18.1.2007 | 1:38 von DonAlphonso

Gutefrage.net: Holtzbrincks Hypeneurotiker tun es wieder?

Das, was momantan bei Holtzbrinck passiert, kann man meines Erachtens nicht mehr mit wirtschaftlichen Überlegungen erklären, sondern nur noch mit Mitteln der Psychopathologie. Psychopathologie, weil ich mir sicher bin, dass man blosse Vergesslichkeit bei der Verantwortlichen als Ursache für ihr Tun ausschliessen kann. Ich glaube, die wissen sehr wohl, was sie tun. Sie hoffen lediglich darauf, dass andere vergessen haben, was an “galoppierendem Wahnsinn der New Economy” (schönes Zitat Handelsblatt 2003) los war. Deshalb machen sie es jetzt genauso wieder, und finden erneut sog. “Medienvertreter”, die sie unterstützen. Dazu müssen sie noch nicht mal den Feiglingen der Zeit eine Meldung unterschieben. Auch Heise macht bereitwillig die Bei mit.

Unter dem Kürzel vdr schreibt jemand bei Heise von einer Web2.0-gespickten Pressemitteilung ab, als habe er das Recherchieren beim Bundesverband deutscher Pressesprecher gelernt. In einem sagenhaft kritiklosen Artikel macht der Holtzbrinck elab den Hof. Es geht um deren Gründung “Gutefrage.net”, ein Startup, in dem die Nutzer gegenseitig Fragen beantorten und damit Raum für Geschäftsmodelle wie Werbung schaffen. Das klassische “AAL-Prinzip”, Andere Arbeiten Lassen, das bei Heise so lieblich erklärt wird:

Wichtig ist Geschäftsführer Markus Wölflick, dass die Leute gute Antworten auf ihre Fragen bekommen und die Fragen interessant genug sind, dass sich auch andere Nutzer für sie interessieren. […] Anders als die anglophonen Schwester-Sites, bei denen Wölflick eher den Spaß-Gedanken im Vordergrund sieht, will er gutefrage.net als echten Ratgeber positionieren. Dass dabei der Community eine Zentrale Rolle zukommt, weiß auch der Geschäftsführer. Noch klappt das ganz gut, findet er. Die knapp 2300 Nutzer haben bisher etwa 10.000 Fragen gestellt und viele bereits beantwortet.

Alles supi – wenn man brav die Antworten des Chefs abschreibt. Aber man könnte man statt dessen auch darauf hinweisen, dass Gutefrage.net AGB hat, die zu akzeptieren man eigentlich niemandem ernsthaft anraten kann. Da steht zum Beispiel:

Soweit gutefrage.net für die Abmahnung durch Dritte Kosten entstehen, hat der Nutzer gutefrage.net hiervon freizustellen.

Ausserdem findet sich dort ein üblicherweise als Halsabschneiderparagraph benannter Abschnitt zum Urheberrecht, der eigentlich jedem Journalisten das Messer in der Tasche aufgehen lassen müsste. Tritt doch der unachtsame Schreiber, der das rechtliche Risiko tragen muss, kostenlos alles ab, was man so gemeinhin abtreten kann:

Der Nutzer räumt durch die Einstellung seiner Beiträge in die Datenbank von gutefrage.net folgende nicht ausschließlichen zeitlich und räumlich uneingeschränkten Nutzungs- und Verwertungsrecht ein:
a) Das Recht zur Einspeicherung des Beitrags in die Web-Sites von gutefrage.net;
b) Das Recht, den Beitrag der öffentlichkeit ganz oder teilweise, bearbeitet oder unbearbeitet zugänglich zu machen;
c) Das Recht, den Beitrag auf Abruf von Besuchern der Web-Sites hin zu vervielfältigen;
d) Das Recht, den Beitrag in Zusammenhang mit den Web-Sites von gutefrage.net auch in anderen Medien weiter zu verwerten, etwa auf CD-ROM, in Printversionen sowie auf allen anderen derzeit bekannten Verwertungsarten.
(4) Insbesondere ist gutefrage.net berechtigt, die Beiträge unter anderen Domainadressen öffentlich zugänglich zu machen, sowie diese im Rahmen von Druckwerken (Zeitschriften und Bücher) zu verwerten.

Auf Deutsch: Gutefrage.net kann mit den Inhalten machen, was immer sie wollen. Und das müsste einen halbwegs erfahrenen Journalisten eigentlich an die New Economy erinnern. Denn damals waren solche Bedingungen ebenso üblich und umstritten wie heute. Selbst Holtzbrinck hatte über ihre VC-Tochter mal eine zweistellige Millionenbeteiligung an so einer Firma. Die hiess Clickfish und ging 2002, vor fast auf den Tag genau 5 Jahren, unrühmlich pleite. Steht übrigens auch bei Heise. Und nun kommen wir zum versprochenen Fall der hypegetriebenen Wiederholungstäter. Clickfish hatte nämlich 2001 eine Tochter an den Start gebracht. Diese Tochter hiess Askforce. Und was tat Askforce.de?

Das neue Portal askforce.de bringt dem Nutzer zwei große Vorteile: Auf eine individuell gestellte Frage antworten ihm mehrere Experten in einem auf E-Mail gestützten Dialog. Der Fragende wählt die für ihn passende Antwort aus, bildet sich sein persönliches Urteil und kann alle Antworten nach einem Punktesystem bewerten. […] Alle gestellten Fragen und Antworten sind dauerhaft im Askforce-Wissenskatalog einsehbar.

Was nichts weniger bedeutet, als dass die tolle Web2.0-Gründung Gutefrage.net genau das gleiche macht wie das vor 5 Jahren im Downturn verschwundene New-Economy Hypemodell Askforce. Nur dass es diesmal für die Nutzer keine Webmiles als Belohnung gibt. Sondern gar nix, ausser vielleicht mal die Rechnung für eine Abmahnung.

Womit geklärt sein dürfte, was Web2.0 hier im Kern ist: Alte Scheisse, neu gequirlt. Nur Holtzbrinck, die sind immer noch die gleichen. Und die Journaille schreibt weiter ab. Obwohl es mit 4 banalen Googleabfragen recherchierbar ist.

Disclaimer: Ich bin eingeladen bei einer Lesung der Holtzbrincktochter Handelsblatt, aber wie man sieht, es gilt weiterhin: Keine Gnade für niemand.

17.1.2007 | 16:51 von DonAlphonso

Die Seehoferisierung von Second Life.

UhOh.

Es scheint, als ob virtueller Immobilienhandel nicht zwingend das erste Geschäftsmodell von Second Life Unternehmern ist. Ich denke, das wirft ein paar sehr interessante Fragen über die Vergleichbarkeit von virtuellen und realen Welten auf. So Sachen wie Doppelmoral von Avataren und Avatarjournalisten, Fragen wie das Funktionieren von virtuellen und realen Medien, der Umstand, ob man nicht eigentlich generell zwischen virtuellen Personen, wie sie in den Medien dargestellt werden, und dem realen Tun trennen sollte – ist denn ein Second Life Avatar nicht genauso irreal wie ein Politiker, der sich für Medien aufhübscht? Und natürlich auch die Frage, ob man es aufbringen muss und was es letztlich für die Beteiligten bedeutet.

Disclaimer: Ich habe lange überlegt, ob ich das bringen soll, und fühle mich nicht wohl dabei. Aber es ist meines Erachtens eine wichtige Kerndebatte über das, was Medien konstruieren, über unser virtuelles Dasein und das Internet als Brandbeschleuniger. Bitte keine blöden Sprüche da unten in den Kommentaren, erst mal nachdenken – ich bin beim Thema Sexismus sehr schnell mit dem Löschbutten.

16.1.2007 | 19:58 von DonAlphonso

Digital – Life – Design – wie Tilo Bonow seine Schäfchen den Medien andient

Ich gehe ja aus guten Gründen nicht mehr auf Events wie den ehemaligen Digital Lifestyle Day, heute zu “Digital – Life – Design” geworden. Einfach, weil ich angewidert bin von dem Business, um das es dort geht: Dieses Verticken, dieses Ranwanzen an die Medien und dazu noch all das Umfeld, bei dem ich mich dann wirklich frage, wieso Blogger dort ernsthaft die Kulisse für die Streetcredibility bieten. Haben die alle kein Geld mehr, sich selbst ein Buffet zu leisten? Ich jedenfalls würde es mir dreimal überlegen, bei einem Kongress aufzulaufen, der Journalisten kommen lässt, deren Email-Adressen dann überraschenderweise

TILO BONOW

hat, auf welchem Wege das auch immer passiert sein mag. Folgende Email versaut nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Betroffener seit Kurzem die Postfächer:

Betreff: Digital Lifestyle Day: Ihre Gesprächspartner.
Wichtigkeit: Hoch

Guten Tag,

wir möchten Ihnen gern auf dem Digital Lifestyle Day folgende Gesprächspartner für ein persönliches Interview anbieten und würden uns freuen, für Sie entsprechende Termine zu koordinieren:

MyVideo.de – Deutschlands führende Videocommunity – Christian Vollmann, Gründer und Geschäftsführer der Magic Internet GmbH

webnews.de – Das Deutsche digg.com. Die Zeitung der Zukunft. – Stefan Vosskötter, Gründer und Geschäftsführer

studiVZ.net – Das führende Studentenportal in Europa. – Ehssan Dariani, Gründer und Geschäftsführer

JAJAH.com – Weltweite Gratistelefonie. Voice 2.0 – Daniel Mattes, Gründer und Chairman

lokalisten.de – Das große Freundschaftsnetzwerk. – Peter Wehner, Gründer und Geschäftsführer

European Founders Fund – tba

Bitte lassen Sie uns wissen, an welchen Tagen wir für Sie welche Gespräche arrangieren dürfen, wir geben dann unser Bestes, dies auch so zu organisieren.

Viele Grüße,

Team piâbo

Damit kann man trefflich darüber nachdenken, ob die gefühlt 234.875ste Digg-Kopie webnews.de inzwischen nicht vielleicht auch von unseren Freunden, den Samwer-Brüdern und ihrem “European Founders Fund” Hilfe bekommt – wo Bonow aufläuft, sind die Samwers oft genug mit drin.

16.1.2007 | 12:44 von DonAlphonso

StudiVZ Blogschau

Jo weiss, dass das StudiVZ-Blog erst mal geschlossen bleibt. Damit ersparen sie sich eine Deabatte zu Folgendem:

Muntere Zahlenbeispiele bei Timo – ich werde mal etwas rumfragen müssen, aber nach meinen neueren Quellen soll die letztlich ausbezahlte Summe an Nichtholtzbrinckler tatsächlich klein gewesen sein – aus einem Versprecher schloss ich auf 20 Millionen – allerdings mit Aussicht auf mehr. Werbedeals im Kaufpreis zu verrechnen wäre typisch für Medienkonzerne.

Und Chris bei FIXMBR! hat einen schönen Beitrag über die Risiken von StudiVZ bei der Karriereplanung – oder auch nur beim Versuch, als unbezahlter Praktikant auf einen Freelancerjob zu hoffen.

15.1.2007 | 21:16 von DonAlphonso

Ich habe einen Traum – neben der Absaug-Realität “Der Presse”

Und der Traum sieht so aus: Es wird eine Zeit kommen, da wird man Blogger begreifen als Teile einer grossen, freien Internetkultur. Die Texte, die sie schreiben, wird man wahrnehmen als Bereicherung des Lebens, und nicht als Mittel zur eigenen Bereicherung. Manche Texte werden so schön, gelungen, rund, witzig, absurd, voller Geheinmnisse und Freuden sein, dass man deren Schöpfer achtet und Respekt entgegenbringt. Man wird ihre Kritik ernst nehmen und ihre Ideen als Quelle neuer Sichtweisen schätzen. Und wenn man tatsächlich der Meinung ist, dass man damit einen Mehrwert erzielen könnte, bietet man diesen Menschen ein ordentliches Geschäft an, man zockt sie nicht ab und haut sie nicht über die Ohren.

Womit wir zur österreichischen Zeitung “Die Presse” kommen. Die Presse ist eine grössere Tageszeitung aus Wien, die politisch weiter rechts zu verorten ist als SchlammSpringers “Die Welt” – rechtsreaktionär würde man sie in Deutschland vielleicht nennen. Die Presse verdient nicht nur durch Abos und Anzeigen Geld, sie erhält auch Presseförderung vom Staat – 1,14 Millionen Euro im letzten Jahr. Hinter der Presse steht die Styria Medien AG. Sie ist mit 50 Printerzeugnissen und etlichen Beteiligungen an elektronischen Medien mit insgesamt 460 Millionen Umsatz im Jahr 2005 ein ziemlicher Koloss für österreichische Verhältnisse.

Und die dieser Firma zugehörige Presse verschickt jetzt an eine Reihe von Blogger Mails mit folgendem Inhalt, die zu übersetzen ich mich hier gleich anheischig machen möchte:

———————–schnipp—————————-

Ihren Blog

Wir, die wir keine Ahnung haben, wie das Wort “Blog” entstanden ist,

“Schmorend in der Hölle” verfolgen wir mit großem Interesse.

haben inzwischen gemerkt, dass es da draussen ganz nette Texte gibt, die wir für teuer Geld unsere Mitarbeiter schreiben lassen müssten.

Wir sehen darin immer wieder sehr gut geschriebene und interessante Stellungnahmen aus Ihrer Tastatur.

Wir sehen darin immer wieder Texte, die wir super vermarkten können.

Wir möchten Sie herzlich bitten, uns zu erlauben, das eine oder andere Mal Texte aus Ihrem Blog auszugsweise in der Print- und Online-Presse (Rubrik „Fangnetz” im Meinungsteil) zu veröffentlichen.

Wir möchten hier unserer Hoffnung Ausdruck geben, dass Sie eine vollverblödete Person sind, auf den Trick reinfallen und die Texte rausrücken: Denn wenn Sie ja sagen, erteilen Sie faktisch erst mal ein generelles, räumlich und zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an Ihren Texten. Dafür haben wir, HAHAHA, die Rubrik Fangnetz, toller Name, was? Und viel besser als “Echolot” bei der Welt oder die iPod-Generations-Versuche der News Frankfurt, die sowas auch schon mal probiert haben.

Selbstverständlich nennen wir dabei Ihre Website als Quelle, damit auch Sie etwas davon haben.

Wir nennen die Quelle. Das müssten wir bei jedem popligen Zitat machen, das ist Pflicht, aber für Sie, Sie blöden Internetschreiberling, der Sie auf sowas reinfallen formulieren wir es in eine Gnade, in einen Benefit um. Lewand!

Für eine rasche Antwort wären wir Ihnen dankbar – ganz besonders dann, wenn sie auch noch positiv ausfiele.

Also denken Sie nicht nach, sagen Sie ja, denn wir wollen billig unsere Seiten füllen und dann Werbung schalten, küssdiebratzn, seavas…

———————-schnapp—————————–

Fragt man dann bei der Presse nach, wie eigentlich die Vergütung aussieht, erhält man eine Antwort, die man in etwa so zusammenfassen kann:

– Der Absender kennt natürlich die traurige Situation freier Autoren,
– hat aber für das Projekt kein Budget zur Verfügung und
– kann auch keine Belegexemplare – eigentlich das absolut Mindeste – verschicken lassen,
– den Verweis der Presse auf das Blog sieht man dort aber wörtlich als “Lohn” an.

So ist das. Wer seine Träume umsetzen will, muss erst mal mit den windigen Geschäftsideen der Realität aufräumen.

15.1.2007 | 16:03 von DonAlphonso

Millionenspielereien bei Second Life

Nachdem sich Corporate Blogs und Blogschmierung ja nicht als die Zukunft des PR-oletendaseins erwiesen haben, wenden sich unsere Freunde der Branche mit dem Ganzjahresschnee nun lieber doch einem neuen Thema zu. Einem Thema, das ich hier bislang ausgeklammert habe, weil ich es für einen völlig überhypten, mit Verlaub, Scheiss halte:

Second Life.

Das ist so eine Art Internetrollenspiel, das in letzter Zeit von diversen deutschen und internationalen Konzernen, Agenturen und Scharlatanen als Spielwiese entdeckt wurde. Springer macht eine Zeitung, die Blogfälscher der PR-Firma Edelman bauen geschmacklose Boazn, statt sich weiter um ihr verödendes Businessblog przweinull.de zu kümmern – kurz, die Branche hat ein brandneues Spielzeug. Pressekonferenzen werden in Second Life abgehalten, Werbung geschaltet, dummschwätzende Interviews geführt, all das, was in der realen Welt auch schon als Kommunikationsmüll gelten kann. Im Prinzip kippt sich eine Branche hier selbst in einen virtuellen Mülleimer, ohne was anderes zu erreichen als ein paar hunderttausend Leute, andere Scharlatane und Medien, die auf den Zug aufspringen. Der neueste schnell zusammengefuxelte Bullshit zum Thema steht heute in der Süddeutschen Zeitung online.

Trotzdem. Nicht diesem Pack, sonder der Wahrheit zuliebe ein paar Hinweise auf Fakten und Geschehnisse, die manchen wechselwilligen Businesszweitlebern entgangen sein dürften: Das mit den vielen, vielen Bewohnern von Second Life, das immer so durch die Medien geistert, bei der SZ etwa in folgenden Sätzen

Im Oktober 2006 wurde der einmillionste Einwohner in Second Life begrüßt. Acht Wochen später waren es schon zwei, derzeit sind es mehr als zweieinhalb Millionen.

zum Ausdruck kommt, ist falsch. Und dass es falsch ist, ist nicht wirklich neu, sondern schon ziemlich lang bekannt. Da hat Linden Lab gehübschte Zahlen an die Medien gegeben, und ist damit durch Bloggerrecherchen aufgeflogen. Das ist in Amerika ein inzwischen als “Second Life Backlash” bekanntes Thema. Nur nicht bei der Süddeutschen Zeitung. Die glaubt weiterhin alles.

So auch die Geschichte von Ailin Gräf, der durch “Immobilienhandel” auf der Plattform angeblichen reich gewordenen, ersten Second Life Millionärin. Als Avatar Anshe Chung hat sie es auf das Cover der Jubelpostille Business Week gebracht, und nun auch in die SZ:

Da das Spielgeld wieder in echte Münzen umgetauscht werden kann, gibt es seit November vergangenen Jahres die erste US-Dollar-Millionärin des Landes. Die Avatarin Anshe Chung hat ihr Vermögen mit Immobilien in Second Life gemacht.

Nun… nicht wirklich. Es ist so: Frau Graef hat virtuellen “Besitz” in Second Life. Und sie ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Teil des dortigen Wirtschaftssystems, das sich wiederum durch Personen und Stories wie sie selbst stabilisiert. Man kann das mit einem Grossaktionär vergleichen, der sein Vermögen aufgrund seiner Aktien und deren Kurs bewertet. Liest man mal die dem Schwachsinn der Süddeutschen zugrunde liegende Pressemitteilung, sieht das Ganze schon etwas anders aus:

The valuation of the virtual land holdings is based on property value statistics published by Linden Lab and current simulator prices. Based on these statistics a valuation of one million dollars in virtual assets is conservative, and the actual value may be significantly higher. This estimate only includes the valuation of the avatar Anshe Chung’s virtual assets at current market rates.

Ausgedeutscht: Frau Gräf hat nicht eine Million US-Dollar auf dem Konto. Sie hat virtuelle Güter, deren Wert aufgrund von “Statistiken” berechnet sind, die von Linden Lab, der an hohen Preisen massiv interessierten Firma hinter Second Life herausgegeben werden. Man kann sich überlegen, was passieren würde, wenn Frau Gräf plötzlich zwecks Kauf einer Millionärsvilla, beispielsweise, ihre Gewinne jetzt realisieren wollte: Ein schwarzer Freitag. Aber um das in Erfahrung zu bringen, müsste man a) sich auskennen und b) recherchieren oder zumindest c) die Pressemitteilung lesen. Aber selbst das wäre natürlich etwas viel verlangt, nehme ich an.

Man hätte dann noch etwas weiter recherchieren können. Dann wäre man beispielsweise auf die Probleme gestossen, die einem so bei der wahnsinnig spannenden Arbeit der Konzerne in Second Life passieren können:

Dazu zählen auch Konzerne wie IBM, Cisco oder Sony, die virtuelle Niederlassungen unterhalten.

Es gibt prima Gründe, so etwas nicht zu tun und sich weiterhin auf klassische PR-Arbeit zu konzentrieren. Denn in Second Life kann es einem passieren, dass man während des PR-Interviews mit virtuellen Penissen beworfen wird. Das ist nicht nett, passiert aber auch den Berühmtheiten. Mal im ernst: Würde irgendein PR-Mensch, der noch alle Tassen im Schrank hat, ernsthaft einen Ort für eine Pressekonferenz wählen, wo so etwas locker möglich ist und dann abgefilmt prompt bei Youtube landet?

Und das ist dann auch der Punkt, wo die Geschichte richtig unschön wird. Denn das Ehepaar Gräf ist daraufhin bei Youtube vorstellig geworden, um das Video entfernen zu lassen. Desgleichen andernorts wegen der Screenshots. Sie beriefen sich auf Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Bei Youtube hatten sie mit dieser Zensurmassnahme Erfolg, und das Video ist verschwunden – vielleicht können Guntram Graef und Marissa Mayer von Youtube-Besiter Google das auf der kommenden Digital Lifestyle Design Konferenz in München ausdiskutieren, da sind sie beide anwesend. Oder in Second Life. Und sich danach beide drüber freuen, wie wenig führende deutsche Medien eigentlich von internationalen Debatten mitbekommen, denn dieses Unwissen ist gepaart mit Abschreiben der Stoff, aus dem der Hype ist.

Und nein, es ist nicht so, dass Boing Boing und Valleywag winzige Blogs wären.

[Edit: Wie man hier sehen kann, wird das zu Kreuze kriechen für Zensoren auch in einer 3-D Umgebung wie Second Life immer noch zu einer schmerzlichen Nummer]

14.1.2007 | 23:54 von DonAlphonso

Stalkerati – voll Web2.0. Und Beta. Noch.

Wer glaubt, dass so ein Szenario Kinderkram sind und Datenschutz irgendwie überflüssig ist, wer alles über sich auf allen Kanälen von StudiVZ bis Facebook ins Netz bläst und glaubt, das merkt doch eh keiner – für alle diese Leute kommt hier frisch aus dem Web2.0 die Zukunft, und es ist wahrlich keine schöne Zukunft:

http://www.stalkerati.com/

Stalkerati setzt einfach die Suchabfragen mehreer Suchdienste in einer simplen Website zusammen. “Mashup” nennt man das in der Fachsprache. Das, denke ich, ist voll Web2.0 und sicher auch die Zukunft. Und jetzt ratet mal, wieso die Macher von Myspace da nicht begeistert sind, weshalb drüber steht:

MySpace has recently added a script on their search pages that prevents you from searching from Stalkerati. I’m currently trying to work on a fix.This site is in beta.

Demnächst auch in Eurem sozialen Netzwerk.

14.1.2007 | 12:44 von DonAlphonso

Focus Börsen-Blog fürŽn Locus

oder: Was von einem Werbedeal und 40.000 Besuchern am Tag übrig bleibt.

Am 6. Februar 2006 veröffentlichte die Tomorrow Focus AG, eine Tochter des Burda Medienkonzerns und Firma hinter dem Portal Focus Online, diese Pressemitteilung, die hier in ihren epochemachenden Teilen wiederzugeben mir ausnahmsweise ein grosses Vergnügen ist:

FOCUS Online startet eine umfangreiche Kooperation mit dem Investmentfonds-Spezialisten Fidelity. Erstmals wird im Rahmen dieser übergreifenden Werbe-Kooperation ein sogenannter Weblog vermarktet. Der bei FOCUS Online im Channel Finanzen vor einem halben Jahr gestartete Blog von ntv-Korrespondent Markus Koch ist eines der erfolgreichsten Online-Tagebücher, das FOCUS Online im vergangenen Jahr gestartet hat. Fast täglich berichtet der Börsenguru live von der Wallstreet und begeistert mit seinen teilweise provokanten Kommentaren weit über 40.000 Nutzer.

Nun ist das mit Behauptungen von PR so eine Sache; ähnlich wie auch bei Börsengurus. Bei Herrn Koch fallen Beteiligten und Verlierern der New Economy seine die Technologiemärkte antreibenden Tipps auf ntv ein, die einen nicht zu geringen Anteil am Hype hatten. Gerade die angeblich 40.000 Nutzer des Blogs sorgten damals für etwas Verwunderung, schliesslich wäre das ausserhalb vom Focus kaum bekannte Blog von Koch damit eines der grössten deutschen Blog gewesen. Auch auf Nachfrage [http://blog.zeit.de/blogruf/?m=200602&paged=2] beharrte der Focus auf den Zahlen: Täglich bis zu 40.000 Nutzer. Das ist viel; zum Vergleich: Die Berliner Morgenpost kommt online laut IVW auf etwa 35.000 Nutzer am Tag.

Nun, jetzt ist es 11 Monate später. Riskieren wir doch mal einen Blick zu Herrn Burdas so grandios vermarkteten Blogstar und vergleichen das nochmal mit der Pressemitteilung:

FOCUS Online startet eine umfangreiche Kooperation mit dem Investmentfonds-Spezialisten Fidelity. Erstmals wird im Rahmen dieser übergreifenden Werbe-Kooperation ein sogenannter Weblog vermarktet.

Na sowas. Die Werbung von Fidelity, sie ist nicht mehr. Kein Link, kein Bapperl, keine Kästen, nix. Alles weg. Es war da mal, als ich das letzte Mal reingeschaut habe. Oooops. Da scheint sich die “Umfangreiche Kooperation” als ein klein wenig schmalbrüstig und nicht wirklich dauerhaft erwiesen zu haben.

Fast täglich berichtet der Börsenguru live von der Wallstreet und begeistert mit seinen teilweise provokanten Kommentaren weit über 40.000 Nutzer.

Nun, momentan scheint er das nicht zu tun. Das letzte Lebenszeichen kommt vom 6. Dezember 2006, davor meldete sich Koch am 6., 16. und 23. November, und seit dem Sommer durchschnittlich einmal pro Woche. Zuletzt haben die 40.000 Nutzer täglich insgesamt 0 Kommentare bei seinem letzten Beitrag abgegeben. 0 Kommentare in fast 40, nicht fast täglich zum Schreiben genutzten Tagen, nun, das ist, hm, also nicht viel. Bei der gigantischen Leserschaft.

Vielleicht sollte sich Herr Burda für rückblickend für das interessieren, was seine Firma früher der International Herald Tribune mitgeteilt hat, um vorausschauend nicht zu schnell irgendwelche Trends auszurufen, die zu verwirklichen die Firma dann doch nicht die Kompetenz, Ausdauer und Kraft hat. Vielleicht sollte Tomorrow Focus aufhören, sich mit offensichtlichen Lügen lächerlich zu machen, nur weil es gerade schick ist, erfolgreiche Blogs zu haben. Vielleicht sollte man auch irgendwann so ehrlich sein und reinschreiben: Sorry Leute, das war nix und der Partner ist auch weg.

Statt dessen ist zu vermuten, dass der ganze Verein mitsamt bestellten Jubelpersern aufrecht über die Fehler der Vergangenheit voranschreitet zu neuen Visionen, zum Buffet beim Digital Lifestyle Day und den Hoffnungen, irgendwem den nächsten grossartigen Plan vorzustellen. Diemal hoffentlich ohne Blogs.