Das asoziale Netz am Beispiel von Qype
Stellt Euch vor: Ihr geht ab und zu in einen Laden, kauft dort ein, und sorgt dafür, dass dort der Umsatz brummt. Der Laden gibt sich viel Mühe, Euch als besondere Kunden zu bewerben, ihr seid mehr als Kommerzvieh, sagen sie, sondern eine Gemeinschaft, also tretet ihr quasi einem Konsum-Club bei, dessen Chefs natürlich auch wissen, wie ihr ausseht. Weil er nämlich nette Bilder von Euch hat.
Und dann stellt Ihr fest, dass der Club andere Leute werben will, und dafür eine Broschüre druckt, und die bei einem Kooperationspartner verteilt. Dort wird ein dämliches Gewinnspiel angeboten – jeder 25 Einkäufer bekommt ein Geschenk – und daneben drucken sie Eure Gesichter ab, mit der Ãœberschrift “Wir sind schon drin”. Ihr seid mit Eurem Gesicht Teil der Werbebotschaft.
Wäre nicht nett, oder? Aber das Hamburger Lokalportal Qype, das einerseits für Inhalte nicht verantwortlich sein will, macht gerade mit den Profilbildern seiner Nutzer nichts anderes. Qype hat nämlich beim Studentennetzwerk StudiVZ Werbung geschaltet, und wenn man draufklickt, landet man auf dieser Seite:
http://www.qype.com/studivz/
Qype wirbt dort also mit den Bildern seiner Nutzer. Nicht mit den tollen Locations, die besprochen werden, sondern mit den Profilbildern. Man darf dort nicht nur ohne Entlohnung Inhalte schreiben, für die man sich, wenn jemand abmahnt, selbst verantworten muss, sondern auch noch die Nutzungsrechte für das eigene Bild an Qype abtreten, die es wie oben entsprechend für Werbung nutzen. Neben den tollen Kinogutscheinen. Dass sie das dürfen, steht so lala ja auch in den AGB von Qype:
a) Mit dem Einstellen von Inhalten (Bewertungen) und/oder mit der Übertragung Ihres Fotos räumen Sie Qype an diesen Inhalten sowie an dem übertragenen Foto das zeitlich und räumlich unbeschränkte, nicht exklusive Recht ein, die Inhalte und das Foto zusammen mit dem von Ihnen gewählten Benutzernamen zu nutzen.
b) Qype ist unter Wahrung des Urheberpersönlichkeitsrechts und Ihres Persönlichkeitsrechts insbesondere berechtigt, Ihre Bewertungen und das Foto im Rahmen des Qype-Dienstes zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich zugänglich zu machen und auf Abruf zur Verfügung zu stellen (Online-, Zugriffs-, und Übertragungsrecht) sowie zu archivieren und in Datenbanken aufzunehmen.
Also schön weiter das eigene Gesicht für Qype bereithalten. Der nette Herr Uhrenbacher tut nichts illegales. Der war früher ja auch der Director Produkt und Programm vom bekannt hochanständigen Portal Bild.T-online. So eine Werbung bei StudiVZ kostet auch Geld, da ist es prima, wenn man die Werbemittel aus der Community kostenlos abzapft. Ist ja auch alles nur online. Da lässt man sich schon mal Dinge gefallen, für die andernorts die Abmahnung kommen könnte.
Soziales Netz. Oder so.
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… und damit die welt nicht ganz so asozial bleibt, gründet die ehemalige community-managerin von qype nun weltretter(punkt)org.
schlechtes gewissen gehabt? ;-)
… und einen jetzigen Community Manager, der gegen Vorratsdatenspeicherung ist.
Und ich gehe sicherlich recht in der Annahme, dass diese Leute nicht vorher gefragt worden sind und deswegen auch nicht extra in die Verwendung ihrer Bilder eingewilligt haben? Dabei wäre das vermutlich noch nicht einmal ein Problem – schätze, etliche Leute wären bereit, ihren Kopf für sowas hinzuhalten (auch wenn mir persönlich das unverständlich ist).
Die Bilder rotieren durch. Das heisst, es sind nicht immer die gleichen.
Eingewilligt haben sie mit der Anmeldung und dem Akzeptieren der AGB. Die sind so weit gefasst, dass es geht.
Bei mir sind’s bislang immer die gleichen. Manche haben aber Comicfiguren oder sogar eine Maggi-Tüte anstelle eines Profilbilds. Ob diese User wohl die Rechte an diesen Bildern besitzen?
Nun, es ist so: Die oben in Kommentar 1 angesprochene Communitymanagerin Anne W. selbst hat ein Bild, das in dieser Hinsicht problematisch ist. Aber das ist kein Problem des ehrenwerten Herrn Uhrenbacher. Steht ja in den AGB, das ist Sache der Nutzer. Aber ich habe das jetzt etwas länger beobachtet, und doch: Es wechselt. Nicht sofort, aber nach einer Weile.
Vielleicht solltest du deinen Nick in Don Quichote ändern ;)
Es ist doch so: es gibt seriös und es gibt das, was bei vielen, vielleicht sogar 95% der Web2.0-user-generated-mashup-network-communities abgeht. Dass es da Grauzonen gibt, auch bewusste Übertretungen, klar soweit.
Aber meinst du nicht, dass letztlich der Markt das regeln wird? Ich meine, schau dir den Müll an von den Plattformen, die du hier des öfteren an den Pranger stellst. Die bieten letztlich keinen Mehrwert. Irrelevante Informationen auf irrelevanten Seiten von irrelevanten Leuten. In wenigen Monaten sind die sowieso tot. Es gibt ein paar Schwergewichte, die als Plattform (sic!) sinnvoll sind und die als einzige Masse und Spezailisierung, daher auch gewisse Relevanz gleichzeitig bieten können.
Und es wird bei einem “minimale-Grenzkosten-Sandkasten” immer eine riesige Trash-Area geben, auf der sich die Quypes etc. dieser Welt tummeln – und in denen sich die Idioten jeder Generation nur allzu willig einspannen lassen werden. Mit denen und ihren “Informationen” lässt sich aber kein Geld machen.
Ich habe (und tu es noch) mich auch ständig aufgeregt, über Startups, Communities etc. pp. Irreführende Werbung, die “gewonnen haben” wörtlich verspricht und nicht hält, die ganze Breitseite eben. Aber man schafft es nichtmal, Bewusstsein zu erzeugen, selbst nicht mit einer Reichweite wie du sie hast – denn die Leser deines Blogs sind nicht diejenigen, die mangels Kompetenz zur Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit an die Hand genommen werden müssen. Die zu Rettenden sind nämlich schon auf Qyipe unterwegs ;)
Du hast sicher irgendwo recht, aber dass StudiVZ heute nicht mehr das schicke, schnieke Must-have ist, wo jeder seine Daten reinknallt, hat fundamental was mit den wenigen Bloggern zu tun, die das alles aufgewirbelt haben. Dass so viele dennoch mitlatschen auf dem Weg der Deppen, ist für mich weniger schlimm als die geringe Zahl derer, die sich engagieren. man kann Leute dazu bringen, sich sowas zu überlegen, man kann Gründer unter Druck setzen, aber die, die es tun, wachsen nicht auf Bäumen. Schau Dir mal BWL2Null, Deutsche-Startups und wie sie alle heissen an. Das sind die vielen.
Und da muss man was tun. Ich würde krepieren, wenn ich nichts tun würde.
Boah, wie ich solche Kommentare liebe:
Wer offene Kritik und Information als Affront gegen “den Markt” begreift, glaubt vermutlich noch an den Osterhasen.
Wie auch immer: Die Nutzung von Nutzerbildern für aggressive Internet-Werbung dürfte ziemlich locker unter den AGB-Vorbehalt “überraschender Regelungen” fallen, welche den Nutzer einseitig und unangemessen benachteiligen – und insofern nicht statthaft sind.
Anders gesagt: Wäre ich ein Betroffener, würde ich an Qype eine Rechnung schicken.
Da spricht der wahre Idealist. Hut ab, ehrlich.
Passt schon. Ich tue es ja für mich. Ich mein:
http://blogbar.de/archiv/2008/02/15/studivz-verschickt-abmahnung-an-studi-mit-erstivz/
Wollte #9 nur mal unterstreichen. Diese AGBs dürften, soweit sie eine kommerzielle Nutzung der Fotos der User für Werbung beinhalten, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten.
Abmahnen können sowas übrigens nicht nur betroffene User, sondern auch etwaige Konkurrenz von qype. Weil es das ist, was die Juristen “Vorsprung durch Rechtsbruch” nennen, und das ist wettbewerbsrechtlich verboten.
Gibt es auch offline. Ein Familienmitglied ließ Fotos von sich machen und sah sich ein wenig später in Leipzig an einem öffentlichen Bus kleben. Da staunt man dann auch nicht schlecht.
Gibt übrigens richtig Geld. Ein Foto von meinem Bruder ist mal “aus Versehen” in der Broschüre einer Kommune verwendet worden. Er hat im Vergleichsweg 1.500 Euro von denen bekommen!
Was ich daran echt mal wieder nicht verstehe: Man kann so eine Kampagne doch bestimmt auch sehr erfolgreich ohne solche Ferkeleien durchführen. Und ich bin sicher, dass man so ein Portal auch ohne reißerische AGBs ganz gut betreiben kann. Warum also müssen sie immer so treffsicher dahin gehen, wo es weh tut?
Die sind deshalb so treffsicher, weil sie einen Giganten in der Hinterhand haben. Deren Juristen warten doch nur, dass jemand es wagt, sie abzumahnen. Das ist der Unterschied : Kleine Webseitenbetreiber können sich das nicht leisten, Holtzbrinck, Bertelsmann&Co schon. Das ist die pure Marktmacht, die das regelt. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es noch Leute gibt, die der Meinung sind, dass der Markt selbst irgendwas zum positiven hin verändert. Ohne Kritik merkt es noch nicht mal jemand, was da tagtäglich abläuft. Das hat nicht so viel mit Idealismus zu tun, sondern vielmehr mit wachem Verstand und der wichtigen Überzeugung, aufklären zu können.
@Kodix (16)
In dem Punkt ist die Regelung in den USA echt besser: Über die enormen Summen, die große Unternehmen im Falle von Rechtsverletzungen über punitive damage zahlen müssen, überlegen die sich viel eher, ob sie sich einen Rechtsbruch leisten können oder nicht.
@Urs Schäuble
Nun, eigentlich gute Idee – es hängt aber m.E. sehr davon ab, wie die Regelungen ausgestaltet sind, zum Beispiel, wann genau etwas als Rechtsverletzung gilt. Die Ãœberkompensation eines vermeintlichen oder echten Schadens ruft Sykophanten auf den Plan, was weder dem Recht, noch der Allgemeinheit nutzt.
Ein Beispiel dafür ist der ineffiziente Gesundheitsmarkt in den USA, eine einzigartige Mischung aus “Markt” (nur mit dem Witz, dass in den USA die Krankenkassen im Schnitt 30% der Gelder in der Verwaltung versickern lassen) und “Gesetz”, wobei ebendiese gesetzlichen Regelungen zum Schadensersatz rund 15% der wuchernden amerikanischne Gesundheitskosten bedingen, eben weil Sykophanten, u.a. hochspezialisierte Rechtsagenturen, diese Gesetzeslage zum Abzocken von Ärzten und Krankenhäusern nutzen (“Suppe zu heiß” u.ä.). Der Behandlungsqualität bringt das hingegen nicht viel.
Mein Argument in kompakter Form: Hochgeschraubte Schadensersatzansprüche haben i.d.R. eine kontraproduktive Wirkung.
Im Fall der Ausbeuter-AGB von Quipe würde ich mich über Abmahnungen durch die Verbraucher-Zentralen freuen. Ich denke, Fairness muss in manche “Web2.0-Unternehmer” auf dem Rechtsweg reingeprügelt werden.
@Don
Dass die nutzerverachtenden AGB von StudiVZ im Moment von den Verbraucherzentralen ins Feuer genommen werden, wäre eine Meldung wert.
Ich könnte mir ja noch andere Strafen für so Vereine wie qype oder das VZ vorstellen: Z. B. festgestellte datenschutzmäßige Verstöße unmittelbar auf der eigenen Home veröffentlichen zu müssen. Oder “Strafzeiten”, in denen die Site abgeschaltet werden muss. Sowas würde als Abschreckung sofort wirken. Bräuchte man nur einen etwas kreativeren Gesetzgeber…
@Urs Schäuble
Stimmt; gute Vorschläge von Dir. Mit dem neoliberalierten Gesetzgeber von heute, der herzlich gerne auf “Selbstregulation der Wirtschaft” setzt (und zwar exakt dort, wo das übel funktioniert), wird das aber wohl nichts. Da muss es erst einmal zu einem gründlichenren Umdenken kommen, und zur Bereitschaft, sich Problemen auf der Mikroebene zu stellen.
(bekloppterweise ist im Justizministerium meines Wissens in vielen Bereichen dafür Bereitschaft da – das wird aber von oben ausgebremst, denn man will “der Wirtschaft” ja nicht schaden usw. usf.)