Es saugt oder über den Umgang mit fragenden Bloggern
Wenn ich etwas nicht weiss, frage ich nach. Das klappt im Journalismus normalerweise reibungslos, da ist fast immer einer, der einem Antworten gibt. Die sind oft gelogen und aufgesext, aber das ist das Spiel, und ich kann mittels Recherche dagegen halten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, reagieren Firmen in der regel innerhalb von 24 Stunden auf Anfragen. Nur wenn sie mauern, muss man bohren. Die meisten wissen aber, dass man es sich besser nicht mit Journalisten verscherzt – allein schon, weil sie ohne Antworten oft einfach schreiben, was sie denken. Ãœberhaupt sind nachfragende Journalisten nicht allzu oft anzutreffen.
Wenn ich als Blogger etwas nicht weiss, frage ich als Blogger nach. Also ohne Medium im Hintergrund, aber mit zwei fein laufenden Blogs und durchaus vorzeigbarer Leserschaft. Weil es ehrlich ist, und sich das Ausweichen auf meinen Status als Journalist nicht mit meiner Auffassung des Berufes verträgt. Und dann mache ich ganz andere Erfahungen. In aller Regel bekomme ich keine Antworten. Ich habe mehrfach Leute bei StudiVZ mit Mails befragt, ich habe mich an den Pressesprecher von Stern gewandt und die aktuelle Geschichte über Datum um einen Tag rausgezögert, weil ich ein paar Fragen hatte. Ich frage höflich und direkt, aber es hilft nichts. Sie nehmen einen als Blogger einfach nicht ernst. Gerade läuft eine Anfrage bei einer Zeitung, die erheblichen Einfluss haben kann, ob eine Sache demnächst juristisch eskaliert, und sie hätten die Sache an sich innerhalb von ein paar Stunden klären können – keine Antwort. Ein Startup-Gimpl hat sich meine Privatadresse für Spampost gegriffen – auf meine Frage, was das soll, warte ich immer noch auf eine Erklärung. So läuft das bei Medienkonzernen, Zeitungen, Startups, internetaffinen Firmen. Nervende Blogger? Wird erst mal weggedrückt.
Dafür gibt es dann vermehrt Meckerfritzen, die weder lesen können noch Ahnung haben, und owohl sie es nicht wissen, auf Fragen verzichten. Das ist nun mal das Spiel: Wenn die andere Seite mauert, setzt man sie mit dem, was man hat, publizistisch unter Druck. Vielleicht kommt ja doch noch was. Wäre ja noch schöner, wenn die andere Seite, die man hören will, unangenehme Themen mit Schweigen wegdrücken könnte. Als ich bei StudiVZ den damals nicht benannten Datenschutzbeauftragten befragen wollte, kam auch keine Antwort. Dann bringt man das eben. Irgendwann fühlen sie den Schmerz, dass sie in der Nacht Leute anrufen und sie um die Telefonnummer des Bloggers anbetteln. Dann wollen sie reden. Keine Sekunde früher. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig grob, aber nirgendwo steht geschrieben, dass Journalismus und/oder Bloggen immer gegenseitiges Bussischmatzen im Marler Remix ist.
Die klassische Ausrede, wenn dann die Luft erst mal brennt, ist dann immer die gleiche: “Wir haben die Mail nicht erhalten”, gefolgt vom vorwurfsvollen “Vielleicht könnten Sie uns das nächste Mal direkt anrufen, dann kann das nicht passieren”. Sowas wird nämlich niemals nicht gemacht, das ist nie Absicht, das ist immer nur passiert, blöder Blogger mit seinen doofen Mails, der. Wieso kann der nicht einfach den Mund halten. Ãœberhaupt Blogger, die Amateure, was wollen die überhaupt. Muss man echt nicht mit reden, mit denen.
Man kann das so nicht pauschalisieren. Es gibt eine Menge Firmen, die sicher begeistert wären, würden sich Blogger positiv für sie interessieren. Nicht umsonst erfreuen sich Blogger mit freundlichen Tests seit über einem Jahr grosser Beliebtheit. Und es muss nicht immer an dem liegen, den man sprechen will, es kann auch das Vorzimmer sein. Gleichzeitig neigen viele Blogger – wie auch Journalisten – zum unreflektierten Abschreiben und vorschnellen Bewerten, insofern ist die bei Medien weit verbreitete Skepsis gegenüber Bloggern und bloggenden Journalisten nicht vollkommen unbegründet. Aber immer dann, wenn man die Kollegen mit kritischen Fragen konfrontiert, sind es gerade die Medienleute, die die Kommunikation ablehnen. Sie reagieren fast nur auf Druck.
Und im nächsten Beitrag über das Internet wird dann wieder vor der mangelnden Seriosität der Blogger gewarnt. Nachdem ich das ganze schon 2000/1 in Sachen p2p und mp3 erlebt habe, von 2001 bis 2004 bei Dotcontod und ab 2003 dann auch bei den Blogs, erlaube ich mir zu sagen: In den letzten sieben Jahren hat sich da meines Erachtens wenig bis nichts geändert. Firmen und Ansprechpartner bekamen Emailadressen, Websites, Flash und jetzt auch noch Web2.0, aber die Kommunikationsbereitschaft jenseits der klassischen Strukturen des gewöhnlichen Journalismus ist nicht mal in Ansätzen entwickelt. Auf einen Nio Lumma, der seinem Mann steht, kommen Kohorten von Edelmanern, die glauben, sie könnten alles schönreden oder kaufen oder verheimlichen. Sei es, weil Blogger vor allem als billige Werbeträger gesehen werden, die für einen iPod jeden Scheiss machen, sei es, weil man glaubt, die kritische Ecke würde schon irgendwann wieder verschwinden. Meines Erachtens werden sie es nur lernen, wie sie es auch schon beim Journalismus beginnend bei Aretino gelent haben: Auf die harte Tour. Il faut cultiver notre jardin.
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Das entspricht meinen Erfahrungen. Wobei bei web2.0-Start-ups ja sogar vorrausgesetzt werden muss, dass sie blogs und die mögliche Gruppendynamik kennen. In dem Bereich, in dem ich mich bewege fallen die dann immer vom Stuhl, wenn sie auf die Artikel von Dritten oder durch google hingewiesen werden. Das mit dem “Anrufen” hatte ich auch ein paar Mal. Ich weiss nicht welche Idee dahinter steckt, vielleicht sowas wie: Ist nur ein netter aber verwirrter blogger, den können wir sicher bequatschen oder wenn es nicht spurt auch bedrohen.
Viele Firmen, die sich schon länger im Internet tummeln werden per Email mit Spam zugeschüttet. Die Spamerkennung ist nicht perfekt, weshalb es schon mal zu “false-positives” kommt, speziell bei neuen/unbekannten Absendern, die noch keine Chance hatten, in eine wie auch immer geartete “white-list” reinzukommen.
Sicherer (für eine erste Kontaktaufnahme) sind da in der Tat Telefon oder die oft angebotenen Kontaktformulare.
Damit umgeht man die Gefahr im Spam-Filter zu landen und auch, dass der Empfänger sich einfach nur damit herausreden will, dass die Email im Spamfilter gelandet sei …
Man kann das natürlich auch ignorieren, damit man hinterher was zum meckern hat.
In den Fällen, um die es geht, kann man schon davon ausgehen, dass sie es begreifen – da steht nämlich eine sehr förmliche, umfassende Betreffzeile drüber a la “Interviewanfrage an Redaktionsleitung wegen mutmasslicher Urheberrechtsverletzung im Fall XY”. Und die Erfahrung zeigt, dass man als Journalist diese Probleme beim gleichen Intro in der Regel nicht hat.
Die übliche Antwort am telefon lautet dann übrigens “Wir melden uns gleich wieder” und dann “Der Herr sounso hat es hun-dert-mal versucht, aber Sie sind nicht rangegangen, und jetzt ist er schon gegangen und morgen in einer besprechung und bis Montag dann erst mal in Urlaub, tja, wenn Sie nicht rangehen…”. Ist ja nicht so, dass man es nicht auch ab und an probieren würde. Als kleiner Blogger.
Der Pöbel soll sich gefälligst raushalten, wenn die großen Kommunikatoren communionizieren!
Der Eindruck, dass Blogger für einen iPod jeden Scheiß mitmachen – billig zu kaufen sind – haben wir ja vor allem den Nerdcore-Renes und Spreeblick-Maltes zu verdanken.
(Auch wenn sich letzterer vor allem [editiert. Sorr, aber sowas geht dann doch etwas zu weit. das hier ist nicht das Blog von Stefan Niggemeier oder Spreeblick. Don])
ich warte noch immer auf eine e-mail antwort von einer ör-sendeanstalt, ob die erstens einen meiner beiträge von einer firma haben scannen lassen und zweitens, wenn ja, warum eine ör-anstalt private blogger “überwachen” lässt.
besagte scanfirma meldete sich auf meine anfrage:”..Leider können wir Ihnen keine näheren Informationen geben, da wir zur Geheimhaltung unserer Kundendaten verpflichtet sind…”
die email scheint aber bei der ör-anstalt angekommen zu sein, denn an dem versendetag waren viele zugriffe mit erkennbaren ips.
aber ich denke, ich kann noch weitere 100 jahre auf eine antwort warten.
blogger brauchen geduld..
Ich muss sagen, dass ich bisher mit meinen Anfragen zu rund zwei Dritteln erfolgreich war. Sprich: Die Pressesprecher/Offiziellen die sich nicht gemeldet haben sind deutlich in der Minderheit.
Also ich hab durchweg positive Erfahrungen, bis auf einzelne wenige Ausnahmen, welche eine Unternehmenspolitik fahren, die Online-Medien ausschliesst.
Zum Thema:
Der fragende Blogger
Mailt ein Blogger mal herum,
will was wissen, stellt sich dumm,
denkt das Mailsekretariat,
daß es schon g’nug Arbeit hat.
Ruft der Blogger danach an,
läßt nicht locker – cool der Mann! –
bringt die Telefonanlage
Musik und Mailboxansage.
Läßt der Blogger noch nicht locker,
rückt er an mit einem Hocker,
pflanzt sich vor die Chefetagen –
doch dann wird er weggetragen.
Darum, liebes Bloggerlein,
laß das Fragen einfach sein!
Blog Dein Zeug und glaube mir,
wer lang fragt, geht lange irr.
Konrad Fischer
sollen das fürn versmars sein?
10./Supatyp: Vierhebiger Jambus. War bei Goethe sehr beliebt.
muß da nich die Silbenanzahl immer gleich sein pro Zeile, Herr Eckermann?
Saubär neidappt – unter Literaturkritiker geraten!
Egal – gleich noch eins druff:
Wer dichtet und denkt,
Gedanken verschenkt.
Wer denkt und dichtet,
auf Kritik gern verzichtet.
Konrad Fischer
Verlegenheitspoet ;-)
PS:
Dichten nur nach Silbenzahl
ist – formell geseh’n – ‘ne Qual.
Vielleicht ist’s ja ein Stilmerkmal?
@11./supatyp: nein, muss es nicht. Es kommt immer drauf an, welche Form man wählt. siehe z.B. hier http://de.wikipedia.org/wiki/Jambus >> sog. Alexandriner
Aba, aba, Eckamann,
die vier heben doch trochäisch an.
Danke Dir, Titania,
Solche Prosa – wunderbar!
Konrad Fischer
Silbenmischer
[…] Sprach Lauritius hier. […]
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War ja nur eine Frage der Zeit, dass sich an der Blogbar auch ein Blogbarde einfindet und ein Versmaß zuviel zu sich nimmt.
Nacht die Damen und Herren.
PS: “[…] die gängigen HTML-Befehle können zur Formatierung der eMail verwendet werden.”
Wie darf man das denn verstehen?
Also, die Leute der Sonntagszeitung in der Schweiz, die sich demnächst neben anderen Lügenverbreitern ein paar Probleme einfangen werden, haben sich auch nach zwei Tagen nicht gerührt. Vermutlich reagieren manche wirklich nur, wenn die Bitte um Antworten durch einen Anwalt nachgeholfen wird.
Journalisten stellen Fragen? Ich hatte hier dieser Tage ne E-Mail der Form. “Wir würden gern was über Euch schreiben, meldet Euch mal.”
Mal abgesehen vom spontanen Duzen, erwartete derjenige wohl, daß man ihm einen fertigen Artikel liefert, denn er gleich zum Druck durchreichen kann.
Tsk.
Der Klops geht sicher auf den naiven Tatendrang des Autors zurück, der da vielleicht einen Freundschaftsdienst leisten will. Dass die Redaktion aber in dem Fall nicht reagiert – ich gehe mal davon aus, dass du den Sachverhalt in deiner Anfrage nachvollziehbar skizziert hast – wundert dennoch.
Qobi, ich rede von Journalismus nicht im Sinne von versteckter PR ;-)
Und diese leute schreien samt und sonders rum, dass man ihnen ihre Presse- und meinungsfreiheit nimmt, wenn sich jemand mal wehrt. Ich habe bisher genau ein einziges Mal einen Anwalt bemüht, ich habe immer versucht, die Dinge anders zu lösen, aber inzwischen verstehe ich wirklich die Leute, die nicht rumreden, sondern direkt zum Anwalt gehen. Auch wenn dann alle schreien. “Wieso hat er nicht angerufen.”
Etwas OT: aber eine der Thesen, die auf dem gestrigen Medienmittwoch hierzu nebenbei mitschwang, war die, dass die besseren Schreiber eh ins Corporate Publishing abwandern, weil es im Journalismus nicht mehr auszuhalten ist. Corpsgeist nach aussen schützt nicht vor Dummheit und Arroganz der Kollegen.
Das problem sehe ich durchaus als gegeben an. CP ist ja noch nicht mal zwingend schlecht, und vor allem wird es sowieso gleich auf den Müll geworfen, kann also keinen Schaden anrichten und wird ehrlich behandelt.