Berliner Zeitung: Enteignet David Montgomery!
Nicht im Sinne von: Nehmt ihm die ruhmreiche Berliner Zeitung weg, verstaatlicht sie und lasst sie von einem Redaktionskollektiv managen, das den aktuellen Chefredakteur Josef Depenbrok mit der Klobürste alle Untiefen der Sanitäranlagen im Haus am Alexanderplatz ausloten lässt. Das wäre zwar gar nicht so unschön nach allem, was Montgomerys Hedgefond Mecom mit der Berliner Zeitung und anderen Medien angestellt hat, aber es sollte noch eine andere Lösung geben.
Denn wir haben 2008. Die Produktionsmittel für Zeitungen, die früher komplett von der Druckerei bis zum Vertrieb in den Händen eines Verlegers lagen, sind heute meistens ausgegliedert, oder werden von Dienstleistern ersetzt. Man kann heute eine Zeitung machen, indem man die Redaktion, die Layouter, Anzeigenvertrieb, ein paar Computer und Internet hat. Den Rest kann man zukaufen oder über das Netz abwickeln. Und wenn es bei der Berliner Zeitung tatsächlich so ist, dass grosse Teile von Redaktion, Layout und Vertrieb mit dem Investor und dem Chefredakteur nicht mehr können, verstehe ich nicht, wieso sie ihn nicht einfach geschlossen sitzen lassen.
Kann man nicht machen? warum eigentlich nicht? Was spräche dagegen, den Laden zu bestreiken und solange im Internet einen eigenen Notbetrieb aufrecht zu erhalten, der den Lesern zeigt, was die eigenen Anliegen sind, und welche journalistischen Leistungen man bringen kann, wenn Mecom nicht in die Suppe spuckt. Warum nicht daraus eine Alternative entwickeln, während Depenbrok und Montgomery eben keine Redaktion, keine Inhalte und keine Zeitung haben. Warum nicht die Lage und die Aufmerksamkeit nutzen, um eine Berliner Zeitung 2 zu gründen. Das Risiko kann und wird sich lohnen, denn nicht nur die Redaktion, weite Teile dieses Landes haben die Schnauze voll von investment driven decisions, die nur auf schnelle Gewinne setzen und Mitarbeiter und Firma verarschen. Redaktionsabspaltungen hatten in Umbruchzeiten oft Erfolg, die technischen Rahmenbedingungen waren noch nie so gut wie heute, und nichts könnte einer Redaktion nobler zu Gesicht stehen, als ein erfolgreicher Kamopf gegen das, was Mecom vor- und Holtzbrinck nachturnt.
Wenn der Journalismus eine Chance gegen weiches PR-Gewäsch haben will, muss er aufstehen und für seine Ideale kämpfen. Mecom, Montgomery und Depenbrok sind die Feinde der Ideale, die man sich eigentlich nur wünschen kann, wenn man die Leser in so einem Konflikt halten und mitnehmen will. Man kann in 12 Stunden ein sauberes CMS aufsetzen, und ich würde darauf wetten, dass eine Revolte genug Unterstützung von draussen erfahren wird – besonders, wenn sie sich selbst sofort weltweit kommunizieren kann. Kein Zeitungskäufer will kaputtgesparte DPA-Verbreiter, die zahlen für Journalisten, Kompetenz im Lokalen und umfassende Information mit starker Meinung. Vielleicht zahlen sie auch gerne mehr, wenn Journalisten nicht nur feige Sesselpupser sind, sondern mit vollem Risiko und Einsatz gegen diejenigen antreten, die sie kaputt machen.
Also, wie wär´s, am Alexanderplatz?
Sorry, the comment form is closed at this time.
Als “Halbbetroffener” kann ich nur sagen, dass dies zwar eine nette Idee ist, aber wohl gerade mit der Berliner Zeitung nicht funktionieren wird. Ich denke die Belegschaft würde Dich in der Luft zerreissen, wenn Du denen mit “geht doch heute fast alles online…” kommst. Frag mal einen der Mitarbeiter dort nach “Online first” ;)
Nebenbei gesagt ist die Zielgruppe der Berliner Zeitung mitnichten dergestalt, dass eine Online Notausgabe ankommen würde. Sie hätte schlicht keine Leser, da “Web2.0 und so…” wohl bei den wenigsten Stammlesern der Berliner noch überhaupt nicht angekommen ist.
Dazu ist das Risiko einer solchen Abspaltung wohl den allermeisten Redakteuren zu hoch, sind sie doch in weiten Teilen eher Mitglieder der alten Journalismus Schule und eben nicht Teilnehmer der digitalen Bohème.
Ginge es allein nach dem, was Du da schreibst und ich seit Monaten empfinde, würde ich morgen mit Dir vor den Türen des Berliner Verlags stehen und die Streikposten anführen ;)
Ich fürchte aber, das wird so nix. Schade.
Ich kann ja nicht für die Redaktion der Berliner Zeitung sprechen (da ich sie nicht kenne), aber nur wenigsten, mir persönlich bekannten Personen, immerhin eine ganze Handvoll ;), die sich selber als Journalist bezeichnen, würden nie derartige Dinge tun.
Zu anstrengend, zu lästig, lass mal, wird schon irgendwie weitergehen, nur nicht aufmucken, Job behalten (auch wenn es nur Brotkrumen sind).
Der revolutionäre, aufklärerische und FÃœR SICH SELBST eintretende Eifer hält sich da schwer in Grenzen …
@Kajetan: Nach meiner Erfahrung lässt die oh-so-coole Spontanität und Revolutionalität erheblich nach, wenn es darum geht, seine Familie versorgen zu müssen und Verwantwortung für andere Menschen (meist kleinerer Natur) dazukommt. Dann kann man sich manche tollen und hippen aufklärerischen Gedanken kaum noch leisten.
Robert, keine Frage.
Aber das sind durch die Bank weg Singles ohne eigene Familie. Hier und da eine Freundin, ein Freund, die selber einen Beruf haben. Da muss niemand des Hungers sterben, wenn man sich bei einer Aktion verschätzt und plötzlich ohne Job und Einkommen dasteht.
Dezent übertrieben und nicht jedem gerecht werdend … aber das sind die willfährigen Sklaven, die sich jeder Umsatzoptimierer wünscht.
Oder es geht ihnen in ihrer Lage noch viel zu gut. Kann auch sein …
Aber mal andersrum gefragt: Wie lange wollen die weiter unter der Knute von Mintgomery kuschen? Was man so mitbekommt, geht es hier doch längst zu wie bei den Bremer Stadtmusikanten, die auch überall was besseres als den Tod fanden.
Mit Verlaub – das ist komplett … äh: Moppelkotze.
Diese Suada geht von völlig falschen Voraussetzungen aus – nämlich von den Voraussetzungen des Autors, der ja u.a. auch Journalist ist. Da steht er aber allein, mit seinen Voraussetzungen.
“Das könnte zwar sein
… aber es ist nicht so”
(Die Ärzte)
Zitat: “Wenn der Journalismus eine Chance gegen weiches PR-Gewäsch haben will, muss er aufstehen und für seine Ideale kämpfen.”
Hat “der Journalismus” überhaupt Ideale? Das könnte zwar sein – aber es ist nicht so.
Will er überhaupt etwas anderes sein als übersetztes PR-Gewäsch? Das könnte zwar sein – aber es ist nicht so.
Haben “die Leute” wirklich die Nase voll “investment driven decisions”? Das könnte zwar sein und es ist vielleicht auch so … aber nur hinter vorgehaltener Hand bei sich zu Hause auf dem Sofa.
Die Nase voll haben und das auch äußern im Beruf?? Das könnte zwar sein – aber es ist nicht so.
“Kein Zeitungskäufer will kaputtgesparte DPA-Verbreiter, die zahlen für Journalisten, Kompetenz im Lokalen und umfassende Information mit starker Meinung.”
Das könnte zwar …. neeeee: Das könnte nicht einmal im Konjunktiv und es ist überhaupt nicht so.
Genau das wird gewollt: DPA-Verbreiter, Agenturmeldungsweiterreicher. Siehst du irgendein Anzeichen dafür in der Massenmedienlandschaft, dass es NICHT genau das wäre, was gewollt wird?
“Also, wie wär´s, am Alexanderplatz?”
Das könnte zwar (nee, nicht wirklich, d. Säzzer) – aber wird nicht. Schon gar nicht so.
Dann also warten, bis mecom das Ding zusammengestrichen und optimiert hat, bis es sich liest wie gedruckter Zoomer?
Und natürlich hat der Journalismus Ideale. Wer das ohne Ideale macht, soll bittschön die Roche machen und die Pickelfresse als Plattenansager für Viva hergeben, aber nicht in den Journalismus. Im Gegenteil, die Frage ist eher, was Journalismus noch wert ist, wenn er zulässt, dass an ihm als erstes das exerziert wird, was die Gesellschaft, der er qua Grundgesetz verpflichtet ist, auseinanderzureissen droht. Ich weiss durchaus, dass keiner die rote fahne auf den Verlagsgebäude sehen will, aber wenn alle Leser auf dem geschilderten Trip wären, gäbe es nur noch Blöd für die da unten und Blodmanager-magazin für die da oben, und dazwischen die waPo-Abschreiber vom Spon und die Tarifbrecher von Zoomer.
@Robert
Aber liegt nicht genau in der Haltung dass man seine Familie versorgen muss, der furchtbare Irrtum. Du gehst Tag für Tag da hin. Gibst jeden Tag ein Stückchen mehr von dir selbst auf. Du machst dich selbst zum Sklaven. Schämst dich vor dir selbst, bist gemein zu anderen und vergehst vor Furcht.
Und dann kommt der Tag wo dir die Herren ihr wahres Gesicht zeigen. Du der ihnen alles gegeben hat, was du hattest, du bist der Erste der fliegt. Ist doch logisch. Du hast dich bisher nicht gewehrt, das macht dem Rest noch mehr Angst.
Dafür gibt es Lehrgänge. Das nennt sich Mitarbeiterführung. Der Leitende als Wolf, nein als Bestie. Die Herde soll in ständiger Angst sein. Sie muss dein Lächeln fürchten. Tu nie das was sie erwarten, aber tu ihnen ständig weh. Lass sie nicht zum Nachdenken kommen. Du musst sie hetzen.
Unnötig zu sagen, das der Hetzende selbst auch gehetzt wird. Schlimmer als unter Tieren. In jedem Rudel werden Positionen erkämpft aber danach herrscht Ruhe. Kein Rudel könnte eine dauerhafte Auseinandersetzung verkraften.
Nur wir Menschen können das. Zumindestens scheinbar. Weil wir uns über uns selbst schämen greifen wir andere an. Arbeitslose, Schwarze Juden, Rootharige, Schwule. Wenigstens da wollen wir siegen und kennen schon vorher den schalen Geschmack dieser Siege.
Wir wissen das wir gehetzt werden. Ein Raubtier würde versuchen den Hetzer den Jäger anzugreifen. Deshalb schießen Jäger ja meist auch aus dem Hinterhalt. Menschen dulden. Dieser verdammte Glaube an Abrahams Gott, dies Hiob-Getue.
Selbst Schafe versuchen sich gegen einen Hund zu wehren. Natürlich werden die Leute bei der Berliner Zeitung ihren Job behalten. Bis Dienstag oder nächsten Monat am Donnerstag. Du weißt das sie schon verloren haben. Ich weiß es und der Don weiß es sicher auch.
Aber sie haben nicht verloren weil Montgomery so stark ist, sondern weil sie eingeknickt sind. Lass sie neue Jobs kriegen. Sie werden wieder und wieder einknicken.
Natürlich ist jeder Einzelne zu schwach. Aber zusammen sind sie stark. Wenn sie endlich aufhören sich untereinander zu bekämpfen und sich auf ihre Gegner konzentrieren, wenn sie solidarisch zu ihren Artgenossen sind, dann werden sie gewinnen.
Von unseren Herrschern ist doch keiner auf Widerstand vorbereitet. Das haben die doch in Deutschland eigentlich noch nie erlebt. Wir sind alle Lampenputzer aber keine Revoluzzer.
Wer sich heute wehrt, kann heute verlieren. Aber wer sich heute nicht wehrt, hat morgen mit Sicherheit verloren.
Ein paar Satzzeichen zum verteilen …???!!:
Es gibt heute niemanden mehr, dem die Sache (z.B. des Journalismus) ein so starkes Anliegen wäre, daß er ihr alles andere unterordnen würde.
Die Zeit der “Verlegerpersönlichkeiten”, deren Utopie gleichzeitig der Lebensinhalt war ist unwiederruflich dahin (Spiegel, Suhrkamp? Klingelts?).
Wir erleben gerade, wie die Aera der Idealisten untergeht in der Aera der mediokren Gewinnmaximierer und das in allen Lebensbereichen, nicht nur im Journalismus. Sicher gibt es noch die eine oder andere Nische, in der Fossile überleben, doch eine tatsächliche Chance haben sie nicht.
Das ist bitter, aber wahr.
Wisst ihr, Freunde der Blasmusik, ich trage mich ja selber ab und an mit dem Gedanken, was aufzuziehen. Ich hätte das Medium, die Zielgruppe, den Markt und die Region. Und ich denke mir immer: Ach ne, warum, muss eigentlich nicht sein, ich kann auch anders. Obwohl mir viele Leute in den Ohren liegen, es zu probieren. ich mag halt nicht-
Aber es ist dieser Defätismus, dieses “man kann eh nix machen”, der mich so auf die Palme bringt, dass ich mir denke: Lieber mache ich mich einmal vielleicht zum Affen, bevor ich es nicht mal probiert habe.
@ #7
Zitat: “…aber wenn alle Leser auf dem geschilderten Trip wären, gäbe es nur noch Blöd für die da unten und Blodmanager-magazin für die da oben, und dazwischen die waPo-Abschreiber vom Spon und die Tarifbrecher von Zoomer.”
Ist das nicht genau so? Also sind die Leser, Zuschauer, Zugucker wohl genau auf dem Trip.
(Wer nicht auf dem Trip ist, hat sich von diesen Medien eben gelöst und lösen müssen als Rezipient.)
Journalismus mit Idealen und mit Ekel den Propagandamietmäulern gegenüber gibt es doch inzwischen nur noch im Internet – und auch da als “Minderheitenprogramm” für eine kleine Zielgruppe, welche die Schnauze voll von Propagandascheiße hat.
Internet, was ist das? Ich habe in einem Interview mit einem aus dee “Redaktionsausschusses” der Berliner Zeitung gehört, dass es Internet nur nach Anmeldung im Sekreteriat des Chefs gibt. Vielleicht ist das das Erfolgsgeheimnis der Berliner Zeitung: Nix mit Copy-and-Paste. Die Computer sind von 1996. das Redaktions-CMS soll wohl eher ins Museum gehören. Aber die Zeitung erwirtschaftet eine beachtliche Rendite.
Don und die anderen,
ich würde glatt noch Interpunktion lernen um bei so einer Sache mitmachen zu können.Warum verdammt noch mal machen wir nicht wenigstens eine Wochenzeitung. Internet- und Printausgabe.Vertrieb ließe sich über die Handverkäufertrupps in den großen Städten sicher anleiern.
Druck und Satz könnte torpediert werden von unseren Großmedien. Also lasst uns die Ukraine nehmen.
Aber wir nehmen Anlauf. Stoppen. Drehen uns um und freuen uns wie mächtig wir Anlauf genommen haben, setzens uns an den Tisch und reden über Morgen, wo wir dann ganz sicher den Absprung finden.
Don wir machen auch 4 Seiten vierfarbig, für Werbung und für Kuchenbilder. Aber nur wenn ich auch Kuchen kriege.
Auch die Qualitätsmedien übernehmen oft ungeprüft und weitgehend “1:1” Agenturnachrichten.
Eigentlich besteht die Leistung dieser Medien in der Nachrichtenselektion und in der Kommentierung (und den Lokalteil und die Wochenendbeilage etc., gähn).
“Investigativ-Journalisten” sind zwar grundsätzlich wünschenswert, aber wenn man sich Leyendecker, Niggemeier und Co. anschaut, haben die oft eine einseitige Sichtweise, das ist dann auch nicht töfte.
Dann gibts noch die Auslandskorrepondenten, die wieder mehr für die Meinungsmache zuständig sind (Fr.Putz für den SPIEGEL mit einseitigen Berichten oder Hr.Mascolo (ganz grauenhaften “berichterstattung” aus den Staaten für dasselbe Medium).
Die Zukunft gehört den Bloggern oder den Mischmedien mit “Web-Mitarbeitern”.
Wie soll man denn Nachrichten anständig kommentieren, wenn man die zugrunde liegenden Fakten bloß aus dem Agenturticker kennt? Nur mal so eine Frage, die mich seit längerem beschäftigt.
Ein vernünftiger Kommentar lebt ja nicht primär von Polemik, sondern davon, dass der Autor die wichtigen Fragen zunächst gründlich durchdacht und hinterfragt hat – und das geht meiner Meinung nach nur, wenn er regelmäßig echte Gespräche mit Personen führt, die in seinem Thema Experten sind (und idealerweise sehr unterschiedliche Ansichten dazu haben).
Du hast vergessen zu erwähnen, dass auch so eine Berliner Zeitung 2 natürlich streng nach Tarif zu zahlen hätte, von wegen AAL und so….
Don, es ist doch nun wirklich nicht so, dass die Redaktion der Berliner nichts tut. Ganz im Gegenteil: Ich kenne kaum eine Redaktion die so offen gegen ihren Eingentümer rebelliert…
Deepenbrock per Feststellungsklage (?) als CR abzusetzen wird doch jetzt ernsthaft umgesetzt…
Don den Markt hättest du eben nicht. Blogs, die als spirituelle Trojaner in Publikumszeitschriften mitlaufen, höhlen sich aus wegen der Nähe zum Mehr – ich weiss wovon ich rede. Ihre Beatmungsgeräte sind mit Wut, Hass und Exzentrik gefüllt – nur darum leben wir in den Blogs. Als Medium wird unser eigenes Echo uns verrückt machen.
Vermutlich sind Journalisten Einzeldiven.
Mit Diven kann man keine Revolution machen.
Don et. al., ohne dem Journalistenbeurf zu nahe treten zu wollen, aber jetzt mal ehrlich, glaubt ihr wirklich, dass eine Mehrheit der Redaktion (wenn nur zwei, drei mitmachen würden, wäre die Sache wohl eher witzlos) mehr tut, als von Revolution zu träumen? Das klingt alles wunderbar, nein falsch, es klingt traumhaft. Mehr ist es nämlich nicht: Ein Traum. Und der Schritt vom Gedanken zur Tat ist groß, zu groß.
Sich so etwas auszumalen, ist unproblematisch, weil ohne Konsequenz. Sobald es aber konkret wird, ist doch der Ofen bei so ziemlich jedem mehr als aus. Dann kommen nämlich die Wenns und Abers, was ist, wenns nicht funktioniert, wenn man nun seinen Job wirklich verliert, was, wenn man dann als Revoluzzer gebrandmarkt ist und einen keiner mehr einstellen will?
Ich glaube nicht, dass wirklich jeder in der Redaktion der BZ dazu bereit ist, im Notfall seinen Lebensstandard, seine Zukunftspläne und, ja, auch so banale und uncoole Dinge wie seine Altersvorsorge aufs Spiel zu setzen. Ich glaube nicht einmal, dass auch nur die Hälfte das tun würde. Und ich glaube ich ja Recht damit.
Einen Vorwurf mache ich ihnen daraus nicht. Wie auch? Welches Recht habe ich, der ich nicht in der Situation bin?
Täten sie es dennoch, ich würde den Hut vor ihnen ziehen. Sie würden damit mehr Mut beweisen als ihn 99 Prozent unserer Gesellschaft vorweisen können.
Fordern kann ich es nicht und kann es auch niemand sonst. Im Möglichkeitenuniversum, im Schutz des eigenen Kopfes mit solchen Gedanken zu spielen, ist einfach, aber auch lähmend. SOlange man nur daran denkt, hält man sich, so glaubt man, alle Optionen offen und muss keine Konsequenzen fürchten. Bis es zu spät ist.
So läuft das. Schade. Gelesen hat sich dein Appell toll.
[…] Enteignet David Montgommery! […]
Also, ich glaube, das Argument “ich hab ne Familie zu versorgen”, ist in so Fällen letztlich nur vorgeschoben.
Wie es bei Müttern ist, kann ich letztlich nicht sagen, aber ich glaube, dass speziell Väter schon ein Gespür dafür haben, dass sie ihrem Nachwuchs sogar mehr dienen würden, wenn sie ihm zeigen, dass ihr Dad einer ist, der sich nicht kleinkriegen lässt und der einen Job, der ihm nicht gefällt, oder einen Chef, der moralisch nicht in Ordnung ist, auf lange Sicht nicht akzeptiert. Das ist “emotionale Versorgung” des Nachwuchses, neben dem finanzielle Erwägungen eigentlich zweitrangig sind.
Ich glaube es ist mehr das, was Don sagt: Dieser Mut, sich “zum Affen zu machen”. Die Fantasie, dass man den Sprung in die Selbständigkeit wagt, scheitert, und hinterher dann alle sagen: “Du hattest einen guten Job, hast den einfach gekündigt, für eine hirnverbrannte Idee, und nun sitzt Du da, und bekommst Hartz IV. Depp”. Genau den Mumm muss man haben. Die Einstellung “was kann mir schon passieren, das Leben ist so kurz”.
Da könnte man leicht sagen, dass das eine Frage der Persönlichkeit ist. Ich glaube: nicht nur. Sondern auch der Dynamiken, in denen man so drinsteckt. Wie ist das Umfeld? Unterstützt und trägt es solche rational auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick völlig unvernünftige Entscheidungen?
Und da seh ich bei vielen Journalisten zappenduster. Es ist ein Berufsfeld, wo den Leuten schon früh ständig eingebleut wird, dass man froh sein muss, überhaupt einen “Job” zu haben. Dazu kommt, dass sich da viele intelligente Leute treffen. Intelligente Leute neigen zu Ängstlichkeit, und in einer Gruppendynamik verstärkt sich die noch gegenseitig. Auch sind Journalisten eben durch ihren Beruf mehr auf das Analysieren kapriziert, oder auch das Prognostizieren, Spekulieren (“Man müsste mal”), aber eben nicht aufs Handeln, Entscheiden.
Das dürfte so ungefähr das (Angst-)Szenario sein, vor dem viele von denen stehen. Da nützt es auch wenig, denen vor Augen zu führen, dass praktisch kein freiwillig Selbständiger, der diesen Schritt je gewagt hat, ihn auf lange Frist bereut, ganz egal in welcher Branche. Springen müssten die trotzdem selber. Und viele klettern eben die Treppe wieder runter vom imaginären Zehner…
> So läuft das. Schade. Gelesen hat sich dein Appell toll.
Moment, das alles war zumindest halbwegs ernst gemeint?
(Ich hatte das eher als Brainstorming gelesen, verpackt in einem nicht ernstgemeinten Aufruf. Wenns aber bierernst gemeint war, dann kündige ich hier aber ganz schnell mein Abonnement!)
@Sky
Mmh, gute Frage eigentlich :D den Kommentaren vor mir nach zu urteilen, steckte da schon zumindest im Kern Wahrheit drin. Und ich meine, wie gesagt, klingen tut das doch echt toll, oder? Hat n bisschen was Anarchisches, vielleicht auch Heroisches, der unabhängige Journalist, der sich nicht von Geldgeilen Ärschen in die Knie zwingen lässt. Umsetzen wirds eh keiner. Also ist die Frage, wie ernst das der Don gemeint hat, vielleicht gar nicht so wichtig, sondern eher wie du’s liest ;)
Don Alphonso habe ich (bisher) noch zu wenig gelesen, habe ihn wegen der literarischen Qualität seiner Arbeiten [1] und seines Stils als shock jock gebucht.
Wenn der o.g. Aufruf ernstgemeint war, dann, nunja, dann fänd ichs nicht wirklich töfte…
Ich tippe aber weiterhin auf Aggro Brainstorming.
[1] Egal was Du schreibst und wie gut Deine Betrachtungen sind, schreibe nie langweilig!
Ich frage mich, wie ernst ein Montgomery den protest der Redakteure und Journalisten in der BZ denn nehmen soll, wenn sie eh nachgeben und wieder einknicken. Dann sollte man erst gar nicht anfangen. Das meiste scheitert durch Feigheit und Inkonsequenz.
Der Ruf von ver.di ist ja genau deshalb auch angeknackst (die Funktionäre haben den Ruf, zu schnell klein beizugeben), darum sind die Leute auch so gespannt, wie sich ver.di jetzt verhält. Um ihre Glaubwürdigkeit zu behalten, müssen sie dieses Mal schon etwas länger durchhhalten. Was das nun mit der BZ zu tun hat? Nichts. Und alles.
Eine schöne und pflegenswerte Vision. Der Gedanke ist mir durchaus zueigen, in der tat eine Vision. Bei der BZ anzusetzen, einem der ehemaligen Sturmgeschütze der Reaktion, ist mir wohl ein wenig zu visionär. Wenn ich mir den Niedergang des “Spiegel” anschaue, frage ich mich ähnliches: Wo sind denn die investigativen Journalisten? Da gibt es doch eine Menge, die es gelernt haben und denen der Laden bis zu Krempe stinken muß.
Hierzulande (womöglich überall außer in den USA) ist online aber wohl nix zu reißen. Im Print müßte das schon ein ganz großes Ding sein, das durch prominente Printjournalisten und ein wirklich elaboriertes Konzept getragen werden müßte. Der “Markt” im Sinne des Bedürfnisses nach unabhängigem (sic!) Journalismus ist sicher da. Aber das kostet verdammt viel Geld und bedeutet ein immenses Risiko. Ein Projekt für echte Unternehmer. Ist da draußen jemand? Irgendjemand?
Es scheint so, dass zumindest ein Redakteur (der Ressortleiter Sport, Jens Weinreich mit eigenem Blog) angesichts der Situation lieber gegangen ist.
Da gehen zur Zeit einige.
@Amelia
Deine Frage habe ich mir auch schon gestellt und für mich eine Antwort gefunden. Ich brauche um zu Schreiben entweder eine schon bestehende Ansicht die auf gesicherten Fakten aufbaut – häufig aufbauend auf eigene Blogbeiträge – und die Suchergebnisse im Netz plus die in meinem Zettelkasten.
Ich bringe viel dpa im Volltext und kommentiere das dann. Aber ich habe im Hintergrund immer weitere Dinge. Selbst wenn ich eine Zeitung zitiere brauche drei andere oder Fernsehen um zu verifizieren.
Ich glaube allerdings nicht das “ein” Journalist wirklich mehr leisten kann. Eine Redaktion kann mehrere Leute auf ein Thema ansetzen aber das bringt meist auch nicht vie. Spon hat das letztens zum Thema Altenpflege in ganz Europa gemacht um rauszufinden das überall getrickst und mit illegalem Personal gearbeitet wird. Das hätte ich denen auch so sagen können.
@Amalia & Jochen Hoff
Ich bin kein Journalist. Mit meinen unbedarften Blick, stellt sich das so dar:
Immer wieder wird betont, dass in der modernen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft nur ausdifferenzierte und spezialisierte Qualifikationen eine Chance haben. Und dass diese ständig auf den aktuellen Stand gebracht werden müssen. Einmal was lernen und davon das Arbeitsleben mit bestreiten geht nicht mehr.
Warum soll gerade der Journalismus davon verschont bleiben? Für mich sieht es so aus, als sei immer noch das Bild vom Journalisten als “Welterklärer” vorherrschend. Fachjournalismus beinhaltet Themenfelder, die im Grunde wenig miteinander zu tun haben. Beispiel Wirtschaft: Von internationalen Wirtschaftsrecht bis neue Selbstständige, alles selten branchenspezifisch.
Dazu noch die Vielfalt der Veröffentlichungsmedien und der Recherchemöglichkeiten.
Für mich scheint klar, dass der Journalismus so wie er heute organisiert ist und ausgebildet wird, die Ansprüche – ob selbst formuliert oder von der Öffentlichkeit erwartet – nicht erfüllen kann. Das liegt sicher zum Teil auch an den Arbeitsbedingungen, quick-and-dirty, Content-Fliessbandarbeit usw. Aber ich bezweifele, ob mehr Zeit für Themen das Problem lösen würde.
Zu Dons Appell an die Ideale. Wenn wirklich was anderes als PR-BlaBla rauskommen soll, braucht mehr besser ausgebildete und fachlich versierte Journalisten.
Nun, ich denke, wer sich stark spezialisiert, sich über längere Zeit auf sein Thema konzentiert und außerdem mit Kollegen zusammenarbeitet, die innerhalb desselben umgrenzten Themenbereichs andere Spezialgebiete abdecken, der kann schon wesentlich tiefer einsteigen als Journalisten, die Tag für Tag “Agentur-Tuning” betreiben. Klar, das muss sich dann auch in barer Münze auszahlen – und das funktioniert wohl nur bei Wissensgebieten, bei denen die Nachfrage groß genug ist. Für den Agenturumwälzungs-Journalismsus sehe ich freilich noch wesentlich schwärzer – denn von der Sorte wird nach meinem Eindruck aktuell wesentlich mehr produziert, als eigentlich benötigt wird.
Als Film-Treatment ganz brauchbar. In der Realität wohl eher (leider nur) ein Traum.
Wenn man einen Gegner wie Mecom hat, muss man halt nochmal härter sein. Und wenn Mecom sehr weit geht, muss man weiter gehen. Der Hebel ist gar nicht so schlecht, denn mecom ist börsennotiert und schlecht bewertet, und ein Verlust des Investments könnte Mecom an den rand des Verderbens bringen. Es reicht manchmal nicht, mit dem Messer in der Tasche rumzulaufen, man sollte es besser in der Kehle des Gegners verwahren. Das ist eine klassische Lose-Lose-Situation, aber für Montgomery schaut es nicht gut aus (wenn der nicht Horden unterbezahlter Zoomerpraktis ausleiht, die sich einen Dreck um soziale Belange scheren).
Der Aufbau einer konkurrierenden Zeitungsredaktion inklusive Vertrieb und – vor allem – Leserschaft ist keine Leichtigkeit.
Sollte es auch nur eine kleine Erfolgsaussicht haben, müsste man bei einer solchen Aktion fast die vollständige Belegschaft hinter sich haben.
Ich glaube aber, dass Journalisten der Tendenz nach eher Individualisten sind – und zu derartigen Organisationsleistungen unfähig.
(was den Beruf und Ruf des Zeitungsverlegers erklären hilft)
Was aber m.E. ginge: Das wäre ein Versuch in etwas kleineren Rahmen, eine Protest-Ausgründung, die anstrebt, dem neoliberalisierten Mutterschiff ein Viertel der Belegschaft zu rauben.
Zum Beispiel: “Zeitung für Berlin”. Es müsste dann nur noch etwas Investitionskaptital vorhanden sein, sowie der finanzielle Hintergrund, um so einen Entschluss länger als ein halbes Jahr durchzuhalten…
Statt: “ein Viertel der Belegschaft”: “ein Viertel der Leserschaft”.
Unter normalen Bedingungen hätte sowas keine Chance, aber hier ist ein Abo einer neuen Zeitzung nicht nur ein Abo, sondern ein Schlag ins Gesicht der Heuschrecken und eine Erklärung, dass man sich das nicht gefallen lässt. Und ich bin mir sicher, dass es dafür ein Potenzial gibt.
Aber, Don, auch für eine solche “Anti-Heuschrecken-Zeitung” bräuchtest Du Kapital. Es ist schon so wie Du schreibst, dass man Produktionsprozesse auch in den Printmedien bequem auslagern kann, aber auch das kostet eben.
Und das heißt eben auch ganz konkret: Du brauchst einen, der sich in den Anzug schmeisst und in die Bank geht, deren Sprache spricht und denen ein Konzept vorlegt. Und da hat Dr. Dean schon recht, wenn er sagt, dass das vielleicht nicht die starke Seite vieler Journalisten ist. Und diejenigen, die das können, haben wiederum so überhaupt keinen Draht zu rebellischen Journalisten.
Unterschätze auch mal nicht die Markenbindung im Print-Business. Das ist, wo es um Tageszeitungen/politischen Journalismus geht, ein absoluter Vertrauensmarkt. Und wir reden hier als ein kleines Häufchen Insider. Die “Anti-Heuschrecken-Zeitung” müsstest Du ja auch erstmal durch enorme Werbemittel bekannt machen. Und wer zahlt die? …
Ich wuerde so ein Abo von so einer neuen Zeitung bestellen ;)
P. S.: Resümierend könnte man feststellen, dass Du vorschlägst, den Apparat mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.
Das kann funktionieren, ist aber der mühsamste aller denkbaren Wege. Weil Du den Feind auf ihm bekanntem Gelände stellen willst.
Ich find eigentlich besser so Sachen wie Du sie hier machst. Auch der blog von dem hier im Thread verlinkten Jens Weinreich hat mir sehr gefallen. Von solchen Leuten brauchen wir mehr!
Hmm – gibt das nicht schon? Nicht als Teil der BZ und so… Nennt sich immer noch TAZ. Und weils eine schöne Idee ist – ja auch ich würd die Zeitung für Berlin abonnieren.
Wochenzeitung in Print und virtuelle Ausgabe. Werbefinanziert. Satz und Print in der Ukraine. Auslieferung mit den Linienbussen die in die deutschen Städte fahren. Handverkauf.
Das Geld nicht bei der Bank holen sondern gleich im Ausland. Den doppelten Sack nehmen. Dafür schwinge ich mich in den Anzug und die Krawatte. Vielleicht ist meiner wenig zu warm für die Gegend in der das Geld liegt. Aber dann schwitze ich halt.
Sucht doch einfach mal nach den Punkten die sich machen lassen. Dann können wir das unmögliche danach angehen.
Äh. Einen hab ich noch.
http://www.duckhome.de/tb/archives/2125-Hier-klaefft-der-falsche-Hund.html
@ jochen – wie meinst du das mit dem sack geld, den du im ausland holen möchtest? und wie gehts weiter? rollen verteilen? wer macht technik, wer sucht schreiber, wer sponsoren / werbekunden? wer vermittelt die kontakte zu den druckhäusern? wird das ein “berlin ding”? dann sind auch schnelle offline treffen möglich und oft wirkungsvoller als kommentare und mails. let’s start!
Den Mann mit dem Geld und den hohen Renditeansprüchen, sollte man die Suppe versalzen. Einfach Abos abbestellen mit dem Hinweis auf seine Unternehmenspolitik. Öfter mal den Aboservice anrufen und dort das gleiche mitteilen. Dann so spontanen Demos vor dem Gebäude versammeln und mit Spruchbändern: “Rendite ohne Realität”, “Qualität braucht keine Rendite” und sonen Zeug verbreiten. Ansonsten ne Tipp Gemeinschaft gründen und ihm die Zeitung abkaufen ;-)
[…] Teile der deutschsprachigen Bloggerszene hegten publizistische Gedanken, die über das Schreiben eines privaten Blogs hinausgingen. Jochen Hoff, am 12.03.2008: “Virtuell und als Wochenzeitung im Print. Dienstag ist der Tag der ‘Virtuell Times’ oder meinetwegen auch jeder andere Wochentag. Das Biest kann meinetwegen auch KleinBloggerdorfer Anzeiger heißen. Aber anfangen sollten wir. Mit dem Denken zuerst und dem sammeln von Menschen. Im Herbst sollte die Idee rund sein, im Winter die Technik rund gemacht werden und dann den ersten Januar als Starttag. Das wäre machbar.” Und Don Alphonso, am 07.03.2008: “Wisst ihr, Freunde der Blasmusik, ich trage mich ja selber ab und an mit dem Gedanken, was aufzuziehen. Ich hätte das Medium, die Zielgruppe, den Markt und die Region. Und ich denke mir immer: Ach ne, warum, muss eigentlich nicht sein, ich kann auch anders. Obwohl mir viele Leute in den Ohren liegen, es zu probieren. (…)” Wie schon Blick Online machte auch NZZ Online Werbung, die sich nicht vom eigenen Layout unterschied. Anders als Blick Online schrieb man aber darüber das Wort “Anzeige”. […]
[…] Grausame Geburtsschmerzen Veröffentlicht in Nicht kategorisiert by ugugu am April 1st, 2009 Beim «Weichen Bund». Hab da übrigens ein ausgereiftes Konzept gefunden, fürs Comité. « Fehlerkultur […]