Das Elend der Kommunikationswissenschaften mit den Blogs.
Die Debatten der Wissenschaftler bei Webwatching plakativ zusammengefasst: Es wäre so schön, wenn man sich die Blogs anschauen, sezieren, in Alkohol einlegen und im Regal K23 verstauen könnte, mit einer ordentlichen Beschriftung, zwischen dem toten Breitmaulfrosch des Bürgerradios und den alten privaten Webseiten bei Lycos.
Geht aber nicht. Kommunikationswissenschaftler, Marktforscher und andere Untersucher des medialen Raumes sind es einfach nicht gewohnt, dass das Untersuchungsobjekt rumzappelt, beisst, spuckt, den Alkohol wegsäuft, nachher die Laborassistentin ficken will und ausserdem denkt, dass es sowieso schon alles weiss. Und auch noch das ein oder andere Megaphon hat, um es allen mitzuteilen. Jahre vor der Drucklegung des epochemachenden Standardwerkes “Die deutsche Web-Logging-Bewegung des frühen 21. Jahhunderts unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bewertung in den kommunikationswissenschaftlichen Hauptseminaren der FH Orschluchhausen”.
Ich glaube, sowas nennt man einen undankbaren Forschungsgegenstand.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Und das Schlimmste: Es gibt keine Sushi-Häppchen und Fingerfood-Enpfänge bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit blogs.
Warte mal, bis Burda beim Launch seiner Userblogs noch einen Kongress mit wissenschaftlichen Freunden macht, dann kommt auch das noch. In irgendeiner medienkünstlerisch genutzten Fabrikhalle.
Doktorspiele
Der Satz des Tages kommt für mich von Don Alphonso von der BlogBar, es geht um Weblogs als Untersuchungs- und Forschungsobjekt von/für Kommunikationswissenschaftlern:
Kommunikationswissenschaftler, Marktforscher und andere Untersucher des m…
Ich will weder den aktuellen “FlashPlayer 8” runterladen noch die Laborassistentin ficken.
Warum sind das eigentlich alle Männer? Und klar, ich kann den Ton ausmachen wenn ich will, aber Ton-über-Text-Scrolln ist sooo 1998.
Das mit den Männern habe ich auch schon öffentlich gefragt, aber Antworten stehen wohl noch aus. Ein Kriterium war möglicherweise so eine Art Nachweis für Fachpublizistik nach dem Motto “hat ein Buch zum Thema Blablub geschrieben”. Damit wird es dann halt männlich – leider.
Achso. Die Perspektive fehlt halt, muss gestehen, ich lese/schreibe mehr Blogs von Männern als von Frauen. Und so auf Anhieb fällt mir keine deutschsprachige Fachbloggerin ein. Obwohl Lyssa oder Nicole sicherlich Kandidaten wären…unter Blogerfahrungsgesichtspunkten.
Nur Männer für die Webwatching-Sache auszuwählen, ist tatsächlich ziemlich einseitig – insbesondere weil unter den Bloggern Männer und Frauen zu ziemlich gleichen Teilen vertreten sind; unter den Teenagern sind Frauen sogar deutlich in der Mehrheit (erstaunlich für ein so vergleichsweise junges Online-Format).
Aber anscheinend gelten die von Frauen geführten Blogs als nicht so relevant. Vielleicht, weil sie seltener journalistische Ansprüche stellen, seltener Experten- oder Corporate Blogging betreiben, sondern einfach nur mit ihrem engeren sozialen Umfeld kommunizieren? Wohlmöglich mit *gasp* Katzencontent oder Strickmustern?
@janschmidt:
ist das so? wenn es so wäre, fände ich es traurig, aber aus persönlicher erfahrung wäre ich bislang noch nicht mal auf die idee gekommen, diesen schluss auch nur nahezuliegen. möglicherweise ist die blogwelt in dieser hinsicht aber einfach auch ein spiegel der berufswelt, zumindest was die it-branche angeht.
aber hier hätte ich z. b. eine journalistin im angebot:
http://www.dailymo.de/
Hä? Ich habe im Blog die journalistischen Ansprüche eines Assistentinnenlüstlings*, nämlich gar keine, und wurde trotzdem interviewed. Es ist geradezu ein Merkmal von Blogs, dass sie auf solche Ansprüche pfeifen, sollten sie sie denn kennen, und das ist meistens auch gut so – im gegensatz zu dem, was der Müll-Blumencron so von sich gibt.
Das Problem ist eher in den Reihen der Wissenschaft und anderer
FicktheBlogtheoretiker zu suchen, die machen 15 von 19 Interviews aus, da hätte man man was deichseln können – sei es, dass man mehr mit BloggerInnen als über Blogger gesprochen hätte, sei es, dass man die Damen der Zunft gefragt hätte – Romy Fröhlich zum Beispiel. Oder auch mal eine Lisa Sonnabend, die ihre Maggi zum Thema gemacht hat.*Die obige Szene hätte übrigens nicht nur ich gerne mal von Sven K. graphisch umgesetzt…
@don: aber Du wurdest doch vermutlich gerade deswegen ausgewählt, weil Du Dir Gedanken zu dem Verhältnis Blogs – Journalismus machst und als Kritiker eine ziemlich exponierte Stellung hast, oder? Ich stimme völlig zu, dass die _Auswahl_ der Leute problematisch ist, weil dadurch die Gegenüberstellung Blogs vs. Journalismus erneut bestärkt wurde, anstatt endlich auch mal über die vielzahl von anderen Blog-Kulturen oder -Praktiken zu sprechen.
@limone: die zahlen zum Verhältnis männer-frauen unter den Bloggern stammen aus der “wie ich blogge?!”-umfrage. Die Gleichsetzung “Bloggerin=Strickblog” war überzeichnet, aber tendenziell würde ich schon sagen, dass die reichweitestarken Blogs (die dann wiederum als Beispiele in der Wissenschaft oder in der journalistischen Berichterstattung herangezogen werden) von Männern geführt werden, während die Blogs von Autorinnen (wiederum tendenziell) eher kleinere Lesekreise haben. Das mag mit der Themenwahl und dem eigenen Verständnis vom Bloggen zu tun haben, ich werte das auch gar nicht (im gegenteil, ich finde die Blogs für das kleine Publikum in gewisser Hinsicht viel spannender).
Soweit ich weiss, wurde ich genommen, weil ich ein bekannter Blogger mit starker Meinung bin und ein recht bekanntes Buch zum Thema herausgegeben habe – in der Kombination gibt es halt nur Kai und mich.
Ich finde die thesen in ihrer Gegenläufigkeit ganz wunderbar, weil sie das eigentliche Kernproblem aufzeigen – die Wissenschaft und die Medien begreifen nicht, was das ist. Sie gehen mit ihren Messwerkzeugen, Fragestellungen und Regeln an etwas heran, was damit nicht zu fassen ist.
Sie sagen: Sag mir, wie Du es mit unseren Regeln hältst! Die Blogger sagen: Kennichnich ismiregal wo isnhierderalk.
Sie sagen: Sag mir, wie das Verhalten beim Bloggen aussieht! Die Blogger sagen: Naichbloghalt undwennich dannpimperichdieschneck. geile Schnecke haste übrigens
Sie sagen: Nun haben wir ja in den Medienwissenschaften die richtige Universaltheorie des Professors, dem ich rektal entschlüpft bin, die auf neuesten amerikanischen Untersuchungen beruht und die besagt… Die Blogger sagen: jetz passa mal auf ja: Also mir ist das sowas von egal was dein Prof sagt, weil wenn Du noch keine echte Trollhorde abgeknallt hast und noch nie Rudelbloggen warst Jung, dann weisste gar nicht…
Das ist das eigentliche Kernproblem. Blogger reden über Sex, Theoretiker über den ph-wert von Körperflüssigkeiten.
Klar, es gibt auch tote Bäume die auf solche Ansprüche pfeifen. Es gibt solche und solche…warum ist eigentlich lawblog.de so beliebt, nicht das dies etwas mit Regeln zu tun hat? Ja klar, dann müssten doch diese bölkstoff und ph Lager egal sein. Jeder hat seine eigene Motivation zum blog’n und das ist gut so.
Lawblog wäre mal ein ganz eigener Fall – ich denke, die Verachtung von v. Matt gegenüber Blogs ist nichts im Vergleich zu dem, was manche Juristen gegenüber dem lawblog empfinden. Ich glaube, das verstösst gegen alle ungeschriebenen Regeln des Berufes mit Ausnahme des Beischlafs mit der Frau des gegnerischen Anwalts, den man gerade mit einem Betonklotz an den Beinen im See versenkt hat.
Hmm, also ich persönlich glaube ja, die Antwort auf die Geschlechterfrage ist viel urmenschlicher: Frauen balzen nicht. Wir können mit Schwanzlängenvergleichen naturgemäß nich’ so viel anfangen (ich persönlich find’ sie aber manchmal ganz niedlich zu beobachten ;o). Darum nehmen die alten Kommuniktionsplatzhirsche Bloggerinnen vielleicht net so als Konkurrenz wahr, gegen die mann sich im Ring behaupten muss (so nach dem Motto: Kenne Deine Freunde, aber Deine Feinde kenne besser, oder so ähnlich).
am ende wird das experiment eingestellt und abarchiviert. die herren wissenschaftler halten die blogwelt für nicht vermittelbar. das buch kauft keine sau. die laborassistentin bekommt dasselige grinsen schon seit wochen nicht mehr aus dem gesicht…
“Blogger sind oft selbstverliebte Egozentriker”
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,398523,00.html
Warum denk ich da an den Don? ;-)
Weil er sich im Text expressis Verbis auf mich bezieht? Natürlich ohne zu verlinken, verlinkt wird nur das Bildblog. Typisch für den Spiegel… könnte man Feigheit nennen.
…die Schweine ;)
;-) Man kennt seine Freunde….
Unter Forschungsaspekten interessant ist auch der Moment des Erstkontakts des KoWi mit dem Forschungsgegenstand. Diesbezüglich fast noch jungfräulich benimmt sich das Institut für Volkskunde bzw. die dortige kulturwissenschaftliche Technikforschung. Im status nascendi findet sich dies hier:
http://technikforschung.twoday.net/stories/1500370
@Dr. Dean: Weil’s nun schon die zweite entsprechende Missdeutung ist – wie kommst Du eigentlich auf diese Geburtssymbolik-Geschichte, Jungfräulichkeit und pipapo? Weil hier die Wortwahl etwas Unterkörper-näher ist? Weil es zur Abgrenzung gehört, sich selbst als Experten zu inszenieren, den anderen als den etwas naiven Newbie? Manchmal hat’s auch gar keine Bedeutung, ich weiß.
Aber vielleicht als Information: In den Nachfolgedisziplinen der Volkskunde (Europäische Ethnologie, Kulturanthropologie oder empirische Kulturwissenschaft) ist das Verhältnis zwischen Forschersubjekt und zu erforschendem Feld von jeher zentral und Gegenstand permanenter Reflexion. Insofern könnten sich am Ende die Ethnologen, Kulturanthropologen und empirischen Kulturwissenschaftler als die noch Böseren herausstellen, als die hier vielgescholtenen Kommunikationswissenschaftler.
Ich würde darüber hinaus gerne einiges von dem unterschreiben, wenn ich denn herausfinden könnte, was denn nun genau die Einwände gegen die Wissenschaftler sind. Ich fürchte nur, dass es hier gar nicht darum geht. Und jetzt mal etwas verkürzt und direkt: Wenn ich mir einige Einträge und mir nochmals die Diskussion nach Karlsruhe anschaue, ist es die schlichte Kränkung – das ist im übrigen typisch für den Erstkontakt mit Sozialwissenschaft – oder genauer die narzisstische Kränkung des Subjekts, dass sich die Logik des individudellen Handelns oft hinter dem eigenen Rücken materialisiert und die Möglichkeiten zum autonomen Handeln als begrenzt herausstellen. Dass das eine Provokation ist in einem Medium, bei dem es um die Inszenierung von Subjektivität und Authentizität geht, das will mir gleich einleuchten.
Und wenn Du das nochmal so sagst, dass es jeder kapiert, dann nagle ich diesen Wortschwall auch nicht zur Delectatio aller an die Mastspitze der Blogbar, als Zeichen für Wissenschafts-Hirnfick.
gemach, gemach, jetzt warten wir zunächst ab, was sonst noch an Beschimpfungen so eintrudelt.
@Don
Puh, Dein Kurzkommentar eben hat mich beruhigt – ich dachte schon, es läge an einem überschaubaren Intellekt meinerseits, dass ich kaum einen inhaltlichen Zusammenhang in diesem Geschwurbel habe erkennen können.
@kschoenberger
Sie werden das vermutlich unter “Beschimpfung” subsummieren (gucken Sie ‘mal, ich kann das auch), aber ich gehöre zu denen, die ein ßbermaß an Latinismen als Ausdrucksschwäche auffassen, die primär die Inhaltsleere des Gesagten tarnen soll. Vielleicht bringen Sie’s noch einmal auf Deutsch?