Momentan tingeln gewisse Leute durch die Kongresse und erzählen von den steigenden Werbeeinnahmen im Internet, und dass das doch allen zu Gute käme und man damit wenigstens Leute ordentlich bezahlen könnte. Oder Arbeitsplätze schaffen. Damit im Internet etwas vorangeht. Es sind meines Erachtens die gleichen Leute, die einen ziemlich guten Überblick über das haben, was bislang für das Fussvolk des Web2.0 bezahlt wird – und peinlich genau darauf achten, dass es so weit wie möglich und bei allen Beteiligten bei ein paar Krumen vom Tisch der fetten Werbeerlöse bleibt.

Beispiele gefällig? Der Westen, dessen Chefin früher öffentlich forderte, dass man Blogger angemessen bezahlen würde, bietet aktuell – und, wie man so hört, recht drängend, weil es eher unrund läuft – Bloggern 300 Euro im Monat für das Füllen eines Blogs an. Und dabei erwarten sie mehr,als den akteuell von der eigenen Redaktionsbloggerei produzierten Texttrash. Später könne man sich eventuell über mehr unterhalten, wenn es gut läuft. Man fragt sich, ob der Westen seinen Mediaberater, den bei der Agentur Sinner Schrader gegangenen Marc Pohlmann (Umstände der Redaktion bekannt), unter ähnlichen Bedingungen bezahlt – vermutlich nicht.

Oder Burda Digital Ventures. Die haben bei Suite101, “Das Netzwerk der Autoren” investiert und sind auf der Suche nach Redakteuren und freien Autoren, die bereit sind, sich gegen Umsatzbeteiligung des noch nicht gestarteten Portals zu engagieren. Gearbeitet werden soll von zu Hause aus und in Teilzeit, gern auch Studenten mit ersten journalistischen Erfahrungen. Zum Launch bietet Suite101.de erstmal 20 Euro pro veröffentlichtem Beitrag.

Oder die Münchner Abendzeitung. Die sucht gerade einen Volontär für Online. Mit Qualifikationen und Aufgabenbereichen, für die man eigentlich zwei zusätzliche Vollprofis bräuchte, und keinen Berufsanfänger:

– die onlinegerechte Aufbereitung von Print-Artikeln inkl. Bildbearbeitung
– das Erstellen eigener multimedialer Beiträge
– die inhaltliche, gestalterische und technische Umsetzung von Video-Beiträgen
– die Betreuung von Web2.0-Anwendungen
– die Erfassung und Analyse der Reichweitenentwicklung
– die Mitarbeit an der Weiterentwicklung der Website

So gesehen lagen die 200 Euro, die das Holtzbrinck-Netzwerk Germanblogs mal zahlte, gar nicht so schlecht. Und man ist noch immer besser dran, als die Werber, die für lau bei Red Bull schuften dürfen – alles so hübsch sozial user generated hier draussen.

Was bei den Kongressvorträgen der Borcherts, Hebigs, Lummas und Urbans dieser Welt fehlt, ist der dezente Hinweis auf das, was sie wirklich gern hätten: Dass es unten genug Deppen und Verzweifelte gibt, die für einen Hungerlohn oder am besten ganz umsonst die Kosten für Büros, Infrastruktur, Sozialabgeben, Aufwendungen tragen und somit die Anlaufkosten für ihre schöne, geldige Web2.0-Welt mit viel “sozial” und “Userbeteiligung” praktisch aufkommensneutral gestalten. Web2.0 als mediales Subproletariat, als billigste aller möglichen Qualitätsplattformen für den boomenden Medienmarkt.