5.4.2009 | 16:34 von DonAlphonso

Vorneweg und Hintendran

Noch ein Nachtrag zu diesem leidigen Thema, oder besser, zu dessen leidigen Protagonisten, die daran arbeiten, einen banalen Kanal wie das Internet und seine schnelle Kommunikation zur Ideologie zu erheben:

Ich sitze hier gerade in Rom und arbeite an einem mittellangen Beitrag über die Frage, was heilige Orte ausmacht, ab wann man Ehrfurcht empfindet und wann das geplant Heilige als Parkplatz endet. Es geht um eine bestimmte Kirche in Siena, und es ist ein Text, den ich nicht mal einfach so aus der Hand schütteln kann. Ich kann ihn auch nicht bei Wikipedia recherchieren, oder sonstwo im Internet, denn die Quellenlage ist reichlich dürftig. Einen Grossteil des Wissens bringeich selbst mit, und das habe ich mir über Jahre angelesen. Einen anderen Teil nehme ich aus Büchern, die ich mir gekauft habe. Nur die Form der Kommunikation, die Aufbereitung, ist letztendlich das, was man als Kulturtechnik des “Bloggens” bezeichnen könnte. Aber es ist 48 Stunden her, da ich vor dem Dom in Siena stand. Es ist nicht möglich, das Thema zu twittern oder auch nur schnell runterzuschreiben. Es ist blogtauglich, aber es braucht Zeit. Und Ruhe.

Und damit zwei Komponenten, die es meines Erachtens in der deutschen – woe auch internationalen, soweit ich sie kenne – Blogosphäre nicht gerade leicht haben. Weil es darum geht, der erste zu sein, die theoretischen Vorteile von Twitter und Blogs auszuspielen, bevor es ein anderer tut, Themen zu verkürzen und die heisse Infosuppe so schnell wie möglich durch die Kanäle zu pumpen.

Der Eindruck, der bei dieser Berliner PR-Konferenz entstanden ist, liegt sicher auch an der Unfähigkeit, WLAN bereit zu stellen. Aber die Twitteräusserungen, die man in den Medien so liest, zeigen diese Haltung überdeutlich auf. Das kommt reichlich hektisch rüber, unreflektiert, laut, wie Kommunikation auf 140 Zeichen nun mal ist. Aber es ist eben auch der Stil einer bestimmten Gruppe von Leuten, das exakt so zu tun, es reicht ihnen, es entspricht ihrer Art.

Man wird nicht umhinkommen zu akzeptieren, dass es nicht die Art aller Menschen ist. Es ist eine kleine Schnittmenge aus Extrovertiertheit und Sucht nach schneller Kommunikation, die hier zusammenkommt. Das ist nicht per se schlecht oder übel, genauso gibt es Leute, die die Kombination von Salat und Cola mögen. Oder von Kabeljau und Blick in die Berge. Nur würde da keiner so tun, als sei das avantgardistisch, vornedran, und alle anderen müssten sich nun anstrengen, hinter diesem Ideal hinterher zu hecheln, sonst sei der Zug abgefahren, das Medium pleite und die Zukunft für immer verbaut.

Gerade die Geschichte der deutschen Blogs vom ungepflegt wirkenden Schwenzel im Opel über Lyssas Ende in der Cola-WG und ihre Wiedergeburt als Chefin eines missglückten Onlineprojekts bis zu den grossmäuligen Sprüchen zu einem Medienwandel, der für die selbsternannten Wandler nicht mehr als ein schäbiges Büro in Berlin bereit hält, zeigt doch, dass es der grossen Masse nicht reicht, arrogant und von oben herab mit einer Zukunft befaselt zu werden, die selbst bei denen nicht durchgehend akzeptiert wird, die mit neuen Kanälen durchaus umgehen und sie gestalten können. Es sind Anführer, denen die Masse nicht folgt. Es gibt da ein Schützengrabensymptom, das jeden kritischen Medienbericht mit Spott überzieht und dem Journalismus das Ende voraussagt. Weil man sich im Glauben versteift hat, so und nicht anders sehe die Zukunft aus. Netz, Internet, verdrahtet, gefollowed, Echtzeit. Selbst wenn es die Zukunft wäre: Man müsste erst mal erklären, warum das ausserhalb einer Peergroup Bedeutung hat. Lohnt nicht, muss nicht sein, die Peergroup findet allein die Attitüde prima, wenn es alle sagen, wird es schon stimmen.

Und es entbindet von der Unannehmlichkeit sich zu überlegen, ob man wirklich vorne dran ist – oder nicht vielleicht von der Mehrheit auf ausgestreckter Armeslänge entfernt verhungert, wie die anderen Berufsjugendlichen, die allein deshalb auf Zukunft setzen, weil sie keine vorzeigbare Vergangenheit und Gegenwart haben. Zeit und Ruhe natürlich auch nicht. Was bleibt, ist das Infowechselgeld, die kleine Form, das Rausblasen. Nett. Aber nicht die Zukunft.

1.4.2009 | 9:00 von DonAlphonso

Die Shifttaste hilft nicht bei alten Männern

Guten Tag nach Berlin. Und willkommen im Jahr 2009.

2009 hat etwas, das Berlin und die dort in der Kalkscheune ,meines Erachtens nicht mehr haben: Eine Zukunft. 8 Monate, um genau zu sein. 8 Monate ist nicht viel Zeit, um dem labbrigen Hypesack der real existierenden deutschen Vorzeigeblogosphäre wieder sowas wie Leben einzuhauchen. In 8 Monaten kann viel passieren, aber nicht nur Gutes: Dem allseits geliebten Facebook springt der CFO ab, was nie ein gutes Zeichen ist. Liebling Last.fm pfeift finanziell aus dem lasten Hole und will vergeblich das Geld der Nutzer. Und bei Profimedien sind Blogs als Beitragslieferanten hoch beliebt, wenn sie die Inhalte verschenken – letztere Bloggerfreunde sind dann auch Medienpartner der re-publica. Und das kommt der Orga noch nicht mal blöd vor.

Angesichts der Krise, die nicht nur eine Medienkrise ist, sondern vor allem eine Krise der Inkompetenten und Überflüssigen aus der Kommunikationsbranche allgemein ist, ist der kurzfristige Trend extrem unschön und negativ. Worüber Sie deshalb reden werden, ist ein eher mittelfristiger Durchbruch Ihrer Medien oder was Sie dafür halten. Die Bundestagswahl wird es Ihres Erachtens richten, denn Obama hat es vorgemacht, und es quillt schon aus allen Ecken und Enden, dass Sie ebenfalls so einen Wahlkampf gerne mitgestalten wollen würden. Da gibt es nur ein paar Probleme:

1. war das Internet keinesfalls wahlentscheidend – es wirkt nur so, weil sich die Medien daran so abgearbeitet haben. Und die Politik weiss, dass in den Käffern damit weniger als mit Freibier bei der Feuerwehr zu holen ist.
2. sieht man aus den bisherigen Beiträgen deutscher Blogs und Twitterer, dass sie zum alles bestimmenden Thema der Wirtschaftskrise so viel beizutragen haben wie ein Esel zur Raketentechnik. Pseudokühl sein reicht nicht.
3. waren Sie auch schon früher da. Und das ist das Hauptproblem. Wie auch bei ausgebrannten Politikern. Denn:

Wie repräsentiert man eine Veränderung, wenn man seit Jahren nichts auf die Reihe gebracht hat?

Das ist die eigentliche Kernfrage. Da rennen haufenweise Leute rum, die 4, 5, 6 Jahre Zeit hatten, etwas besonderes zu leisten. Die all diese Jahre ganz grosse und ganz tolle Veränderungen angekündigt haben. Veränderungen, die durchaus Chancen hatten. Die man ausprobiert hat, mit wirklich teils guten und teils geldigen Partnern. Und die allesamt im Ergebnis klein, mies und peinlich blieben. Die Cola-WG. Die Blogs bei derwesten.de. Die Wahlkampfblogs von vor 4 Jahren. Marketing in Second Life. Social Shopping. Blogwerbung, Blogberatung. Profiblogs. Alles probiert, alles bedeutungslos und langweilig geblieben. Gestern meinte einer, der auch in Berlin ist, seine Blogger würden für ein Essen im Monat bloggen. Ein lunpiges Essen. Lumpige 50 Euro soll Deutschlands bekanntestes PR-Blog für ein Feature bezahlen. Schauen Sie sich um, schauen Sie auf Podien und Vorturner: Das sind die Leute. Sie sind immer noch da, sie geben in diesem Sektor immer noch den Ton an. Hauptsache was Neues im Internet. Twitter. Oh ja. Ganz toll und wichtig.

Statt einmal ein Thema richtig zu machen, statt gute Lösungen mit Blogs zu liefern, statt sauber zu arbeiten, statt einfach mal was auszuprobieren und es nach dem ersten Problem gleich wieder sein zu lassen, nun also Twitter. Und anderes Internetzeug. Als hätte Technik eine Bedeutung für das, was zu sagen ist. Als läge Bedeutung in der Zahl 140 für die Anzahl der Zeichen, und nicht in Gedanken und Ideen. Weil es leichter ist, Technikgerödel zu erfinden, als es mit Leben zu erfüllen. Weil einen das alles immer sofort und auf der Stelle von der Notwendigkeit entbindet, langfristig zu planen. Und vielleicht auch mal zurückzuschauen und aus Pleiten zu lernen. Selbst wenn das nicht zur Behauptung passt, man wäre die Spitze der Veränderung.

Ich sehe keine Veränderung. Ich sehe nur ein paar älter gewordene Männer, die eine Weile gute Presse hatten, weil da ein paar Freunde oder Nachplapperer sassen. Die Leute, die in Berlin Veränderung verkaufen wollen, hatten für ihr Ding mehr Zeit als die New Economy, jede Menge Aufmerksamkeit und so viele Freischüsse, wie sie wollten. Sie sind darüber alt geworden, müde und genervt. Sie haben noch acht Monate zu beweisen, dass sie mehr können, als bisher zu sehen war, und das ist eine Menge Zeit, um zu beweisen, dass sie mehr als nur mit Anglizismen gejauchte Modetorheiten auf die Reihe bringen. Dass ihre Einlassungen es wenigstens bis zu den Leuten an der Bushaltestelle vor dem Veranstaltungsort schaffen. Dass sie mehr sind, als eine Freakshow komischen Internetabhängiger, ein Totentanz der Onlinebettler auf der Suche nach Grundeinkommen und kostenlosem WLAN, ein Trendtag für Arme, dass ihr Wert grösser ist als die Versteigerungserlöse ihrer Blogs bei Ebay und mehr Seele drin ist, als in tausend Verlinkungen zu irgendwelchen Twitterneuigkeiten. Dass sie Themen setzen können, und nicht nur Haufen ins Internet. Dass sie nicht nur infantile Berufsjugendliche sind, die sich aus Versagensängsten am Gadget festhalten, wie der alte Sack am Viagra.

8 Monate. Zeit läuft.

31.3.2009 | 13:24 von DonAlphonso

Wie man mit einem kritischen Watchblog fertig wird.

Antworten auf diese Fragen – und zumeist reichlich teure und dumme Antworten – erteilt eine Kamarilla von PR-oleten, Medienschmarotzern und anderen peinlichen Figuren, die sich an eine Szene ranwanzen, um sie in Zusammenarbeit mit anderen auszunehmen wie eine Weihnachtsgans. Schliesslich gibt es genug Firmen und Medien, die ganz sicher keine kritische Öffentlichkeit brauchen, und sich den Spass der Diskriminierung das ein oder andere kosten lassen. (Blogger sind da anders, die machen das mit Lügen, Getratsche und Hintenrumaufstacheln – soviel Geld haben die auch nach der grossen Kommerzialisierungswelle in aller Regel nicht)

Nun aber sieht es so aus, als könnte ausgerechnet die allgemein und auch vom Verfasser dieser Zeilen verabscheute Bildzeitung zumindest einen Lösungsweg aufzeigen, und der lautet ih etwa:

Keine allzu grossen Fehler wie bei der Hetze gegen Sibel Kekilli mehr machen, die einen zu sehr in die Kritik bringen würden, es bei den “normalen” Verstössen gegen Recht und gute Sitten belassen, die anderen Medien auch “passieren”, sich das Bildblog an nicht wirklich spannenden Fehlern abarbeiten lassen und warten, warten und nochmal warten, es macht ja nicht viel aus, wenn die ihrem immer gleichen Fankreis das gleiche erzählen, und abwarten, bis denen der lange Atem ausgeht, denn so toll sind die Möglichkeiten zur Refinanzierung von so einem Projekt dann auch nicht.

Wenn Christoph Schultheis dann zum Abschied schreibt:

Es gibt noch mehr solcher Geschichten (und Unfassbarere) über “Bild”, die sich dennoch nie aufschreiben ließen – und sei es nur aus Rücksicht auf Betroffene.

fragt man sich schon, warum man nicht wenigstens eine Mediensatire… oder anonymisiert… oder bei Wikileaks… oder was auch immer. Ich will hier nicht heucheln, dass mein Verhältnis zu den Machern des Bildblogs konfliktfrei oder von Zuneigung geprägt gewesen wäre, aber es war gut zu wissen, dass sich Leute mit all dem Dreck auseinandersetzen, den man nicht seinen besten Freunden wünschen würde.

30.3.2009 | 12:10 von DonAlphonso

Die Suche nach Autoren

Wenn eine Zeitung für ihr Onlineangebot oder für Print auf die Dienste der dpa und anderes Material verzichtet, weil es angeblich zu teuer ist, kommt meistens auch gleich noch eine Erklärung nach, was anstelle den nun fehlenden Inhalte zu finden sein soll: Autorenstücke. Man möchte zur Autorenzeitung werden.

Ich finde dann gemeinhin mehr Ankündigungen als Autorenstücke. Natürlich sind Zeitungen in der Defensive, weil das Abdrucken von gestrigen Agenturmeldungen in der Zeitung heutzutage kein tolles Geschäftsmodell mehr ist, natürlich müssen sie ihr Blatt mit etwas anderem füllen – aber genau dazu scheinen sie nicht in der Lage zu sein. Weder online noch offline.

Ich sehe auch keine Verpflichtungen von Leuten, die Geschichten erzählen könnten. Sicher auch Blogger, soweit sie was taugen, aber selbst Schriftsteller dürften nicht allzu teuer sein. Passiert aber nur ganz selten. Meistens bequemt sich ein Mitarbeiter vom Stuhl und versucht, etwas zu schreiben, was wie eine “Geschichte” aussieht. Zwangsweise. Und das merkt man dann auch.

Natürlich ist es auch viel verlangt: So ein Journalist ist eben nun mal kein Autor. Er hat das nie gelernt, es gab keine Anweisung vom Chef, und dafür findet man auch kein PR-Material, keine Studie und keine Anleitung. Er müsste mehr können, erzählen sogar, runtersteigen von seinem hohen Ross, und mit Leuten reden, die nicht der Bürgermeister sind. Noch nicht mal dessen Referent.

Insofern darf man davon ausgehen, dass Zeitungen mittelfristig doch wieder zur dpa zurückkehren. Und die Geschichten auch in Zukunft eher in Blogs zu finden sind. Das löst natürlich weder das Aboporblem der Zeitungen noch den Hunger der Blogger, die sich anbieten würden, aber es ist nun mal so. Wäre es anders, hätte man es schon vor Jahren anders machen können.

21.3.2009 | 16:38 von DonAlphonso

Hasse ma n Beitrach?

Prinzipiell habe ich ja Sympathie für Versuche, alten Medien neuen Glanz anzupolieren. Ich dachte am Anfang auch, dass aus der alten Freitag was Neues und Schönes werden könnte, und war vom real existierenden Produkt reichlich enttäuscht. Ich schaue seitdem immer mal wieder rein, die Seite scheint stabiler zu sein, aber die Inhalte haben sich nicht wirklich gebessert, und die Ankumpelei an die Blogs hat man sich auch nicht abgewöhnt. Mich erinnert das ein wenig an das verblichene Zoomer, dem auch so einige den Untergang vorausgesagt haben, und die an einer ähnlich schrägen Form zu lange festgehalten haben: Der Schub des Beginns ist weg, und nun dümpelt man einfach mal so weiter in der Hoffnung, dass es besser wird. Es gab ja einiges an Kritik, aber kein erkennbares Lernen. Muss auch nicht. Sind ja nur blöde Blogger, die rumnerven.

Letzte Woche kam dann eine Anfrage, die mich etwas ratlos zurücklässt:

Wir versuchen seit unserem Relaunch im Februar Print und Online durchlässig zu gestalten. Communitybeiträge haben die Chance, im Print zu erscheinen etc.
Wir haben daher in jeder Ausgabe auch eine Blogspalte, in der wir schöne Blogs, die uns aufgefallen sind, veröffentlichen.

Welche Community hätte ich mit diesem Magazin? Warum sollte ich ein Interesse haben, deren Printprodukt mit meinem Schreiben durchlässig zu machen? Warum sollte ich durch eine Vorauswahl von denen in eine Blogspalte? Einfach so, weil Frühling ist und Rosen treiben?

Vielleicht ist es nur die tantenhafte Tonalität, dieses “Wir sind da jetzt total nett zu Dir” von einer Zeitschrift, die auf einem der bekannteren deutschen Blogs etwas findet und glaubt, man hätte das jetzt nötig, bei so einem Projekt in eine Spalte gequetscht zu werden. Der Beitrag ist um ein Bild herumgeschrieben, das sie so nicht übernehmen könnten, und es ist vin jemandem geschrieben, der nicht wirklich auf so ein projekt angewiesen ist, um im Print zu erscheinen. Keine Recherche? Einfach nur eine Standardmail?

Mal ganz abgesehen von der Veränderung, dass aus dem Blog bei manchen “d*r” Blog wurde und d*r nun für einen Blogeintrag steht: I would prefer not to. Nicht so. Nicht in diesem Ton. Nicht als kostenloser Spaltenfüller. ich bin ganz froh, dass die diversen Blogabgrasprojekte gescheitert sind, da brauche ich keine linke Neuauflage, weil die sich was davon erhoffen. Ich bin ganz froh, im Internet zu sein und keinen zu haben, der mich raussucht und “ehrt”.

16.3.2009 | 12:20 von DonAlphonso

Eiskalter PR-Medienkaffee

Das ist doch mal eine hübsche Marktbereinigung: Die dpa hat ein Einsehen und stellt ihren nie richtig in Schwung gekommenen Versuch eines PR-Blog-Portals ein. Das ist insofern sehr lustig, als dort diejenigen schrieben, die von sich behaupteten, sie könnten das mit dem Bloggen auch an Firmenkunden verkaufen. Klassischer Fall von Inkompetenz im Bett mit Selbstüberschätzung, Ergebnis Totgeburt. Ãœberhaupt scheint sich die PR ja weitgehend vom Bloggen vertschüsst zu haben, wenn man mal von “Schreib mir was Nettes für´n Fuffi” oder “Verlink mich für nen Zehner” absieht. Die Frage, was bei solchen Restgeschäften kleiner und peinlicher ist, Geber oder Nehmer, kann sich jeder selbst beantworten, aber den Rückzug der Grossen oder was sich dafür hält kann man nur begrüssen, solange man nicht zu denen gehört, die dachten, sie könnten mit ein wenig Geblogge einen feinen Beruf ohne Stress haben. Viel Spass bei Twitter.

13.3.2009 | 10:56 von DonAlphonso

Aus dem Email-Verteiler der Neocons

Thema Social Media Spamming, frisch aus dem Undercover-Posteingang:

Liebe Freunde,

„Soll Deutschland Durban II boykottieren“

ist das Thema einer laufenden SPIEGELonline-Umfrage.

Der aktuelle Stand:
Uno-Konferenz gegen Rassismus

Soll Deutschland “Durban II” boykottieren?

Ja 826 50,49%

Nein 770 47,07%

Weiß nicht 40 2,44%

Gesamtbeteiligung 1636

Stand: 13.03.2009, 09.50 Uhr

Dieses Zwischenergebnis ist absolut ungenügend. Wir bitten um schnelle Abstimmung und Verbreitung des Aufrufes zur Abstimmung. Eine klare Mehrheit für den Boykott ist politisch für Israel von essentieller Bedeutung, gerade weil es sich um eine SPIEGEL – Umfrage handelt, die von Parteien und Regierung in Deutschland, aber auch im Ausland registriert wird.

Nach Klick auf den Link runterscrollen – die Umfrage erscheint auf der linken Seite.

Nochmal: bitte unbedingt und schnell abstimmen und maximal auf die Umfrage aufmerksam machen.

Positiv gesagt: Es räumt mit dem Vorurteil auf, dass Juden irgendwie bessere Menschen ist. Negativ gesagt: Es ist mir so unsagbar peinlich, wenn Einzelne – und es sind wirklich nur Einzelne – meiner Leute so einen Blödsinn machen. Traue also nie einer Onlineabstimmung.

13.3.2009 | 0:49 von DonAlphonso

Ãœber das Freischalten der Kommentare

Ich habe heute in der FAZ einen mässig kritischen Beitrag über diese waffenlobbyistisch argumentierenden Gamer geschrieben, die, egal was passiert, immer auflaufen und betonen, dass alles und jeder, Schule, Eltern, Freunde, Gott, die CSU und die UNO an irgendso einem Stück Scheisse schuld sind, das Menschen umbringt, aber gar nie nicht die verfickte Droge, auf die sie stehen: Ihre Gewaltspiele. Ich habe das freundlicher gesagt, als ich es meine, denn in meinen Augen sind diese explizit Suchtkranken argumentativ auf dem gleichen Niveau wie die Altnazis bei uns in den Käffern. Es ist immer was anderes, oder was anderes ist noch schlimmer, oder noch dieses und jenes und – na, man kennt das. Kostenlose PR-Truppen für einen widerlichen Wirtschaftszweig.

Jedenfalls habe ich heute zum ersten Mal begriffen, warum man bei Medien wie der FAZ die Kommentare nicht auflassen kann, wenn man so etwas bei einem klassischen Medium schreibt. Ich war da früher hochgradig anderer Meinung, aber heute hatte ich das Vergnügen mit einem Link von einem Quakeforum, und die ganze feige Bande dann als Trolle im Blog. Ich habe an die 50 Kommentare gelöscht, und es war so ziemlich alles dabei, was man sich so vorstellen kann, von der Beleidigung bishin zu Äusserungen, bei denen man gleich den Staatsanwalt anrufen könnte. Nun sind diese Art Gamer eine ganz besondere Gruppe Mensch, die, ähnlich wie die Gefolgschaft von Neoconaziseiten und extremistische Islamisten, keine Haftung in der Realität mehr haben. Man muss mit sowas umgehen können und rigoros reingehen, aber

– es ist vollkommen klar, dass man diesen Dreck zügeln muss. Die Bagage hat am Anfang erkennbar damit gerechnet, dass die Kommentare wirklich offen sind, und reichlich unbekümmert ihre Einlassungen abgeschickt. Nach einer Weile bremst da die ausbleibende Freischaltung. Aber ich will nicht wissen, was passiert, wenn man denen die Möglichkeit gibt, sich auszulassen. Man wäre denen mit offenen Kommentaren nicht Herr geworden. Und da war genug dabei, was man innerhalb der Rechtsordnung dieses Staates nicht stehen lassen kann.

– ich mache das ja nun schon etwas länger. Ich kann damit umgehen. Trotzdem, da waren heute ein paar Typen dabei, denen hätte ich gern den Gefallen getan und es online gestellt. Und dann ihren Eltern die Bedeutung von Haftungsfragen nahegebracht. Ich glaube, diese Kinder brauchen das. Eine starke Hand, die ihnen die Kiste wegnimmt, den Schlüsselumdreht und dafür sorgt, dass sie andere Sorgen haben. Zu ihrem eigenen Besten.

Nun ist mein Projekt dort kein Versuchskasten für Kommentarverhalten, aber ich habe den Eindruck, dass bei der FAZ eine ganz andere Motivation mit reinspielt, dort durchzukommen. So zumindest interpretiere ich die auch andernorts erfahrenen Drängeleien in die Kommentarspalten. Klassiker sind “Sie machen die FAZ kaputt”, “Wenn das nicht kommt beschwere ich mich oben”, “Wissen Sie überhaupt wer ich bin”, “Das Ende der FAZ”, “warum erscheine ich nicht sofort! Zensur”, allesamt nichts, was man gerne im Blog stehen hätte. Es ist schon stressig genug, diesen Müll zu sortieren – noch übler aber wäre es, ihn nachträglich sortieren zu müssen. Das Freischalten verlangsamt die Debatte, aber es diszipliniert auch. Ich habe da bis vor ein paar Wochen anders gedacht, aber der Druck ist dort nochmal ein anderer als in einem normalen Blog