1.5.2005 | 12:37 von DonAlphonso

Profiblogs? Profimedien? Willkommen in der Grauzone.

Sobald man für sein Schreiben bezahlt wird, ist man Journalist. Im Gegensatz zum meist recht sinnfreien, ungebundenen und nicht Märkte bedienden Bloggen hat man in diesem Moment eine ganze Latte von Anforderungen, die man erfüllen muss, um im Spiel zu bleiben. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen, was ich als Blogger tun kann, für das mein Journalisten-Ich schnell Probleme bekommen würde: Kollegen pauschal als Arsch bezeichnen, Leser zum verpissen auffordern, mich nach Lust und Laune ohne Ende prügeln, und frei Schnauze Leser auf meine Blacklist setzen. Ganz abgesehen davon, dass meine Leser ebensowenig Ahnung wie ich haben, was morgen kommt. Ausgewogenheit und klassische Lehrbuchqualitäten für Journalismus interessieren weder mich noch meine Leser, sonst wären sie nicht auf dem Blog und würden meine Zeitungsartikel kaufen.

Themenmix? Zielgruppenanalyse? Marktbeobachtung? Analyse der Konkurrenz? Is nicht. Wird auch nie kommen. Bloggen hat mit Journalismus so viel zu tun wie der Wolf mit dem Pudel. Es gibt ein paar wenige Ausnahmen, Hal Faber vielleicht, Maxim Biller hat mit den 100 Zeilen Hass geblogt wie auch Peter Glaser mit dem blauen Planeten in Tempo, aber die heutige, netzgebundene Blogform der Publizistik ist als Hauptberuf nach meiner Kenntnis der Medienwelt nicht denkbar.

Aber: Es gibt einige Aspekte des Bloggens, die ihren Weg in den Internetjournalismus finden werden. Was durch den Erfolg der Blogs zu Ende geht, ist die fatale Ideologie der vertikalen Portale, die nie nach draussen lenken und versuchen, die User einzuzäunen. Und noch was wird verschwinden: Der Workflow und die Hierarchie innerhalb von Redaktionen – und damit die Redaktion selbst.

Die Anarchie der Blogs mit dem singulären, eigenverantwortlichen Autor ohne redaktionelle Kontrolle und übergrossem Leck-mich-Ego ist auf den ersten Blick abschreckend – aber auf den zweiten Blick werden es die Controller grossartig finden: Erlaubt und erzwingt es doch die weitgehende Abschaffung kostenintensiver, reguliernder Leitungsposten. Das wird heute schon bei externen Redaktionsbüros ähnlich betrieben, aber ein Journalist als totaler Einzelkämpfer in seiner publizistischen Blogstruktur könnte den Onlinejournalismus so verbilligen, wie es der Videojournalist VJ mit den dreiköpfigen Aufnahmeteams beim Fernsehen gemacht hat.

Das ist voller Risiken: Es zwingt Journalisten zur Profilierung, zum Kampf aller gegen alle, es löst die manchmal vorhandene Solidarität ab, hin zu einer jeden Tag neu entstehenden Hierarchie unter den Journalisten. Manche werden einschlagen wie eine Bombe und vielleicht Stars werden, bei anderen wird ihr Rohrkrepierertum gnadenlos sichtbar. Die Verbloggung von Journalisten mag grausam sein, stellt aber nur die realen Verhältnisse hinter den egalitär scheinenden Medien dar. Die Stars werden sich Extravaganzen leisten können und müssen, die anderen sind dann das blogmediale Lumpenproletariat, immer auf der vergeblichen jagd nach dem Zeitgeist und den Clicks. Spich: Die im Moment lustigen Schwanzlängenvergleiche unter Bloggern werden für die vereinzelten Journalisten bitterer Ernst. Mit in Blogstrukturen implementierten Journalisten könnten Medienhäuser jeden Autor zum Profit Center machen, und sage bitte keiner, die Dieckmanns und Hombachs dieser Welt hätten mehr Herz für Schreiberlinge denn für Profitmaximierung.

Und die Folge? Es wird Websites geben, die wie ein Blog aussehen, Blogfunktionen haben, vielleicht auch so geschrieben sind und auf WordPress basieren – aber es ist bestenfalls banaler Journalismus, der etwas dazu gelernt hat. Schlimmstenfalls macht es aus der schreibenden Zunft eine Generation Schleudersitz, die täglich, stündlich, mit jedem Content evaluiert wird. Was da gerade durch Blogqualität- und Impactblog-Debatten durch HTML geistert, sind die ersten Anzeichen dieser Grauzone, auf die gewisse Blogger wie auch gewisse Journalisten und Wirtschaftsleute im Moment gebannt schauen. Vielleicht ist das Dunkelste darin meine Schwarzmalerei, vielleicht aber auch nicht.

29.4.2005 | 16:36 von Anke Gröner

Top 10 Reasons Why Germany has Fewer Blogs than Iran

10. Humor?

9. Opinionated German bloggers risk being called Na.zis by the irate, deranged and mentally disturbed commenters who lurk in the Blogosphere.

8. People will find out how great Germany is and cause a mass migration of (gasp) foreigners!

7. On the internet, no one cares about someone’s Dipl-X or Dr.

6. Blogging is not required.

5. No one famous has a blog yet. Olli Kahn, Boris Becker, Joschka… It all rides on you.

4. Hartv IV cut back on social benefits for DSL.

3. Der Blog, Die Blog, oder Das Blog?

2. Ein-Euro-Jobs don’t have internet access.

1. No one can figure out the Neue Rechtschreibung.

(über tausend vias und viel zu spät von hier)

28.4.2005 | 10:48 von dogfood

Les Blogs, in Echt.

Was des Deutschen sein Blogplan ist (http://blogplan.de/) und dem New Yorker sein NYCbloggers.com ist, ist dem Pariser seine “carte des blogs” bei Paname Ensemble.

Pariser Blogger werden anhand der Metro-Stationen in ihrer Nähe aufgeführt. Das ganze gibt es in der Geschmacksrichtung Métro-Plan für Paris selber, und als RER-Plan (S-Bahn) für das bis 100km weit reichende Umland “Ile de France“. Inkl. kleiner GIFs zum Anbappen: “Ich bin an der Métro-Linie 2

Paname Ensemble versteht sich als Pariser Portal und kollaboratives Blog über und für Paris.

Wie praktisch wenn ein Sechstel der französischen Bevölkerung sich nur ein Nahverkehrsticket weit von der Hauptstadt entfernt wohnt.

BTW nicht die einzige Möglichkeit Blogger zu verorten. GeoURL ist nach längerer Abstinenz wieder online, FeedMap, sich gerade in Beta befindet, bietet ähnliches an und zeigt im Gegensatz zu GeoURL auch Kartenmaterial an. Und schließlich gibt es noch das artverwandte Plazes, dass Blogger anhand ihres aktuellen Aufenthaltortes auf Karten positioniert.

Mein subjektiver Eindruck war das sich zuletzt bei Plazes nicht mehr viel getan hat, die Anzahl der Leute die tagsüber online sind, sind immer noch so bei 40, 50. Doch es täuscht, die aktuellen Zahlen zeigen immer noch konstanten Wachstum von 10% pro Monat. Seit kurzem gibt es zudem “Traces” dass die Aufenthaltsorte eines Bloggers über einen längeren Zeitraum festhält und auf einer Karte nachzeichnet.

27.4.2005 | 13:11 von DonAlphonso

Videoblogs, Podcasting, trulala

Ich bin alt. Zu alt wahrscheinlich. Ich war schon dabei, als die New Economy gerade aus dem Dünger der Medienagenturen und der Beratungsfirmen spross, und ich habe in den langen Jahren bis zum Hype und darüber hinaus schon so ziemlich alles gehört, was man so an Visionen hatte. Gerade im Bereich Medien.

Hat man 1999 in diesen Kreisen behauptet, das Internet würde bis 2005 nicht die Medien bei den Kernzielgruppen der Werbeindustrie weitgehend ablösen, galt man als Pessimist, Miesmacher oder schlichtweg als Idiot. Es gab damals enorme Zuwachsraten beim Broadcasting im Internet. Warum sollte jemand Zeitung lesen, wenn er auch alles digital haben könnte? Beim Frühstück liest kein Mensch mehr Zeitung, da geht man gleich ins Büro, holt sich vom kostenlosen Kaffee und Obst und liest nebenbei, was im Netz auf die eigenen Wünsche zugeschnitten ist. On demand. Immer aktuell. Ohne Altpapier.

Und danach kommt das Radio. Hohe Kompression bei fallenden Verbindungsbegühren. Mit DSL stirbt das alte UKW, mit UMTS kommt es auch ins Autoradio. Dann wird es auch kein klassisches Radio mehr sein, sondern on demand. Ausgewählt aus ein paar hundert Streams, ohne Moderation, aber das Gequatsche nervt sowieso. Und danach kommt auch Internet-TV – das ganz grosse Geschäft. Läuft ein Serienstar mit einem Pulli durch die gegend, kann man das Bild anklicken, dann erscheint der Onlineshop. man kann den Pulli kaufen, und danach weitergucken. Das wird ganz gross, das ist die Zukunft.

Jeder sollte heute begriffen haben, dass

– klassische Medienhäuser nach wie vor Gewinne mit Print erzielen
– Onlinemedien verflucht teuer sind und bislang kaum refinanzierbar
– Internet-TV trotz versenkter Milliarden ein Nischendasein führt und
– Internetradio oder was davon an Winzprojekten übrig ist von der Gema geschlachtet wird.

Und das, obwohl zwischen 1997 und 2001 erheblich mehr Geld in die Entwicklung solcher Ideen geflossen ist, als in die normalen Medien. Was dann zur Medienkrise von 2001 bis heute führte – kein Wunder, wenn man aufs Gas steigt, falsch abbiegt und voll bewusst am Ende der Einbahnstrasse an die Wand knallt. Das war die New Economy.

Und jetzt ist es 2005, und der ganze Bullshit, mit Verlaub, wird erneut serviert. Mit ein paar neuen Buzzwords – Blogs werden die Textangebote, Internetradio ist Podcasten, Internet-TV sind Videoblogs, On Demand heisst RSS. Das ganze kriegt auch einen schmissigen Oberbegriff: “Open Media Network: Die Zukunft von Fernsehen und Radio.” Kurz, was mit Milliardenaufwand von grossen Firmen vergeigt wurde, sollen jetzt die medienaffinen Enduser selbst machen, in ihrer Freizeit. Kostenlos natürlich auch. Peer to Peer, nur in der Mitte sitzt eine Firma, die wohl auch irgendwie ihr Geld verdienen muss. Aber da fragt keiner, weil es ja sozial ist: Social Software. Sozial ist per se gut, auch wenn es nur ein Branding ist. Aber das muss ja keiner merken.

Zumindest bekommt man mit dieser neu aufgekochten, frisch gewürzten

SCHEISSE

Raum in den Medien. Auch wenn es letztlich nur die Idee der Syndication von usergenerated Content ist, was 2001, nach dem Crash, nochmal das grosse Ding werden sollte. Aber um das zu wissen, muss man ein alter Sack sein, und darf kein Interesse an einem neuen Hype haben, der dann wieder die altbekannte Kamarilla aus stundensatzgeilen Beratern, Journaille und Abzock-Unternehmern nach oben spült. Die solche Worte auch nicht mögen werden, weil sie, siehe oben, ja social und P2P sind und die Beteiligung der User toll finden. Nein echt. Die wollen uns nur helfen, unsere Person besser im Internet zu verbreiten. Und keine Fragen hören, wie:

– Wo kommt die Bandbreite her? (jaja, 1000 Mbit in Korea, ich weiss, aber hier bei uns?
– Text in Blogs geht noch, aber Radio? Schon mal einen Normalo moderieren gehört?
– Selbst wenn er sprechen kann – wer soll sich die komisch geschnittenen Videos anschauen?
– Und wenn er Radio macht – wie ist das mit dem Urheberrecht, noch dazu, wenn im obigen Beispiel Microsofts Digital Restriction Management dabei ist?
– Wer soll sich das alles als Nutzer antun – und warum?

Texte schreiben ist etwas, was wir alle in der Schule lernen. Radio und Video muss man gesondert lernen, sonst klingt das übel und sieht scheisse aus. Wenn man es lernt und anwendet, kostet es Geld und Zeit. Wenn mann es dann “narrowcastet” – nochmal so ein Buzzword Bullshit, gleichbedeutend mit den frührem “Reaching target audiences” – muss man erst mal jemanden damit erreichen. Die meisten Blogleser und Interentnutzer machen das im Büro – dort wird man sich für die zusätzlichen Gigabytes und die Online-Tätigkeigt bedanken.

Nichts gegen Podcasting. Nichts gegen selbstgedrehte Videos im Netz. Kann jeder machen, anything goes. Aber bitte keine New Economy reloaded.

22.4.2005 | 17:11 von DonAlphonso

Outer sind Schweine

In einer Welt der weitgehenden Anonymität wie der Blogosphäre ist der Griff zu Google ziemlich normal, um herauszufinden, wer denn dieser neue Kommentator oder Blogger ist – also: Wo hat er schon mal was geschrieben. Mimik, Gestik, Tonfall, all die üblichen nonverbalen Kommunikationsstrategien fehlen im Netz, also behilft man sich mit einer Art Textanalyse, um mehr über den anderen zu erfahren. Das machen viele, damit muss man wohl auch leben, wenn man im Netz schreibt. Desto mehr man schreibt, desto mehr Spuren hinterlässt man, und der meist selbstgewählte Abstand zwischen Internetfigur und realem Mensch schwindet.

Insofern ist es nur logisch, diesen Abstand zu pflegen. Dafür gibt es viele Strategien, die Üblichste: Nur gewisse Aspekte der eigenen Person nach draussen tragen. Don Alphonso schreibt so gut wie nie darüber, dass es eine Frau gibt, die seit langen Jahren einen Grossteil seiner Gefühlsregungen in Anspruch nimmt, auch nicht über seine eigentliche Arbeit. Damit ist die Figur, die bei Rebellmarkt schreibt, nur in einigen unwichtigen Randbereichen “ich”. Und selbst dann wird noch vieles verfälscht; Geschichten liegen länger auf Halde, bis sie Wochen nach dem tatsächlichen Ereignis publiziert werden, Namen und Orte werden verändert, und zwar so, dass das Ergebnis mich und meine Welt abbildet – aber nicht als Reportage aus meinem Dasein, sondern als Wahrscheinlichkeitscluster, der den Lesern eine hoffentlich zutreffende Ahnung von gewissen Aspekten meines Lebens vermittelt. Dennoch ist es kein Widerspruch zu etwas, das man mit Authentizität umschreiben kann – ich kann das, was Don Alphonso sagt, unterschreiben, jawoll, ich sehe das auch so, aber ich würde es vielleicht persönlich doch noch anders formulieren.

Ich nehme mir diese literarischen Freiheiten heraus, weil ich nicht glaube, dass eine Lebensreportage zutreffender sein könnte, und weil, brutal gesagt, manches die Leser nichts angeht. Beim Lesen arbeitet der Kopf und erfindet sich sowieso seine Urteile und Ansichten über mich und meine Persönlichkeit; eine gewisse Vielschichtigkeit entsteht von selbst. Missverständnisse natürlich auch, aber kaum mehr als im richtigen Leben. Bisweilen ist das doof, manchmal lustig. Das Blog wird somit eine Art Empfangszimmer: Es ist immer sauber aufgeräumt, es liegen keine benutzten Unterhosen rum, die Möbel sind vielleicht etwas aufdringlich und der Gastgeber steht so pikiert am Kamin und trinkt Tee, wie er es dahinter in seinem Kämmerchen im Schlafrock nie tun würde.

Es gibt viele gute Gründe, das zu tun. Bei jedem. Sei es wegen der Arbeit, wegen der Gefahr, dass der Falsche es mitbekommt, weil man ein Experiment macht, weil man Sachen ausprobieren will, für die in der Realität der Mut fehlt. Das ist für mich der Grund, warum ich viele Blogs nur als Literatur wahrnehme, was auch im Gegensatz zu den journalistischen Fiktionen über die Realität ihre Qualität ausmacht.

Es gab dennoch viele Versuche, diesen an sich fiktiven “Don Alphonso” zu outen – an sich lächerlich, denn aus meinem realen Namen habe ich seit dem Erscheinen meines ersten Buches keinen Hehl mehr gemacht. Schon davor habe ich mich als “Don Alphonso” bei diversen gründertreffen angemeldet, ohne dass es jemand gestört hätte. Wenn das Outing dennoch versucht oder angedroht wurde – in letzter Zeit auch von einigen Bloggern, deren Real Life Betätigung plötzlich in der Blogosphäre doch eine Rolle spielte – kam es immer mit einer pseudoaufklärerischen Begründung daher: Pseudonyme seien feige, man müsse wissen, wer sich hinter diesem und jenem Posting verberge. Das Ziel, den anderen damit persönlich zu schädigen oder blosszustellen, war offensichtlich. Darin unterscheiden sich die werten Bloggerkollegen nicht von meinen werten Journalistenkollegen, die schon mal versuchen, über Proskiptionslisten an angebliche Informanten viele Pseudonmye ausfzudecken, um das dann für eine möglichst heisse, geile, superneue und wahnsinnig informative Story auszuschlachten.

Das Raten über Pseudonyme und ihr Leben ist ein Hobby, so alt wie die Pseudonyme selbst. Wer ein Pseudonym und die Fiktionalisierung nutzt, befindet sich damit in allerbester Gesellschaft, angefangen bei Boccaccio und Aretino über Diderot bishin zu B.Traven. Ist Boccaccio selbst eine Figur im Decamerone? Wer ist der Autor von Hic et Hec oder den indiskreten Schatzkästlein? War B.Traven selbst Revolutionär im Urwald? Hat Aretino wirklich Huren belauscht, oder sind das die Gespräche von Edelleuten? Es gibt eine Art Grauzone, wenn man – privat – zusammensitzt und über Blogger und ihre Pseudonyme redet, Mutmassungen anstellt, sich ein Bild vom anderen macht. Nur hat das nicht das Mindeste mit der Schnüffelei zu tun, die bei den hier verlinkten Beiträgen, inzwischen gelöschten Artikeln von “Sebas” zu finden waren. Ein vergleichbarer Fall ist mir in meiner langen Zeit als weithin bekanntes Pseudonym nicht untergekommen. Die Gegenseite der Pseudonymautoren, in deren Tradition sich “Sebas” stellt, ist historisch verknüpft (keine Gleichsetzung!) mit Inquisition, Geheimpolizei, Diktatur, Gestapo. Die in ihren Berichten alle der Auffassung waren, richtig und angemessen gehandelt zu haben, indem sie die anderen in die Öffentlichkeit gezerrt und verdammt haben.

In der Blogosphäre geht es, soll es denn persönlich sein, nicht ohne diese fiktionalen Abstände. Die zu bewahren, wenn es offensichtlich gewünscht wird, ist wichtig – schlieslich, wer weiss schon, ob so ein Arschloch, mit Verlaub, beim nächsten Bloggertreffen neben einem steht und das private Gespräch mit privatem Inhalt dann in seinem Blog mit den dazugehörigen Namen veröffentlicht? Es gibt auch im halböffentlichen Raum der Blogosphäre sowas wie eine Privatsphäre – die vielleicht sogar weiter zu fassen ist als im normalen Leben.

22.4.2005 | 13:48 von siebenviertel

“Blogs are a horrible way to deliver journalism. Forget them.”

Graham Webster sagt, junge Leute holen sich ihre Nachrichten nicht via blogs, sondern den guten alten Portalen (vielleicht stören ihn pop-under ads, klobige Html-Ungetüme und der weitverbreitete Registrierzwang nicht). Sein Rat an die Redaktionen: “Forget about blogs and invest time and money in developing a useful interface that customizes the online experience for every user. …Beat the online portals in convenience and relevancy, and you’ve got a business model.

Schön, könnte man jetzt sagen, wieder so ein Kerl, der es nicht verstanden hat. Aber die eigentliche Geschichte hier ist eine andere, denn gäbe es Jim Romenesko‘s blog nicht, wäre das vielleicht auch passiert. Aber Romenesko (“Everything you need to be a better journalist”) entwickelt sich langsam zum bevorzugten Blog für amerikanische Journalisten. Wäre Romenesko nicht gewesen, die jüngsten Verfehlungen eines Mitch Albom oder einer Barbara Stewart hätten außerhalb Detroits und Bostons wohl kaum Beachtung gefunden. Auch die LA Times weiß von seiner Macht ein Lied zu singen, Romenesko war es, der von den Verfehlungen Eric Slaters berichtete und er trat damit eine Lawine los, die mittlerweile an Jayson Blair erinnert.

But thanks to Romenesko’s influential readership, every journalistic sin?venial or cardinal?that’s published and gets billboarded on his Web page becomes a national story.

Das schrieb Jack Shafer vergangene Woche für Slate. Graham Webster hat das vielleicht noch nicht gelesen, die großen Portale haben die Geschichte noch nicht verlinkt.

22.4.2005 | 4:28 von DonAlphonso

Pr0n auf Blogs

Mal eine etwas andere Masche als Referrer-Spam oder Schau-mal-Kommentare: KittyŽs crazy Welt hat sich offenbar länger mit Myblog und dem dort herrschenden Stil beschäftigt. Die Sprache ist mit Bemerkungen a la “Hello Kitty + Techno Rulen!!!” reduziert, die Rechtschreuibung ist innovatiy. Manche Links führen zu weiteren, echten Blogs bei Beepworld – die auch mal eine Betrachtung wert wären.

Andere Links wie “kitty Pics” – die meisten der Verknüpfungen uf der linken Seite – führen dagegen zu px24.com, und damit wird dann auch klar, wieso das Layout so anders, so professionell wirkt: px24.com ist eine Plattform, auf der weibliche Amateure Bilder und Videos von sich anbieten können. Kulturhistorisch kein Ptoblem, auch Privat-TV und der Buchdrucjk haben mit Pr0no den Durchbruch geschafft.

Nicht das einzige Problem bei myblog.de: Geute Nacht wurden einige Blogs neu angelegt, nachdem die Vorgänger urplötzlich verschwunden waren – Blogs löschen durch das Anschauen von Kommentaren, das ist mal was ganz was Neues.

21.4.2005 | 1:45 von DonAlphonso

Das ist doch nur eine Soap Opera

was ihr da macht, kein Journalismus – diese Anklage wurde mir vor ein paar Wochen entgegengeschleudert. Der Schleuderer war ein schon etwas älterer Nachrichtenredakteur einer grossen Rundfunkanstalt. Im letzten Jahr gab es schon eine Reihe anderer Vergleiche – mitunter schöne wie “Punkrock” oder “3 Akkorde”, aber diese Soap Opera, die war nicht nett gemeint. Aus ihr sprach die Verzweiflung des Redakteurs, der 99 an der Onlineabteilung des Senders mitgeschraubt hat und das Missverhältnis zwischen Aufwand und Besuchern kennt. Es gibt dort durchaus Website-Cluster von Vollprogrammen, die weitaus weniger Leser als “Rebellen ohne Markt” haben. Irgendwo verständlich bei einem Google-Pagerank von sage und schreibe 0, aber so sind sie halt, die Öffentlich-Rechtlichen.

Soap Opera also. Man muss dazu sagen, dass der Mann bis dahin nur eine vage Vorstellung von Blogs hatte, und meines und meine girllastige Blogroll waren dies ersten, das er gelesen hat. Da war dieser Widerspruch, den ich auch kenne: Dass der klassische Nachrichtenwert meiner Texte 0 ist, dass die klassische Relevanz 0 ist, dass es den klassischen Regeln des Journalismus komplett widerspricht, dass es aber dennoch ein tages- oder sogar minutenaktuelles Medium ist und kräftig gelesen wird. “Das liest keiner”, würde er seinen Praktis vorhalten, wenn die so etwas schreiben würden, aber das würden sie nie tun, denn wenn sie dort anfangen, wissen sie schon, was Relevanz, Nachrichten und korrekte Schreibe sind. “Wir lesen es aber trotzdem”, sagen meine Leser, die von Medientheorie so viel Ahnung haben wie ich Rinderzucht.

Im Prinzip hat der Mann – aus seinem fest gefügten Bild der Medien – Recht. Man guckt täglich, was los ist, man zappt sich durch das Leben anderer Leute, die einem jeden Tag eine neue Geschichte erzählen, gute Zeiten, schlechte Zeiten, oft so apolitisch, wie Soaps nun mal sind, und vieles, was die grossen Medien vorkauen – aktuell Kriegsende vor 60 Jahren – wird kaum wahrgenommen. Man kann das weiterspinnen, und im Gespräch mit dem Redakteur habe ich das auch gemacht. Also -die meisten wollen auf die ein oder andere Art ab und zu gefickt werden, was man ihnen auch deutlich anmerkt, wie auch Beziehungskrisen und Katzenerkrankungen. Auch Soaps greifen, wenn sie gut sind, aktuelle Themen auf, von Homosexualität bis Popkultur, logisch. Nur eben auf ihre Art, aus dem “Flow” heraus, und oft wird in den Kommentaren darüber gestritten, wie in einer Soap.

Der Nachrichtenredakteur ist etwas älter. Kurz vor der Pensionierung. In einem Exkurs erzählte er von den Zeiten, als es noch keine Privatsender gab und keine Soaps – aber dafür den goldenen Schuss, warf ich ein, was er gleich wieder wegwischte. Früher sei das nur die Beilage gewesen, wichtig wäre der Bildungs- und Informationsauftrag. Heute dagegen kommen die Soaps mit Quoten an, das tut den Fernsehleuten der Nachrichtenredaktionen richtig weh, sowas.

Ich grinste fett in mich hinein. So gesehen, ist der Vergleich wirklich nicht schlecht. Ist eigentlich schon jemand mal aufgefallen, dass Soap Operas im Internet im Gegensatz zu vielen anderen elektronischen Medienformaten ein völlig unerschlossener Markt sind – und da niemand ausser den Bloggern ist, der diese Rolle ausfüllt?