Das ist doch nur eine Soap Opera
was ihr da macht, kein Journalismus – diese Anklage wurde mir vor ein paar Wochen entgegengeschleudert. Der Schleuderer war ein schon etwas älterer Nachrichtenredakteur einer grossen Rundfunkanstalt. Im letzten Jahr gab es schon eine Reihe anderer Vergleiche – mitunter schöne wie “Punkrock” oder “3 Akkorde”, aber diese Soap Opera, die war nicht nett gemeint. Aus ihr sprach die Verzweiflung des Redakteurs, der 99 an der Onlineabteilung des Senders mitgeschraubt hat und das Missverhältnis zwischen Aufwand und Besuchern kennt. Es gibt dort durchaus Website-Cluster von Vollprogrammen, die weitaus weniger Leser als “Rebellen ohne Markt” haben. Irgendwo verständlich bei einem Google-Pagerank von sage und schreibe 0, aber so sind sie halt, die Öffentlich-Rechtlichen.
Soap Opera also. Man muss dazu sagen, dass der Mann bis dahin nur eine vage Vorstellung von Blogs hatte, und meines und meine girllastige Blogroll waren dies ersten, das er gelesen hat. Da war dieser Widerspruch, den ich auch kenne: Dass der klassische Nachrichtenwert meiner Texte 0 ist, dass die klassische Relevanz 0 ist, dass es den klassischen Regeln des Journalismus komplett widerspricht, dass es aber dennoch ein tages- oder sogar minutenaktuelles Medium ist und kräftig gelesen wird. “Das liest keiner”, würde er seinen Praktis vorhalten, wenn die so etwas schreiben würden, aber das würden sie nie tun, denn wenn sie dort anfangen, wissen sie schon, was Relevanz, Nachrichten und korrekte Schreibe sind. “Wir lesen es aber trotzdem”, sagen meine Leser, die von Medientheorie so viel Ahnung haben wie ich Rinderzucht.
Im Prinzip hat der Mann – aus seinem fest gefügten Bild der Medien – Recht. Man guckt täglich, was los ist, man zappt sich durch das Leben anderer Leute, die einem jeden Tag eine neue Geschichte erzählen, gute Zeiten, schlechte Zeiten, oft so apolitisch, wie Soaps nun mal sind, und vieles, was die grossen Medien vorkauen – aktuell Kriegsende vor 60 Jahren – wird kaum wahrgenommen. Man kann das weiterspinnen, und im Gespräch mit dem Redakteur habe ich das auch gemacht. Also -die meisten wollen auf die ein oder andere Art ab und zu gefickt werden, was man ihnen auch deutlich anmerkt, wie auch Beziehungskrisen und Katzenerkrankungen. Auch Soaps greifen, wenn sie gut sind, aktuelle Themen auf, von Homosexualität bis Popkultur, logisch. Nur eben auf ihre Art, aus dem “Flow” heraus, und oft wird in den Kommentaren darüber gestritten, wie in einer Soap.
Der Nachrichtenredakteur ist etwas älter. Kurz vor der Pensionierung. In einem Exkurs erzählte er von den Zeiten, als es noch keine Privatsender gab und keine Soaps – aber dafür den goldenen Schuss, warf ich ein, was er gleich wieder wegwischte. Früher sei das nur die Beilage gewesen, wichtig wäre der Bildungs- und Informationsauftrag. Heute dagegen kommen die Soaps mit Quoten an, das tut den Fernsehleuten der Nachrichtenredaktionen richtig weh, sowas.
Ich grinste fett in mich hinein. So gesehen, ist der Vergleich wirklich nicht schlecht. Ist eigentlich schon jemand mal aufgefallen, dass Soap Operas im Internet im Gegensatz zu vielen anderen elektronischen Medienformaten ein völlig unerschlossener Markt sind – und da niemand ausser den Bloggern ist, der diese Rolle ausfüllt?
Sorry, the comment form is closed at this time.
Naja, da fällt mir “no sex in the city” ein. Hatte diese Frau nicht mal Probleme mit ihrer Leserschaft, was die Einigung auf den fiktiven und auf den lyrischen Anteil anging?
Ich hab das leider nie gesehen :-)
ßhnliche Sprüche älterer Kollegen kenne ich. Wenn es zum Beispiel um Kolumnen geht, in denen das Bild des Autors abgebildet wird. Oder jemand es wagt, in der Ich-Form eine Reportage zu schreiben.
Es ist ein Generationenproblem: Früher waren Journalisten anonyme Dienstleister (mit wenigen Ausnahmen), die Texte ablieferten. Heute, in den Zeiten der Personalisierung, werden sie aufgebaut zu Marken, sollen bunter schreiben, persönliche Eindrücke verwenden. Und das verbittet sich so mancher. The times they are nun mal changing – aber Journalisten sind strukturkonservativ.
jaja. wie oft denn noch? blogs sind toll. blogs sind wichtig. besser als spiegel sowieso. kurz davor cnn abzulösen. blogger generell nobelpreis(literatur natl.)-anwärter. die macht des blogs. jamba beinahe in die pleite getrieben. mit flashmobs den gesamten erdball überzogen. blog-lesungen müssen in stadien verlegt werden um dem ansturm gerecht zu werden.aufsichtsräte von tv-sendern und auflagenstarken zeitungen sitzen zitternd bis heulend in krisensitzungen und suchen nach wegen, der gewaltigen macht der blogger halbwegs die stirn bieten zu können.
habt ihr euch das jetzt nicht langsam oft genug eingeredet?
> jaja. wie oft denn noch? blogs sind toll. blogs sind wichtig.
Blogs koennen den klassischen Medien Aufmerksamkeit entziehen, Aufmerksamkeit, an der deren wirtschaftliches Leben hängen kann.
Nicht das sie die Hauptursache für deren Genörgel (ach uns gehts ja so schlecht) darstellen, aber einen Mosaikstein unter vielen wird von ihnen belegt.
Nicht dass ich mich zu Deinen ßbertreibungen hinreissen lassen würde, für mich ist es eine
neueSpielwiese mehr nicht.nun gut, ab damit.
Marco
So ist es Stefan B. und Marco: Sie sind kleine Steinchen, in Deutschland spielen Blogs nicht wirklich eine Rolle, es sind Spielwiesen hier Zu Lande. Und die meisten beschäftigen sich mit sich selbst.
Gleichwohl bieten sie eine Menge Möglichkeiten – meinereiner bloggt sein einem Jahr bei seiner Zeitung und kann dort eine andere Sprache verwenden. Es geht also. Auch mit älteren Kollegen.