Wortkotze. Ein langes Lob der Länge und warum das Folgen für das kurze Denken und Schreiben im Web2.0 haben wird.
Als ich in Italien war, gab es zwei Erlebnisse. Einerseits hatte ich eine neue Kamera dabei, über die ich eine Art Bericht schreiben will. Aus meiner Sicht des kulturell Interessierten mit erheblichen Ansprüchen, was Details und unterschiedliche Lichtverhältnisse angeht. Also ein sehr individueller Text aus einer Subjektivität heraus, die es dem Leser erlauben soll, von dort aus auf seine eigenen Bedürfnisse umrechnen zu können. Erfundenes Beispiel: Würde ich sagen: Kamera prinzipiell super, klein und handlich und unauffällig, tolle Details auch aus 40 Meter Entfernung, aber in dunklen Kirchen für meine Ansürüche als Kunsthistoriker ein Problem – dann könnte ein Strandspanner aus Jesolo sagen: Ey prima, die Knipse fällt nicht auf, damit mach ich meine Bilder für meine Internetfreunde, und Kirchen sind mir schnuppe. An diesem Text feile ich jetzt seit drei Tagen, und ich bin noch immer nicht so weit, dass er meinen Ansprüchen an meine Subjektivität und gleichzeitig an die erzielbare Objektivierung entsprechen würde. Es ist sehr, sehr schwer, das alles in Einklang zu bringen, wenn man es gut machen will und einen Nutzen für den Leser bringen soll. Was ich mir wünsche ist das, was mir bei genau dieser Kamera gefehlt hat: Ein derartiger Bericht, der mir bei der Entscheidung zum Kauf ehrlich und kompetent vermittelt, was ich zu erwarten habe.
Andererseits sass ich in Italien in Internetcafes, und hatte nur wenig Zeit. In der Regel nahm ich eine Stunde, und brauchte 40 Minuten allein für das Einstellen und Kommentieren meiner eigenen Beiträge. Im verbleibenden Rest konnte ich dann das tun, was ich normalerweise arbeitsbegleitend den ganzen Tag tue: Blogs lesen. Nur diesmal eben mit einem klaren zeitlimit. Und ich musste mich entscheiden, welches Blog ich nehme, und welches ich fallen lasse. Instinkiv klickte ich nur Blogs an, die in der Regel für lange, qualitätvolle Texte stehen. Um ein paar Namen zu nennen: Modeste, Anke Gröner, Ichbinerkältet, Andrea Diener, Thomas Knüwer, Kid37, Matt Wagner. Alles kein sprachliches Junkfood, sondern wohlformulierte Einsichten in individuelle Realitäten. In diesen knappen 20 Minuten trennt sich Qualität von Geseiere.
Ich habe in Italien also die Länge gesucht und gefunden. Und wer an dieser Stelle angekommen ist, dürfte ebenfalls nicht auf der Suche nach schneller Abspeise sein. Länge, Abschweifungen, Arabesken und Verflechtungen können für viele von uns eine Qualität sein, etwas, das den Reiz der Blogs ausmacht. Nicht für alle, aber doch für die, die darin so etwas wie Vertrautheit, ein Umfeld, soziale Nähe und Kontinuität suchen. Länge und Details machen plastisch, sie vermitteln eben jene Subjektivität, die meines Erachtens gute Blogs zentral ausmacht und es erlaubt, einen Blick in andere Welten zu werfen. Was in der Folge dann auch zu Bekanntschaft führen kann, Mailverkehr, sozialen Bindungen, und dann auch auf der anderen Seite in Empfehlungen, Konsum und Kollaboration. Eben das, was die im Web2.0 verbreiteten Schlagworte vom social Commerce, smart Mobs, wiscom of the crowd und consumer generated content auszudrücken versuchen.
Hier jedoch gibt es einen Widerspruch zwischen dem, was als Beispiel präsentiert wird, und dem, was letztlich im Web2.0 daraus wird. Tolle Blogs? Wenn man über gute Beispiele redet, würde keiner auf die Idee kommen, widerliche, mit Werbung vollgeklatschter Seiten voller Gaga-Youtube-Videos anzusprechen, oder sonstige Formen des Medientrashs, der sich gar nicht so erfolglos auf Blogsoftware rumtreibt. Angesprochen werden die üblichen Verdächtigen der qualitativ hochwertig empfundenen Blogs.
Die Realität im Web2.0 ist dann eine ganz andere. Man schaue sich bitte nur mal das Beispiel der SMS-Kommunikationslösung “Twitter” an. 160 Zeichen als Kommunikation im Netz. Mit der man furchtbar auf die Schnauze fliegen kann, selbst wenn man schon ein durch diverse Peinlichkeiten vorbelasteter Blogger im Dienste einer PR-Agentur ist. Als gäbe es im Netz einen einzigen Grund, Themen nicht umfassend und angemessen abzuhandeln. Oder zumindest eine Begründung für ein Verhalten zu liefern. Aber nein, viele sind völlig hingerissen von der Kürze. Ein anderes Beispiel sind all die Nachbauten der Newssite Digg.com. Wo Nutzer lange Presseartikel zu kurzen, reisserischen Schlagzeilen umformulieren und in der Regel den Dreck mit dem knappsten Trashfaktor nach oben klicken. Oder die 1-Knopf-Bindung durch Poke- oder Gruschelfunktionen bei sozialen Netzwerken. Oder die knappste Kommunikation in deren Privatnachrichten. Oder die rudimentären Fickanbahnungen in Second Life. Oder die kurzen, knackigen Empfehlungen, die man bei “social Commerce” Portalen aussprechen soll. Oder das dumme Gesülze, das die Mehrheit der Empfehlungen bei Qype ausmacht, bei denen ich immer an einen Geschäftsmann denken muss, der in einer Stadt gelandet ist und jetzt während des Handynierens mal eben im Netz ein paar kurze Tips rauskramt, um den Ortskundigen zu geben.
Abgesehen davon, dass dies alles die individuelle Inkompetenz der Nutzer zur individuellen sprachlichen Form dukumentiert, ist an dieser Wortkotze nichts individuelles. Es zieht Millionen von Nutzern an, wie das Oktoberfest, und wie dort die umliegenden Strassen stinken und aussehen, liest sich das auch. Eine besoffene Masse von Lallköpfen, die dort hingehen, weil alle dort sind, oans zwoa und ausgschpiem. Auch das ist “sozial”. Eine Zusammenrottung, die schnell etwas zusammenschmiert, für den eigenen Vorteil, ein gewisses Prestige in einer Gruppe vielleicht oder ein paar Cent oder einen Gutschein oder was man diesen Deppen sonst vor die Nase hält. Damit sie bleiben, oder zum nächsten Anbieter weiter ziehen.
Das lohnt sich für die von Werbung abhängigen Betreiber. Für den Click, die Grundeinheit ihres Verdienstes, ist es noch nicht mal egal, ob einer drei ausgekotzte Zeilen über ein Handy liest, oder einen umfassenden Testbericht. Es ist für sie besser, wenn einer über 10 Brocken Wortkotze auf 10 verschiedenen Seiten hüpft, als sich einmal ordentlich mit einem Thema und einem langen, informativen Text auseinanderzusetzen, wie man sich das als Blogger eigentlich wünscht.
Texte in Blogs und Texte im kommerziellen Web2.0 unterscheiden sich in den Extremen wie ein Festmahl von ausgekotztem Gammelfleisch. Desto mehr sie sich annähern, desto übler für das Blog. Die Kommunikation über solche Texte in Kommentaren unterscheidet sich wie das Gespräch beim Essen und dem Gelächter der Kumpels, wenn einer an der Laterne umknickt. Wir reden hier über völlig unterschiedliche Konzepte von Sprache, und ich wage zu behaupten, dass es auch Folgen für ihre Fähigkeit hat, als Träger von Individuen, sozialen Beziehungen und in der Folge auch wirtschaftlichen Transaktionen zu fungieren. Es kann vielleicht eine Weile als Werbeplattform verwendet werden, wo Suffköppen der letzte Dreck offeriert wird, es sind die Rheumadeckenverkäufer und Call-in-Shows des Web2.0.
Aber es hat nichts mehr mit dem zu tun, was Blogs einzigartig und wichtig macht.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Du verlangst viel in einer Zeit, wo Schüler schon stöhnen, wenn ihr Lehrer mal anderthalb Seiten zusammenhängenden Textes verteilt.
Nein. Sie dürfen ja durchaus ihre trashigen Müllseiten im Internet frequentieren. Aber deren Entrepreneure sollen danhn bitte nicht so tun, als hätten sie etwas anderes als Trash im Angebot.
Erster ;-))) *wink*
Zustimmung. Wenn immer wieder Beispiele für erfolfreiche blogs aus den USA präsentiert werden, ich denke da z.B. an Huffpost, dann sind es keine blinkenden, mit web2.0 Kommunikationswidgets und Werbung zugeballerte Selbstreflektionen oder Offerten von eigenen fragwürdigen Dienstleistungen.
Wer hier erster sein will, muss entweder schneller schreiben, oder kürzere
KotzTexte. Oder einfach nur ein Emoticon. *g*Hast schon Recht, allerdings liegt auch manchmal die Würze in der Kürze. Ich würde das nicht unbedingt an Textlänge festmachen, sondern zusätzlich auch am Inhalt. Manchmal ist ein rausgerotzter Link mit kurzem Statement auch Gold wert und ellenlange Texte sind von manchen einfach unlesbar. Ich denke hier trifft immer Topf auf Deckel. Für manche wertvoll für andere Müll und umgekehrt. Dem pädagogisch habhaft zu werden ist schwer oder wie sagte Polt so schön “Was genetisch versaut is, kann man mit Prügel allein auch nicht mehr korrigieren”.
Mir ist meine kostbare Lebenszeit zum Thrash lesen zu schade. Wie gesagt, ich lese nur noch wenige Blogs.
Hoffentlich war das jetzt kein kurzer Thrash.
Ich mag auch lange Texte. Ich mag aber auch kurze. Bei Brecht zum Beispiel liebe ich vor allem die Dreizeiler, die oft mehr erzählen als ein ganzer Roman. Und Twitter mag ich irgendwie auch.
Leider wird auch dieser Text nicht von den Leuten gelesen werden, die ihn nötig hätten zu lesen. Und würden sie ihn aber lesen, kaum anzunehmen, dass es am Ist-Zustand etwas ändern würde. Man braucht doch nur einen Blick in die Blog-Charts werfen. Vielleicht muss es ja ja sein. Es menschelt halt in allen Ecken und Enden. Warum sollten Blogs da eine Ausnahme bilden?!
Deckt sich mit meinen Erfahrungen letzte Woche in Berliner Internetcafés: Wenn meine Online-Zeit knapp ist, klicke ich auch wirklich nur noch dort hin, wo wirklich Lesestoff lockt. All die ganzen Ein-Satz-Kryptiker und guck-mal-den-Link-hier-Blogger können mir dann noch mehr gestohlen als sonst.
@ Patrick
so weit d’accord.
Einziger Einspruch, es gibt tatsächlich eine Art grundsätzlicher Müll im Angebot. Es gibt Müll, der für niemanden wertvoll ist. Müll ist: Der fehlende eigene Gedanke, das gedankenlose Widerkäuen fremder fehlender Gedanken, fremder Poperzeugnisse.
Das Zitieren mit eigenem Gedanken dazu ist hingegen OK. Dazu braucht es jedoch eine gewisse Länge mit Subjekt, Prädikat, Objekt. Satzfetzen und Stummelsätze machen es einem Leser nicht möglich, in die Gedanken ihrer Verfassers einzutauchen.
Die Länge eines Textes ist sicherlich ein notwendiges, aber noch kein hinreichendes Kriterium für Qualität. Ist der einzeilige Kommentar mitunter so hilfreich wie der dumme Spruch eines Passanten, wenn man stolpert und aufs Pflaster schlägt, so kann auch ein langer Text vor allem viel Geschwurbel enthalten.
M.E. entscheidet vor allem die Länge der Auseinandersetzung mit einem Thema wie die Tiefe der Gedankengänge über Qualität. Sowas kann man öfters auch im Internet finden und es kann durchaus unterhaltsam sein, denn Qualität sollte keinesfalls langweilen.
Aber eins sollte klar sein: Müll, das ist ganz was anderes. Der hier diskutierte Müll befindet sich noch auf hohem Niveau, denn richtiger Müll ist Spam.
Das ist mir mal egal: ob nagelkurz, ob ellenlang,
ob schreibgefehlert, oder korr rektal
– doch ist’s nur mehr Gelalle, seichtes Geprang,
das ohne Inhalt ober Flächen stahl,
der blog ist einmalig.. nur ein einzig Mal ‘ne Qual.
Kann das mal jemand für mich zusammenfassen?
@hockeystick: Do it yourself. Copy+Paste nach Word -> Extras -> AutoZusammenfasen -> 6% -> OK. Fertig.
@ MadScientist
SPAM-Fertigdosenfleisch sind doch bereits 3-Wort-Auswürfe wie “Lustig, guck mal!”, die lapidar auf einen Link verweisen, ohne zu sagen, was denn kommt, wenn man da hinklickt. Richtig was für Blöde.
SPAM sind längst Ein-Wort-Autorenbeiträge wie “Gähn”, *lol* plus das verlinkte Exkrement dazu.
Dazu gehören für mich auch Artikel, die einer Keyword-Densitiy-Religion geschuldet, ein bestimmtes Wort zigmal vorkommen lassen, egal ob es passt. SPAM zehrt am Denkmuskel und verhunzt den Magen. Ich behaupte, 80% des Internet sind SPAM und an manchen Tagen habe ich das Gefühl, mein Gehirn arbeitet nicht mehr richtig vor lauter Müllinfo-Fragmenten. Ein entspannedes, geistreiches Gespräch am Kamin kann diese Querschläger-Schäden in meinen grauen Zellen noch reparieren, die trotz vorsichtigen Surfens entstehen. Aber wer weiß, wie lange.
Schlimm auch, wenn man zu textenden Text fürs Internet “Kontent” nennt. Mit dieser Namensgebung beginnt der Niedergang. Das klingt wie “Container”, wo wie auf dem Verladebahnhof tonnenweise irgend etwas mit Buchstaben reinmuss, graue zu gestaltende Fläche, die laut Kunde “eh keiner lese”. Aha. Und so liest sich das auch, selffullfilling…. Mittlerweile habe ich Blindtexte, die lesen sich besser als das was mancher Kunde an derzeitigem “Kontent” in seinem Netz-Geschäftsauftritt hat.
Spam kommt nicht nur bei E-Mails vor, das ist ein Irrtum. Spam ist eine Hirnkrankheit – auch bei Bloggern; erzeugt durch zu langes Surfen. Ich mache demnächst eine Unter-Firma “Betreutes Denken” auf.
Wie heißt´s doch so schön:
“Es kommt nicht auf die Länge an!”
Wenn es darum geht, anderen Informationen mitzuteilen gilt doch immer noch der Grundsatz: “Soviel wie nötig, so wenig wie möglich.”
Um in Bezug auf das “aktuelle Tagesgeschehen” zumindest halbwegs auf dem laufenden zu sein möchte ich keine seitenlangen Abhandlungen darüber lesen müssen. Die nötige Medienkompetenz um im Zweifelsfalle nötiges Hintergrundwissen zu finden habe ich noch.
Auf der anderen Seite gibt es noch viele, andere komplexere Themen. Für die ich mir dann aber Zeit nehme.
Vielleicht kann man das mit “satt werden” bei McD und dem “Essen gehen” in einem Restaurant vergleichen.
Was mich mittlerweile wesentlich mehr stört, sind dahingerotzte Kommentare in Blogs. Nicht nur dieses: *lol*-Zeug. Sondern Beiträge, denen man anmerkt, dass sich die Kommentatoren weder die Mühe gemacht haben, ihr Hirn nur 5 Sekunden anzustrengen oder auch nur mal die Kommentare der anderen zu lesen.
(Im Web 1.0 hätte man wohl gesagt: “Ich werde erst die Forumssuche benutzen, bevor ich frage!”)
Manchmal ist man nämlich nicht der einzige, der den augenscheinlich originellen Kommentar zu ´nem Thema abgebt.
Hoffe, hier jetzt keinen SPAM erzeugt zu haben! ;-)
bör:
Ich behaupte, 80% des Internet sind SPAM
Sturgeons Law: 90% von allem ist Mist!
Früher kannte ich nur den einen Dorfdeppen, den aus meinem Dorf. Jetzt kenne ich online ALLE Deppen ALLER Dörfer.
Dein Anspruch in allen Ehren! Gerade was Texte und die damit verbundene Denkweise angeht, gehe ich mit Dir voll d’accord! (muhahaha, den musste ich bringen, sry). Aber das ist ein Phänomen, mit dem sich die Menscheit seit jeher herumschlagen muss. Nicht jeder ist zu allem fähig. Doch heute darf er sein Mittelmaß jedem anderen unter die Nase reiben, ohne dass es ihm peinlich sein muss. Weil er ja sieht, dass es andere auch nicht besser können. Ehrlich, mir ist DAS lieber, als das elitäre Gehabe früherer Zeiten, in denen der Pöbel gerne mit einer nonchalanten Handbewegung zurecht gewiesen wurde.
Was natürlich nicht heißen soll, dass man Mittelmäßigkeit und Schrott hochjubeln muss und nicht mehr als Mittelmaß und Schrott bezeichnen darf :)
Beispiele für inhaltsarme, lange und kurze Texte
finden Sie bei mir. Koooommt, so koooommt.
Und eigene bewegte Bilder gibt’s auch.
Nur einen Nachteil gibt’s: Werbefrei das Ganze!
@ kajetan
“Aber das ist ein Phänomen, mit dem sich die Menscheit seit jeher herumschlagen muss. ”
Vergisses, da stimmt definitiv nicht.
Zu Zeiten der zu ritzenden Wachstafeln oder des kostbaren Pergaments (gingen viele Rindviecher und Ziegen drauf) gab es einen gewissen Respekt vor dem seltenen, teuerern Material, in das man seine Ergüsse rein stanzte. Das förderte das Nachdenkken, ob es not tut, dsss das wirklich so reinsoll.
Heute kostet das Hosting beim Billighoster ein Bruchteil des Pergaments und schon kommt die geistige Gülle direkt aus dem Stammhirn auf den TFT-Monitor. Logisch oder?
Es gibt keinen Respekt vor den billigen, flimmernden Pixeln. Daher hat sich der sichtbare Müll, der vorher unsichtbar in den Schädeln wohnte (da hätte er bleiben sollen), sehr wohl vermehrt.
tja bör, so ist das eben. ich habe auch keinen respekt. nicht vor dem langen, nicht vor dem kurzen text, nicht vor dem edlen pergament und nicht vor den prollen pickseln. irgendwie hat sich vor dem (möglichen) respekt der dünkel ausgebreitet. und jetzt sag mir mal – wie kommt’s.
GrooveX
Du Spacko. Das hat mit Dünkel nix zu tun, wenn man mit Material pfleglich umgeht. Dummerweise funktioniert der pflegliche Umgang bei den meisten Menschen nur, wenn es wenigstens ein bisschen was kostet. Kann sichauch ein Kleinbürger leisten, mus nicht dünkelhaft teuer sein. Kostet es gar nix, wird geaast.
Die wenigsten haben sich ein Gefühl für Material bewahrt nach dem Motto: lieber weniger, dafür besser. Viele essen viel, aber nur Billigfraß, sie reden viel, aber nur Müll.
Weniger ist mehr. Wenn du nur mit Kleinschreibung schreibst und glaubst du wärst superhip, groovy oder proll oder prallbreit oder alles vier zusammen, wird die Qualität und Lesbarkeit deiner hingerülpsten Texte doch nicht besser.
getroffen?
und groovy – ja, das bin ich wohl. aber mit meiner kleinschreibung hat das nichts zu tun. ehrlich!
ich glaube irgendwie die message hätte auch kürzer rübergebracht werden können. wurde sie aber nicht, um sie noch mal extra zu betonen *vermut*
längere texte sind aber wirklich kein kriterium für qualität, ein tolles beispiel is dafür spiegel online, die haben heute nur müll auf ihre elende hetzpostillenseite gestellt…und davon nich mal wenig.
achja, lasst mal übrigens die schüler in ruhe. die mögen zwar in einer beschissenen zeit aufwachsen, haben aber ne ganze menge mehr auf dem kasten als ihr alten knacker :P
bör:
Ja, diesen “Respekt” vor dem geschriebenen Wort gab es auf Grund des teuren Schreibmaterials sehr wohl. Aber auch nur bei bestimmten Materialien und in bestimmten Gebieten und Kulturen. Würden im Zweistromland nicht ständig irgendwelche Vollidioten sich gegenseitig den Schädel einschlagen, würde die Archäologie mit Sicherheit die Ruhe und Muße haben und Keilschrifttäfelchen finden, auf denen Kaufleute und Handwerker so mal eben Einkaufslisten und Rohstoffbedarf festgehalten haben oder man einfach nur alltäglichen Kram niedergeschrieben hat. Die Handhelds der damaligen Zeit waren ruckzuck aus dem reichlich vorhanden Ton der Ebene herzustellen, als Schreibgerät diente ein Stuck zugespitzes Holz oder ein Knochen.
Dass man heute leider nur wenige dieser Dokumente findet, lag daran, dass nur die wenigstens Tontafeln auch gebrannt wurden. War es wertvoll, was da aufgeschrieben wurde und verloren gegangen ist? Nein, aber es würde uns heute ein besseren Einblick in den Alltag der damaligen Zeit geben.
Und so sehe ich auch das heutige Massengeschwafel. NATÜRLICH ist da haufenweise nur belangloser Mist dabei. Und NATÜRLICH werden uns nachfolgende Generationen darob verfluchen, weil von all den flüchtigen Bits keine Spur mehr übriggeblieben ist. Aber deswegen gibt es heute nicht weniger Genies und Qualität und sagenhaftes Talent. Es fällt allenfalls schwerer, gerade im Netz all diese Perlen unter den Säuen zu finden.
Schwieriges Thema. Angesichts meiner eigenen blog-beiträge sagt mir mein Gefühl: “Lehn dich jetzt bloß nich aus dem Fenster”. Ich tue es trotzdem. Ich weiß aus vielen Gesprächen, daß unglaublich viele Leute schlichtweg argumentieren, daß “lange Texte lesen” am Bildschirm für sie nicht in Frage käme – der Begründungen gibt es viele, ich vermag nicht zu entscheiden, inwiefern sie glaubwürdig sind oder nur Ausreden (zunächst mal glaub ich Depp ja immer, daß man mir die Wahrheit sagt unter Freunden und Bekannten).
Mir selbst ist die physische Länge eines Textes egal. Ich lese auch einen noch so langen Text zuende, wenn er mir zusagt (thematisches Interesse, mich ansprechende Schreibe, Stil usw. betreffend) – ich breche selbst beim lesen kürzester Texte ab, wenn dies nicht der Fall ist.
Natürlich ist das Detail die Würze in der Regel – manchmal kanns aber eben auch zur Qual werden. Und manche Texe sind furchtbar lang, nicht weil so viel Info rübergebracht wird, sondern weil ein dünner Gedanke gebetsmühlenartig wiedergekäut wird, was jeden Text langweilig macht.
Ich mag Texte, die auf den Punkt kommen – in wenigen Worten alles wiichtige rüberzubringen gehört zum Schwersten dessen, was Schreibe genannt wird. Ich tue mich da auch oft schwer mit. Zudem liebe ich Bonmots und Aphorismen, weil die einen Brocken hinwerfen, über den dann ein Leser selbst nachdenken kann. Ich möchte nicht alles vorgekaut bekommen.
Was nun die Subjektivität betrifft: ich bin der Ãœberzeugung, daß es echte Objektivität (auch im Sinne von neutraler, sachlicher, nicht wertender Berichterstattung) überhaupt nicht gibt – nicht einmal in einem Lexikon (auch wenn es so scheint). Wenn es um Meinungsbildung geht noch weniger, ist aber auch klar. Da würde kein Mensch mehr irgendetwas lesen, wäre es anders.
Und zu guter Letzt noch zum “blog”: Für die meisten Betreiber ist es eine Art Tagebuch. In einem Tagebuch wird nun mal nicht alles redigiert, korrigiert und auf Schliff gebracht, dafür sollte man Verständnis haben. Nicht jeder liebt geistige Höhenflüge, nicht jeder sieht sein Ziel darin, auf hohem Niveau zu schreiben. Mancher will nur z. B. seine Stimmung mal rüberbringen. Da gibts sicher viel überflüssiges, uninteressantes, Nabelschau usw. – ich denke aber, das ist durchaus zu verkraften. Ob etwas gut oder schlecht geschrieben ist, ob es interessiert oder nicht, hat alles auch mit meinem Interesse als Rezipient zu tun, mit meiner Anschauung, meinem Geschmack, meinen Qualitätskriterien… Doch dafür gibts noch ein weiteres (beinahe) objektives Kriterium: Authenzität. Ist die gegeben, oder habe ich zumindest den Eindruck, lasse ich viele 5e gerade sein. Spam allerdings kann nicht authentisch sein, so wenig wie bezahlte Beiträge in der Regel (damit meine ich verkappte Werbung, PR, all das, was Don hier zu Recht oft kritisiert und offenlegt). Da spielt es für mich herzlich wenig eine Rolle, ob ein solcher Text handwerklich gut geschrieben ist, weil: Lüge bleibt Lüge, egal wie professionell sie ausgestaltet ist.
So, jetzt hab ich selbst einen ellenlangen Text hier geschrieben – länger als ein beitrag in meinem eigenen blog…
@ Kajetan
Dein Beispiel mit den Tontafeln aus dem Zweistromland widerlegt meine These doch gar nicht, es bestätigt sie. Meine These lautete: Je billiger (und im gleichen Zug reichlicher vorhanden) das Schreibmaterial ist, desto mehr Gedankenmüll wird darauf geritzt, der besser im Schädelfach bleiben sollte (erst denken, dann schreiben).
Obwohl ich in Abrede stelle, ob diese frühzeitlichen Postit-Notes, diese notierte Handelsmengen für den mesopotamischen Händler oder Bestelltafeln wirklich Müll sein sollen. Es sind reine Gebrauchstexte, die das Gedächtnis und die Buchführung entlasten, das ist eine ganz andere Liga.
Hatte vorgestern was in den Pfoten, weiß nicht mehr wo, da hat sich jemand die Mühe gemacht, Einkaufszettel, Mitteilungskürzel am Küchentisch, flüchtige Freundschaftsbekundungen auf kariertem Papier, geknüllt unterm Schülerpult, all das, zu einer kleinen kommentierten Enzyklopädie der allzu menschlichen privaten Mitteilungen zu sammeln und zu veröffentlichen. Aber auch das ist kein Müll, sondern einfach nur putzig, wenn herzerweichend in krummen Buchstaben steht:
– Milch
– Klopapier
– Katzfutt
– was zu essen
– oder magst du mit mir heut essen gehen?
Verzeih mir ich lieb dich doch.
Viele sich ironisch-hip wähnenden Einträge in rumrüpelnden oder lollenden Blogs haben nicht einmal diesen Mindest-Charme des gelebten und liebenswerten Alltags. Sind also komplett Müll.
@bör: Das mit dem inhaltlichen Müll (nicht copy&paste) sehe ich etwas anders. Mehr vom “Beuysschen Ansatz” her: “Jeder Mensch ist ein Künstler”
Nur jeder für sich, als Individuum, mit einer eigenen Wert- und Normvorstellung, beziffert den Wert eines Kunstwerkes.
Soll meinen, der eine zahlt ein Vermögen für ein Bild, der andere würde es noch nicht einmal bei de Omma im Keller aufhängen. Wir empfinden viele Texte als Müll (nehm mich da mal nicht aus), während andere unsere Vorlieben bei Texten Müll finden. Das sind doch auch die Stärken der Nischen und speziell der Blogs, oder?
Gegenfrage:
Wer von euch mag eigentlich den Ur-ShortMessenger Ernst Jandl?
Bei mir ist das (als Rezipient) so: Die Texte, von denen ich ausgehe, dass ich sie gern lesen werde, zum Beispiel, weil sie von DonAlphonso so gut formuliert “wohlformulierte Einsichten in individuelle Realitäten” bringen, diese Texte die markiere ich mir in meinem Feedreader mit so einem netten kleinen roten Fähnchen. Und wenn ich dann zum Beispiel am Ende des Tages Zeit habe, dann lese ich sie. So wie jetzt diesen hier, mit den In-ears des MP3-Players eingestöpselt und damit auch von der Umwelt abgestöpselt, und ganz auf den Text (und auch die Diskussion konzentriert). Das leisten nur wenige Blogs, solche wie der erwähnte Knüwer auf jeden Fall auch, aber zum Beispiel beim Niggemeier findet man auch schön Sachen.
@Patrick:
> Wer von euch mag eigentlich den Ur-ShortMessenger Ernst Jandl?
Ich. Aber wir wollen Zettels Traum nicht vergessen.
Patrick,
du willst doch nicht behaupten,
das alles was man produziert, ein Kunstwerk ist? Dann ist mein Papierkorb voll davon.
Ich weiß nicht, ob ich Beuys richtig verstehe, habe zwar frühe Zeichnungen und Kollagen von dem. Habe zwar seine Werke (die ausgedrückten Zahnpastatuben, alldas, hinter Vitrine) in echt angesehen und mich mit seinem provokantem Kunstbegriff beschäftigt.
Er hat absichtlich damals gegen das inzüchtige und selbst-referenziell-abgehobene Kunst- und Wissenschaftsgetriebe diesen provokativen Kunstbegriff gesetzt, der den Normalo in den Mittelpunkt stellt.
Jahre später:
Bin mir aber überhaupt nicht sicher, ob er, wenn er noch leben würde, das Getwitter und Stammhirngerülpse ebenfalls noch als “Soziale Plastik” definieren würde. Ãœberhaupt nicht sicher. Wahrscheinlich würde er Depression kriegen oder zu seinen Zeichnungen zurückkehren. Oder beides.
bör:
Gut, bevor wir uns zu sehr in ein Privat-Thema hier verkaspern und in Deatils verlieren … im Grunde stimme ich Dir ja zu. Strukturiertes Denken und das Verfassen prägnanter Texte (kurz oder lang) ist wichtig und sollte/müsste in der Schule gelehrt werden. Aber wenn ich von Bekannten höre, dass in der Grundschule Lehrer den Fragen der Kinder, warum man denn nicht einfach die Rechtschreibprüfung benutzt und warum man denn von Hand schreiben lernen soll, nichts vernünftiges antworten können ausser: “Das steht so im Lehrplan!” und diese Haltung auch in höheren Schulformen eher noch stärker wird … dann ist Deine Geschäftsidee bitter nötig. Web 2.0 in all seinen Mikro-, Nano-Info-Häppchen wird natürlich deswegen so stark angenommen, weil es so einfach ist und keine Denkmühe erfordert. Blubb, blabb, Buchstabengeräusch.
Ich persönlich schätze übrigens Fredric Brown, den Meister der SF-Kurzgeschichte. Zeitreise-Geschichten, die nicht mehr als eine Seite umfassen. Winzige Vignetten und Sprachspielereien. Und ich schätze die langatmige, mäandrierende Sprache alter Sagen. Allen ist gemein: Da hat sich jemand doch tatsächlich etwas gedacht!
Die Frage ist nur: nöle ich hier rum, weil ich ein alter Sack bin und mich nicht mehr anpassen möchte? Oder kommt hier tatsächlich etwas wichtiges viel zu kurz?
Manchmal kotzen, nur manchmal, kotzen mich aber auch ewige Kulturpessimisten wie du, DonAlphonso, an. Aber eben nur manchmal zum Glück, sonst wäre ich nicht besser und wäre auch nicht in der Lage dazu, darüber zu reflektieren.
Dieses ewige “Bah, alles Niveaulos, das muss so sein wie ich das denke das es Niveau hat, kotz blah wurst” … ist mindestens genauso nervend wie das Geseiere bei Qype.
Und?
Dann lies es halt nicht.
Die Würde des Menschen ist unantastbar … das ist glaube ich vielseitig gemeint. Es meint auch, dass jeder nach seiner Fason glücklich werden soll und kann, solange er nicht die Freiheit und Würde anderer verletzt. Den Lebensstil anderer derart zu betiteln wie du es in dem Beitrag hier gemacht hast, ist streng genommen einfach nur Beleidigend und … tata … niveaulos noch dazu. Eben der x-tausendste Kulturpessimist in diesem Land.
Kajetan,
alter Sack!
Es gibt auch junge Greise.
Es geht um das cool sein. Wer kurze Sachen sagt, ist cool. Ein geiler Typ ist er, der Bescheid weiß, sich sicher ist (so wirkt) und nicht lange rumtut. Das ist ein wichtiges Gegengewicht in einer Welt, die immer komplexer und komplizierter erscheint.
Wer zugibt, dass er über Manches lange nachdenken muss, wer erst über mäandernde Gedanken auf einen Schluss kommt, wird belächelt. Er braucht zu viel TZeit, er stört, er hält den Laden auf. Wenn er Glück hat, gilt er grade noch nur als alter Sack. Schlimmstenfalls als Irrer.
Trostlektüre für alte Säcke: Sten Nadolny.
Richtig alte Säcke wisen, welches Buch von dem.
@boer: Beyus – friede seiner Asche – hätte sicherlich seine helle Freude am langen Schwanz* gehabt! (* dt. Ãœbersetzung des englischen Buches “The Long Tail”, welches die Vielfalt und Nischen des Internets beschreibt)
Solange man dem Müll noch entkommen kann, alles bestens. Dafür ist ja genug Platz hier im Netz, oder? (mal von Push-Spam abgesehen)
“Eben der x-tausendste Kulturpessimist in diesem Land.”
Vielleicht der x-tausendste in diesem Land, aber der wichtigste unter den Bloggern ;)
Ne glaub ich nicht, Patrick. Aber frag mal seine Leiche, die vielleicht grad einen ziemlichen spin kriegt.
Beuys wollte was anderes als koofen und verkoofen für alle.
Er wollte, dass sich jeder selbstbewusst und zielgerichtet im politischen und gesellschaftlichen Bereich engagiert und sich nicht bevormunden und einschüchtern lässt von den sogenannten Experten, egal welcher Richtung. Huete wären sogar die “Blogexperten” darin eingeschlossen. Ganz sicher nicht meinte er mit “sozialer Skulptur” den Kommerz, ob nun den langschwänzigen oder den dickschwänzigen.
Heutzutage findet eine andere Art Einschüchterungsversuch statt, der Backlash:
Diejenigen, denen das Netz zu müllig wird, werden stante pede als Kulturpessimisten bezeichnet. Hach, wir wollen doch alles positiv sehen, näch.
[…] Gerade lese ich bei Thomas, dass er es auf die Cicero-Liste der Intellektuellen des Landes geschafft hat. Platz 336! Jo mei! Wahnsinn! Und das Beste ist, in den Kommentaren konnt ich es lesen, Stefan ist sogar auf Platz 284. Nun denn, ab sofort können wir endlich Weisheiten im Doppelpack geniessen. Gut so. Nur leider ist das nicht die ganze Wahrheit, es gibt da eine lange, aber ganz andere, Geschichte zu besagter Cicero-Liste… […]
> Dafür ist ja genug Platz hier im Netz, oder?
Das Wort zum Ende eines langen Arbeitstages: Rein technisch gesehen liegt der “echte” wie auch der hier kritisierte Spam typischerweise im Textformat vor. Die Kompressionsraten davon sind hervorragend. Insofern stehen wir erst ganz am Anfang der Geschichte des Spam, da geht noch einiges. Aber wir sind ja auch nicht ganz wehrlos.
Nachtrag zu Gevatter Beuys und zu “Jeder ist ein Künstler”:
“Beuys hat einmal gesagt: Wenn eine Frau, die Kartoffeln schält, sich dabei bewusst ist, dass sie arbeitet wie ein Bildhauer, dann ist die Kartoffel, die sie schält, eine Plastik. Das ist also nicht so gemeint, dass man drei Striche ziehen kann und sagen: Beuys hat gesagt, ich bin ein Künstler, und deshalb ist das Kunst. Im Bereich der Kunst war Beuys sehr anspruchsvoll.”
(Quelle: Gespräch mit Beuys-Sammler Franz Joseph van der Grinten)
Und wer Stummelsätze kann, ein Weblog aufsetzen kann, ist noch lange kein …. (beliebiges einsetzen). Ein Müllwerker, der täglich die Riesentonnen geschickt aus den engen Hinterhöfen rauswuchtet, ist mehr.
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Kunstbegriff:_______________________
If I were a tailor I’d make it my pride the best of all tailors to be, and if I were a tinker no tinker beside should mend an old kettle like me.
@bör: Was mich ein wenig nervt ist dieser Elite-Ansatz, den viele noch nicht einmal richtig genießen können. Mir ist schon klar, dass es oft am Kulturverständnis mangelt, aber gleich alle anderen auszkeifen, statt ihnen noch was beizubringen, mag zwar das Ding mancher sogenannten Intellektuellen sein, meins ist es jedenfalls nicht. Was ich in all den Jahren gelernt habe ist, dass man mit Wertschätzung gegenüber anderen Menschen sehr viel mehr erreichen kann. Sie beginnen nämlich damit einem zuzuhören und wenn man dann noch die Zeit & Muße findet ihnen etwas beizubringen (nämlich das eigenständige Denken und recherieren lernen) dann fängt man wirklich damit an den “Müll” zu entsorgen. Aber vielleicht will man sich ja insgeheim und unbewußt auch den Müll bewahren um ihn anzuprangern?
“Da! Da kommt der Wagen!”, dröhnt’s aus den UnMassen,
die im Nachts gemachten Schlamme warten auf ihr Ziel:
den Verurteilten des heutigen Tages. Jemand zum Hassen,
zum Bewerfen, Schinden, oh, einfach ein billiges Ventil,
Wer’s ist? Egal, wenn nur nicht selbst: schmieriges Kalkül.
@33 und alle anderen, die hier ähnliches behaupten: Wenn ich den Autor richtig verstanden habe, stört es ihn wenig, wenn sich irgendwo im Netz andere Autoren mit verstümmelten Textfetzen austoben und sich auch noch cool dabei finden. Es scheint mir eher darum zu gehen, dass Textkürze und langfristiges Geschäftspotenzial nicht unbedingt miteinander korreliert sind – einfacher ausgedrückt, dass viele User irgendwann keine Lust mehr auf Gestammel haben. Ãœbrigens: Ich lese inzwischen ganze Zeit-Dossiers (die in der gedruckten Zeitung üblicherweise drei ganze Seiten einnehmen) am Bildschirm und habe überhaupt keine Probleme damit.
[…] Das, was der Don gestern als Wortkotze bezeichnet hat, ist augenscheinlich ein weit verbreitetes Phänomen in der deutschen Blogosphäre. Intern werden bei uns manche Blogs nur noch Linklisten genannt. Doch ist dem wirklich so? Oder gehen wir da mit den Kollegen ein wenig zu hart ins Gericht? Ich habe mir deswegen mal die Top 30 der deutschen Blogs angeschaut. Angemerkt dazu sei natürlich, nicht das BILDblog, das ist nunmal kein Blog, angeschaut habe ich mir also die Plätze 2-31 der deutschen Blogcharts. […]
Mhm…Beuys… ist das nicht der, der damals “Sonne statt Reagan” gesungen hat? Und auf irgendeiner Dokumenta irgendwelche Bäumchen gepflanzt hat? Der mit der Badewanne, der dann gut Geld abkassiert hat, weil die Putze aus Versehen die Wanne saubergemacht hat? Ich gebe zu, manche Gedanken, manche Skulpturen von Beuys beeindrucken mich schon, aber insgesamt geht der mir am Arsch vorbei.
Was ich allerdings schön finde ist z.B., Fredric Brown und Sten Nadolny in einem Atemzug nennen zu können – und schon gibts keine beschissene Unterscheidung mehr zwischen Genre-Trivialliteratur und Hochliteratur, diesem künstlichen Uni-Prof-Lehrer-Unterscheidungsmist.
Auch ich verstehe Dons Beitrag ähnlich wie Amelia. Und ich habe nicht den Eindruck, daß Don damit irgendwelchen elitären Pupsern das Wort reden will. Diese hier geäußerten Kritiken in der Richtung finde ich völlig deplaziert. Vielleicht sollten sich alle die das Kommentieren sparen, die wohl nicht die Muße haben, den zu kommentierenden Beitrag auch in Ruhe zu lesen…
Hi,
bezogen auf Qype: dass öffentliche Plattformen alle möglichen Menschen – eben fast wie im wirklichen Leben – mit unterschiedlichen Ansichten zu Qualität und Nutzen anziehen, ist doch klar. Ich kann daran nichts schlechtes erkennen. Die Bild Zeitung lesen auch 14 Mio. Menschen, soll man diese Menschen dafür dumm halten?
Auf der anderen Seite gibt es auch bei Qype eine Menge guter und anspruchsvoller Beiträge, z.B. den von Cem Basman (http://www.qype.com/people/CemB) oder den von mostro (http://www.qype.com/people/mostro) – bei letzterem meist auch in Deiner bevorzugten länge – um nur mal zwei zu nennen.
Beste Grüße, Traian.
@ Patrick
Ich sehe keinen Elite-Ansatz. Gerade Beuys: null.
Die Forderung, klar und verständlich zu schreiben, einen Gedankengang auch durchzuhalten, ist Basis, nicht Elite. Mit Werbung vollgeklatschte Linklisten sind keine Kommunikation mehr, so einfach ist das.
Ich fühle mich außerstande, einer Linkliste “zuzuhören”. Dazu brächte ich einen menschlichen, persönlichen Bezug zu diesem “Sender” und der Tag 36 müsste mindestens Stunden haben. Daher klicke ich weg, wie tausend andere auch. Das nennt man Abstimmung mit den Füßen. Die kooperative Tour: dem Sender nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe noch was beizubringen, damit er dann keinen Müll mehr tutet, schwierig. Denn da sind Plattformbetreiber, die deren Geseiere bereits tolle Kommunikation nennen, und dann kommst du daher. Viel Spass.
Das Problem ist, dass diese Linklisten-Stammler in Missachtung jeglicher Realität es gerade von den dafür werbenden Betreibern in den Hintern hineingeschoben kriegen, wie toll kommunikativ sie seien.
Korrektur:
Der Tag müsste mindstens 36 Stunden haben.
@bör: Das ist dein Anspruch (meiner vielleicht auch) Aber wie sehen das die ohne den Anspruch? Was sind das dann in deinen Augen? Morlocks? ;-)
Bitte nicht falsch verstehen, ich versuche nur das Ganze ein wenig anders zu beleuchten, ansonsten gehe ich hier mit der Meinung völlig konform, aber auch nur, weil es meine eigene ist.
@ Patrick
Ich war früher immer so drauf, dass ich alles habe gelten lassen, jeder, egal, was er getutet hat und es nicht meine eigene Meinung war, hat ultimativ viele Chancen gekriegt. Dem Stotterer wurde und wird geduldig zugehört, wer besser Metall schleifen als reden konnte, der wurde gewürdigt und nicht versucht, nach meiner Sicht der Dinge zu verbessern.
Ich komme aus keinem bildungsbürgerlichem Stall wie Don. Es geht hier auch nicht so sehr um “Meinung des andern, der sich nicht so ausdrücken kannn, gelten lassen”. Darum geht es doch überhaupt nicht.
Es geht um kommunikative Basics, die im Moment gerade – und zwar gerade von oben, von denen die ein Kommerz-Interesse haben – umgedeutet werden und wogegen auch ich mich wehre. Umgedeutet in die Richtung: alles sei ganz tolle Kommunikation. Jeder persönlich verzapfte Produktbericht, der in Wirklichkeit nur so vor versehentlichen Werbephrasen strotzt (es fällt den Verfassern gar nicht mehr auf)und sehr oberflächlich ist, is ja gonz goil. Nicht mehr Lehrer, Eltern , Schule und Freunde haben die Deutungshoheit darüber, dass man ganz doll redet, schreibt und kommunizieren kann. Nein, die Deutungshoheit über persönliche Kulturbasics haben kommerzielle Betreiber übernommen.
Was Umdeutung im Systemischen bedeutet, weißt ja. Sie kann harmlos sein, sie kann im therapeutischen Bereich sogar heilen. Aber gegen gezielte Umdeutung von oben damit der Mammon für die Aggregate in die eigene Tasche fließt, von Plattformbetreibern, von Leuten, die bezahlt freudig erregt darüber schreiben, wie toll das alles sei, habe ich schwer was. Patrick, ich kann das nicht mehr als Kultur bezeichnen, mein Arbeiterehrenwort. Es ist Volksverdummung. Sag ich als Designer, der auch Werber war.
Due Pseudokritikluschen da: Nur weil man Hingerotztes nicht schätzt, muss man noch lang kein Elitebefürworter sein. Um es mal mit dem Essen zu vergleichen: Es kann sogar gute Hamburger geben. Aber bei Gammelfleisch hört der Spass aus. Und ausgekotzte Wörter, die nur kommen, um irgendwo seine Existenz und Wunsch nach Geld etc. zu beweisen, sind nun mal keine ernsthafte Kommunikation, um die es ansonsten geht. Kaum jemand würde einen Anruf aus einem Callcenter als Bereicherung seiner täglichen Gespräche sehen, und genauso ist das auch mit den besagten Buchstabenaufteihern.
Länge mit Qualität gleichsetzen ist so typisch männlich. *sich wegschmeisst vor lachen*
Mir gruselt es sehr oft vor ewig langen Texten, weil hier mit viel Wortgeschraube sehr wenig gesagt wird und das Geschraube – so elegant es auch manchmal daherkommen mag – oft nur vom mangelnden Inhalt ablenken soll. Ich sag nur: Politiker! *bla-schwätz-lull*
Ein zweiter Grund, warum ich bei langen Texten mitunter Hörner und Tentakel bekomme, ist der, daß die Verfasser oft keine Ahnung von Typographie haben. Da werden dem armen Leser dann ellenlange Bleiwüsten vor die Augen geklotzt und der Autor wundert sich, warum die Leser nach drei – natürlich die volle Breite des Monitors nutzenden – Endloszeilen das weiße Fähnchen schwenken und weitersurfen.
Kurz und knackig ist manchmal viel anspruchsvoller als ewig langes Rumgeseiere.
Ja.
Ich bitte doch sehr darum, dass Texte Absätze haben,
eine Mindest- und Höchst-Spaltenbreite, damit das Auge nicht die Zeile verliert, lesbare Buchstabengröße, all das. (Wenn ein Hardcore-Freak für seine Zeilen den ganzen Monitor ausnutzt, kann man jedoch das Browserfenster kleiner ziehen. Für den Fall, dass sein Text interessant ist, tue ich alles.)
Ich glaube ebenfalls nicht, dass Länge = Qualität bedeutet.
Was ich jedoch auch nicht glaube, das kurz immer = cool ist.
Ein darauf verkürzter Diskurs führt nirgendwohin, so war er auch nicht gemeint. Es geht um mäandernde Nebenbetrachtungen, die ihren Reiz haben und oft erst die Qualität eines Textes ausmachen. Manchmal habe ich das Gefühl, das die Hälfte der Kommentatoren Dons Eingangstext nicht ganz gelesen haben.´`´` Q. e. d.
Jetzt redundiere ich (das Gleiche mit anderen Worten):
Nicht gemeint ist leiernde Redundanz. Da sind wir uns doch einig, dass ein langer Text, der redundant ist (= Wiederholungen hat), noch lange kein guter Text ist. Weder online noch offline.
@bör
“Daher klicke ich weg, wie tausend andere auch. Das nennt man Abstimmung mit den Füßen.”
Supergeile Stilblüte!! :-)
Geil, gell.
Schreiben Sie wie Schopenhauer wünschte sich mein GK-Lehrer nicht ganz uneigennützig vor der Abfassung unserer Klausuren. Ihm graute vor der Korrektur der 20 bis 30-seitigen Riemen, die gewisse Schreglmänner innert zwei Stunden abzulaichen im Stande waren. Schlechte Schreiber sind schlechte Schreiber, egal ob sie als Wortmasseabsonderer oder Schnellrotzer daherkommen. Schreibt jemand gut, dann ist es mir gleich, ob’s opulent tsunamihafte Sprachbretter oder kompakte/präzise/verspielte/gehauchte/gestöhnte Textminiaturen sind. Es ist dann wie mit gutem Essen oder Sex: wenn’s gut ist, will man nie, dass es endet.
@1,
Die Polemik gen Schülern oder der heutigen Generation allgemein hinkt, die Gesellschaft stinkt zum Himmel, das Versagen ist usus von Generation zu Generation. Ein additiver Charakter ist dabei auszumachen, sprich es stinkt mehr und mehr.
habe ich da was von eleganz gelesen? gute güte, was’n fenster. diese schicke hülle um ansonsten nicht gerade ansehnliches? und dann fiel in diesem zusammenhang auch noch intellektuell? und beuys und heißenbüttel? nein – heißenbüttel fiel nicht. schon mal was von allodoxia gehört? wie wäre es, wenn da mal wieder wer runter käme! nochmals – gute güte!
@gute Texte …..an ihren Worten sollt ihr sie erkennen!..:-)
Mein heutiger kleiner Blick in die Blogosphäre
Sind wir jetzt alle Linksextremisten?
Ein laaaanger Text von Don Alphonso über lange Texte
Der Popkulturjunkie macht wieder Charts-Kritiken
Stefan Niggemeier über die freundliche ‘Supermodel’-Sendung
Mein heutiger kleiner Blick in die Blogosphäre
Sind wir jetzt alle Linksextremisten?
Ein laaaanger Text von Don Alphonso über lange Texte
Der Popkulturjunkie macht wieder Charts-Kritiken
Stefan Niggemeier über die freundliche ‘Supermodel’-Sendung…und dann noch ein kleiner Test von Imageloo…