Entlokalisierung mit Blogs (Twitterrant inside).
Es gibt einige Blogger, die mit Diensten wie Places, heute gern auch mit Twitter, hziemlich viele Menschen wissen lassen, wo sie gerade sind, und wohin sie sich begeben. Theoratisch lassen sie es damit jeden wissen, der über einen Internetanschluss verfügt. Und wenn ich dann die penibel dokumentierten Tagesabläufe lese, die eigentlich niemanden etwas angehen, bin ich versucht zu fragen, ob die nicht alle den A ob die angesichts des angeblichen sozialen Sogs nicht mehr zum Nachdemken kommen über das, was sie da eigentlich tun.
Ich frage mich das, weil ich vor ein paar Jahren bei einer Studie involviert war, die eine mobile Softare testen sollte, die Twitter – und hier besonders auch die kontinuierliche Lokalisierung der Freunde – vorausgeplant hat. Das Projekt wurde von einem kleinen Startup, einem Mobilfunkkonzern und einer grossen Agentur umgesetzt, und brachte für die kommerzielle Nutzung eher enttäuschende Resultate zutage. Die teilnehmer, jung, netzaffin, gebildet, Traumzielgruppe, hatten Angst vor derartigen Lokalisierungs- und Tätigkeitsfunktionen, und etwas, das ich als gesundes Bewusstsein für Privatsphäre bezeichnen würde.
Hatten wir damals nur die “falsche” Zielgruppe? Hat sich da etwas in den letzten fünf Jahren dramatisch verändert, oder liegt das vor allem daran, dass viele Nutzer solcher Dienste ohnehin durch Blogs, StudiVZ etc. kaum mehr Hemmungen haben, alles möglichst vielen möglichst oft mitzuteilen? Bei Twitter kommt noch eine gewisse “publish or perish”-haltung dazu; nur wer dauernd mitquasselt und alle möglichen Leute “updatet”, wird im Strom der Nichtigkeiten wahrgenommen.
Ich stelle mir diese Frage besonders nach dieser Woche, in der ich mich auf meinem Blog, was meinen Aufenthalt angeht, ziemlich durchgelogen habe. Ich war überall, wo ich gewesen zu sein behaupte, aber das Blog bildet über weite Strecken nicht den realen Ablauf ab. Ich mache inzwischen Bilder mit der Idee, sie irgendwann zu bringen, um meinen Aufenthalt woanders zu vertuschen, ich konstruiere einen Lebenslauf, weil ich den Eindruck habe, dass meine Realität all die Unbekannten im Internet nichts angeht. Manche Orte lasse ich aus, manche Tage werden Tage später nachgereicht. Würde man als Einbrecher mein Blog als Ortsbestimmung benutzen, hätte man gute Chance, in der scheinbar leeren Wohnung meine historische Stichwaffensammlung anders einzustecken, als es aus räuberischer Sicht angenehm wäre. Manchmal kommentiere ich von unterwgs, um eine Anwesenheit daheim vorzutäuschen, manchmal ignoriere ich Debatten, um zeitliche Freiräume zu schaffen. Manchmal schreibe ich einen Beitrag und poste ihn Tage später.
Weil es da draussen keinen was angeht, was ich wirklich tue. Weil ich absolut nicht einsehe, was mein reales Leben irgendjemanden, und seien es die besten Kommentatoren, angehen sollte. Das Blog ist ein Mittel zur Entlokalisierung, es erlaubt Reisen, wenn ich auf der Dachterasse bin, und bleibt daheim, wenn ich zu einer Auktion fahre. Es ist kein Seelenstrip, sondern eine Schutzschicht, ein Panzer, den ich niemals ablegen würde, angesichts all der Idioten, die sich im Netz rumtreiben. Gegen Schäuble sein und gleichzeitig 20 mal am Tag festhalten, was man gerade so tut, passt nicht zusammen. Es mag konservativ klingen, aber schon Blogs können einen während des Lernprozesses im Umgang mit der Internetöffentlichkeit ins Schleudern bringen. Ich will nicht ausschliessen, dass man sich ähnliche Kompetenzen auch bei anderen Diensten aneignen kann. Jeder muss die Grenzen für sich selbst definieren, aber ich fürchte, dass es beim dummen Gequassel der gelangweilten Zeittotschläger erheblich schwieriger ist, als in der komplexen Konstruktion einer Persönlichkeitskonstruktion im Blog.
Sorry, the comment form is closed at this time.
Jeder der etwas ins Netz stellt hat einfach eine bestimmte exhibitionistische Ader und eine Sache ist der klare bedeutende Unterschied im Preisgeben von persönlichen Informationen im Web: Die Freiwilligkeit. Wenn ich will, kann jeder wissen, wo ich wann mit wem wie unterwegs war, was ich gemacht habe und wie schön oder unschön es war, aber wenn andere mir hinterher spionieren oder noch schlimmer: selbst Informationen über mich heraus finden wollen, die ich so nicht preisgegeben habe, dann will ich das nicht. So schmal aber wichtig ist dieser Grat.
Was gibt denn jemand preis, der seinen Abend am Rechner damit beschließt, darauf hinzuweisen, das er jetzt mit dem Hund geht und der in die Kneipe will. Welche Kneipe gemeint ist, wissen nur die, die ich da auch sehen möchte, wenn sie Lust haben und in der Stadt sind.
Ja. Ich habe heute daraufhingewiesen, das ich Buddelkistendienst habe und da auch eine nette Autorin mit ihren Kindern getroffen.
Völlig normale soziale Interaktion. Neugierde auf Leute die man persönlich nicht kennt.
Aber mein Tagesablauf ist doch nicht ablesbar aus meiner Twitterei. Wie immer gibt jeder nur das bekannt, was die anderen wissen sollen. Frau verhauen steht da nicht. Betrunken gewesen auch nicht. Geld gestohlen habe ich noch nie gelesen.
Auch bei Twitter wird eine Rolle gespielt, aber eben nicht nur. Es gibt Links. Ich sende sehr viele aus, daraus kann man erkennen was ich lese. Na und. Ich will ja das mir andere gedanklich folgen und wenn möglich zu ähnlichen Ergebnissen kommen.
Ich arbeite immer mit meinem Klarnamen. Aber du kannst unter Olav von Pustekuchen twittern. Anonym. Es ist keine Community. Es sind viele Communitys deren Zusammensetzung du selber bestimmen kannst. Ich wäre nie in Facebook oder Xing, geschweige denn in den Holtzbrink-Schuppen. Aber hier bestimme ich wer mir folgen darf und wem ich folge, ich generiere meinen Schwarm und das wird sich durchsetzen.
Gab es eigentlich schon den ersten Einbruch, nachdem via Twitter zu erfahren war, dass das Opfer nicht zuhause ist?
Bei Fußballern wird ja auch immer eingebrochen, wenn sie ein Auswärtsspiel haben.
Ich frage mich ja immer, besonders in diesem Fall, wie Du einen Unterschied zwischen Twitter und Blogs konstruieren willst.
Du schreibst also selten die Wahrheit bei Deinen Aufenthaltsorten?
1. Glaubst Du, dass das alle (oder auch nur viele) Blogger genau so machen?
2. Wie kommst Du auf die Idee, dass Du das bei Twitter nicht ganz genau so tun könntest?
Hey, Twitter ist nur ein Medium. Da gibt es keinen, keinen noch so kleinen Unterschied zu Blogs. Was Du daraus machst, was du da reinschreibst, was nicht, das ist ganz alleine Deine Entscheidung. (Mit dem Unterschied, dass Du bei Twitter Deine Nachrichten relativ bequem privat halten kannst, wenn Du das möchtest.)
Der Unterschied von twitter zu blogs ist abhängig von der Art des blogs. Bei einem blog mit privaten Erlebnissen, das von 30-50 Freunden, Verwandten und Bekannten gelesen wird, ist der Unterschied kleiner, als bei einem blog, das eher die “Publikation” als Ziel hat.
Blogs können vieles sein, twitter dagegen ist eine sehr persönliche Kommunikation. Egal welche theoretischen Nutzungsideen sich die “twitter-Apologeten” so einfallen lassen.
Wenn wir bei dem persönlichen Austausch von privaten Erlebnissen bleiben – ob blogs oder twitter (wobei twitter eine neue Qualität ist), dann gibt es einen guten Grund, die Wahrheit nicht zu sehr zu strapazieren: Die soziale Kontrolle. Twitter ist doch doch nicht das einzige Medium, mit dem man mit den “Follower” kommuniziert. Nach meinen Beobachtungen sind das Kommunikationsjunkies. E-Mail, Blogs, twitter, IM, Skype, XING, reallife (bsp. Barcamps) usw. Netzwerke und Ansehen bei der peer-Group bauen auf Vertrauen – und Kommunikation sowieso.
Blogger müssen sich nicht outen. Ich kenne kaum einen Leser, nicht mal meinen Gastautor, und niemand mit dem ich sonst Kontakt habem ob beruflich oder privat kennt mein blog. Alles möglich, jedoch bei tweitter nicht. Twitter macht nur Sinn, wenn sich die followers mehr oder weniger kennen.
Wenn man sieht, dass vor 2-3 Jahren die Anbieterkennzeichnung (Impressum) in den blogs noch als Teufelszeug gebranntmarkt worden ist, dann ist die Entwicklung schon bemerkenswert. Auch ohne harte gesetzliche Pflicht zum Impressum ist Anonymität zum Schmuddelkind geworden. Wer anonym bloggt – wie ich – sieht sich allerlei Vorwürfen gegenüber.
Es hat sich was geändert, nicht nur in blogs oder mit twitter. XING-Profile werden immer öfter “Öffentlich” gestellt, bei der Fotofrage bei barcamps oder anderen Treffen gibt es keine Diskussion mehr, usw. Vielleicht kommt der relative Erfolg von twitter auch daher, dass es zum richtigen Zeitpunkt kam. Weil im Internet die Schwelle, sein Leben auszubreiten, kontinuierlich gesunken ist.
MSPro, ich werde das hier sicher nicht verlinken, aber ich kenne einige Fälle, in denen Dinge verbrabbelt wären, die die gleichen Leute nie verbloggen würden, ganz so, als hätten die betreffenden Personen vieles vergessen, was sie beim Bloggen gelernt haben. Das Thema Literarisierung und “von einem weg schreiben” war in der Vergangenheit ein ziemlich wichtiges Thema, zumindest in meinem Umkreis, und ich habe nicht den Eindruck, dass es so geblieben ist. Insofern wollte ich einfach mal abstrakt darauf hinweisen, ohne hier ein Dutzend Links zu weniger klugen Mitteilungen zu setzen.
Schaffen sich die Leute durch twittern und bloggen ihre eigene Paranoia-Grundlage?
Das wird die Psychologen aber freuen; neue Tätigkeitsfelder werden ersichtlich.
Bei mir sind viele Themen im Blog tabu. Fürs twittern würde mir die Zeit fehlen.
Eine nette Anekdote muss nicht sofort erzählt werden. Ich bin kein Nachrichtenmagazin. ein schönes Bild kann auch eine Woche später auftauchen.
In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt mal ein Zitat loswerden, welches mir bei diesem Thema – Privatsphäre im Internet, egal ob Blog, Twitter, StudiVZ & Co – einfach nicht aus dem Kopf gehen will:
Von dem Moment an, wo jemand unserem Tun zuschaut, passen wir uns wohl oder übel den Augen an, die uns beobachten, und alles, was wir tun, wird unwahr. Ein Publikum zu haben, an ein Publikum zu denken, heißt, in der Lüge zu leben. Sabina verachtet die Literatur, in der ein Autor alle Intimitäten über sich und seine Freunde verrät. Wer seine Intimität verliert, der hat alles verloren, denkt Sabina. Und wer freiwillig darauf verzichtet, der ist ein Monstrum.
– Milan Kundera, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
Ich werde nie verstehen, wie man (freiwillig!) so viel von sich preisgeben kann. Und ich denke, man kann es als relativ gesichert annehmen, dass die andere Seite, die Monstren, ebenso wenig verstehen werden, was für mich das Problem dabei ist.
@Christinsche: wunderbares Zitat. Dem gibt es von meiner Warte aus nicht mehr viel hinzuzufügen.
Twittern hat etwas von “Meine Frau, mein Auto, mein Haus”. Nur, dass es hier um die komplette Lebens- und die Gedankenwelt des Twitterers geht.
Das witzige ist doch, dass die Leute, die jeden Gedankenschnipsel veröffentlichen, genau wissen, dass sie es tun. Twitter ist ein Tool zur Selbstdarstellung. Nichts weiter. Und ich finde es großartig, wofür Twitter alles gut sein soll. Im Endeffekt ist es ein Social Network, das eine große Dynamik besitzt und wahnsinnig viel Zeit beansprucht, wenn man es “ernsthaft” betreiben will und hipp oder sonstwie rüberkommen möchte.
[…] Gegen Schäuble sein und gleichzeitig 20 mal am Tag festhalten, was man gerade so tut, passt nicht zusammen. « […]
Ich finde das anonyme Kommentieren schon diffizil genug: Entfernt man sich zu sehr von der realen Person, die man ist, läuft man Gefahr, unglaubwürdig oder klischeehaft rüberzukommen. Man kann sich auch gegen persönliche Attacken anderer Kommentatoren schlecht wehren und muss gelegentlich unfaire Unterstellungen über die eigene Person hinnehmen, weil man das Gegenteil nicht beweisen kann.
Auf der anderen Seite gibt es viele sehr gute Gründe, die private und die Online-Existenz streng zu trennen – auch dann, wenn man keineswegs die Absicht hat, sich in Kommentaren in irgendeiner Weise daneben zu benehmen.
Wer ohne irgend einen tieferen Grund sein gesamtes Privatleben in Twitter ausbreitet oder – die konservativere Variante – sein gesamtes Familien-Photoalbum öffentlich verfügbar online stellt, der hat sich mit diesen Fragen aber wahrscheinlich noch so gut wie gar nicht beschäftigt.
Ich habe mir mal die Frage gestellt, warum es Leser interessieren sollte, was ich esse, welche meine Lieblingsgetränkemarke sei und wie oft ich onaniere.
Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es sie nicht interessiert, da sie mich nicht kennen. Und die, die mich kennen, sollen es wissen oder auch nicht – Privatangelegenheit zwischen Freunden. Twitter ist m.E. überflüssiges Schwafelzeugs, aber unter Freunden mag es ein Ersatz für SMS sein. Nur frage ich mich da, warum dann getwittertes veröffentlicht wird. Wenn ich dann auch noch den Eindruck bekomme, daß das Getwittere eines Bloggers sich kaum von seinen Blogbeiträgen unterscheidet, dann sage ich mir, nein danke.
Zur Privatsphäre noch so viel: vielen leuten (besonders den Selbstdarstellern) scheint es wichtiger zu sein, um jeden preis im Gespräch zu bleiben und nicht vergessen zu werden und irgendwann ausgeschlossen zu sein, als ihre Privatsphäre. Vielleicht haben sie vor lauter Öffentlichem Dasein gar kein Privatleben mehr? Dann wäre das ja sogar verständlich. Dann würde ich diese Leute halt psychologisch bedauern, ein Leben so ganz ohne Privatleben klingt mir nicht sehr verlockend. Andererseits, sollten sie noch eines haben, das sie dann dauernd publik machen, scheinen sie unbedingt ihr Privatleben endgültig abschaffen zu wollen. Warum nur? Weils so langweilig ist? So oberflächlich? So nichtssagend? So unwichtig? dann gibts in der Tat nicht viel zu schützen. Nur, warum sollte ich dann als Leser daran Interesse bekunden, um wieder zu meinem Eingangsgedanken zurückzukommen? Wie man es dreht und wendet. Twitter als Publikationswerkzeug ist vollkommen überflüssig in der Weise, wie es heutzutage genutzt wird.
ot: wie kommts eigentlich, dass die blogbar das gleiche icon hat wie http://www.scienceagogo.com/ ? doch nicht etwa geklaut?
@Stanislav: Nein, das ist das Favicon des Confixx. Also standardmäßig bei Servern mit COnfixx Oberfläche und bei Websites, die kein eigenes Favicon angelegt haben. :-)
@Don: Kannst du gerne löschen wegen Off-Topic, wollte nur die Info geben warum mit Icon und so …
Ich denke viele denken beim Twittern wie so oft nicht weiter darüber nach oder verdrängen, dass jemand dem man die Informationen eigentlich nicht geben möchte, sich die auch einfach holen kann.
Bzw. ist man ja anonym – dass man aus ein paar Nachrichten und mit Hilfe von Google oft aus einzelnen anonymen Fragmenten die Identität der Person herausfinden kann, wenn man nur etwas Zeit investiert, das wird gern verdrängt. Geht mir selbst so, nicht bei Twitter, aber zum Beispiel bei Instant Messengern. Ich sehe in Twitter ja auch nur eine browserbasierte Standardschnittstelle für ICQ/MSN/… Away-Messages. Zum Teil findet man über die ja auch den Tagesablauf heraus, nur muss man da je nach Software immer mal wieder von Hand nach der aktuellen Nachricht anfragen.
Das Problem, ist ja wie auch bei StudiVZ u.ä., dass man einerseits mit seinen Bekannten kommunizieren will und für diesen erkennbar sein mag und andererseits auch neue Kontakte knüpfen bzw. öffentlich kommunizieren will. Sobald sich das vermischt, gibt man zwangsweise Privatsphäre auf. Das sauber zu trennen, ist umständlich. Man bräuchte eine zweite Identität, zwei Accounts bei diesen Diensten, und das wird dann einfach unhandlich, denn dann muss man sich ständig manuell aus- und wieder einloggen. Kaum eine Softwarelösung/browserbasierte Plattform unterstützt so weit mir bekannt Doppelidentitäten (sinnvoll). Und die Einteilung in Freunde und nicht-Freunde in Social Networks ist zwar eine akzeptable Lösung in der Theorie, aber aus meiner Sicht für den Nutzer schwieriger zu handhaben als 2 Identitäten. Zudem wird dieses Modell in der Realität durch Freundesammelorgien ad absurdum geführt.
Nun, mit den einst vielgehypten Location Based Services tut sich ja immer noch nicht viel, wohingegen die Leute ihren vermeintlichen oder tatsächlichen Freunden und Bekannten alle naslang twittern, wo sie sich gerade aufhalten und was die gerade so treiben.
Mag eins so blöd sein wie das andere, die meisten werden aber immer noch einen erheblichen Unterschied darin sehen, ob sie von einem Diensteanbieter permanent geortet und mit örtlichen Angeboten zugeballert werden wollen oder ob sie ein paar Netzbekanntschaften regelmäßig 140-Zeichen-Schnipsel aus ihrem Alltag erzählen.
Kann gut sein, dass der Charme von Twitter schnell verfliegt, sobald jemand anfängt, ein klar erkennbares Geschäftsmodell damit zu verfolgen.
Bis vor einem halben Jahr hätte ich das Verschleiern und Verdrehen von Ort und Zeit auf dem eigenen Blog wahrscheinlich noch belächelt und dich, lieber Don, als ein wenig paranoid abgestempelt.
Mittlerweile bin ich aber schlauer. Dabei war es bei mir keine gierige Datenkrake und auch keine Persönlichkeitsprofilsammelklitsche. Eine einzige in ihrer Eitelkeit gekränkte Person reicht schon aus um aus meinen Blogbeiträgen samt Datums-/Uhrzeitangaben von Kommentaren auf anderen Blogs, Bildern und Kommentaren auf diversen Pinnwänden meiner Freunde auf StudiVZ (ich selber habe kein Profil dort) ein Bewegungsprofil zu erstellen. So wird der geplante Kinobesuch mit Freunden, der beiläufig an eine Pinnwand geklatscht wird, zu einem schönen Aufhänger für einen verstalkten Abend. Und das beste: Bei fremden Profilen kann man nicht einmal etwas für mehr Privatsphäre tun. Denn wenn man darum bittet, dass man dort nicht erwähnt wird, wird man sehr schnell belächelt und als paranoid abgestempelt.
[…] Vorgestern warnte Don Alphonso vor 10 Dingen, die Twitter-User vermeiden sollten.Don Alphonso warnte vor einem zu naiven Umgang mit Twitter. Man solle sich immer der Gefahr bewusst sein, zuviel von seinen aktuellen Aktivitäten und Aufenthaltsorten preiszugeben. […]
Big Brother is watching you! Warum sollte es im Internet anders zugehen als außerhalb davon? Mich wundert ein wenig das naive Denken jener, die im Internet eine riesige Schleifspur hinterlassen und sich dann wundern, dass es Leute gibt, die diese aufnehmen, wenn es sie interessiert und man also verfolgt wird. Plötzlich ist man damit beschäftigt seine Spuren zu verschleiern. Welch’ eine Energieverschwendung beim Verschleiern, Verzögern, in die Irre führen.
Wer nicht gefunden werden will, sollte sich zunächst mal abklemmen und Rosen züchten gehen. Gefunden wird mit dieser komplexen Technik, die uns umgibt, doch nun wirklich jeder. Es genügt ja offenbar schon, sich aus diversen Social Communities wie Schüler- oder StudiVZ, Xing etc. zu verabschieden. Wie sozial es da zugeht, wird ja nun immer deutlicher, und Stalking scheint noch die geringste Gefahr zu sein. Man sollte sich auch klar darüber sein, dass Google Daten verarbeitet. Jeder, der ein Handy hat, kann lokalisiert werden. Er wird es ja nicht haben, um es ständig ausgeschaltet zu lassen.
Und ansonsten gilt, was unter 1. schon steht: Alles basiert auf Freiwilligkeit und dem Wissen, dass vieles recherchierbar wird, je mehr verbreitet wird. Twittern hin oder her, bloggen hin oder her.
@cujau: Natürlich ist jeder mit den geeigneten Mitteln auch noch in seinem Garten ausspionierbar. Der Unterschied ist aber die Leichtigkeit die mit zentraler und teils für quasi jeden einsehbarer Datenspeicherung einhergeht. Vielen ist gar nicht bewusst, dass das Internet eine Art weltweite Annoncenzeitschrift (ok ein ganzes Kiosk voll davon) ist.
Mit etwas Umsicht wiederum kann man es dem little brother (siehe ‘heute mal anonym’ u.ä.) schon vermiesen. Dass man andererseits letztlich gegen staatliche Ãœberwachung als einzelner keine Chance hat ist klar, die sollte aber auch durch Gesetze im Zaum gehalten werden.
Twitter wiederum legt mit seinem Kommunikationsmodell aber eben gerade den von Don angesprochenen Tagesablaufbericht – öffentlichen Kaffeeklatsch – nahe. Man kann es natürlich auch anderweitig missbrauchen, keine Frage. Und man kann sich theoretisch auch anonymisiert zum Kaffeekranz treffen. Das dürfte allerdings dabei wesentlich schwerer fallen als bei einem Blog, da die einzelnen Beiträge mal eben schnell nebenbei rausgehauen werden.
entlokalisierung: gilt das nicht für alle kommunikationsformen jenseits des direkten persönlichen gesprächs von angesicht zu angesicht? insofern ist das doch kein blog-spezifikum
Grundsätzlich hat der Don ja recht, weswegen ich wohl bei mir auch bald plazes.com mal vom Blog entfernen werde. Wobei ich da die letzte Ortsänderung vor einer dreistelligen Anzahl von Tagen vorgenommen habe.
Nichtsdestotrotz kann man sowohl in Blogs als auch bei Twitter schon eine Anwesenheit vortäuschen bzw. eine nicht-Anwesenheit kaschieren und damit die Befürchtungen, dass alles öffentlich wird zerstreuen.
Beispiel: Ich war letztes Jahr drei Wochen dienstlich unterwegs und habe dennoch in der Zeit gebloggt, teilweise tagesaktuell, teilweise vorgeschrieben und im Nachhinein habe ich auch die nicht so dienstlichen Aspekte der Dienstreise gebloggt – im Nachhinein. Man kann das also schon ein wenig steuern – man muss halt nur drauf achten.
Ähnlich ist es bei twitter – wobei ich da zugeben muss, dass dort die Sensibilität wohl etwas geringer ist.
Jens: Wie jetzt, Don ist gar nicht vom 15. bis 18. Mai auf der Mille Miglia? Verdammt, ich hatte mir so ein schönes Präsent ausgedacht ,(
Ich hab mit Twitter mal kurz angesehen und schnell vergessen. Total langweilig das Ganze! Hab die Aufregung darum überhaupt nicht verstanden. Was soll das Gequassel? Wen interessier wann wildfremde Menschen, die man allenfalls aus deren Blogs kennt, duschen, essen, sich anziehen, aufstehn und ins Bett gehen?
Ich will, sofern sie interessantes und vernünftiges schreiben, deren Blogeinträge lesen und vielleicht auch mit ihnen darüber online diskutieren, aber das reicht mir dann auch schon. Sonst bin ich dann doch mehr für persönlichen Kontakt!
Sicher sind die Leute vielleicht durch die sozialen Netzwerke enthemmt worden, oft spielt wohl ein ziemlicher Hang zur Selbstdarstellung und Selbstgeltung oder einfach nur der Drang überall dabei sein wollen eine Rolle. Obwohl, mittlerweile sollten doch gerade der BloggerInnen und VielnutzerInnen des Internets wissen, dass es nicht unbedingt von Vorteil ist, wenn auch jegliches privates Detail im Internet dem Voyeurismus der Massen aussetzt!
Na ja, wems gefällt, für mich ist’s reinster Unfug!
[…] 1. Don in der Blogbar: Er sieht die Absonderungen am Kritischsten und beschreibt Twitter sogar schon als Informationsquelle für ganz reguläre Einbrecher. Burglary 2.0 sozusagen. Er bietet die auch von mir geschätzten “modifizierten Zeitstempel” als Lösung an: Weil es da draussen keinen was angeht, was ich wirklich tue. Weil ich absolut nicht einsehe, was mein reales Leben irgendjemanden, […], angehen sollte. Das Blog ist ein Mittel zur Entlokalisierung, es erlaubt Reisen, wenn ich auf der Dachterasse bin, und bleibt daheim, wenn ich zu einer Auktion fahre. Es ist kein Seelenstrip, sondern eine Schutzschicht, ein Panzer, den ich niemals ablegen würde, angesichts all der Idioten, die sich im Netz rumtreiben. Gegen Schäuble sein und gleichzeitig 20 mal am Tag festhalten, was man gerade so tut, passt nicht zusammen. Es mag konservativ klingen, aber schon Blogs können einen während des Lernprozesses im Umgang mit der Internetöffentlichkeit ins Schleudern bringen. […]
Du schreibst
“Weil es da draussen keinen was angeht, was ich wirklich tue.”
Und DESHALB machst du dir die ganze ARBEIT, einen falschen Lebensverlauf von Tag zu Tag zu türken?? Du lieber Himmel, dir ist deine Paranoia aber einigen Einsatz wert! :-)
Ich finde deine Ãœberlegungen sehr interessant, denn sie liegen weitab meiner Welt: da ich eh dauernd zuhause vor dem Monitor sitze, ist mein Bewegungsprofil komplett uninteressant. Und wenn ich mal zum Bäcker gehe, twittere ich das nicht extra! (sondern eher das, was ich grade im Web bemerkenswert fand…)
Was den Datenschutz angeht: Ich denke, es geht um das informationelle SELBSTBESTIMMUNGSRECHT?? Ist doch wohl ein Unterschied, ob jemand RECHTE auf meine Daten hat, oder ob ich FREIWILLIG Infos in die Welt streue?
Der physische Aufenthaltsort wird m.E. sowieso immer unwichtiger, je mehr die “Angelegenheiten der Welt” über Netzkommunikation geregelt werden – und da sind wir ja schon recht weit.
Insgesamt bestätigt dein Posting meinen Eindruck, dass es halt zwei Sorgen Menschen gibt: die einen fühlen sich eher verfolgt, die anderen eher verlassen.
Weiter frohes Schaffen!
@Claudia
selbstverständlich kann sich jeder selbst aussuchen, was er wie und wo veröffentlicht… und wenn es mit Köpfchen passiert sollte auch kein problem damit geben.
was an einer zeitlichen umsortierung “arbeit” sein sollte erschliesst sich mir allerdings nicht… einfach beim schreiben des beitrages ein beliebiges veröffentlichungs-datum angeben, fertsch…
bei twitter gibts schon so ein paar unwägbarkeiten (siehe u.a. auch http://blog.metaroll.de/2008/03/30/ueberwachen-mit-twitter/ ).
man kann sich z.b. alle twittereinträge bequem per rss auf den eigenen rechner liefern lassen, ohne dass das der twitternden person durch einen “follower” oder so angezeigt würde… komplett ohne das wissen des autoren.
wenn ich das z.b. bei dir machen würde, ists kein problem… wenn dein chef/untergebener/nachbar/familienangehöriger/freund/kollege da reinschaut und dann was anderes liest, als er am telefon gesagt bekam, da kann man schon mal überrascht werden… der phantasie sind da keine grenzen gesetzt.
aber wenn man mit köpfchen twittert ist das alles kein problem…
[…] Was wird derzeit nicht alles über Twitter geschrieben, spätestens seit der letzten re:publica ist auch der Rest der deutschen Blogosphäre davon infiziert. Das erste Mal habe ich Twitter 2006 oder Anfang 2007 genutzt, als der Hype um diesen Microbloggingdienst seinen ersten Höhepunkt erreichte. Zu diesem frühen Zeitpunkt – Twitter wurde 2006 gegründet – gab hauptsächlich englischsprachige Nutzer und ich habe bereits nach wenigen Tagen aufgegeben. Das Absondern kurzer Statusmitteilungen machte mir auf Dauer keinen Spaß, ebensowenig konnte ich einen brauchbaren Sinn darin entdecken. Im Februar diesen Jahres habe ich mir Twitter erneut angeschaut, ich war neugierig, wie sich Twitter entwickelt hat. Der Anteil deutscher User war signifikant gewachsen und ich fand etliche von mir regelmäßig gelesene Blogger bei Twitter wieder. Mein eigenes Blog hatte ich erst 2 Monate zuvor ‘eröffnet’ und ich dachte, Twitter würde sich gerade für kurze und spontane Mitteilungen eignen. Das tut es auch, soviel sei gesagt. Ich folge ca. 25 Twitterern, deren Beiträge zusammen mit meinen in meiner Timeline erscheinen. Das ist nicht viel, oft haben User mehrere hundert Follower. Was man da im Laufe eines Tages zu lesen bekommt, ist spannend, langweilig, interessant, trivial, unbedeutend. Monologe, Dialoge, Diskussionen, ödes Geschwätz. Alles und nichts.Im Prinzip das gleiche, was man hört, wenn man mit gespitzten Ohren durch eine belebte Fussgängerzone geht. Das ist nicht schlecht, nicht falsch, mir aber eben auch nicht sonderlich wichtig. Doch es kostet Zeit, allein das Lesen, das selber Schreiben noch viel mehr. Möchte man doch seine Follower nicht mit vollkommen belanglosen Dingen belästigen. Man tut es aber doch, weil eben die Sicht immer eine andere ist. Eine Beziehung, die aber auf Gegenseitigkeit beruht. Das ist die Natur von Twitter, und es ist gut so. Aber relevant ist es nicht. Meine Privatsphäre schon. Daher bin ich raus: Nachtrag 04.05.2008: Ein interessanter Beitrag zur Problematik solcher Dienste wie Twitter erschien heute bei blogbar.de. posted in internet […]