann werden, wenn man fernab davon ist, in irgendeiner Hinsicht kommerziell erfolgreich zu werden. Bloggen aus Lust am Schreiben (oder bei Dir wohl eher: Lust an der Dekonstruktion der Ereignisse [man könnte es auch Nörgeln nennen]) ist der Idealzustand, alles andere wird alle anderen Blogs über kurz oder lang lächerlich werden oder komplett abflachen lassen – erste Tendenzen sind ja sichtbar (man gucke sich nur mal das ehemalige No1-Blog an, heute eher ein seichter Infotainment-Mix, der durch die Käuferfirma verbreitet wird, die nicht weiß, wie sie mit dem Ding ihr verbrauchtes Geld zurück holen soll).