“Diebstahl” – so bezeichnete der stellvertretende Chefredakteur Bernd Graff von Sueddeutsche.de, der Onlinetochter der Süddeutschen Zeitung, den Download von urheberechtlich geschützter Musik im Internet. Nicht nur, weil es angesichts von eher banaler Urheberrechtsverletzung eine dummdreiste Ãœbertreibung ist, sondern auch wegen der gesamten einseitigen Haltung wie aus den PR-Anweisungen der Musikindustrie war der Artikel für mich im Januar der Tiefpunkt im Angebot der äusserlich renovierten, inhaltlich aber zunehmend peinlich agierenden Website. Man entblödete sich nicht, dieses nun wahrlich nicht seltene Verhalten mutmasslich vieler Sueddeutsche.de-Leser in ein Dossier zum Thema “Internetkriminalität” zu packen.

Der gleiche stellvertretende Chefredakteur wird möglicherweise demnächst Post bekommen. Unerfreuliche Post. Denn inzwischen versucht sich Sueddeutsche.de mit Videos, das sie ausgabenschonend aus dem gigantischen Youtube-Archiv fischen und mit grossem Zuspruch der Leserschaft präsentieren. “Das Internetvideo der Woche” heisst die Rubrik, in der ander Leute Filmmaterial gezeigt und damit auch verwertet wird. Bislang hielt sich Sueddeutsche.de vor allem an Amateurmaterial, wenngleich mitunter auch ein Logo einer TV-Station zu sehen war, die das Material offensichtlich ausgestrahlt hat. Dass Sueddeutsche.de damit über Werbung als kommerzielles Angebot Geld verdient, störte niemand.

Aber das kann sich jetzt ändern. Unter dem Titel “Der Kiezklatscher und sein Double” veröffentlicht man ein Youtubevideo der vor kurzem verstorbenen Kiezgrösse Stefan Hentschel. Bei genauerer Betrachtung – und das ist auch dem Autor der SZ klar – ist es ein Ausschnitt aus einem kommerziellen Film:

Stefan Hentschels Handausrutscher stammt aus dem Dokumentarfilm “Der Boxprinz”, der vom Boxer Norbert Grupe handelt.

Und das Posten dieses Videos, ja, genau, dieses ganz bestimmten Videos ist nach Erfahrungen der Blogosphäre Urheberrechtsverletzung. Oder Diebstahl, um es mit Graff zu sagen. Denn der Hamburger Blogger Matt Wagner hat das Video beim Tod von Hentschel ohne kommerzielle Hintergründe ebenfalls gepostet und daraufhin enorme Probleme erst mit dem Rechteinhaber und dann [edit: mit Hinweis auf dessen] Anwalt bekommen. Wie gesagt: Ohne dass er damit Geld verdienen würde, wie es Sueddeutsche.de macht. Wie heisst es nicht so schön in dem Beitrag über den Zuhälter?

Witzig ist das, weil Hentschel keinerlei Begriff von der strafrechtlichen Relevanz seiner Handlungen zu haben scheint

Gilt wohl auch in der Sendlinger Strasse in München. Dort wird man vielleicht bald merken, dass auch das AAL-Prinzip (Andere Arbeiten Lassen) nicht immer die billigste Form der Contentgenerierung ist.