Ich war auf ziemlich vielen Konferenzen zum Themen wie Blogs, Web2.0, Onlinejournalismus und Internetkultur – letzteres ist übrigens ein Desiderat, eine oft übersehene Perle, falls das hier jemand liest, der eine Konferenz organisieren will und sich beim thema nicht sicher ist. Ich gebe freimütig zu, dass ich fast immer als Referent dort war, was vor allem damit zu tun hat, dass es in meinem Leben genau so viel Internet gibt, wie ich möchte. Alles andere würde sich zur Belastung entwickeln. Manchmal, wenn mir das Thema nicht gefällt, sage ich auch ab.

Was ich aber ganz sicher nicht tun würde, wäre: Ein Barcamp. Ich wurde heute von einem federführenden Organisator zu so einer Veranstaltung sehr freundlich eingeladen, ich habe ebenso freundlich abgesagt, und vielleicht ist es ganz gut, das mal öffentlich zu diskutieren. Ich weiss, dass es nicht ganz fair ist, über etwas zu urteilen, was man nicht erlebt hat. Allerdings kenne ich “Barcamps” aus dem Bereich Kultur und Lesung, da heisst sowas “Open Mic” oder “Poetry Slam”. Auf deren Pfad sehe ich Barcamps, gerade in Deutschland. Und es ist kein guter Pfad.

Denn im Gegensatz zu den Blogs, wo jeder schreiben kann, was er will, hat sich die entsprechende Szene in meinen Augen verklumpt. Es gibt da zum Beispiel die Adabeis, die in Sachen Barcamp das Land abklappern und dann “zufällig” allerorten auch als Vortragende auftauchen. Weil sie die bei der Organisation der Tagesabläufe die nötige Durchschlagskraft und einen eklatanten Mangel an Einsicht in die eigenen Unzulänglichkeiten haben. Bezeichnenderweise tauchen diese Leute so gut wie nie auf, wenn es darum geht, grössere Konferenzen zum gleichen Thema zu organisieren. Es hat sich so eine Art “Barcamp-Adel” gebildet, der sich allein durch Gewohnheitsrechte und entsprechende Drängeleien definiert, und in gewissem Rahmen auch durch eine Art “Gefolgschaft”. Da setzt sich dann nicht unbedingt Qualität durch.

Qualität ist auch bei normalen Konferenzen oft genug ein Thema, von dem im Zusammenhang mit “Mangel” gesprochen werden muss. Das reicht von der klassischen Powerpointstöpselei Richtung Leinwand bis zur fehlenden Vorbereitung auf eine eventuelle Diskussion der eigenen Thesen. Manche Blogger, Professoren und Unternehmer sind im realen Leben langweilig, öde, können nicht vortragen und auf das Publikum eingehen. Das sind aber genau die Fälle, die nach ein paar Fehlschlägen draussen sind, weil sich so etwas rumspricht. Klassischerweise sitzen in jeder Konferenz Leute, die selbst etwas organisieren, und dann entscheiden, wen sie wollen, und wen nicht. Dieser flexible Erkenntnisprozess, der in ein effektives Qualitätsmanagement ohne allzu viele Aussetzer mündet, fehlt bei Barcamps weitgehend. Mit dem Ergebnis, dass der Gehalt so einer Veranstaltung von den Pfeifen und Gschaftlhubern runtergezogen wird. Man kennt als Vortragender die nervigen Coreferenten im Publikum, die keine Frage haben, sondern ein sexuelles Verhältnis mit ihrem Selbstwertgefühl: Für solche Leute sind Barcamps ideal.

In der Folge wird ein Barcamp Schwierigkeiten haben, die Qualität einer Konferenz zu erreichen. Zudem fehlt eine Komponente des Poetry Slam: Es gibt keinen Wettbewerb um Qualität, und keine Jury, die entsprechend Druck macht. Die dafür sorgt, dass die theoretischen Vorteile der Offenheit eines Barcamps nicht durch ihre praktischen Nachteile überwogen werden. Bleiben also die Zyniker, die sagen, dass sie eh nur wegen dem Socialisen hingehen, und die Vorträge egal sind: Kann man machen. Aber genau aus diesem Grund möchte ich dort nicht vortragen. Wenn man sich schon die Mühe macht, sollte das Publikum das Gebotene achten, und nicht nur als Drumherum für den Smalltalk auf dem Gang begreifen.

Allgemein wird über die hohe Zahl derer geklagt, die sich einfach nur anmelden, und dann doch nicht kommen. Das ist natürlich unschön, aber ich wage mal zu behaupten, dass es nur die Form der gleichen Beliebigkeit im Publikum ist, die so ein Barcamp ausmacht. Das bedeutet nicht, dass Pleitenkonferenzen wie die Web2.0 Expo in Berlin ausgeschlossen wären, und natürlich gibt es auch bei den horrend teuren Businesskonferenzen Vernastaltungen, die sich nicht lohnen. Aber wenn die kostenlosen Barcamps hier eine echte Konkurrenz sein wollen, müssen sie in Zukunft mässig regulativ eingreifen. Sonst werden sie mittelfristig der Web2.0-katzentisch derer, die es sonst nicht auf ein Poduim schaffen.

Und bevor die Beschimpfungen anfangen, fände ich es nett, wenn sich jeder Barcamper mal überlegen würde, ob meine Überlegungen nicht doch irgendwo ein klein wenig zutreffen.