Trigami, die Peinlichkeiten und die Loyalität im Web2.0
Das Paid Blogging im Kommen ist, kann wohl keiner abstreiten, und wenn der Markt nun belebt wird, werden vielleicht auch die Hardliner einsehen, dass nicht alles schlecht ist was bezahlt wird.
von hier, mit dem Hardliner bin wohl ich gemeint
Wäre ich ein Anteilseigner der Schweizer Trigami AG, die nach meiner Einschätzung der momentan führende Anbieter für Amateur-PR und gekaufte Gefälligkeitsberichte in Blogs sein dürfte, würde ich an diesem Wochenende ein paar Flaschen Wein aufmachen, und darin das Vergessen suchen. Denn während früher noch der Gründer Remo Uherek gerne Stellung zu all den Fehlschlägen und Problemen seiner Kunden vom unseriösen Jobportal über das Sektenhilfwerk bis zum Erotiktest bezog, herrscht momentan eher Schweigen. Vielleicht möchte Uherek, der sich gezwungen sah, einen minderjährigen Trigamiautoren wegen Verletzung der AGB auszuschliessen, einfach nur nicht darüber reden, dass es noch mehr derartige Fälle gibt – und das ausgerechnet bei den bekannteren, erklärten Fans für Trigami. Da ist beispielsweise der 15-jährige Y. E., der auf seiner Domain blog**** keinen Hehl aus seinem jugendlichen Alter macht, und der damit angibt, Trigami sechs neue Blogger zugeführt zu haben. E. hat einige Berichte für Trigami gechrieben, wie auch der 17-jährige S. C., und bei beiden fragt man sich,
a) wieso Trigami deren Alter übersehen konnte, obwohl es auf den Webseiten steht, und sich beide wiederholt zu Trigami geäussert haben
b) ob Trigami dort jetzt auch Konsequenzen zieht, oder so tut, als würde man das hier nicht mitbekommen und
c) wie zum Teufel soll das in Deutschland eigentlich versteuert werden, wenn es Einnahmen aus einem selbstständigen Gewerbe sind?
Das sind Probleme für Steuerrechtler, die uns hier erst interessieren müssen, wenn es dereinst bei einem Blogger Probleme gibt. Bis dahin stellen sich für mich aber ganz andere Fragen. Nämlich nach dem Verhältnis der Firma und ihren Bloggern. Im Fall des Erotikcamportals, das als das angeblich grösste seiner Art in Deutschland angepriesen wird, ist nämlich erneut ein Problem zu vermelden: Das Projekt, das so erfolgreich und bekannt sein will, taucht bei einer Recherche im Internet fast nur bei Verzeichnissen, Linkfarmen, fragwürdigen Forumseinträgen und ähnlich drittklassigen Quellen auf. Und wenn man die von Alexa gemessenen Besucherzahlen dieses kleine, ganz sicher nicht führende deutsche Blog mit der angeblich so wichtigen Seite aus dem wirklich grossen Erotikbereich vergleicht, nun, dann sieht es nicht gut aus, für den Trigami-Auftraggeber. Es scheint zumindest so, als hätte der Kunde da ein wenig gross getan in seiner Selbstbeschreibung. Eine wunderhübsche Stilblüte der Kundenkomunikation zwischen Trigami und den Bloggern findet sich auf eine Anfrage von Eliwagar:
“Es geht ja darum die Site zu testen. Wie du das machts oder, ob du dich miteinbeziehen willst (also nackich machst) ist deine Sache! Wenn du Bock darauf hast, wieso nicht?”
Doch wie Elewagar beschreibt, wurde aus der Sache nichts: Sie wurde abgelehnt und mutmasst nun, dass “der Anbieter sicherlich darauf hofft, durch sein Angebot an sich genug ins Gespräch zu kommen.” Bei Eliwagar findet sich übrigens noch ein anderer reizender Kunde von Trigami, der verlangte, dass man nach der Rezension etwas bei ihm bestellen und natürlich auch bezahlen sollte. Bitte inclusive des Kommentars lesen, das Ding ist Realsatire und zeigt ziemlich schön, wie Trigami und ihre Firmenkunden die Autoren betrachten.
Und jetzt? Zweierlei. Es gibt einen neuen Anbieter für gekaufte Blog-PR. Der hat sich bei Trigami bei Idee und Umsetzung so bedient, wie sich Trigami schon beim amerikanischen Vorbild Reviewme Inspirationen *hust* geholt hat. Prompt haben sich inzwischen fast 100 Blogger, mutmasslich meist alte Trigami-Autoren, beim neuen Dienst angemeldet. Und viele schreiben fleissig darüber in ihren Blogs, obwohl bislang nicht bekannt ist, ob die dahinter stehende Firma Travix GmbH – nun, wie soll ich sagen… schaut mal, es ist so: Es zeugt nicht gerade von Internetkompetenz, wenn bei den Referenzen wie folgt beschrieben wird:
WM-Tipp.de – Formel 1 Hier gehen Sie ins Rennen! Tippen Sie auf die besten Fahrer je Rennwochenende oder einfach nur den Formel1-Weltmeister 2005!
Und die Website selbst, wir schreiben November 2007 und Ferrari hat längst die Titel, verkündet:
Am 18. März 2007 ist es wieder soweit. Die Formel1-Saison 2007 startet mit dem 1. Rennen in Melbourne.
Trotzdem freuen sich auch erfahren Trigamiautoren nach den diversen Missgeschicken und Pannen über die Konkurrenz für Trigami. Das andere Problem für Trigami erklärt sich aus dem Vorgehen von Google gegen deren Autoren. Google hatte in zwei Wellen Trigamiteilnehmer massiv abgestraft – wegen des Handels mit bezahlten Links. Das Geschrei bei den Betroffenen war gross, man überlegte, Google auszusperren und Alternativen zu finden – aber wie sich jetzt zeigt, geht es auch anders: Mit einer Trennung von Trigami, dem Löschen sämtlicher Auftragsarbeiten und einer kleinen Selbstbezichtigung, gern im Stil der Widerrufe in Ketzerprozessen, ist der allmächtige Grossinquisitor Google bereit, die verirrten Schafe wieder aufzunehmen. Kurz, Google stellt die Trigamiautoren vor die Wahl: Entweder weiter die Suchmaschinen mit gekauften Texten und Links zumüllen – oder von Google gemocht zu werden.
Beide Verhaltensweisen, das Ãœberlaufen und das Zurücknehmen, sagen viel über die Loyalität im Web2.0 aus: Es gibt sie nicht. Was es gibt, sind wechselnde Zusammenschlüsse: Trigami ignoriert das Alter seiner Schreiber, und beendet das Verhältnis, wenn es auffliegt. Trigamiautoren verteidigen die Firma und attackieren Kritiker – wie meine Wenigkeit – als Fundis, Gutblogger und ähnliches, und wenn die andere Firma bessere Aufträge bietet, werden sie genauso diese Firma verteidigen – solange sie bezahlt werden. Es sind Söldner auf eigene Rechnung, sie lassen sich von jedem kaufen, der ihnen Geld gibt, ihre Loyalität wechselt, weil sie nur eine echte Loyalität haben: Zu sich selbst. Und natürlich sind sie enttäuscht, wenn sie feststellen, dass Trigami teilweise höchst unerfreuliche Kunden anschleppt. Trigami, deren halbseidene Kunden und die devoten PR-Dienstleister: Da bekommt jeder, was er verdient. Und Google macht den Sach zu und haut drauf ein.
Und ich finde es höchst amüsant. (Und sicher wird wieder einer der hofft, der Deutschlandvertriebler von Trigami zu werden, rumquäken. Heult doch!)
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Die immerwährenden Wahrheiten “wes Brot ich eß´, des Lied ich ich sing´” bzw. “erst kommt das Fressen, dann die Moral” werden selbst im Web 20.0 nicht ihre Gültigkeit verlieren.
Insofern business as usual.
Ich hab mal zwei Sachen für die geschrieben. Spätestens mit dem Sektengedöns wurds mir dann aber zuviel und ich hab mich abgemeldet. Als die Google-Geschichte hochkam, hab ich ein paar Trigami-Links, die mir spontan auffielen, auf NoFollow gesetzt (was ich von Anfang an hätte tun sollen, ärgerlich). Meinen Pagerank habe ich im Zuge dessen etwas genauer beobachtet. Er ist zunächst von vier auf zwei und schließlich auf null gefallen.
Dann bin ich ausgestiegen aus der Beobachtung. Es könnt mir nichts egaler. sein. Mein, wenn’s die von Google halt nachtragend sein wolle – sollnse doch. Ich werd nichts revidieren.
[…] Trigami, die Peinlichkeiten und die Loyalität im Web2.0 […]
Nach einem kritischen Artikel über Trigami erhielt einen Trackback eines Trigami-Schreibers, den ich geärgert hatte, weil ich in diesem Zusammenhang von jugendlicher Naivität geschrieben hatte.
Derjenige hat dann offensichtlich in einer Art Trotzreaktion – es gab mehrere kritische Blogbeiträge – eine Rezension geschrieben über eine Umfrageseite. Die besprochene Seite eröffnet dem Betreiber umfangreiche Möglichkeiten des Data Mining, da die Besucher massiv persönliche Einstellungen und Vorlieben offenbaren. Das war aber für den Rezensenten kein großes Problem. Er schrieb vornehmlich über Details der Handhabung der Seite.
Ich bin etwas ratlos zurückgeblieben.
Das hat seine Ursache in der “Auftragsbeschreibung”, in der die Firmen detaillierte Vorgaben machen können, über was geschrieben werden soll. Also in etwa: “Schreiben Sie was über die Schönheit des Kontrollstandes unserer Atomkraftwerks und die Nennleistung”. Da kommt dann sowas bei raus. Und wer sich nicht daran hält, kann schaun, ob ihn ein anderer Kunde noch will.
Mhhh mir gab Google den PR zurück ohne Löschen von Beiträgen von Trigami. Ich hab nur auf nofollow gestellt, damit war’s erledigt.
“Loyalität im Web2.0” ?
Die Trademark “Web 2.0.” ging mir schon immer hinten vorbei, aber es scheint ein Update auf Web 2.0.8.15 angezeigt zu sein. Der Bullshit, den die Trittbrettfahrer produzieren, ist so relevant wie “Man lebt nur einmal” – Angebote. Ärgerlich, raumgreifend, aber IRRELEVANT. Das kann man aussitzen. Auf lange Sicht setzt sich nur Qualität durch, gegen die keine Quantität anstinken kann. Eine dieser Qualitäten ist durchaus Solidarität. Dreh’ den Spieß um: Wo sich Solidarität findet, ist Qualität meist nicht weit.
als spammer gebrandmarkt. heil husten
wieso geht der jetzt?
@Conny
Das habe ich auch auf anderen Blogs gelesen, nofollow sollte reichen. Das Zumüllen der SERPs sehe ich im Grunde nicht so, da es ja alles “Rezensionen” sind. Die gab es früher doch auch über Bücher, Videos, usw. Problem ist einfach die Käuflichkeit der Blogger, viele schreiben halt zu positiv. Das mit den Nachwuchsbloggern ist mir besonders bei Y.E. aufgefallen. Er ist ja erst jetzt überhaupt dabei ein Gewerbe anzumelden…
na, mal schauen wann folgender Absatz aus kürzlichem Spiegel-Artikel hier kommentiert wird:
“Wie schon bei der ersten Dotcom-Welle steht eine Marktkonsolidierung an. […] Nur die sattelfesten Unternehmen würden den überleben. […] Das Beispiel StudiVZ mit seinen vier Millionen Mitgliedern zeigt indessen, dass auch Klone gar nicht schlecht im Rennen liegen müssen.”
@Marc
…ich würde mal sagen, dass da beim SPIEGEL einige Journalisten-Klone rumlaufen, die es auch nach dem fünfzigsten Mal nicht begreifen, dass sie die User-Zahlen nicht einfach ungeprüft aus den Eigendarstellungen der betreffenden “Start-ups” übernehmen dürfen. Auch nachhaltige freundschaftliche Ratschläge aus der blogosphäre scheinen da nix zu helfen (erinnere mich, dass der SPIEGEL schon im letzten Jahr in der Print-Ausgabe einen großen Artikel plus Interviews zu Web2.0 hatte, auch da haben sie sich alle Angaben von myspacy und Co. betreffend User-Zahlen ohne jegliche eigene Recherche zu eigen gemacht). Schon damals hier heftig an der blogbar gerügt!
“Bei Eliwagar findet sich übrigens noch ein anderer reizender Kunde von Trigami, der verlangte, dass man nach der Rezension etwas bei ihm bestellen und natürlich auch bezahlen sollte.”
Mittlerweile ist der Link nicht mehr erreichbar, bzw er fordert einen Usernamen und ein Passwort. Oder spinnt der Rechner hier? ^^
Eliwagar mag wohl die Popularität durch die blogbar nicht. Gewerbliche Rezensionen, ohne Impressum. Übrigens ist sowas eine Nebentätigkeit, der der Arbeitgeber zustimmen muss.
Wieso bei #11 Marc, und nicht korrekterweise “.peter” steht, ist mir ein absolutes Rätsel.
@Urs
Jo, oder eine weitere Erinnerung: Spiegels Gesabbere um Second Life.
Aber völlig inkompetent ist die Spiegel-Mannschaft eigentlich nicht, von daher … ist der zitierte Artikel eigentlich eher die Ausnahme, finde ich.
Es scheint da ein Problem mit Marions K*chbuch zu geben – darf ich also um etwas Zurückhaltung bitten…
@12, Urs
So gelogen scheinen die Zahlen von StudiVZ aber nicht zu sein, es sei denn, die belügen auch die ivw.
Da werden für 10/07 138.608.381 Visits und 4.471.332.528 PIs gezählt, mit einer PI-Steigerungsrate von 21,97% gegenüber September. – Allerdings ist davon nur 0,64% redaktioneller Content.
Damit sind die bei der ivw tatsächlich eines der größten Angebote in DE. Auf Platz 4 bei den PIs und sogar auf Platz 1 bei den Visits.
Lang lebe der Herdentrieb … :-(
Mit Alexa würde ich nicht argumentieren, da die Zahlen aus verschiedenen Gründen nicht repräsentativ sind. Fragt doch mal einen Durchschnittssurfer was Alexa ist.
Ihr kriegt als Antwort: Klar, kenn ich. Das neue Kaufhaus am Alex in Berlin.
[Editiert. Offensichtlich hat der mit Trigami geschäftlich verbundene Alexander Trust aus Aachen von einem Account der RTHW-Aachen aus (IP: 134.130.246.*** , 6-***.vpn.RWTH-Aachen.DE) versucht, Spam abzuladen. Schon lustig, für was Studenten heute den Uniaccount missbrauchen. Don.]
Na wenn das VZ solche grandiose Zahlen hat, dann bin ich aber gespannt ob da irgendwann auch mal sowas wie “Gewinn” rausspringt.
Wenn nicht das VZ mit solchen Zugriffszahlen, wer dann? Dann muss das Ergebnis doch lauten, dass die einzigen Seiten die Geld bringen immernoch Online-Shops sind PUNKT (… und sonst nichts!)
Maternus Lied gilt immer noch. Für mich war deshalb jegliche Kooperation mit Trigami indiskutabel. Und die *ähm* mangelnde Vorschau, mit der sich Trigami angesichts der Ankündigungen von Google und Matt Cutts, in weiten Bereichen ins Aus geschossen hat (bzw. deren Blogger) ist schon wirklich erstaunlich…
offen gesagt verstehe ich den ganzen heck mäck nicht ganz. alle tun so als ob das alles ganz neu ist!
jede, nun gut fast jede, hat einen promo teil (meist wohnen und garten) wo gute anzeigenkunden auch schon mal einen artikel beckommen. das ganze ist sauber getrennt vom redaktionellen teil und gekenzeichnet.
ist nun google so blöde damit umzugehen ist das ein problem von google.
wertet google ganze seiten ab? auch gut!
die dürfen mit ihrem eigentum machen was sie wollen!
diese ganze moraldiskussion über gekaufte links, ist für mich allerdings nicht nachzuvollziehen.