Auf verlorenem Posten
Darf ich mal was sagen? In den letzten Tagen konnte ich mich kaum im Internet aufhalten, ohne mich – mehr als ohnehin schon – angeekelt zu fühlen. Anlässe gab es ja genug, um nur mal ein paar aufzuzählen:
1. Eine Debatte um Einkünfte beim Bloggen, in der sich manche als bloggende Qualitätsjournalisten definierten, die unfairerweise mit dem Bloggen zu wenig verdienen.
2. Eine Debatte der Medien um bezahlte Inhalte, weil sie besser sind, als die Nutzer denken, die deshalb zahlen sollten.
Beide Diskurse haben die gleiche Laufrichtung, beleidigtes Gejammer, weil sie ja soooo toll sind und die Welt soooo ungerecht ist, und sie sooooo gern einfach so weiter machen und dennoch reich werden wollen. Dabei sind in meinen Augen Carta.info und netzwertig genauso öde und billig als Internetdorfgewäsch wie die Augsburger Allgemeine als Kaffpolizeiberichtverwerter. Gleiche Haltung: Geschäftsmodelle laufen nicht, also versichert man sich, dass sie laufen müssten. Das eine indigniert mich als Journalisten, das andere beleidigt den Blogger in mir: Wenn sich das Produkt nicht verkauft, muss man es eben entweder verbessern oder als Hobby betreiben.
3. Löschwars bei Wikipedia mit Aufheizung von Aussen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich Wikipedia nicht mehr so toll finde, seitdem ich darüber geschrieben habe, wie StudiVZ dort den eigenen Eintrag frisiert hat – und am Ende in einem derartigen Editwar mit der Blogbar rausflog, weil man zur Kritik an StudiVZ lieber SPON mit den bei mir abgeschriebenen Inhalten verlinkte. Die sind halt so. Ich verlinke seitdem Wikipedia nur noch, wenn es wirklich sein muss. Blogger haben Wikipedia verteidigt, wenn Journalisten darüber gelästert haben. Wikipedianer dagegen… na dann – macht es mal gut, Jungs.
4. Abmahnkriege. Ich finde es ja nett, wenn Kühe vom Eis gebracht werden. Aber es ist eine Sache, wenn Firmen überreagieren, weil sie glauben, sie könnten mit ihrer Macht auch im Unrecht das Recht für sich verbiegen. Die andere Sache ist nun mal, wenn jemand einen – entschuldbaren, unvorsichtigen, bedauerliche, kleinen, überflüssigen – Fehler gemacht hat. Egal wie überzogen und aberwitzig die Abmahnung dann erscheint: Es wäre sehr fein, wenn man in solchen Fällen vielleicht etwas anders reagieren könnte, als wenn eine Abmahnung keine erkennbaren Erfolgsaussichten hat. Eine Jagd auf eine (möglicherweise kooperationsbereite) Journalistin zu inszenieren, die rein nach Gesetz an einem ziemlich langen Hebel sitzt – kann man machen, auch zur Egopositionierung, aber die Frage ist eben, ob der nächste Abmahner dann überhaupt noch reden will, wenn er seine Rechte durchsetzen kann.
Zum Glück gibt es ja immer noch viele, die einfach schreiben, um Geschichten zu erzählen.
Sorry, the comment form is closed at this time.
[…] Darf ich mal was sagen? In den letzten Tagen konnte ich mich kaum im Internet aufhalten, ohne mich – mehr als ohnehin schon – angeekelt zu fühlen… […]
Ich habe nicht mitgejagt. Genau deshalb nehme ich mir heraus zu sagen, dass ich keine Kooperationsbereitschaft der Journalistin gesehen habe. Nur eklige anmaßende Pseudo-Blogeinträge bei der T*Z.
Ich frage mich halt, wie man sonst reagieren soll, wenn man formal im Recht ist und dann entsprechenden Blödsinn bei Häuslers Erregungstheater lesen muss feat Freund Niggemeiers Schmierenkaschemme – und zwar bei einem Thema, bei dem ansonsten gern geschrien wird, wenn es andersrum passiert und bei Bloggern geklaut wird. Wir werden nie erfahren, was passiert wäre, wenn man die Sache erst mal diskret aus der Welt zu schaffen versucht hätte. Aber hier drängt sich der Eindruck auf, dass jemand nach Jako/Trainer Baade und Wolfskin/Dawanda seinen eigenen Erfolg haben wollte. Zitat Häusler, als die Frau dann schlussendlich kontaktier wurde:
ACHTUNG, kam gerade per Mail: Es sieht so aus, als würde Frau Schweitzer (in diesem Fall) einlenken, das ist aber noch nicht offiziell. Dennoch: Ruhig Blut. Morgen gibt es hoffentlich näheres.
(Immer muss man erst schimpfen …
http://www.spreeblick.com/2009/10/29/journalistin-lasst-blog-abmahnen-fordert-1-200-euro-schadensersatz-fur-textzitate/#comment-735789
Ich denke, ich würde mich von so jemandem auch nicht in dieser Form im Netz anlabern lassen. Nicht in so einem Fall, nicht nach so einer Nummer.
“Blogger haben Wikipedia verteidigt, wenn Journalisten darüber gelästert haben. Wikipedianer dagegen… na dann – macht es mal gut, Jungs.”
Ich finde es gut, dass bei Wikipedia keine Vetternwirtschaft zählt, sondern die Beurteilung der Relevanz eines Mediums. Selbst wenn in diesem Fall u.U. falsch bewertet wurde.
Sicher, es ist gut, wenn sie unabhängig blieben, aber so ist es meines Erachtens eine Abhängigkeit von “relevanten” Medien. Das können die halten, wie sie wollen, aber wenn die eine Seite positiv eingestellt ist und die andere einen wie Dreck behandelt, brauchen die sich nicht zu wundern, wenn das Verhältnis geschäftsmässig wird. Das besondere an dem Fall ist ja, dass die gerne Bewunderung und Hilfe von Bloggern annehmen, wenn es passt. Nur andersrum haben sie mitunter eine Haltung, übler als in der Presse ab und an anzutreffen.
SPON wirkt auf 99,9 Prozent der Wiki-Leser glaubwürdiger, als der Blog, von dem sie noch nix gehört haben.
Wenn SPON bei jemandem abschreibt, dann sollte sich derjenige nicht beklaut, sondern geschmeichelt fühlen.
Diese Denkweise ist ungerecht, aber nachvollziehbar.
“Das Mißverhältnis aber zwischen der Größe meiner Aufgabe und der Kleinheit meiner Zeitgenossen ist darin zum Ausdruck gekommen, dass man mich weder gehört, noch auch nur gesehen hat. Ich lebe auf meinen eigenen Kredit hin…” schrieb Friedrich Nietzsche. Und da soll ich nun irgendwelche Blogger bezahlen??? Das ist wirklich ekelhaft!
@Edith Rotberg: Dann wäre es doch mal schön wenn die idealistische Wikipedia an der Medienkompetenz der entsprechenden Leser arbeitet und ihnen aufzeigt, dass die Primärquelle ein Blog ist… und das sogar vom glaubwürdigen SPON zitiert wurde. Aber ach nee, das würde ja gegen das Mantra von Wikipedia verstoßen.
“Zum Glück gibt es ja immer noch viele, die einfach schreiben, um Geschichten zu erzählen.”
Stimmt! Auf diese erfreulichen Teile des Webs konzentriere ich gerne meine Aufmerksamkeit und gehe dem anderen Getöse zunehmend aus dem Weg.
@Thaniell
Schon, schon. Aber auch das erfordert mitunter mehr Sorgfalt und Stehvermögen, als man aufbringen kann.
Die Wikis haben Angst vor zwei Reaktionen:
1) Was, ihr zitiert aus irgendwelchen unseriösen Blogs und nicht dpa? Und das soll ich dann glauben?
2) Dasselbe, variiert: Und das sollen Euch die anderen Leser glauben?
3) Wieso zitiert ihr diesen Blog, aber meinen Blog über Katzenfrisuren nicht? Was, unserer ist nicht so glaubwürdig/relevant? Und nach welchen Kriterien wird so was bei Euch gemessen?
Mir scheint, daß die sog. Qualitätsmedien immer noch so eine Art notarielle Funktion innehaben, für die es im Moment keinen Ersatz gibt. Es geht in diesem Fall nicht darum, wer die Information zuerst hatte, sondern wer ihr Glaubwürdigkeit verleihen kann.
Es mag für einige Menschen eine unangenehme und nicht leicht verdaubare Gegebenheit zu sein, dass es ein Generationsproblem ist. Das betrifft alle hier angesprochenen Fälle. Einige aus der C64-Generation verstehen sich als Führungselite einer Gemeinde aus Menschen, die mit dem Netz aufgewachsen sind, aber im Gegensatz zu all den Theorien über digital natives keine besonders ausgeprägten Kenntnisse über Computer, Server-Client-Sturkturen oder gar objektorientierte Programmierung haben – ganz zu schweigen von Softwarearchitektur.
Wer etwas täglich tut, der hat keine besonderen Kenntnisse darüber. Das ist leicht zu erklären: Welcher Schwimmer weiß schon, wie schwimmen eigentlich physikalisch erklärbar ist. Noch schlimmer wird es, wenn diese wissenden C64-Generatoren glauben in Medientheorie oder gar Medienrecht delirieren zu müssen. Da ihre Gemeinden noch weniger über PCs und die Details der Medienwelt wissen, kommt es zu mysteriösen Schwarmbewegungen. Denn anders als die Dilettanten in Erkenntnistheorie uns glauben machen wollen ist Schwarmintelligenz nur ein Phänomen der Synchronisation von Bewegung einzelner Lebewesen. Und nichts anderes tun diese Führerfiguren, die synchronisieren den Schwarm in Richtungen, die ihnen plausibel erscheinen. Ken Wilber hat das einmal so erklärt: der menschliche Verstand hat zwei Stimmen. Der Denker und Beweisführer. Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweise. Sehr viele Menschen machen sich nicht die Mühe, eigene Herleitungen, Recherchen und Abwägungen zu Themen anzustellen. Sie suchen einfach einen Denker, der ihnen sympatisch ist und ihren Erfahurngshorizont nicht übersteigt. Was der dann sagt, dass ist für sie der Gedanken, den sie in allem Tun beweisen werden.
Andere nennen das auch Glauben. Und sogar eine ganze Wissenschaft namens Sozialpsychologie fußt auf diesem schlichten Verhältnis zwischen Vernunft und Verstand. der Verstand schafft halt nicht mehr als Urteile, er ist darin den Emotionen sehr ähnlich. Das ist übrigens ein grund, warum einige Lebewesen den Verstand mit ihren Emotionen so bekämpfen, weil so ähnlich ist. Die Vernunft ist ein scheues Reh und erfordert geduldiges und gebücktes Hocken im Gebüsch. Dafür haben die meisten Menschen keine Zeit. Da sind Journalisten keine Ausnahme.
Meiner Erfahrung nach wollen “die Firmen” in den meisten Fällen nicht Unrecht zu Recht verbiegen.
Das würde einen Erkenntnisprozess voraussetzen, der zum Ergebnis geführt hat, dass man selbst im Unrecht ist. Vorsatz sozusagen.
Bisher habe ich es fast immer so erlebt, dass -so abstrus die Standpunkte auch waren- meine Gegenüber in den Firmen tatsächlich glaubten, im Recht zu sein.
Es ist schlicht Unkenntnis und daraus resultierendes Unvermögen einer angemessenen Reaktion, was die Leute im “Management” der meisten Firmen auf diese Wege treibt.
@wittkewitz: Diese »wissenden C64-Generatoren« delirieren nicht, sondern sie dilettieren (manchmal).
@Edith Rotberg:
Ja, dessen bin ich mir durchaus bewußt. (Wobei auch das gerade im Netz ja zweischneidig ist – dem ein oder anderen Blogger glaube ich seine ‘Fakten’ eher unvoreingenommen als SPON, auch weil ich da durchgehend denselben Autor lese und ihn einschätzen kann. Aber ja für die Masse bzw. wenn es um ein mir unbekanntes Blog geht mag das so sein.). Ich kann die Argumentation also durchaus nachvollziehen.
Nur legen Wikipedianer andernorts einen derartigen Idealismus und… ein sagen wir mal … Dickkopfverhalten (was ja positiv wie auch negativ sein kann) gegenüber der externen Welt an den Tag, dass man meinen könnte sie stünden über derlei Kritik.
Das ist ja eben auch gerade die Aufgabe einer Enzyklopädie, Informationen zu filtern und kompakt das wichtige wiederzugeben, um die Details in entsprechenden Artikeln zu klären und esoterische Theorien als solche darzustellen. Dazu gehört auch Quellen zu bewerten, unvoreingenommen ob die Quelle schwarz, weiß, Zeitung oder Blog ist. Momentan macht man es sich da freilich recht kategorisch einfach.
Was ich neulich bei dem Gespräch im CCC Radio ja z.B. interessant fand war der Aspekt, dass der anwesende Admin (sinngemäß) sagte, es sei schade, wenn es keinen Brockhaus mehr gebe, denn dann könne man da ja nicht mehr nachschauen was wie relevant sei und das dann dementsprechend in der Wikipedia übernehmen. In der Tat, hat man die Ambition Die Enzyklopädie der Welt und der Zukunft zu sein, muss man sich dieser Aufgabe eben auch selbst stellen. Und je länger man versucht das dezentrale Internet als Quelle zu ignorieren, desto größer wird der Fleck auf dem man blind ist.
Mit dem 3. Punkt muss man sich im übrigen auch mehr oder weniger stark sowieso auseinandersetzen. Dann nämlich, wenn es nicht um Quellen sondern um Inhalte geht. Ein Glück, dass die Holzmedien mittlerweile zumindest gehypte Erscheinungen des Netzes in ihre Berichterstattung aufnehmen.
Nun generell gibt es ja auch entsprechende Stimmen innerhalb der Wikipedia, will ich annehmen – jedenfalls existieren ja auch Blogs als Quellenangabe usw. Es ist nur etwas befremdlich mit welcher Verbissenheit manche die als Hilfe gemeinten Regeln umsetzen zu müssen meinen.
Die Regeln der Wikipedia sind eben alt. Und viele Wikipedianer sind es auch. Selbst wenn man an Jahren jung ist, kann man im Denken alt sein. Gewohnheit ist der Tod des Wissens. Das ist auch der Grund, warum sehr viele akademische Papiere nicht selten dieselben “Weisheiten” verbreiten, weil sie in einer Referenzquelle standen. Manchmal dauert es Jahre, um aufzudecken, dass diese Referenz nicht sorgfältig aus kenntnisreich entstand sondern auf anderen Wegen zu Referenz wurde. Das ist mitnichten selten in der Welt des granitenen Elfenbeinturms.
@Wittkewitz,
Sie schreiben: “Sehr viele Menschen machen sich nicht die Mühe, eigene Herleitungen, Recherchen und Abwägungen zu Themen anzustellen. Sie suchen einfach einen Denker, der ihnen sympatisch ist und ihren Erfahurngshorizont nicht übersteigt. Was der dann sagt, dass ist für sie der Gedanken, den sie in allem Tun beweisen werden.”
Das ist in meinen Augen immer auch ein Zeichen von Pragmatismus,Einsicht in die eigenen Grenzen u. dgl. Wenn Ihnen moderne Erkenntnis- u. Wissenschaftstheoretiker nicht behagen … Nehmen Sie ausnahmsweise Kuhn oder Lakatos. Sie unterscheiden den “Revolutionaer”, Newton, Einstein, Marx, Freud …, von den “Normalwissenschaftlern”, die in den von diesen “Revolutionaeren” gesetzten Rahmen (“Paradigmen”, “Forschungsprogrammen”) zu denken versuchen; Analoges gibt es in der Kunst. Newton meinte einmal: “Wenn ich weiter gesehen habe als andere, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stehe.”
D.h., es bleibt uns Normalsterblichen und normal Denkenden doch gar nichts anderes uebrig, als in die Fussstapfen (wirklich drei “s”?) dieser “Vordenker” zu treten. Ueberdenken Sie einfach Ihre eigenen Beitraege, und Sie werden sehen, dass das richtig ist.
Dass auch “Paradigmen” und “Forschungsprogramme” ausgereizt sein koennen, auf der Stelle treten koennen usw. (Lakatos spricht von “Stagnation”), ist klar, und man kann es m.E. buchstaeblich spueren, wenn man etwa mit neoliberalem Gedankengut konfrontiert ist; es stimmt an zu vielen Ecken und Enden nicht, und das Ideologische ist auch nicht zu ueberriechen, kein Duft von Coco Chanel, sondern ein aasiger Gestank.
Nur etwas wirklich Neues aus der Taufe zu heben. Das setzt grosses Wissen voraus, harte Arbeit und viel Verzicht, der z.B. meine Sache gar nicht waere, was nicht heisst, dass ich mich dazu intellektuell in der Lage saehe, im Gegenteil.
Gruss
G. S.
“Denn anders als die Dilettanten in Erkenntnistheorie uns glauben machen wollen ist Schwarmintelligenz nur ein Phänomen der Synchronisation von Bewegung einzelner Lebewesen. Und nichts anderes tun diese Führerfiguren, die synchronisieren den Schwarm in Richtungen, die ihnen plausibel erscheinen. Ken Wilber hat das einmal so erklärt: der menschliche Verstand hat zwei Stimmen. Der Denker und Beweisführer. Was der Denker denkt, wird der Beweisführer beweise. Sehr viele Menschen machen sich nicht die Mühe, eigene Herleitungen, Recherchen und Abwägungen zu Themen anzustellen. Sie suchen einfach einen Denker, der ihnen sympatisch ist und ihren Erfahurngshorizont nicht übersteigt. Was der dann sagt, dass ist für sie der Gedanken, den sie in allem Tun beweisen werden.”
Herzlichen Dank dafür. Ja, ich denke, dies kommt dem sehr nahe.
@ Dr. Schoenbauer
Ja, die Wissenschaftstheorie. Manche Menschen nehmen das heilige Dreigestirn der modernen Zufallsreligion namens Wissenschaft aus Lernen, Erkenntnis und Wissen. Dann wird fürchterlich hierarchisiert und am Ende kommt dann eine erlaubte Modellbildung auf den Tisch des Hauses.
Sie haben Recht, der normale Mensch reflektiert die Modellbildung nicht. Das eskapistische Element der Medien hilft ordentlich dabei. Je mehr Input desto mehr Muster und Resonanzen. Vor lauter Resonanzen verliert sich die eigene Stimme. Das ist bei nicht wenigen Zeitgenossen genauso intendiert.
Das ist auch der Kern der Qualitätsdebatte der Medien und bei Wikipedia. Es geht nur noch um Muster und Resonanzen. Früher war die Systemtheorie ein Modell, jetzt werden täglich neue Beweise für dieses Modell gefunden.
So geht es immer: Zuerst wird ein Gestell gefunden, dass die Artefakte aufnimmt. Wenn man dann genug reingesteckt hat, geht man einen Schritt zurück und erschreckt. Eine fremde Kultur hat sich offenbart. Das Gestell lebt. Und dann ist das Modell zur Wirklichkeit degradiert worden. So richten sie die Medien, das Wissen und den ganzen Bedeutungssalat der cultura in Klump mit ihren Beweisen.
Achja, Kuhn, Feyerabend und Lakatos. Wobei letzterer für mich eher der letzte Futurist war.
Ich kenne die Wikis nicht, aber sie stehen sicher zwischen zwei Welten: Hier die Web-Community, dort die Koryphäen “seriöser” Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Im Web hat Wikipedia schon gewonnnen, ebenso auf dem Markt: Brockhaus und Encyclopedia britannica können einpacken.
Aber die alten Kulturgötter sträuben sich noch und erlauben sich immer wieder Sticheleien. Das wurmt enorm. Vermutlich wollen die Wikis auch von den Bundesverdienstkreuzbesitzern und Lehrstuhlinhabern über 60 endlich anerkannt werden. Darum die rigiden Regeln.
.
Die enorme ERfolg von Wikipedia erzeugt neue Probleme. Wiki hat schon heute eine enorme Deutungsmacht akkumuliert. Die Versuchung zum Mißbrauch diese Macht muß beträchtlich sein.
Blogbar, das Blog für niveauvolle Diskussionskultur, fein, fein.
@Edith Rotberg: Ja eben – damit kommt aber auch große Verantwortung. Gerade inhaltlich finde ich strenge Regeln ja durchaus sehr sinnvoll, um politische Verzerrungen in die ein oder andere Richtung möglichst einzugrenzen. Aber einfach die Augen zumachen und alles rauswerfen, was nicht völlig passt, kann nicht die Lösung sein. Dann doch lieber kritisch im Artikel selbst auf problematisches eingehen.
Und ja das ist hart, aber ein Medium mit diesem Einfluß muss sich dem meines Erachtens stellen.
im Großen und Ganzen bin ich Deiner Meinung. Nur bei den Abmahnungen nicht. Egal ob es sich um Firmen oder Einzelpersonen handelt, wer für Abmahnungen Anwälte einschaltet, weiß genau, was er tut. Das ist keine spontane Handlung. Und jeder sollte wissen, dass die Rechtsgrundlage für das Abmahn-Unwesen höchst zweifelhaft ist und fast nur in Deutschland so praktiziert werden kann. Die gesetzlichen Regelungen stammen zudem noch aus vordemokratischen Zeiten, um es vorsichtig auszudrücken. Ich finde es daher legitim, über das Social Web den Abmahnern das Handwerk zu legen. Man sollte das UWG abschaffen. Es gibt genügend andere Möglichkeiten, sich rechtlich zur Wehr zu setzen bei Urheberrechtsverletzungen etc.
@ Edit Rotberg – Sie schrieben:
—- schnipp ——
“Wiki hat schon heute eine enorme Deutungsmacht akkumuliert. Die Versuchung zum Mißbrauch diese Macht muß beträchtlich sein”
—- schnapp ——
Ja. Es gibt sogar “gemeinnützige” Stiftungen (Wahrheit verbiegende Think Tanks u.ä.), welche Menschen dafür bezahlen (ich weiß es von einer Institution), dass diese Wikipedia-Artikel im Sinne der eigenen Agenda umbiegen, sowie dafür, die Begriffe politischer Gegner zu bekämpfen.
Dadurch, dass Wikipedia (auch dank einer rigiden Beamtenmentalität, die dort Einzug gehalten hat) seinen Mitmach-Charakter verloren hat, ist Wikipedia auch für derartige Nutzungen seiner Deutungsmacht anfälliger geworden.
Warum man dem VZ-Laden sehr wohl in Verantwortung für den Tod des Jungen nehmen kann, hat jemand in den Heise-Foren erklärt:
Ganzer Text
@JohnDean
Du meinst doch wohl nicht etwa, das gerade die schlecht bezahlten PostDocs in den Unis bestechlich wären. Das hat es nie gegeben. Auch Professoren würden niemals für Konzerne Gefälligkeitsgutachten oder Publikationen erstellen, schon gar nicht bei Wikipedia. Dort ist das ja praktisch unmöglich. Ähem.
Warum wird think tank eigentlich immer mit “Denkfabrik” übersetzt?
Müsste es nicht eigentlich Denk-Panzer heißen?
Zumal man in vollgetankten Panzern immer noch am besten denken kann.
@Wittkewitz,
also Postdocs (gemeint sind wohl Assistenten und Projektmitarbeiter) sind fuer einen Konzern kein Ansprechpartner. Ausnahmen mag es geben. Der Adressat duerfte in aller Regel einer der von Frau Rotberg besonders geschaetzten Professoren sein; er kann die Arbeit delegieren, keine Frage.
Wie bestimmte dieser Wissenschaftler in gewissen ideologisch besetzten (Abtreibung, Stammzellenforschung …), gesellschaftspolitisch umstrittenen (Energiepolitik, Betriebsverfassung …)oder kommerziell hoch interessanten (Tabakkonsum, Medikation mit bestimmten Arzneimitteln …) denken, ist ja kein Geheimnis, und als Gutachter oder Buch- oder Artikelschreiber werden sie – was Wunder! – das zu Papier bringen, was der Auftraggeber (katholische Kirche, IG Metall, BDI …) hoeren moechte und ihren Ueberzeugungen entspricht. Eine Gefaelligkeit?
In bestimmten Disziplinen – in der Chemie etwa – sind die Beziehungen zwischen Universiatetsinstituten und der Industrie, auf die man zu allem Ueberfluss oft auch noch ausgesprochen stolz ist, zudem viel zu eng, als dass man die reine Objektivitaet erwarten koennte. Vereinfacht; Wer zahlt, schafft an; und: Ohne Moos nichts los!
Fordern Sie mal Publikationen an, die im Auftrag und mit Unterstuetzung von, sagen wir, Pharmafirmen von namhaften Wissenschaftlern zu Asthma verfasst wurden. Man lernt: Die Krankheit ist schwer zu fassen: tausend Umwelteinfluesse, die Psyche, irgendwelche stoerrischen Gene usw. usf., alles mit Bildern und graphischen Darstellungen veranschaulicht, d.h. es fuehrt kein Weg an den von Firma XY vertriebenen Inhalatoren (ein Milliarden-Geschaeft) vorbei. Gefaelligkeiten?
Ein Dankeschoen noch zu Ihrer Replik weiter oben, auf die ich morgen oder uebermorgen, spaetestens am Wochenende zurueckkommen werden.
Grusss
G.S.
“Zum Glück gibt es ja immer noch viele, die einfach schreiben, um Geschichten zu erzählen.”
“zum glück gibt es noch andere”, posaunt dein unterbewusstsein. sonst müsstest du wohl den motzblog schliessen, was zu bedauern wäre.
:-)
uups, beim obigen kommentar die nik-url verwurstelt. sorry.
Geht es um Argumente oder um Linkablaichen?
Eh Holgi ich habe dich ja als Blue Moon Moderator sehr geschätzt darum solltest doch eigentlich genug Medienkompetenz besitzen um festzustellen, dass es diverse Blogs und Mainstreammedien waren die vermutlich wider besseren Wissens von Datenklau/gau schrieben um die Visits hochzutreiben während VZ in der Tat am Anfang sogar auf das Telefonbuch verwies.
Irgendwie beschuldigst du gerade die falschen.
“Branche im freien Fall”
Lieber Don, könnten Sie nicht ihren Redebeitrag posten zum Medientage-Panel “Branche im freien Fall”? (Oder haben Sie schon irgendwo)? Da scheint es ja heftig gerappelt zu haben in der Kiste.
“linkablaichen” als einer der letzten kommentierer eines postes wäre nicht gerade effizient. aber du hast recht, hätte den wurstellink stehen lassen können, nur nerven dann jene “dein link ist tot” -typen.
@Wittkewitz, also die Qualitaetsdebatte der Medien u. bei Wikipedia kenne ich nicht, weshalb es ein Fehler war, mich ueberhaupt zu Wort zu melden. Aber wenn das Kind nun schon einmal in den Brunnen gefallen ist ….
Ihr Beitrag bietet mehrere Ansatzpunkte, und bei jedem muesste ich etwas anderes zu Papier bringen. Ihr Bild vom Gestell gefaelt mir am besten. Deshalb knuepfe ich da an. Ein Aussagensystem,das die zentralen Begriffe, Konzepte, Untersuchungsperspektiven, Voraussetzungen usw., fixiert, kann man in der Tat als Gestell bezeichnen (Kuhn spricht von Paradigma, Lakatos vom “harten Kern” eines Forschungsprogramms, um mich zu wiederholen).
Ein solches Gestell waere die Allgemeine Relativitatestheorie u. eine Voraussetzung dieser Theorie waere, dass die Lichtgeschwindigkeit konstant bei 300.000 km/Sek. liegt, mithin keine hoehere Geschwindigkeit moeglich ist.
Vor zwei Wochen war nun in der Zeitung von einem Experiment zu lesen (http://www.nytimes.com/2009/10/29/science/space/29light.html?_r=1&ref=global-home), in dem ueberprueft wurde, ob nach der Explosion eines Stern, die sich etwa auf halbem Wege seit dem Urknall, also vor rund 7 oder 8 Millarden Jahren zugetragen hat, kurzwellige, energiereiche Gammastrahlen genauso lange zur Erde, sprich zu einem NASA-Detektor, unterwegs waren wie langwellige mit weniger Energie. und siehe, das war tatsaechlich der Fall: die “langsamen” waren genauso “schnell” wie “schnellen” und umgekehrt.
Das war ein Experiment in dem Gestell, eins von sehr vielen. Man weiss etwas mehr. Das Gestell (das Paradigma, der “harte Kern”)hat gehalten, hat sich bewaehrt.
Sie schreiben: “Wenn man dann genug reingesteckt hat, geht man einen Schritt zurück und erschreckt. Eine fremde Kultur hat sich offenbart. Das Gestell lebt. Und dann ist das Modell zur Wirklichkeit degradiert worden.”
Also ich wuerde sagen. Den Schrecken kann man sich sparen. Es hat sich auch keine neue Kultur offenbart. Und dem Gestell wurde auch kein Leben eingehaucht. Und eine andere Wirklichkeit als eben das Aussagensystem wurde das Gestell auch nicht: weder bellt es, auch scheint es nicht zu miauen.
Vielleicht darf ich Ihnen einen Rat geben: Warum gehen Sie an solche Fragen nicht wie ein Herr Wittkewitz bei seiner Auseinandersetzung mit Sloterdijk heran. Er stellt zunaechst Ursprungsvorstellungen der buergerlichen Gesellschaft dar (ein Gestell), wie sie von Rousseau u. Sloterdijk behauptet werden, macht ein “Experiment” u. stellt fest, dass nicht die Umzaeunung eines Grundstuecks, sondern die Anlage eines Speichers auf besagten Ursprung zurueckverweist.
@16 “…als in die Fussstapfen (wirklich drei “s”?)…”
Falls noch nicht beantwortet: Nee, nur eins, Fußstapfen.
@Klaus, ja vielen Dank fuer d. Hinweis. Habe das scharfe S (auch Umlaute) nicht auf meiner Tastatur; werde es naechstes Mal aus anderen Texten uebernehmen. Das sollte funktionieren: ß.
Kann dafuer mit anderen schoenen Zeichen aufwarten.
ありがと ございむす さよおなら 中津 から