18.12.2007 | 19:53 von DonAlphonso

Pinkeln in das Grab des Blog Monitorings

Ich bin bekanntlich kein grosser Freund der Bestrebungen, Blogs zu überwachen, zu analysieren und die Ergebnisse dieser Schnüffeleien weiterzuverkaufen. Zum einem, weil es extrem unhöflich ist, sich dergestalt in Gespräche einzumischen, auch wenn diverse Figuren es damit begründen, man wolle zuhören – offen gesagt, Lauchaktionisten dieser Kategorie sollte man immer wieder was aufs Ohr geben, am besten mit einer virtuellen Dachlatte. Andererseits, weil das Abfischen von Blogs, die sich eine kommerzielle Nutzung durch Dritte verbitten, schlicht und einfach illegal ist. Internetkriminalität? Bei den Blogüberwachungsfreunden werden Sie fündig!

Aber: Wie es ausschaut, ist das Thema inzwischen weitgehend durch. Zu verdanken ist das allerdings weniger der Einsicht der Schnüffler, sondern einer Verschiebung des Hypes weg von den Blogs, hin zu den neuen, heissen Communities wie StudiVZ. Nicht nur, dass manche Firmen dort längst ihre kostenlosen, eigenen Gruppen mit Fakecharakteren unterhalten, auch die Vertreter der Webstasi haben dort längst ihre Horchposten aufgeschlagen. Und das nicht ohne Grund.

Denn tatsächlich ist es weitaus leichter, Gruppen in Communities zu überwachen und zu beeinflussen, als Blogs. Man sieht das recht schön bei StudiVZ, wo kritischen Gruppen sehr schnell StudiVZ-nahe Personen beitreten, die versuchen, mässigend auf die Protestierer einzuwirken. Eine ähnliche Ãœberwachung durch Externe ist zwar theoretisch illegal, wird aber ohne Bedenken von bekannten PR-Agenturen angeboten und auch betrieben. In Communities hat man die Leute auf einem praktischen Haufen und dazu auch massenhaft Informationen darüber, wer mit welchem persönlichen Hintergrund was sagt. Politische Einstellung, Herkunft, Umfeld, das alles lässt sich problemlos analysieren und finden. Während man es bei Bloggern mit weitgehend anonymen Schreibern zu tun hatte, bei denen man nie wusste, wer wann etwas über den Kunden sagte, ob es relevant wird und wer davon Kenntnis nimmt, ist das in sogenannten “sozialen Netzwerken” absolut kein Problem mehr. Die Datenflut zum einzelnen Teilnehmer ist praktischerweise durch Kategorien und Schlagworte vorgegeben, man muss also nicht erst mühsam Texte buchstabieren, lesen und verstehen – was PRoleten bekanntermassen so leicht fällt, wie der Amöbe das Verfassen der Odyssee.

Das ist schlecht für die Beteiligten, die so treuherzig alles verbreiten, was Leute wissen wollen, die man nicht zwingend in seinem Bekanntenkreis haben möchte – aber für Blogger ist das Weiterziehen der Bande eine rundum prima Sache.

18.12.2007 | 3:17 von DonAlphonso

Wikipedia zwischen den Mühlsteinen

Ich habe heute kurz mit jemand Wikipedianahen gemailt, und ihn gefragt, wie er es sieht, wenn Spiegel Online und Bertelsmann zusammen die Inhalte der Wikipedia übernehmen und auf einem eigenen Portal vermarkten. Er fand das nicht besonders problmatisch – ich dagegen bin anderer Meinung.

Was SPON und Bertelsmann meines Erachtens versuchen, ist ein widerliches Schurkenstück. Da werden die eigenen Marken genommen, um die gemeinsam erstellten Informationen der Wikipedia unterzupflügen und dann zu vermarkten. Schon heute gibt es eine Reihe von eher fragwürdigen, mit Google-Ads vollgestopfte Seiten, die sich weitgehend bei Wikipedia bedienen. Das ist aufgrund der Lizenzen möglich, aber aufgrund der Marktrelevanz des Originals eher belanglos. Spiegel und Bertelsmann haben dagegen leider die Marken und die Vermarkter, die auf der Wikipedia ihr eigenes Geschäftsmodell aufsetzen können. Man schreibt dann eben nicht mehr nur bei der Wilkipedia mit, sonderrn fertigt auch kostenlose Inhalte für Medienkonzerne, die als Zugabe im Falle des Spiegels ihre weitgehend wert- und sinnlose Textfabrikation und Tendenzschreibe der letzten Jahre dazu reichen. Ausgerechnet Bertelsmann – man denke nur an deren Plattenfirmen und deren Krieg gegen Raubkopierer – wäre dann der finanzielle Profiteur der pro bono erstellten Wikipedia. “Pervers” ist das mindeste, was mir dazu einfällt.

Und hier kommt meines Erachtens Googles Projekt Knol ins Spiel, das unverblümt auf die wissenschaftlichen Topautoren von Wikipedia abzielt und ihnen Geld verspricht. Mit einer sponifizierten Wikipedia steht man als Autor vor der Frage, ob man sich aufgrund der Lizenzen von Wikipedia zum kostenlosen Schreibdeppen und Gewinnmaximierungstool deutscher Medienkonzerne macht – oder lieber zu Google geht und wenigstens selbst etwas dabei verdient. Auch Spenden für Wikipedia werden ad absurdum geführt, wenn Nutzer zahlen sollen, während man sich in Hamburg und Güterloh mit den Ergebnissen die Bilanzen päppelt.

Ich denke, das grosse Können von Wikipedi besteht darin, den Autoren das Gefühl zu vermitteln, dass alle zusammen etwas füreinander tun. Genau dieses Gefühl werden die deutschen Konzerne aufbrechen – Bertelsmann und Spiegel interessieren sich nach meiner Erfahrung einen Dreck für funktionierende Sozialsysteme, ähnlich wie Google auch. Wenn Wikipedia nicht zwischen Abzocke einerseits und finanziellen Verlockungen andererseits der grosse Verlierer sein will, sollten sie sich überlegen, ob sie ihr Lizenzsystem nicht grundlegend ändern. Und weiterhin so das Gefühl vermitteln, dass hier für die Mitglieder und die Allgemeinheit eine wichtige Aufgabe erfüllt wird. Und nicht unerfreuliche Medienkonglomerate mit ihren parasitären Konzepten auf die ein oder andere Weise gefördert werden.

17.12.2007 | 12:21 von DonAlphonso

Aufgemischt durch Mashup

Das ist einer von den Beiträgen, die mich jetzt schon ärgern. Weil da draussen demnächst irgendeiner diesen beitrag aufrufen wird, ihn liest, und dann denkt, ach was, mein Jurist sagt was anderes, ausserdem brauche ich die Integration von Google Images für mein Startup, die sollen sich mal nicht so haben, ist doch alles Web2.0 beta, soziales Netz und so, was sollen da Urheberrechte – und weitermachen. Bis sie eine Abmahnung kassieren, die sich gewaschen hat.

Denn die Bildsuche bei Google ist keine Bilddatenbank, die jeder nutzen kann. Auch die Vorschau-Thumbnails stehen uner Urheber-, oder noch problematischer, Persönlichkeitsrechten der Abgebildeten. Und das Argument, dass die Bilder doch auch bei Google sind, und warum man dann nicht auch gegen Google vorgeht, helfen dann auch nicht weiter.

Wer also darauf baut, dass er die unbegrenzten Möglichkeiten von Google Images bei seinem Projekt verwendet, sollte sich unbedingt diesen Fall hier zu Gemüte bringen. Ein einziges Vorschaubild wird hier extrem teuer. Das muss echt nicht sein. Also: Finger weg vom Klau von Bildmaterial, auch über Bildsuchdienste. Urheberrechtsverletzung wird durch Mashups nicht besser. Besonders, wenn es erwerbsmässig betrieben wird. Mit Schonung braucht man da nicht rechnen.

Aber wie gesagt: Ich weiss jetzt schon, welcher Depp trotz allem die Lektion auf die teure Art wird lernen wollen.

16.12.2007 | 22:26 von DonAlphonso

Das asoziale Netz und seine Bewohner

Drei Dinge kann ich hier nicht schreiben – eines betrachte ich als erledigt, eines muss ich noch recherchieren und eines kommt in einem eigenen Beitrag – aber momentan gibt es schon ein paar Anzeichen, dass es im Bereich des sogenannten sozialen Netzes zu unschönen Entwicklungen kommt. Und da ist mehr als der Versuch von StudiVZ, unter dem Vorwand der durch die gestiegenen Nutzertahlen nötigen AGB-Änderungen die in Deutschland juristisch fragwürdige Zustimmung zu datenschutzrechtlich problematischen Regelungen zu erreichen.

Da haben wir etwa meinnachbar.net, die plötzlich unter Adresse aus Dubai 9 Euro pro Monat für die Mitgliedschaft wollen. Ähnlich geht es auch bei nachbarschaft24.net zu. Die Verbraucherzentrale ist hier Dein Freund.

Dein Feind dagegen sind die typischen deutschen Hypeplattformen für solche Firmen, Namentlich findet man bei deutsche-startups.de sehr warme, nette Worte für obige Gebührenverlanger. Zu einem Hinweis über deren Geschäftspraktiken hat es dagegen nicht gereicht – offensichtlich hat man mit der Wahl von anderen, noch seriöseren Firmen zum Startup des Jahres genug zu tun.

Da ist es fast tröstlich, dass die multinationale Konkurrenz gerade den Löffel abgibt: Das auch in Deutschland aktive Netzwerk zum Pushen von Web2.0-Gründungen “Blognation” verfügt über einen Gründer, aber nicht über dessen versprochene Finanzierung. Glaubt man den Berichten, dann haben die dort angestellten Autoren ziemlich lange umsonst gearbeitet. Was in sich stimmt – wurden doch auch Firmen beworben, deren einziges Ziel ist, die Nutzer werkeln zu lassen, um dann abzukassieren.

Es wird eklig da draussen. Richtig eklig. Habe ich eigentlich schon erzählt, dass es dem Vernehmen nach auch deutsche Blogger geben soll, die bereit sind, für einen “Unkostenbeitrag” einen Blick auf Startups zu werfen und darüber zu schreiben? Das sind dann die Folgen des Hereinbrechens neuer Autoren in unseren Kreis. Schön langsam sollte man sich überlegen, ob man nicht doch deutlicher trennen sollte, zwischen Bloggern und Gestalten, die aus kommerziellen Erwägungen heraus Blogsoftware mit Texten füllen. Und bei denen dann trennen zwischen ehrlichen Häuten und dem Abschaum, dem zu entgehen wohl in keiner Ecke des Netzes möglich ist.

15.12.2007 | 5:01 von DonAlphonso

Die Küchengötter, die Kulturdiebe, ihre Kakerlaken und ihr Sozialsystem

Mal eine komplexe Frage: Wem gehört dieses Rezept? Der Donna, in deren Hotel es bereitet wurde? Meiner Frau Mama, der es die Donna erzählt hat, weil meine Mutter freundlich danach fragte? Oder mir, weil ich der erste bin, der es im Internet veröffentlicht?

Die Antwort halte ich für einfach. Das Bild ist fraglos meines. Aber das Rezept ist Allgemeinkultur, das gehört niemandem und allen gleichermassen. Es ist ein Rezept, eine Empfehlung, jeder kann es abschreiben, variieren, ausprobieren, ergänzen, weitergeben. So und nur so entsteht unsere Esskultur, vom Kochtopfgucken, Abschauen, lernen, weitergeben. Es ist eine Kultur des Gebens und Nehmens, und hier draussen im Netz nennt man es partizipatives Internet. Weil das ganze mehr sein kann als die Summe der einzelnen Teile, weil alle besser dran sind, wenn alle geben, grosszügig sind und andere teilhaben lassen.

Bisher war der Inbegriff der Negation dieser tollen Einrichtung in meinen Augen das Abmahnverhalten der Websitebetreiber “Marions Kochbuch”. Aber jetzt gibt es nochwas. Küchengötter.de, eine Kochcommunity des Verlages Gräfe und Unzer, die ich hier mitsamt ihren nicht wirklich nutzerfreundlichen AGB schon mal erwähnt habe. Denn Kuechengoetter.de will nicht nur Rezepte vorstellen, sondern auch von den Nutzern bekommen, und dafür die Nutzungsrechte unbefristet abgetreten bekommen.

das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung sowie zur Sendung (jeweils zur Selbstnutzung und Lizenzvergabe an Dritte); die Rechtseinräumung gilt über das Nutzungsverhältnis hinaus

Nochmal: Das ist hart. Und wofür soll man das tun? Was bieten die Küchengötter im Gegenzug? Rike von Genial Lecker hat nachgefragt, ob sie vielleicht eines der Rezepte für ihr Blog verwenden dürfte:

Allerdings war ich von den AGBs etwas verwirrt. Also schickte ich eine Mail mit der Anfrage, ob ich denn dortige Inhalte auch auf meiner Seite – mit entsprechenden Link auf die Quelle – verwenden dürfte. Nach einer Woche kam eine leicht verworrrene, dennoch deutliche Mail: NEIN, das darf man/ frau nicht.

Das muss man sich mal verdeutlichen: Die bei den Küchengöttern eingestellten Rezepte sind von der textlichen Ausgestaltung her ganz sicher nicht mit der schöpferischen Fallhöhe ausgestattet, wegen der man gleich das Urheberrecht zur Hand nehme, und eine grosse Menge der Beschreibungen sind banal wie Gammelfleisch im Berliner Döner. Aber genau darüber wacht man bei Küchengötter und lässt nichts raus; auch nicht mit Quellenangabe. Und wenn ich obiges Rezept für Zuppa con Zucca freigebe, und es jemand nimmt und bei der Community einstellt – ist es bei mir frei, aber bei der Community reklamieren sie dafür ein Nutzungsrecht – und weshalb? Weil sie dann in diesem Fall meine Kultur schamlos ausbeuten, nehmen, was sie kriegen können, und behalten. Schon etwas pervers, das Ganze.

Sprich, was die wollen, ist Web2.0: Viele Profilhinterleger schreiben ohne Vergütung ihre Rezepte in der Community, die der Verlag dann mittels Werbung verwertet. Und zwar allein. Und diese Alleinstellung ist ihnen so wichtig, dass sie darauf verzichten, wenn andere Blogger bereit wären, ihre Rezepte, die Werbung für sie sein könnten, mit Link und Vermerk weiterzutragen. Irgendwo drüber bloggen zwar welche, und in Berlin sitzt ein Werber als Ideengeber, aber das ist alles: Eine inhaltliche Sackgasse mit Vermarktungsziel, das im Kern nichts als banalstes Allgemeingut anbietet. Das ist Web2.0. Und damit das Gegenteil eines partizipativen Netzes, und obendrein eine Absage an die grundlegende kulturelle Fähigkeiten. Hätte man derartige begrenzende Communities in Vorderasien vor der Ausbreitung des Ackerbaus in Europa gehabt, würde man bei den Machern des Portals heute noch auf den bayerischen und preussischen Schotterebenen die Kakerlaken rösten. Und in etwa auf dem kulturellen Niveau verharren, von dem man sich dank Internet technisch, aber nur bedingt vom Verständnis eines Sozialsystems entfernt hat: Ich alles. Web nix. (via kulinaria katastrophalia)

13.12.2007 | 22:18 von DonAlphonso

Holtzbrinck und StudiVZ und ihr Verständnis von Datenschutz

Es gab Material, das ich nie gebracht hatte, weil es möglicherweise in die Persönlichkeitsrechte von StudiVZ-Mitarbeitern reinspielt – das hier war ein Grenzfall, aber noch lang nicht alles. Und als eine Weile bei StudiVZ die Absicherung der Gruppenmitgliedschaften unten war, habe ich nicht nachgeschaut, in welchen Gruppen der J***************** heimlich mit dabei war. Oder auch der P***********. Ich habe dieser Versuchung wiederstanden. Also, glaube ich, ich muss nochmal die Screenshots durchsch

Geht es nach den neuen AGB, die manche oder die meisten Mitglieder von StudiVZ heute bekommen haben – ich kenne Fälle, die sie nicht erhalten haben – und denen man bis zum Ende der Winterferien zustimmen soll, um nicht rauszufliegen – wird das für Holtzbrinck und sein Skandalstartup aber durchaus möglich sein, und zwar auch über das Abmelden von StudiVZ hinaus. Bisher galt:

Mit der Abmeldung wird der gesamte unter dem Profil des Nutzers gespeicherte Datensatz vollständig gelöscht.

Im neuen Punkt 3.3 steht dagegen nur noch:

Mit der erfolgreichen Exmatrikulation eines Nutzers ist der Account des Nutzers nicht mehr zugänglich und sind die vom Nutzer in seinem Profil (“Meine Seite”) gemachten Angaben über das studiVZ-Netzwerk nicht mehr einsehbar.

Aber sonst? Nicht mehr einsehbar ist etwas anderes als vollständig gelöscht, und heisst nicht, dass StudiVZ und Holtzbrinck nicht bis ans Ende aller Tage die Daten nicht behalten – und verwerten können. Und wer nicht begreift, was der dauerhafte Zugriff bedeutet, mag sich das hier nochmal durchlesen. Nebenbei genehmigt man auch die Auswertung der Daten zu Marketingzwecken, Herausgabe der Daten an Dritte und erlaubt jede Form von Werbebotschaften durch hinterlegte Kanäle:

Zudem erkläre ich mich einverstanden, dass studiVZ meine personenbezogenen Daten nutzt, um mir Marketing-Mitteilungen unter Verwendung elektronischer Post zuzusenden (z.B. zum Versand von E-Mails an die von mir für die Nutzung des StudiVZ-Netzwerkes verwendete E-Mail-Adresse, SMS-Werbung an die von mir hinterlegte Mobilfunk-Rufnummer sowie von Nachrichten mit werbendem Charakter über den Nachrichtendienst von studiVZ oder einen von mir angegebenen Instant-Messenger).

Mir graust es bei dem Gedanken an die Datenmengen, die StudiVZ und Holtzbrinck bei Bestätigung der AGB auch dauerhaft in der Hand haben. Man hört, dass die Geschäfte nicht gut laufen, hohe Kosten, geringe Einnahmen und schlecht laufende ausländische Töchter, also macht man sich an das Vermarkten der Daten. Kleiner Tipp: Alte Daten peu a peu löschen, durch neue, falsche Daten ersetzen, und dann abmelden. Wer sowas unterschreibt, braucht sich später nicht wundern, wenn seine alten Daten auf die ein oder andere Weise die Runde machen – an Orten, wo man sich das nicht wünscht. Und wer jetzt meint, dass es dort zugehe wie in der Veraltung eines totalitären Staates – der sollte morgen mal reinschauen.

Denn so wie es ausschaut, hegt man dort eine gewisse, na, sagen wir mal, Toleranz für seltsame Leute.

13.12.2007 | 13:30 von DonAlphonso

Horror Vacui

Als ich begann, mich mit Blogs zu beschäftigen, gab es auf der einen Seite die Webseiten der Medien, die mit allerlei Krimskrams oben, rechts, links, ganz links vollgestopft waren. Sehr bunt, sehr klicklastig, unübersichtlich und von vielen Servern aus mit den unterschiedlichsten Applikationen gespeist.

Und es gab Blogs, mit einer Textspalte in der Mitte und noch etwas aussen rum, eine Blogroll, ein paar Hinweise. Ein Server, dazu eigene Texte und eigene Bilder. Manchmal noch ein Werbedingens.

Ich fand – und finde – diese Reduktion schön. So, wie ich lieber ein Buch als eine Gazette lese, gefällt mir ein auf den Text reduziertes Blog besser als all die bunten Zeitschriften, bei denen man sich die Texte aus Werbemüll rauskramen muss.

In den letzten Jahren hat sich das bei vielen, oft auch bekannteren Blogs geändert. Es fing an mit den kleinen, durchaus sinnvollen Bapperln für Creative Commons oder Tipps für Firefox, oder made with a MAC. Ganz klein und versteckt, nach dem dritten Besuch merkte man das nicht mehr. Das Schlimmste waren die 90 mal 15 pixel grossen Gifs, die manche sammelten, um ein paar Dinge über ihr Blog zu sagen.

Und heute haben wir wegziehbare Seitenecken, die sich jeder als lässige alternative zur politischen Aussage rechts oben reinpappt. Wir haben Tag Clouds und Facebook-Profile, wir haben Geotagging-Widgets und Shopping-Widgets, wir haben Amazonlisten und Werbung, die sich zwischen Beitrag und Kommentare drängtelt, und die die Seite wieder hochspringen lässt, weil der Werbeserver mal wieder langsamer war, aber dennoch sein Recht fordert, dass man sich die Scheisse, für die sich diese Leute verkaufen, anschaut. Es ist verdammt unhöflich so etwas zu machen, und damit es auch extra viele Clicks gibt, ist oben der Anreisser und dahinter, wenn man geklickt hat, oft nur noch Langweile, als wäre es ein dpa-Zusammengeschreibsel wie beim SPON. Die Texte werden an den linken Rand gedrückt, rechts ist massenhaft Platz für jede Form von weiterer Belästigung, und damit es auf der Site auch ordentlich optisch klingelt, gehen kleine Fenster mit sinnlosen Vorschauen auf. Unten links im Browser rauchen die zig Server durch, die etwas auf dieser Seite abladen. Und die Bilder sind von irgendwelchen CC-Datenbanken genommen.

Was soll das sein? MySPON? Ein Blog, das zum Fanzine des eigenen Fanzines wurde? Oder vielleicht nur eine Fassade, die vor die eigene, innere Leere geklebt wird, die sich vor dem direkten, privaten des Blogs fürchtet und gerne eine Bedeutung simulieren möchte, die zu Ertrag und Ansehen führt – auch wenn der Elan schon lange verschwunden ist?

Ich weiss es nicht. In der Kunstgeschichte nennt man das “Horror Vacui”, die Angst vor der Leere. Das kann die schönsten persischen Teppiche formen. Aber im Web erscheint mir das alles auf eine sehr ungesunde Art überladen.

12.12.2007 | 17:31 von DonAlphonso

Erbfolgekrieg

Ich denke hier seit über 4 Jahren, erst nichtöffentlich und dann gebloggt, darüber nach, was sich zwischen Blogs und Journalismus, zwischen alten Meinungs- und Informationseliten und neuen Kommunikationsstrukturen im Internet entwickelt. Ich bin damit nicht alleine, aktuell finden sich wirklich kluge Gedanken dazu bei Thomas oder in einer Mail von Strappato, die ich hier wiedergeben möchte:

“Blogs sind nur die Projektionsfläche für den viel tieferen Frust rund ums Web. Noch vor 5 Jahren hatten die Medien die Diskurs- und Informationshoheit. Jeder, der eine Veranstaltung machte, musste beim Fäuleton-Redakteur auf den Knien rutschen. Recherche und Datenbanken waren nur den Redaktionen zugänglich. Pressemitteilungen haben sich nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern waren so was wie Serienbriefe an Medien. Presseerwähnungen wurden wie Trophäen gesammelt.

Heute: Die Journailie und die “alten” Medien sind nur noch eine Stimme unter vielen. Aber nicht nur blogs. Auch Internetseiten von Regierungen, Parteien, Unternehmen, Organisationen, ebenso Datenbanken und ausländischen Informationsmedien (an die der interessierte Leser vor gar nicht langer Zeit nur unter Mühen und mit Zeitverzögerung rankam). Das ist ein so rapider Verfall der persönlichen Bedeutung, dass man psychologisch annehmen sollte, dass dies nicht ohne Schäden bleibt. Blogs sind nur die schwächsten Gegner und die, die zu fassen sind und nicht abstrakt im “Internet” aufgehen.

Und auf einmal wird offenbar, dass das, was die (deutschen) Medien immer als originäre Leistung verkaufen wollten, das Zusammenstellen und die Selektion der Informationen zum höheren Nutzen des Lesers, auch in Vergangenheit nur mangelhaft erledigt worden ist. Das vollkommene Desaster. Da muss sich eine Stimmung bilden, die der islamistischen Radikalen nicht unähnlich ist. Ohne Hoffnung, geschlagen von “Ungläubigen” und Amateuren, in einer Welt, die die eigenen sozialisierten Werte und Ãœberzeugungen zerbröselt und geringschätzt. Statt für die Diskussion oder fürs Podium sind die eher ein Fall für die Couch.”

Ein spannendes Erklärungsmodell. Mit dem Problem, dass die andere Seite sich so einfach nicht zum Psychoklempner wird schicken lassen, auch wenn es ihnen gut täte. Mir kam allerdings heute bei der Beschäftigung mit den spanischen Erbfolgekrieg noch eine andere Idee, die vielleicht erklärt, warum die so drauf sind: Weil wir tatsächlich so etwas wie einen asymmetrisch geführten Erbfolgekrieg haben. Und dabei geht es um das Internet.

Das Internet, das Medienkonzerne erst mal erobern konnten, weil sie die technischen Voraussetzungen aus ihren bisherigen Herrschaftsgebieten herüberziehen konnten. Die New Economy war der Höhepunkt dieser herzöglichen Expansionsbestrebungen, und sie scheiterten daran, dass die Bewohner dieses zu erobernden Landes nicht bereit waren, ihre Tribute zu leisten. Neben den Medien gab es auch andere Leute, die schon immer gern was von der Informationshoheit gehabt hätten, freie Bauern und Städter, an die sich mühsam mit Fanzines, Bürgerradios, Demos und Spraydose geklammert haben.

Und da hat sich nun ein Haufen gebildet, aus freier Software, billigem Speicherplatz, Schreibern, Reisläufern, die vielleicht nicht “DIE Medien” zum Teufel schicken wollen, aber auch keine Lust haben, sich da draussen erneut knechten zu lassen. Warum? Es gibt einfach keinen Grund dafür. Jeder kann. Jeder darf. Jedem seine Scholle, sein kleines Dorf, sein Hof, vielleicht auch sein kleiner Hofstaat. Es geht, weil die Mittel dafür da sind. Es bleibt, weil es Spass macht. Und weil es keinen mehr gibt, der einem befiehlt, sich unterzuordnen. Und in dieser Kleinstaaterei gibt es auch keine Themenvorgaben mehr, oder eine einigende Kirche, die Medien mit dem Geld alle besitzen.

Und jetzt reagieren Medien mit dem, was in solchen Konflikten immer getan wird: Einerseits versuchen sie, ihre Herrschaftsstrukturen anzupassen. Genauso, wie man im Krieg Städten Schonung versprach, wenn sie die Tore öffneten, bietet man den Nutzern heute an, dass sie moderiert kommentieren oder bei einer Community mitschreiben dürfen, für den Zehnt ihrer Daten und Werbeberieselung. Das hat nur mässig funktioniert, ausser bei Trollbuden wie SPON und Heise, die nicht wirklich das sind, ewas man sich vielleicht in den geistigen Zentralen der Medien gerne hätte. Dort pflegt man nämlich weiterhin die alten Ideale des Schönen, Wahren und Guten und merkt nicht dass, um es mal brutal zu sagen, die Ärsche dieser Ideale längst vom Sperma und den Geschlechtskrankheiten der Politik, Werbung und PR triefen, die für einen kleinen Obolus gewohnheitsmässig reinficken dürfen. Diese Ideale jedoch sind immer noch die Herrschaftslegitimation, sie begründen das Presseprivileg dieses Staates, auf das sich auch der letzte Verbandsbückling berufen kann. Und genau diese Legitimation wird jetzt herausgeholt, über den Köpfen der anderweitig interessierten geschüttelt und gerufen, wieso man sich nicht an diese Ideale halte und es ohne diese Gotterwähltheit überhaupt wagen könne, selbst Macht zu usurpieren.

Wie gesagt, so konnte man vor der Aufklärung tatsächlich in Erbfolgekriegen argumentieren und handeln. Das Problem ist aber, dass Medien glauben, die Leute hätten Respekt vor ihnen. Dass irgendwer ihre Bedeutung und Anspruch so aktzeptiere, wie sie ihn formulieren, und wie er ein integraler Bestandteil ihrer Konstruktion der vierten Macht im Staate ist. Eine fünfte Macht können sie nicht brauchen.

Nun. Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten, mit diesem Problem als Blogger umzugehen – beide sind übrigens auch in Erbfolgekriegen erprobt. Das eine Konzept hiesse “Tributzahlung”. Super Konzept, die Wirtschaft hat erfolgreich gezeigt, wie man aus Medien angenehme publizistische Umfelder macht. Ich habe manche Protagonisten der anderen Seite ein paar mal erlebt, was kosten die? Da schreibt einer, der von Autos keine Ahnung hat, einen euphorischen Bericht über eine Fahrt durch Schwabing im bayerisches Obernuttenpflitscherl, kostet 75.000. Sein Handlanger macht es vielleicht für die Hälfte und einen Friseurberuf und eine kostenlose Clickgalerie. Das können wir uns leisten, wenn wir zusammenlegen, und im Gegenzug schreibt der einmal im Jahr, dass er unser Recht im Netz bestätigt. Das Problem ist: Leider wird sich die Haltung nicht ändern. Leider ticken Journalistenschüler ganz ähnlich. Da kommt keine bessere Generation nach.

Die andere Lösung ist – ignorieren. Oder ins Gesicht spucken. Ich mein, wir reden hier nicht von sinnvollen, ehrenwerten Berufen wie Sexarbeiterinnen oder Reinigungspersonal, wir reden hier über weite Strecken von unproduktiven Funktionsfortsätzen von PR und Marketing, die selbst schon überflüssig wie ein Furunkel sind. All die Nachrichtendurchschieber, die von ihren Hohepriestern des Fäulletons gesegnet werden, zur Hölle damit: FICKT EUCH! Das ist meine ganze Legitimation, ein Blog, ein Schreiber, eine Meinung, eine Kommentarspalte. Das ist alles, mehr gibt es hier nicht. Im Erbfolgekrieg geht das, wenn der anderen Seite die Gefolgschaft davonläuft.

Im Internet ist jeder Souverän. Jeder kann das sagen. Sollen sie deshalb heulen, jammern, klagen. Solange sie es nicht vor meiner Haustür machen.