Mal abgesehen davon, dass ich eher mit Brunzkacheln als mit Marken reden wollte – bei ersteren hat man es wenigstens nicht mit Cretins zu tun, zu deren Gunsten bezahlte PR-Schleimbatzen Kommentare schmieren, wobei ich natürlich absolut rein gar nichts gegen den ehrenwertesten Agenturbesitzer Mirko Lange sagen will, der regelmässig bei seinen Abhandlungen für Vodafone zu erwähnen vergisst, dass er die PR für einen Teilbereich von Arcor gemacht hat, das ist allenfalls nur der gute alte Jambastil und Egopromotion – mal abgesehen davon gestaltet sich mein Umgang mit Vodafone und ihrer neuen Kampagne erfreulich still.

Weil diese Leute einfach nicht reden wollen. Oder können. Ich habe keine Ahnung, ich habe nur ein paar Sprüche gelesen, mit dem sich Leute aus der Debatte verabschieden. Nehmen wir nur mal dieses superflauschige PR-Interview, das sich bei Meedia anschickt, jedes Fitzelchen heisse Luft aus Nico Lumma, den Verantwortlichen für Social Media der Vodafone-Kampagne abzuzapfen:

Wir werden auf der Kampagen-Website www.es-ist-Beine-breit.de [editiert] und auch auf Facebook, MySpace, StudiVZ, dem Vodafone-Blog sowie mittels Twitter dafür sorgen, dass der User im Mittelpunkt steht. Sei es durch Aktionen, sei es durch einen Dialog-orientierten Ansatz in Diskussionsforen, sei es durch einfaches Zuhören im Web.

Göttin des Zuhörens und des Dialogs bei Vodafone ist meines Erachtens deren Pressesprecherin Carmen Hillebrand mit einer Gesprächsbereitschaft, die man seit dem Untergang der DDR und den Pressstellen der dortigen Ministerien auf deutschem Boden nur noch selten erlebt hat. Ich mein: Da wird Vodafone von ein paar tausend Wortmmeldungen gesagt, dass ihr Image durch die Pressekonferenz noch mieser wurde, als es ohnehin schon ist, dass man sich von der Buzzwortscheisse deren Chefs verarscht fühlt, um es deutlich zu sagen, dass man die Tarife für bescheuert hält, dass man den Spot schlecht findet und der Meinung ist, dass der Laden was zu Zensursula und dem eigenen Treiben sagen sollte.

Und Carmen Hillebrand schreibt auf diese Welle hin am Freitag nur einen Beitrag ins Blog, dass sie ein eForum einrichten wollen [blog.vodafone.de/2009/07/10/reaktionen-auf-die-livepk-service/]. Aber erst im Spätsommer, also ungefähr dann, wenn die Kampagne vorbei sind. Drunter wird auch Kommentarspam in den Kommentaren zugelassen, ansonsten hat Frau Hillebrand nichts mehr zu sagen. Keine Antwort, keine weitere Reaktion, auch nicht bei Twitter [twitter.com/vodafone_de], während man draussen weiter debattiert. Über die eigentlichen Themen. Aber vielleicht war es einfach Wochenende, da arbeitet man nicht. Vielleicht hätte man der Pressesprecherin mal sagen sollen, dass es mit einer PR-Verlautbarung heute nicht mehr getan ist. Und dass das Netz ein klein wenig schneller und lauter als ein paar mit Handies und Sonderverträgen erfreute Blogger und Journalisten ist.

Heute, Montag dann auf dem Blog ein Beitrag aus Ghana, wo PR-Mitarbeiter sicher auch nicht fleissiger sind, und nur 24 Stunden nach dem Formel-1-Rennen vom Nürburgring ein Blogeintrag – es haben ja sicher nur 235.000 andere Medien inzwischen davon berichtet, nur noch nicht über die spannenden Dinge in der Box des gesponsorten Teams. Weiterreden mit der Tänäräschn Aploht? Kann offensichtlich warten. Und inzwischen hat man ja auch die tolle Projektsite angeschmissen.

Dort soll man mitmachen. Und zwar, weil es was dafür gibt [esistdeinezeit.de/werde_held_fuer_einen_tag]:

Es gibt vieles zu gewinnen, unter anderem einen Tag als Held auf es-ist-deine-zeit.de und Karten für ein exklusives Event in Berlin.

Sandförmchenbacken mit Nico Lumma? Ein 99-Cent-Döneressen mit Sascha Lobo? Ein Twitter-Vermeidungs-Seminar mit Carmen Hillebrand? Die 1000 schönsten Buzzwords in einer Performance mit Gregor Gründgens feat. ÄFF-ÄMM von Scholzens Frienz? Seit drei Tagen rollt die Kampagne, seit drei Tagen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man bei Scholz & Friends und Vodafone auch nicht so genau weiss, wie das laufen soll, und was man eigentlich jenen bietet, die da mitmachen sollen. Und wer das nicht glaubt, drücke mal auf diesen Link:

http://www.esistdeinezeit.de/rechtshinweise.html

Vielleicht wäre es einfach mal an der Zeit zuzugeben, dass man zwar den Spot und die Website so halbwegs fertig hatte, aber mit einem reichlich unfertigen Ding an die Öffentlichkeit ging. Anderes Beispiel: Mitmachen! Tut die Tschänäräschn Aploht ja so gerne! Man kann auf dieser Site folgenden Text anclicken:

Schauen, Staunen, Voten! Wirf einen Blick auf unsere Heldenclips und -fotos und vote für Deinen Favoriten.

Dabei kommt man bei den Imagevideos der Testimonials raus. Und nein, dort gibt es nichts, wofür man voten kann. Null. Nada. Nicht mal die grosse Garde der Mastdarmakrobaten vom Rektalturnverein PRevanschissmus 09 könnte mitmachen, selbst wenn sie wollte. Ich finde das ja putzig, wenn so die Kommunikation und das Empowern der User ins Nichts ausläuft, aber mal ehrlich: Riesenetat, Riesenfirma, Riesenagentur, und das ist alles, was die können? Und entsprechend mau wird es auch angenommen, wenn man sich mal die Microsite bei Youtube anschaut:

[youtube.com/vodafonedeutschland]

Wie bei solchem Kommerzdreck üblich, läuft sofort das Video los. Das ist einerseits widerlich, weil es den Nutzer natürlich nicht empowert, sondern ihm was reindrückt. Andererseits ist es für unsere Zwecke prima, denn jeder Aufruf wird auch als Abruf des Videos gezählt. Und da sind wir 3 Tage nach Beginn der Kampagne bei 2785. Das auf der Youtube-Startseite verlinkte Video kam bislang auf 16685 “Abrufe”. Und wenn das im Vergleich zu Werbung in drittklassigen TV-Kanälen mickrig ist: Es gibt dort auch haufenweise Videos, die nach Start der Kampagne auf ein paar Dutzend Aufrufe kommen, ohne klickende Omi, Cousinen und Freunde der Testimonials rauszurechnen. Vodafone könnte diesen “Dialog” bei mir am Tegernsee mit einem wackligen Projektor und Leinwand oben auf der Baumgartenschneid auf 1336 Meter Höhe im Regen machen, und sie hätten in drei Tagen mehr Zuschauer. Sie könnten es auf dem Marktplatz in Gmund Nachts um Drei von Sascha Lobo und Carmen Hillebrand spielen lassen, und sie hätten mehr Zuhörer. Der eklatante Unterschied zwischen den 16685 Nutzern, die auf der Seite gelandet sind, und den paar Typen, die an einer weiteren Beschäftigung Interesse hatten, macht selbst Keilschrifttafeln zu einer Massenkommunikation. Auch in Altakkadisch, noch heute. Und das, obwohl Vodafonemitarbeiter auf ihrer gekauften StudiVZ-Seite nicht müde werden, immer wieder den Link zu youtube in die Runde zu werfen:

Danke an schon weit mehr als 4000 Freunde von Vodafone Deutschland hier auf studiVZ und meinVZ!
Wir möchten an dieser Stelle noch einmal auf unsere Aktion hinweisen und uns für die bisherigen Verlinkungen bedanken.
Für alle neuen Freunde, die den Spot und Making Of Material anschauen wollen, ist hier der YouTube Link:
http://www.youtube.com/vodafonedeutschland

Dialog, hm?

Ich finde das prima. Wirklich. Eigentlich müsste ich Scholz & Friends bezahlen, denn damit sorgen sie dafür, dass all die mit social Media belaberten Kommerzdödel auf Jahre wieder andere Methoden verwenden, die genauso blöd, aber nicht so offensichtlich anfällig gegen verärgerte oder gelangweilte Nutzer im Internet sind. Scholz & Friends schlachtet einen Markt, und das mit grösster Aufmerksamkeit. Fachlich gesehen ist die Kampagne ein Totalversagen auf allen Ebenen, aber ideologisch betrachtet bin ich auch hier glücklich, dass Leute wie Kosmar, RobGreen und PickiHH unzusammenhängenden Blödsinn in die PR-Site von Vodafone twittern, ich danke Frau Hillenbrand für die vorzügliche Indolenz angesichts des Meinungssturmes, ich beglückwünsche jene, die ein Autorennen öde niedertwittern lassen, ich freue mich aufrichtig, wenn industrienahe Journalisten jammern, dass sich die Blogs einen Bärendienst erweisen würden, ich mag das Verbraten von Möchtegernwebgrössen in kranken Pressekonferenzen und langweiligen Spots, ich lache herzlich über den Glauben der Verantwortlichen, dass jemand ausserhalb dieser Hungerleider-Ingroups was mit den Figuren anfangen kann, ich finde es super, wenn Hofschranzen erkennbar Werbesprüche absondern, für die bezahlt werden, und ich bin ein Fan der Geschwindigkeit, mit der all das Gerede von der Kommunikation ohne Reissleine in den Asphalt geknallt ist.

Ich mag diese Kampagne. Geschätzt 50 Millionen, ein grandioses Desaster, verbrannte Erde und verkohlte Testimonials, bitte keine Verschwörungstheorien, ich hatte die Hände nicht im Spiel – aber da haben sie etwas abgeliefert, was Hunderten von Mitläufern, Geschäftemachern und Adabeis die Türen der Konzerne in die Fressen knallen wird. Mit all der Wucht der fehlenden Reissleinen bei Scholz&Friends und Vodafone.