Chronologie eines crossmedialen Versagens: Blog vs. Bild vs. Bildblog
1. Akt: Ein durch Spiegel Online wegen seiner Mosi-Boulevardereien bekannt gewordener Blogger (und früher führende Gestalt der Münchner New Economy) bekommt eine Mail über die Offerte eines Sargherstellers – und fantasiert mit einem nicht dazu passenden Photo ein wenig rum: “Glassarg für Moshammer?”
2. Akt: Die Bildzeitung, nicht faul, sieht und bringt das Bild und die Fantasterei: “Wird Mosi im Glas-Sarg beigesetzt?”
3. Akt: Das Bildblog zieht eine Blutgrätsche in gewohnter Manier voll durch und und würgt Story und Abbildung (man beachte die URL des dafür verwendeten Links) der Bild zurück in den Hals – und dankt dafür einem Informanten, dessen abgekürzter Name dem des Bloggers, siehe Website zum Link, nahe steht.
4. Akt: Die Bildzeitung hat dem Blogger die versprochene Publicity durch Angabe der Quelle für die Titelseiten-Schlagzeile übrigens nicht gegeben – worauf sich der Blogger sich nicht zu schade ist zu jammern: “Der BILD Redakteur versprach am Sonntag die Quelle seiner Recherche zu nennen…”
5. Akt: Don Alphonso kommt das alles inzwischen doch etwas komisch vor – und er entdeckt dann noch diesen Artikel im St. Galler Tagblatt, in dem der Sargerfinder Leo Rechsteiner in Bezug auf die Bildzeitung und ihren Artikel klarstellt: “Wir haben die Erlaubnis gegeben und ein Foto geschickt.” Was heisst, dass die kritisierte Bildunterschrift der Bild “Der gläserne Sarg, in dem Moshammer seine letzte Ruhe finden soll” im Bildblog aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird, und die Brüder Rechsteiner das Photo durchaus der Bild für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben.
Also: Blogger schreibt was zusammen, Bild klaut bei Blogger, recherchiert dann selbstständig weiter und retuschiert ein Photo, Blogger ist beleidigt, Bildblog basht Bild aufgrund von Informationen des Bloggers, informiert aber weder über die genauen Hintergründe noch darüber, dass Bild die Geschichte wiederum ursprünglich vom Blogger hatte, entweder weil sie es nicht wissen, oder weil es nicht so gut aussehen würde … irgendwie, mit Verlaub, sieht das alles gar nicht gut aus. Für niemanden, und schon gar nicht für das Bildblog, das sonst immer auf die Einhaltung der journalistischen Standards pocht.
Disclaimer: Um gleich weiteren Gerüchten vorzubeugen – Ja, ich freue mich auch jeden Morgen, wenn Dieckmann wieder schlucken muss. Nein, das ist aber kein Grund, einfach der Gegenseite alles blind zu glauben und in einen Manichäismus zu verfallen. Und die Beziehung zwischen dem Blogger und meiner virtuellen Heimat Dotcomtod war nicht unbedingt von grenzenloser Sympathie geprägt – aber darum geht es in diesem Fall nicht.
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Interessanter Artikel.Frage mich nur von wo BILD vor den Blogs seine Falschmeldungen bezog.
Was man nicht woanders findet, muss man eben selbst erfinden – so würde ich die Genese so mancher Entenschwärme deuten.
Inzwischen sollte eigentlich jeder kapiert haben, dass das Bildblog im Web die selben Leserbedürfnisse befriedigt wie die Bildzeitung am Kiosk, nur eben kaschiert durch das Deckmäntelchen des kritischen Beobachters.
Die schärfsten Kritiker der Elche
sind selber welche.
Das hat doch was….
Don, dranbleiben. DER Plot wär was für eine Komödie. Es ist alles da: Promi, Boulevard, Industrie, Schweiz..hhhmm. Till Schweiger als Blogger?
mikel (schon lange nicht mehr so gelacht, ist das alles wahr? Keine Ironie? ;-) )
Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.
so viel zeit fürs versmars sollte sein
Ich habe das Bildblog heute Nacht darauf hingewiesen, und es würde mich freuen, wenn sie dazu auf die ein oder andere Art Stellung beziehen würden. Kann ja sein, dass sie einfach nur einem aufgebohrten Hinweis aufgesessen sind; sowas kann im journalistischen Alltag immer mal passieren.
Das Bildblog hat nun seinerseits einen Nachtrag verfasst (am Ende des Artikels)
Aha – “Verwirrung” also. Bin ich vielleicht verwirrt? An welche Medien erinnert es mich, wenn man deren problematisches Verhalten aufzeigt – und das ganze dann als “Verwirrung” abgetan wird?
Es geht hier nicht um Verwirrung, sondern klare Tatsachen: Es ist einerseits ein deutlicher Verweis auf den entstellenden Umgang mit dem Bild-Zitat, und andererseits die Tatsache, dass der Hinweisgeber selbst die ganze Geschichte aufgebracht hat, und dann als Informant von Bildblog auftaucht.
Ich bin mal so frei und zitiere der Vollständigkeit halber hier die Reaktion/Klarstellung des Bildblogs:
Â?
Verwirrung entsteht vor allem bei mir – was ist denn jetzt Deine Kritik am BILDBlog?Da gehts doch wirklich um die “kreative” Betitelung und Verfremdung von Fotos – insofern passt der Artikel doch. Oder ist mir da etwas entgangen??
5 pm So geht Zeitung. Insbesondere wenn es um Journalismus in Sinne von Bild geht. Blogs! Buch Blog » Chronologie eines […]
Ich habe an BildBlog inzwischen zwei Mails eben zu deren auch nicht ganz lupenreiner Berichterstattung geschickt. Bisher kam keinerlei Reaktion! Bildet Euch selbst ein UrteiL.
Zu Ihrem Artikel vom 15.9.2005, “”Bild”: Wir drucken gerne Gegendarstellungen”:
Ich bin beileibe kein BILD-Symphatisant und lese den BildBlog recht gerne. Aber vielleicht wäre es doch der Ernsthaftigkeit des BildBlogs zuträglich, wenn dieser bei seiner Berichterstattung nicht auf die tendenziösen Verzerrungen zurückgreifen würde, die er selbst bei BILD so heftig kritisert. Aus dem Satz
“Vor kurzem las ich in einer Fachpublikation die Gegendarstellung eines Berliner Presseanwalts, er habe in einem Restaurant nicht mehrfach, sondern nur einmal â??Scheißeâ?? gesagt. Diese Art von Gegendarstellungen sprechen für sich. Und ich drucke sie sogar gerne, weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird.”
diesen hier zu machen
“Diekmann: Viele Gegendarstellungen sind heute ein Mittel darbender Juristen, finanziell über die Runden zu kommen. (â?) Und ich drucke sie sogar gerne, weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird.”
finde ich ebensowenig seriös, wie wenn Bild Zitate um wesentliche Bestandteile kürzt um einen bestimmten Anschein zu erwecken. Diekmann, so wenig ich ihn schätze, spricht hier über eine bestimmte Art der Gegendarstellung die mir tatsächlich fragwürdig scheint, und nicht über die generellen Gegendarstellungen, wie in Ihrem Artikel suggeriert wird! Könnte man so etwas bitte künftig unterlassen?
MfG,
Melanie Mazur
Nachtrag: insbesondere, da inzwischen auf BildBlog am 26.9.2005 unter dem Titel “Schwups III” folgender Text zu lesen ist:
“Das Landgericht Berlin sieht in dieser Verkürzung des Zitates eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes von Trittin.
An die Wiedergabe wörtlicher Zitate sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. (â?)
Dass der Antragsteller den Rat, ab und zu das Auto stehen zu lassen, für den Fall gegeben hat, dass Bus oder Bahn genutzt werden könne, wird dem Leser ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass er weitere Vorschläge unterbreitet hat, die den Antragsteller nicht mehr in einem so arroganten Licht dastehen lassen wie es nach dem Ausgangsartikel der Fall ist, in dem der Antragsteller als jemand dargestellt wird, dem die Belange der Autofahrer völlig egal sind.”
Wenn BildBlog es mit den Zitaten bei Bild so streng nimmt, dann sollte sich Bildblog selbst auch daran halten!