Web2.0 – und seine Vordenker
Das ist nun wirklich mal eine Vision2.0, radikal fortschrittlich, konsequent und progressiv, jenseits von Technikgerede und Nerdtum, auf die zentralen Eigenschaften des neuen sozialen Webs konzentriert und es im Gegensatz zu den ökonomischen Fehentwicklungen der früheren Generation1.0 auf den Punkt bingt:
Der Autoritätsanspruch der Älteren ist in dieser Lage nur noch eine Waffe zur Verteidigung ihrer materiellen Interessen gegenüber den jüngeren. Diese sind die Träger des für den kapitalistischen Verwertungsprozeß unentbehrlichen aktuellen Wissens und der modernen technologischen Qualifikation und Soziopraktiken, die aus diesem Grunde die Älteren immer schneller aus ihren Positionen im Produktionsprozeß verdrängen, dequalifizieren und schließlich deklassieren.
Wer hat das gesagt? Scoble? Edelmann? Cluetrain? Einer ihrer Nachäffer und Abschreiber in Deutschland?
Ganz klar, hier geht es um “social” statt um “kapitalistisch”. Es könnte der Aufruf der neuen Netzwerker, der P2P-Generation, der Blog-Community gegen die alten Moloche der Medien sein. Hollywood. Plattenindustrie. Dumme Wirtschaft, die keinen Peil von den neuen Märkten im Internet hat, und immer noch mit New Economy kommt, wenn etwas Neues entsteht.
Ist aber schon etwas älter.
Mai 1971.
Nicht Cluetrain, sondern RAF-Manifesto. Ãœber den bewaffneten Kampf in Westeuropa.
Uh-oh, zu polemisch? Hm, wie wäre es mit einem Slogan wie: “An Army of Davids : How Markets and Technology Empower Ordinary People to Beat Big Media, Big Government, and Other Goliaths” Klingt gut? Empower Ordinary People, yeah. Ist ein Buchtitel. Eines Buches eines gewissen Glenn Reynolds. Von einem Blog namens Instapundit. In Deutschland würde man ihn als Rechtsextremisten bezeichnen. In Amerika tun das auch viele.
Weshalb ich die diversen Web2.0-Dödel mal bitten würde, in ihrer eigenen Sache mit Argumenten statt mit witzigen, griffigen Schlagworten und Visionen zu kommen. Der Feldzug soll ja angeblich weder ein Bagdad2.0 noch ein Bad Kleinen2.0 werden. Ichmeinjanur.
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Wunderbar, die 80mm Granaten sind alle, der Rauch verzogen. Nun wird der Bogen in die 70er gespannt. Das Kommando Peter Kabel entführt den Präsidenten des Verlegerverband Deutschlands, startet DDOS-Angriffe auf SpOn und pflastert die Blogosphäre mit ihren Parolen mittels Trackback-Spam zu. Zeitgleich fangen Symphatisanten an in den Focus-Blogs endlose Diskussionen über die Gesellschaft an und propagieren freies Posten in allen Blogs für alle (Wer einmal im selben Blog postet gehört schon zum Establishment).
Also Deiner Logik folgend sollten wir sicherheitshalber auch mal “Mein Kampf” und das Grüne Buch von Oberst Gaddafi daraufhin durchforsten, ob da nicht schon bisschen was vom 2.0-Gedanken vorweggenommen worden ist, oder versteh ich da was falsch?
Ich meine, es gibt so vieles, was man gegen die verqueren Vorstellungen verblendeter 2.0-Visionäre ins Feld führen kann. Da muss man das dahinter stehende Ideologem nicht unbedingt in die Nähe rechtsradikaler RAF-Sympathisanten rücken. Es riecht ein wenig so, als hättest Du Deine wirksamere Munition schon komplett verballert und greifst jetzt nach dem erstbesten Knüppel oder Faustkeil.
Mao wäre auch noch im Bücherregal, Thema Grosser Sprung nach vorn.
Nein, Spass beiseite, ich bin es irgendwo Leid, an allen Ecken und Enden die gleichen hohlen Phrasen zu lesen, die immer gleichen naiven Utopien des angebliche sozialen Netzes, und statt mit 10000 Zeichen das geschwafel peu a peu zu untersuchen. ist es manchmal vielleicht ganz hilfreich, solche Gestalten historisch/zeitgeschichtlich zu erden. Debatten gerne, wenn mal was anderes geboten wird.
Aber gerade, wenn man sieht, welcher Blogdreck durch die letzte Woche und die Mohammed-Karikaturen hierzulande und in den USA hochgeschwemmt wurde, kann einem beim druckfrischen “Versprechen” von Reynolds Angst werden; in einem gut besuchten Blog hat gerade heute einer dau aufgerufen, alle Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei zu erschiessen. Der Crowd hat's gefallen.
Nachtrag:
Das hier nimmt sich des Themas etwas breiter an, allerdings mit anderen Schwerpunkten.
Verstehe. Ich befürchte nur, was anderes als die ewiggleichen utopischen Heilsversprechungen wird von seiten der Zwonull-Apologeten auch nicht mehr kommen. Die Gegenargumente und Bedenken hat man auch vernommen und ventiliert in der Zwischenzeit.
Was ich von dem weeklystandard-Riemen halten soll, weiß ich nicht so recht. Auf was will der Typ hinaus? Selber kreativ werden ist Kommunismus, und deswegen kauft Euch lieber wieder Regionalzeitungen und hockt euch vor die Glotze und konsumiert wieder Hollywood- und Serienkacke samt Werbeblöcken und alles wird gut oder was?
Ich denke, es geht mehr in die Richtung: Utopien helfen nicht weiter, besonders wenn sie noch nicht mal verstanden werden. Und Habgier mit sozialen Vorwänden macht die sache auch nicht besser. Höchstens lukrativer für einen gewissen Typ Abzocker und Schwafler.
Das sieht der Autor auch völlig richtig. Er schießt aber völlig übers Ziel hinaus, wenn er sich zu der Behauptung versteigt, nur die Mainstream-Medien würden mehr oder weniger den Fortbestand der Zivilisation sichern. Das hat im dritten Reich nicht gestimmt, und es stimmt nicht mal in Amiland, wo es in den Networks und den großen Blättern vor dem Irak-Kreig keine substanziellen Gegenpositionen mehr gab.
Zudem basiert sein Horrorszenario auf der Annahme, die Gegenöffentlichkeit würde Studios, Sender und Zeitungen kompletto in die Bedeutungslosigkeit verdrängen, aber sorry, danach sieht es nicht wirklich aus, zumindest auf meinem Radarschirm.
Das ist die Sprache der Revolution. Ob Bundschuh-Verschwörung, langer Marsch, anti-imp-Kampf oder Guevaras Neuen Menschen. Immer geht es vordergründig um die Befreiung der physisch oder intellektuell Versklavten. Während es bei den Volksbewegungen oder Widerstandsgruppen noch ideologische ßberzeugung war, spielen die Web 2.0 Apologeten virtuos mit Revolutions-Anspielungen, wohl wissend, dass dies mehr Aufmerksamkeit bringt, als die Realität der drögen virtuellen Communtities.
15 Jahre Internet. In weiteren 15 Jahren vergreisen ganze Regionen in Deutschland, wie man letzte Woche in der Bertelsmann-Studie sehen konnte. Das ist die Realität. Wer ein zukunftsträchtiges Unternehmen gründen will, der sollte einen Marktplatz für Treppenlifte oder eine Vermittlung nordafrikanischer Pflegekräfte im Internet aufziehen.
Energie und Rohstoff-Knappheit, Wassermangel, globale Erwärmung, Clash of Civilisations, atomare Bedrohungen, private und öffentliche ßberschuldung, Terrorismus, Einschränkungen der Bürgerrechte, ßberwachungsstaat, usw. Das sind die Zukunftsthemen, und nicht die 239. Internet-Community mit AJAX, VoIP, IM, afiliate-Programmen und Schwanz-Vergleich.
Ist hart für die jungen Leute zu wissen, dass sie ihre Zukunft schon hinter sich haben.
Vorschlag: In dem Beitrag da oben den Begriff “Web 2.0” durch “Vogelgrippe” ersetzen. An der inhatlichen Bedeutung ändert sich nix.
Das RAF-Zitat ist nun vorneweg erstmal der Wunschtraum jeder nachwachsenden Generation, die selbst nichts vorzuweisen hat, aber die alten Säcke in die zweite Reihe am Futtertrog verweisen will, hier eben im damals aktuellen Szene-Sprech-Zeit-Kolorit. Das war auch ein Movens der RAF-Fantasien, das sich bis zu Aussen-Joschka weitertransportiert. Und auch der Jahrgänge 1905 bis 1920, die ihren Willen-zur-Gestaltung im Windschatten der NSDAP zu verwirklichen suchte. Auf diesem Level kann man die sicher alle in eine Reihe stellen, aber das verwischt die entscheidenden Unterschiede und evt. Gemeinsamkeiten, die herauszupräparieren ja notwendig sind.
@logog,
was ist der Wunschtraum “jeder nachwachsenden Generation”?
Ich weiss es jedenfalls nicht und ganz ehrlich ich bin nicht
Martin Luther King.
Gut, präziser formuliert muß es heißen “des Anteils einer Generation mit politischem Gestaltungswillen außerhalb etablierter Eliten ohne wirkliche Machtbasis“. Sie fühlen sich als Avantgarde, sind überwiegend in männerdominierten Rackets organisiert, ihr bevorzugtes Betätigungsfeld sind Parteien, Medien und gerne auch sog. neue Technologien, die von der traditionell konservativen Wirtschaftselite noch abwartender Beobachtung unterliegen. Sie haben immer Rezepte parat, wie die Welt umzubauen sei, kommen sie ans Ruder ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Die Rackets selbst sind überschaubar, das Rekrutierungsfeld ist meist das Kleinbürgertum und somit unerschöpflich. Kommt es zu keiner revolutionären Situation in ihrem Sinne betreiben sie den Marsch durch die Institutionen und enden als exponiertes Einzelexemplar an der Spitze dann als Aussenminister.
Ihr Wunschtraum ist es, an den Hebeln der Macht rumzufingern, dazu muß die jeweilige ältere Generation von diesen vertrieben werden. Dass sich nur eine Minderheit der jeweiligen Generation in diesen Rackets organisiert, sollte nicht den Blick darauf vernebeln, dass noch jede Generation sie hervorgebracht hat.
[…] Web2.0 – und seine Vordenker Holger, der Kampf geht weiter! Don Alphonso philosophiert in "Blogs!" über die Vordenker von Web 2.0. […]