10.7.2004 | 20:37 von DonAlphonso

In die Tonne treten

wird manche den Blogmüll wollen. Aber ich als studierter Archäologe und Kulturhistoriker kenne den Wert des Mülls. Aus die edelsten Dinge werden irgendwann zu Müll. Nun, da wurde offensichtlich tief gebuddelt und was wenig apetitanregendes zu Tage gefördert. Was passiert, wenn Blogger sich als Journalisten so benehmen, wie Journalisten das oft tun. Die Welt ist schlecht.

mood: spinnert, brottig.
music: SErgiO Leone, Todesmelody

audiatur et altera pars

10.7.2004 | 18:36 von DonAlphonso

Weird/Funny

Ich fange langsam an, mit denen zu heulen, denen es zu viele “Business-Blogs” gibt. Nicht nur, weil das Wort “Business” oft von Leuten benutzt wird, die keine ernstzunehmenden Geschäfte machen, nicht nur, weil der Begriff grauenvoll schwammig ist. Sondern auch, weil hinter diesem Begriff die sog. Content-Wirtschaft, vulgo auch “Content-Bizz” oder was davon übrig ist, das Haupt erhebt, und mit ihm andere Missstände aus der New Economy, die eigentlich erledigt sind – oder sein sollten.

So gesehen seit einiger Zeit beim Arbeitskreis “Content Bizz” des Förderkreis IT- und Medien-Wirtschaft München e.V.. Der FIWM entstand 1994 aus dem lockeren Besäufnis einiger Proto-Internetler, bevor er unter Patrick Gruban erst zu einem Stamnmtisch und dann zu einer Möchtegern-Gründercommunity wurde, die ab Anno 2000 für sich in Anspruch nahm, für die gesamte Internet- und Medienwirtschaft in der “Munich Area zu sprechen. Was folgte, war ein Aufstieg bis in den Internetbeirat des bayerischen Ministerpräsidenten, und noch mehr Veranstaltung in einer Stadt, die 2000 schon völlig dicht mit derartigen Events war.

Dann ging es abwärts: Der FIWM verlor seine Beteiligung beim Portal muenchen.de, verlor massenhaft Mitglieder wegen Pleite und des nicht immer beliebten Chefs Otto Held, der, nachdem er auf säumige Mitglieder die Anwälte gehetzt hatte, selbst gegangen wurde. Auch die Geschäfts äh Busienss Stelle wurde aufgegeben.

Nachdem der FIWM mitten in die New Economy Krise hinein gegründet wurde, war es bald Essig mit den klassischen Success Stories von Firmen wie Cassiopeia des FIWM-Grubans. 2001 glaubten viele, Content sei King und Content Syndication würde sie reich machen. Für diese Leute würde ein Arbeitskreis Content Bizz gegründet – hier die Geschichte von Tanto und Xipolis. Ich war damals im Kern dieser Stene, und mit Dotcomtod gleichzeitig auf der anderen Seite, und es war grauenvoll. Dieses sich gegenseitig anlügen, diese kranke Sprache, dieser Glaube an die grenzenlose verwertbarkeit von “Content”, möglichst meinungsloser, marktkompatibler, zielgruppengerechter, reichweitenstarker SCHEISSE, um das mal deutlich zu sagen. Und vor allem: GeldGeldGeld sollte es bringen, am Besten als Pay Content. Anders gesagt, dieser Arbeitskreis propagierte genau das Gegenteil von dem, was Blogs meines Erachtens sind. Damit sind sie auf die Fresse gefallen. Wirtschaftlich und ethisch. Information ist nicht maximum GeldGeldGeld bei minimum Aufwand weil Internet.

Aber statt liegen zu bleiben – was passiert? Aus Content Bizz wird Blog Bizz. Der inzwischen wieder zum Besäufnis Ex-Proto-Internetler zurückmutierte FIWM geht ins überteuerte kurdische Restaurant Dilo (wo es noch nicht mal WLAN für Collabo-Working geht, wie es früher unter Gruban Selig, heute übrigens im Suchmaschinen-Marketing tätig, sein musste) – und nennt sich dann Münchner Bloggertreffen. Gaststars sind die Trotts von Movable Type, die nach den Problemen eines investorengestützten 1500%-Wachstums nun – ganz Dotcom – erfahren, dass es nicht so leicht ist, das Netz zu kapitaliseren. Mit dabei ist dann auch Heike “Gegendarstellung” Bedrich und Joachim Graf, dessen Mitarbeiter auf den internen Foren der Gewerkschaft nach Informanten suchten.

Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten – war aber auch abzusehen. Ein neuer, unbelasteter Begriff, und sie sind alle wieder da. Und denken darüber nach, wie man daraus so ein schickes Business machen kann. Mit Content, eh klar. Weil Content ist ja King, gell.

9.7.2004 | 13:47 von _Lu

eintrag zu verkaufen !

bald standard als kleines zubrot für den blogger von morgen ?

kauft das dann ein blogger, oder eher meine schnäppchen jagende nachbarin, die bei “blogs” eher ans viertel denkt ? frischblut für die b-sphäre oder sarkasmus in reinform ? fein, das.

9.7.2004 | 10:12 von dogfood

Blogmüll

Es ist zwar mittendrin, nimmt aber die Position eines Outsiders, eines Non-Konformisten ein: Blogmuell. Und die Narrenfreiheit eines anonymen Zynikers tobt es in vollen Zügen aus, tritt in sich anbietende Weichteile der Blogosphäre und löst Beißreflexe aus.

Von daher ist [Blogmuell] vielleicht sowas wie ein kleiner Zerrspiegel, vor dem endgültigen Abheben der Weblog-Welt in höhere Sphären, völlig subjektiv, anmaßend, dumm, ohne Anspruch auf höhere Weihen.

Die Angriffigkeit sollte nicht darüber hinweg täuschen lassen, dass es eine stringende Vorstellung von der Blogosphäre hat und damit mehr als nur Zynismus des Zynismus wegen ist.

So z.B. über die auch von mir gefürchteten Consultants: “Nepper, Schlepper, Bauernfänger

[Was] mich anwidert, und immer mehr anwidert, je mehr ich mich mit der “Blogosphäre” beschäftige, sind die Hintertür-Schleicher in dieser “Sphäre” […]

Ich nehme Weblogs noch immer als etwas vorwiegend Privates wahr. Und so wird es auch immer noch in Zeitungen oder sonstigen Medien dargestellt […]

[Was] auffällig ist und sich geradezu lawinenartig ausbreitet: der anfänglich private Hintergrund der Weblog-Szene wird immer mehr unterwandert von seltsamen Typen, die vordergründig ein Weblog wie alle anderen schreiben und sich damit eine privaten Anstrich geben, in Wirklichkeit aber genau diesen privaten Rahmen zu Förderung ihrer dümmlichen Geschäfte nutzen wollen […]

Nie ist mir eine größere Zahl von “Coaches”, “Consultants”, “Marketing-Experten” und ähnlichen “Spezialisten” untergekommen als beim Stöbern in der Weblog-Szene. Fast alles selbsternannte Experten ohne jegliche Qualifikation. Dafür Dummgequatsche und Rumwerfen mit Pseudofachwörtern.

Oh mein Gott. Da pauschaliert jemand! Da wird verallgemeinert! Und das ganze anonym. Ohne Impressum! Und man wird, über fünf Ecken verlinkt, selber erwähnt! Hinfort Schwätzer! Qua definition Unrecht-Haber. In allen Punkten der Anklage. Die Details stimmen nicht, also stimmt auch der Grundtenor nicht. Punkt. Und ohne Impressum schon gar nicht.

In diesem Sinne: Willkommen im Blog-Establishment, Blogmuell.

Wenn wir über die blogsphäre diskutieren, dann reden wir meist nur von ein paar Dutzend Leuten, die verlinkt werden, blog-Bücher schreiben, in den Medien ab und zu auftauchen, zu blogger-Treffs gehen oder anders sich wichtig machen. 95% der blogwelt liegt im dunkeln. Dort passiert aber das Spannende.
(anonymer Kommentar)

9.7.2004 | 1:38 von DonAlphonso

Etwas andere Teenie-Blogs

Drüben bei Moe kochte heute mal wieder die Debatte um Teenie-Blogs hoch. Manche winden sich ja im Grausen, wenn es um Bauchnabelpiercings und O-Zone statt um RSS und XML geht, andere wiederum fühlen sich plötzlich *schrecklich* alt und verlangen, dass die Bälger lieber auf die nächste Matheklausur lernen sollten. Wieder andere neigen zu grenzenloser Toleranz und kriegen dann was reingedübelt, dass es kracht. Zu letzterem Kreis darf ich mich zählen.

Denn heute bin ich über eine Teenie-Blog-Community gestolpert, von der ich nicht erwartet hätte, dass es sowas überhaupt gibt: Suicidgirls.com Um es neutral zu formulieren: Es ist eine Mischung aus einer Art Lifejournal und Soft-Pornosite. Die Blogelemente mit den Groups, Permalinks, Buddylist, den gegenseitigen Comments und den abschliessbaren Kommentaren ähnelt Lifejournal sehr stark. Auch die Community-Bildung, die sogar in Deutschland bei Lifejournal zu beachten ist, findet bei Suicidgirls statt, bis hin zu Real Life Treffen. Die Einträge lesen sich dann genauso wie Teenie-Blogs: so i no longer have a phone… so if your trying to get ahold of me… email is yer best shot at this point. hopefully you know what it is otherwise you will have to buy a memebrship to SG so you can get ahold of me. hehehe.

Der Unterschied: Wer weiblich ist und mitachen will, muss sich ausziehen und sich photographieren lassen. Und erst mal ausgewählt werden. Gefragt sind besonders Mädchen mit Piercing und Tattoos, also keine typischen Pornostars, sondern eher alles von Gothic bis zum ausgeflippten Girl next door. Männer dagegen müssen zahlen, um sich die Bilder anzuschauen. Smells like Business Model. Man kann jetzt fragen: Turnt die Bloggerei die männlichen Besucher an, weil sie keine anonymen Körper anschauen, sondern reale Wesen? Ist der Blogeintrag der Angelhaken, um den Mann zum Kunden zu machen? Oder ist das Kommentieren nur so eine Art Porno-Chat?

Natürlich kann man sagen: Bäh, Schmutz, Schund, da wird das Bloggen in den Dreck gezogen. Meines Erachtens würde man es sich zu einfach machen. Denn offensichtlich ist das Bloggen der entscheidende Faktor, der Suicidegirls über die Zigtausend anderen Sites heraushebt, die in Sachen Pornographie ganz andere Bilder zu bieten haben.

Wenn es also mehr ist als nur der Überdruss an herkömmlicher Pornographie, das die Leser zahlen lässt, was bedeutet das dann für die Blogeinträge? Kann es sein, dass die öffentliche Nacktheit der Gedanken, ddas Erzählen des eigenen Lebens auf den Betrachter einen ähnlichen Reiz ausübt wie körperliche Nacktheit? Zerren nackte Haut und öffentliches Erzählen am gleichen Nervenstrang? Was hat es zu bedeuten, wenn eines der Mädchen nur ein einziges Mal vor fast einem Jahr Bilder von sich in die Pay Content Ecke stellt, aber ansonsten nur ganz normal bloggt – und trotzdem viel Beachtung findet?

Oder, kurz und schön gefragt: Kann Bloggen auch Sex sein?

Das ist der eine Komplex. Der andere – wenn das in den USA Erfolg hat, wenn sich dadurch Bücher verkaufen lassen und ein Geschäftsmodell möglich ist, wenn hierzulande Nachts darauf gelauert wird, dass es endlich mal zu einem nackten Körperteil bei Big Brother kommt – wann erleben wir dann den Moment, dass jemand diese Idee kopiert? Würde 20six so etwas initiieren? Hätten die Mybloggerinnen, die Close-Ups ihrer Piercings posten, ein Problem damit, dabei mitzumachen? Vielleicht sich darum schlagen, mitmachen zu dürfen, wenn wie bei Suicidgirls die Plätze beschränkt sind?

Disclaimer: In unserem Buch gibt es natürlich keinen Softporn.

Äh- moment bitte *blätter* – also, zumindest nicht bei den Bildern.

Edit: Hm, sagen wir mal: Fast überhaupt gar nicht bei den Bildern (verdammtwiesohabichnichteinanderesAutorenphotogenommen)

8.7.2004 | 17:27 von dogfood

Kor– Korrigiert

Der Postillion brachte heute vom Verlag die CD mit den Orthographie-korrigierten InDesign-Layouts. Ich werde daran einige kleine Arbeiten vornehmen, ehe die Blogger dann ihre korrigierten Blogs als PDF bekommen und die Korrekturen absegnen.

Anfang der Woche sind wir mit den Layouts auf technischen Schwierigkeiten gestoßen. Ich arbeite auf einem Mac, der Verlag auf Windows-Rechner. Es kam wie es kommen mußte: es gab bei einem Teil der Schriften Probleme. Der Verlag hatte vorgewarnt, ich solle nur “OpenType”-Schriften nehmen, die einzig wirklich crossplattform-taugliche Variante.

Allein: die Umsetzung der Screendesigns der Blogs verlangt den Einsatz der üblichen Webfonts Georgia, Trebuchet MS, Verdana, Arial und Konsorten, die natürlich alle nicht als OpenType vorliegen.

Den Sonntag abend habe ich mit Stöbern im Internet verbracht, der die Lösung brachte: zwar können Windows-Rechner nichts mit TrueType-Fonts vom Mac anfangen, aber umgekehrt lassen sich Windows-TrueType-Schriften auf Macs verwenden.

Also: die Windows-Schriften mir zuschicken lassen, in den FONTS-Ordner von InDesign gepackt, die Mac-Pendants aus den Systemverzeichnissen geschmissen. Und dann händisch in allen Layout-Dateien die Schriften auswechseln.

8.7.2004 | 12:19 von dogfood

Blogger Burnout

Die WIRED berichtet über “Blogger Burnout” und macht das an einigen politischen Bloggern fest.

Die WIRED schmeißt unter dem Sammelbegriff Burnout einiges zusammen.

  • Zuwenig Zeit
  • Kein Spaß “when it’s not fun, it starts feeling like … when you have to go to a job every day from nine to five” (Kottke)
  • Sich selbst unter den Erwartungsdruck zu stellen “Premium-Content” zu liefern.

Und an diesem Phänomen ist was dran.

Several bloggers contacted for this story noted that their readers seem to look at their regular, consistent posting patterns as somewhat akin to a sign of physical health. And any break in that pattern is sometimes seen as a cause for alarm.

“I know that if I go more than about five or six hours without posting, or telling people that I’m not going to be blogging for the rest of the day,” said Reynolds, readers e-mail him and say, “You haven’t posted anything in five or six hours. Are you OK?”

Es gibt nichts nervigeres als die Quengeleien der Leser. Wenn wenig gepostet wird, dann u.a. aus Zeitknappheit. Man schleppt schon den ganzen Tag das schlechte Gewissen mit sich herum, dass man nichts gepostet hat. Es ist wie wenn man im Urlaub ist, wissend dass man zuhause die Pflanzen nicht gegossen hat. Man fürchtet bei Rückkehr den floristischen GAU.

“And it’s not like my readers are calling me up and saying, ‘What the hell?’ But you can sense it. You can sense it when you post something new and 10 minutes later there’s 50 comments. You can almost feel they were sitting there waiting.” (Moulitsas Zuniga, Daily Kos)

Wohl keiner der Blogger die schon mehrere Jahre dabei sind, der sich nicht mal bewusst für eine kurzfristige Blog-Pause entschieden hätte.

8.7.2004 | 2:51 von DonAlphonso

Bald. Sehr bald.

Das ist das Widersinnige am Buchmachen: Zu Beginn, ganz am Anfang stehen eigentlich nur zwei Dinge, die zu tun sind: Den Verleger überzeugen und das Buch machen. Irgendwie denkt man, wenn man den Verleger rumgekriegt hat, läuft der Rest von allein. Der Rest hat dann aber die hinterhältige Eigenschaft, sich in tausend kleine Einzelarbeiten aufzulösen, und zum Schluss verplatzen die auch noch in to-do-Fragmente. Und dann kommt noch der alltägliche Irrsinn dazu, mit dem man nie gerechnet hätte; bei uns zuerst die eklige Suma-AG-Geschichte, dann feuert der Frankfurter AStA eine Breitseite gegen eine unserer Autorinnen, und dann kommt noch so einer Debatte wie bei der Netzeitung auf, bei der man genau weiss: Das bedeutet Ärger. Die Medien hängen hier schon längst ab, warten auf Futter und vielleicht den grossen, bösen Schnitzer, das Zitat, das zur Waffe wird. Seit dem Tag vor etwa einem Jahr, als Kai und ich über das sprachen, was schon seit Monaten in der Luft lag, hat sich die Einstellung der Medien zu den Blogs gewandelt. Von der Curiousity gegenüber was Fremden hin zu einer Meinung, die nicht wirklich gut ist. Für Hass ist die Blogosphäre noch zu klein, aber Missgunst und Misstrauen gibt es genug. Uns scheitern sehen, würde sicher mehr Freude machen, als einzugestehen, dass da doch was Besonderes in den Texten steckt.

Aber inzwischen hat das alles eine Eigendynamik, die auch jetzt, ohne das sich die Druckwalzen in Bewegung gesetzt hätten, jedes Aussteigen unmöglich macht. Das Ding ist kein Flugzeug, sondern eine verdammte Rakete, die nur eine Richtung kennt und 2 Geschwindigkeiten: Maximum und Explosion. Man muss ziemlich bescheuert sein, sich da ganz vorne reinzusetzen. Zum Glück gibt es eine Betriebsanleitung für den Cocktail aus flüssiger Paranoia und Feststoff-Grössenwahn, den man getankt hat: Tom Wolfe, The right stuff.