Inzwischen gehört es ja fast schon zum guten Ton, irgendwie auch zu bloggen oder sich damit mehr oder weniger wohlwollend zu beschäftigen. Jetzt zur CeBit kommen sie alle mit ihren Blogideen raus – der neueste Fall sind Blogs beim hierzulande etwas kleineren Mobilfunkkonzern O2. Die Kunden können dort auf ihren schon länger bekannten persönlichen O2-Seiten ein Blog einrichten und per MMS mit Bildern bestücken. Texte können über die Kommentare dazugestellt werden.

Nun, wo ist die News, werden erfahrene Blogger fragen. Praktisch niemand benutzt bisher diese komischen O2-Seiten, Moblogging ist uralt, man braucht dazu keinen Mobilfunkanbieter, das geht bei Blogg.de, Twoday.net und Typepad auch einfach so. Die alten W@p-Seiten von O2 haben eben mangels Erfolg ausgedient, jetzt versuchen sie es mit einem neuen Thema, bei dem sie wahrscheinlich auch chancenlos sind – Moblogs werden hierzulande kaum genutzt, davon kann Nokia mit seinem Lifeblog ein traurig Lied singen, in das ich auch gerne einstimme. Der Nokia-Promo-Event mit Promifriseur und Lifebloggen von Haareschneiden war für sich schon ein Kamikazeflug in die tiefste Nacht der Marketingverzweiflung; mal schaun, mit was für Eventgülle sich O2 gleich zu Beginn blamiert.

Aber auch das ist nichts besonderes, wer unbekannte Märkte betritt, geht darin oft zugrunde. Die gesamte Geschichte der Mobilapplikationen nach der SMS – W@p, mobile marketing, mobile gaming, MMS, GPRS, Fussballtor aufs Handy, Aktienkursabfrage, Location Based Services, mobile Commerce – waren samt und sonders Pleiten; ähnlich schlimm wie UMTS und nur Dank der Milliardengewinne aus dem völlig überteuertem Datentransfer beim Telefonieren und SMSen zu finanzieren. Mobile Blogging ist halt ein weiterer Zug, auf dem die Telcos aufspringen, und wenn es dann wie immer nicht geklappt hat, nach einem halben Jahr um ein blaues Auge reicher die next sensation bringen.

Im Kern liegt das in der strukturellen Dummheit der Telcos begründet. Früher war alles, was sie konnten, einen Stecker reinschieben, oder wieder raustun – aber auch letzteres meist nur mit beträchtlicher Verzögerung. Nachdem sie auf dem gleichen Evolutionsstufe über der Amöbe stehengeblieben sind, ist das nicht weiter schlimm – die Kunden müssen einen dieser rückständigen Monopolisten nehmen, was anderes gibt es nicht. Man möchte sich mal klarmachen, aus welchem Umfeld die kommen: Es waren faktisch Staatsbetriebe; wenn nicht die alte Post, dann eben Atomkraftheinis oder Stahlrohrzieher. Deren Mentalität, aber auch ihre Masslosigkeit und das Feingefühl eines Panzers wirkt da bis heute weiter.

Und das dürfte auch der Grund sein, warum ich im Fall von O2 mit Heulen und Zähneknirschen bei Nokia und Sixapart rechne. Der Blogdienst wird nämlich nicht von einer der üblichen, erfahrenen Blogfirmen gestellt, die sich in Europa seit Monaten bei den Telcos präsentieren. Auch Nokia, das an und für sich bei den Telcos eine ganz ordentliche Marktmacht darstellt, bleibt mit seinem Lifeblog aussen vor. O2 hat den in Bloggerkreisen zurecht völlig unbekannten Dienstleister Peperoni mit der Aufgabe der Entwicklung betraut. Mit denen sind sie schon länger im Geschäft; es ist praktisch ihre verlängerte Multimedia-Werkbank. Aus der Sicht von O2 ist das eine völlig klare Entscheidung. Wie alle Telcos und auch Handyhersteller denkt O2 in “Fences”, das heisst, man will die Kunden wie eine Herde Kühe, oder genauer, eine Menge zukünftiger Schnitzel am besten zu 100% im eigenen System halten. Sie sollen vor allem mit anderen Kuhnden innerhalb des Zaunes sprechen und bekommen dafür Rabatte, sie sollen Dienste haben, die kein anderer hat und die mit keinem anderen austauschbar sind. Nur das würde die volle Ausbeutung des Kuhnden in einer “Value Chain” garantieren – wenn der Kuhnde denn mitmachen würde. Seit dem Beginn des Mobilfunks sagt man den Knilchen, dass die Kuhnden gerne frei wären, und seitdem wird man damit vollkommen ignoriert, egal wie oft sie noch auf die Schnauze fliegen.

Nun also Bloggen. Es ist nicht weiter schwer vorherzusagen, dass O2 es nicht gebacken bekommt. Bevor man mit O2 für teures Geld Bilder auf sein O2 Blog schickt, muss man erst mal den Sinn eines Blogs kennen. Sprich, der typische Interessent für diesen Dienst sollte schon eine gewisse Erfahrung haben – und die hat er zimlich sicher von seinem eigenen Blog. Zu dem er jetzt ein inkompatibles Zweitblog aufmachen müsste. Schnittstellen zu anderen Blogsystemen sind von 02 natürlich nicht vorgesehen. Anders gesagt, O2 baut erst mal seine hohen Zäune auf und rechnet damit, dass die neu einzuzäunenden Blog-Kühe runter von der saftigen Weide von selbst da rein gehen und sich verschnitzeln, oder die alten Nichtblog-Kühe aus der normalen Herde sich in das neue Gatter bequemen und sich dort für weitere Schnitzel mästen – schliesslich ist es ein brandneues Gatter, voll trendig, und dass man nicht rauskommt auf die saftige Weide, die ausserhalb ist, hat sie bislang auch nicht gestört, oder?

Von Flickr haben diese Zaunkönige der Mobilfunk-Ranch sicher noch nie was gehört – wie auch immer: Telcos interessieren sich einen Dreck für offene Systeme. Telcos wollen keine neuen Dienstleister. Telcos kümmern sich nicht um das Existierende, sondern nur um die Ãœbernahme und die totale Ausbeutung in Schlachthouse. Damit sind sie gross geworden, und nichts, kein Geschwalle eines Sixapart-Vertreters und keine Präsi eines Nokia-Gesandten wird sie jemals davon abbringen. In dieser Welt lernen die ganz schnell & bitter, dass Blogs technisch eben auch nur reduzierte Content Management Systeme sind, die man sich mit einem Entwicklerteam in drei Wochen selbst zusammenschrubbelt.

Zum Trost für alle, die sich Telcos als Grosskunden erträumen: Hinter den Telcos liegen 10 Jahre Versuche, die Killerapplikation zu entwickeln. Hinter ihnen liegen – ohne Ãœbertreibung – viele hundert insolvente Startups, die dachten, sie könnten in Zusammenarbeit mit den Telcos an das grosse Geld kommen. Die Telcos haben in den letzten 10 Jahren jedes Geschäftsmodell ausser Telefonieren und SMS vor die Wand gesetzt – und sind immer noch da. Die Startups nicht. Das sollte allen, die sich jetzt durch den O2-Deal verarscht und beklaut fühlen (und da gibt es jemanden, gell?), zu denken geben.