17.9.2007 | 12:33 von DonAlphonso

Die ChimÀre des Blogblues

Es gibt im Moment einige Schliessungen von bekannteren Blogs. Maingold, Poodlepop und dazu auch noch die ein oder andere Blogpause, und bei der Tagung im ZKM “Ich, Wir und die Anderen II” wehte hier und dort auch Nachdenkliches, gar Depressives durch die BeitrĂ€ge. Da gab es natĂŒrlich auch diejenigen, die sich wohl mehr wirtschaftliche Vorteile vom professionellen Bloggen erwartet hĂ€tten – und jetzt mit einem unpĂ€sslichen Werbevermarkter ins ökonomische Nichts schreiben mĂŒssen, das sehr treffend Uwe Hochmuth von der HfG Karlsruhe beschrieben wurde. Er ĂŒberraschte manche Anwesenden mit der EinfĂŒhrung des Begriffs “variable Kosten”, als die sich die mehr oder weniger anwesenden digitalen Bohemiens den Ausbeiutungsmechanismen der Wirtschaft prĂ€sentierten: Es gĂ€be nĂ€mlich wenig VerstĂ€ndnis fĂŒr ihr Tun, aber durchaus ein Instrumentarium des AusnĂŒtzens ihrer Lage. Mercedes Bunz, die trendiges Agenda Setting fĂŒr gewisse Berliner Netzwerkkreise known as Ritalin Connection im weiteren Umfeld eines angeblich “linken Neoliberalismus” auch im ZKM betrieb, wuselte wĂ€hrend dieses Vortrags mal rein und mal raus und blieb dann auch weg, was angesichts des möglichen Diskurses einen etwas seltsamen Eindruck machte.

Abgesehen davon ist manchmal wirklich sowas wie Endzeitstimmung zu spĂŒren. FĂŒr mich ist das absolut unverstĂ€ndlich, denn meine Auffassung vo Bloggen bedeutet: ErzĂ€hlen. ErzĂ€hlen ist ein bombensicheres Kommunikationsmodell, es ist simpel und effektiv wie das Blog als Instrument, da hat eine Ausdrucksform das ideale Ausdrucksmittel gefunden, und damit lĂ€uft die Sache. Solange man sich nicht von “den anderen” definieren lĂ€sst, oder denen, die andere Ziele verfolgen, den Spass verderben lĂ€sst. Das an und fĂŒr sich gute Vernetzen kann schnell zu einer Spassbremse werden, weil damit plötzlich Gestalten auftauchen, denen man keinesfalls vorgestellt werden möchte, aber niemanden kann einen zwingen, dergleichen in seiner Umgebung zu dulden.

Warum aber schlĂ€gt der Blogblues dann so stark durch? Wieso die Stimmung, die tatsĂ€chlich fĂŒhlbar ist? Meines Erachtens hat das oft mit zwei Erfahrung zu tun, die man sich angesichts des schnellen Mediums, seinen rasanten GesprĂ€chen und neuen Sensationen an jeder Ecke kaum vorstellen kann: Zeit und Tod. Öffentliches Schreiben hat hĂ€ufug etwas damit zu tun, sich gegen das Vergessen und Vergehen zu stemmen, etwas zu bewahren und unflĂŒchtig zu machen. Blogs sind da wie BĂŒcher, sie vermitteln die Illusion, dass es möglich wĂ€re, sich gegen den Strom der Zeit zu stellen, das Geschriebene bleibt, sagen manche, aber gleichzeitig ist die Flut all der Belanglosigkeiten, des Freaktums und der geldgeifernden Peinlichkeiten, die den Mainstram der BlogosphĂ€re ausmachen, schlimmer als jedes Vergessen, und man kann sich dem Pech, irgendwie auch darunter gesehen zu werden, nicht oder nur schwer entziehen.

“Ich, Wir und die Anderen” zeigt exemplarisch den Grundfehler der BlogosphĂ€re auf; denn wĂ€hrend literarisches Schreiben frĂŒher erst aus einem “Ich” bestand, das sich an “Andere” richtet, die nur durch die Überwindung von hohen HĂŒrden, mit einem hohen Engagement ein “Wir” gestalten konnten, geht das heute alles simultan. Man kann heute bei mir kommentieren und gleich danach bei einer Blogmarke, man muss nicht gross nachdenken, ein wenig Geplapper reicht auch schon. Das “Wir” der BlogosphĂ€re ist vollkommen ĂŒberschĂ€tzt und ĂŒber weite Strecken minderwertig, Blogs sind GesprĂ€che, aber als ich gestern Abend in einem Lokal war, redeten hinter mir zwei Typen nur ĂŒber eine Prostituierte, die mit ihrer Entlohnung unzufrieden war und statt der abgemachten 30 Euro im Zimmer dann 50 Euro haben wollte.

Ich glaube nicht, dass der Blogblues eine Unzufriedenheit mit dem ErzĂ€hlen und der nötigen Software ist. Es ist das Debakel einer unausgereiften Entwicklung, es sind tatsĂ€chlich strukturelle Probleme im System, das sich schon lange mehr ĂŒber Awareness als ĂŒber QualitĂ€t definiert, und dessen stete VerĂ€nderungen, der Auf- und Abstieg von RĂ€delsfĂŒhrern und der Ausstieg von Protagonisten nicht zwingend etwas Ă€ndert, aber andere Mittel sehe ich auch nicht. Es gibt durch das Schreiben keine Nichtendlichkeit, man kann Gedanken bewahren und fĂŒr sich etwas tun, den anderen etwas erzĂ€hlen – aber das Kollektiv, das Wir, das Soziale, das auch der Stalinismus fĂŒr sich fordern konnte und jede andere Zusammenrottung, davon wende man sich besser ab.

Und erzÀhle weiter. ErzÀhlen ist etwas, das einem keiner nehmen kann.

14.9.2007 | 7:55 von DonAlphonso

Halbwegs sortierte Gedanken zu meinem Vortrag in Karlsruhe

Ich werde heute am ZKM was ĂŒber die Kunstfigur Don Alphonso erzĂ€hlen. Möglicherweise weiche ich hier und da von meinem Konzept ab, vergesse manches und sage ad hoc ein paar andere Sachen. Aber nachdem es mir zu blöd ist, auf Basis zusammengeschmierter Skripte Dritter, die nur halb hinhören, eine Debatte ĂŒber Dinge reinzuziehen, die aus dem Kontext gerissen werden um den Zuhörern im Saal die Freuden des ungestörten Lauschens zu ermöglichen, und den Lesern draussen an den Rechnern einen Eindruck von meinem Vortrag zeitnah anzunbieten, sind hier meine Notizen zu dem, was ich zu sagen vorhabe.

Aus dem Leben einer Kunstfigur

Die Entstehung der Kunstfigur: Kommt eigentlich aus einer damals nicht ganz unbekannten Comedy im Radio, dann auch Internet-Comedy, blieb als Nickname hĂ€ngen, und war so mehr eine Laune, denn ein Versuch, die echte Person dahinter zu schĂŒtzen. Wer ich war, war zu Zeiten von Dotcomtod mit ein paar Klicks herauszufinden, nur können manche einfach nicht recherchieren – oder auch nur meinen Namen richtig schreiben.

Die Eigenschaften der Kunstfigur: Ähnlich Realperson mit ein paar Ausrutschern und charakterlichen Defiziten, manchmal himmelschreiende Ignoranz, von oben herab und das mit einer gewissen Lust am Unkorrekten, macht seine angenehmen LebensumstĂ€nde nicht klein. Es gibt auch in der RealitĂ€t den Stadtpalast, die Reisen, die Ausbildung, den Stuck, das Essen, die LebensumstĂ€nde sind weitgehend identisch, aber mir persönlich ist dieser Don Alphonso manchmal auch etwas zu dreist, sein Mangel an Decorum ist ein klarer Charakterfehler, und seine UnfĂ€higkeit, sich zu verstellen und mitunter den Mund zu halten, ist gerade fĂŒr eine komplett erfundene Kunstfigur schon ziemlich daneben – denn sie könnte ja anders, wenn ich wollte.

Wie ist es so? Seltsam! Einerseits wird von mir immer wieder betont, dass hier eine Kunstfigur agiert, aber dennoch wird sie ernster genommen, als sie gemeint ist. Das sorgt auch fĂŒr Konflikte, aber da hilft sie, weil der reale Mensch daneben steht und in sich hineinkichert. Konflikte mit Don Alphonso sind sinnlos, denn den gibt es nicht, und ich fĂŒhle mich nicht betroffen.

Nicht betroffen sein – das ist auch die positive Auswirkung fĂŒr den Umgang mit der eigenen PrivatsphĂ€re. Hier hilft sie, das Talkshow-Problem zu beheben, in dem ĂŒber alles und jeden gesprochen wird, distanzlos und ohne RĂŒcksicht auf die Persönlichkeitsrechte. Genau hier hilft die Kunstfigur, weil sich niemand sicher sein kann, was nun stimmt und was nicht, denn manchmal sage ich einen halben Beitrag die Wahrheit, um dann fĂŒr den Rest Don Alphonso ranzulassen.

Funktion anhand der Kategorie “Real Life” – Leben in der Provinz, alles sehr eng, jeder kennt jeden, fast wie in der BlogosphĂ€re, und besonders heikel ist der jetzt einsetzende 2. Heiratsmarkt mit Scheidungen, Jagd auf die letzten Junggesellen und Skandalen der besseren Gesellschaft. Zeitlich verschobene Geschichten, werden auf einzelne Personen ĂŒbertragen, die das so nicht gesagt haben und auch nicht existieren, und dadurch auch nicht festzumachen sind – ausser in einem sehr engen Bekanntenkreis, der sich ĂŒber seine Literarisierung sehr amĂŒsieren kann. Es gibt dennoch klare Tabus: Wirklich ernste Probleme finden ebensowenig Eingang wie Intimes, es bleibt beim Ausschnitt, und es gibt vieles, das ich keinesfalls mit denen da draussen teilen will.

Die Kunstfigur ist hier ein leicht durchsichtiger Vorhang zwischen Zuschauerraum und BĂŒhne, letztlich ein Puffer zwischen den Welten, der im Internet und der realen. Das fĂ€ngt bei banalen Sachen an, wie die Verschleierung des Aufenthaltortes, ĂŒber die Möglichkeit, Dinge zu erzĂ€hlen, die sonst verschwiegen werden mĂŒssten, bishin zur eigenen Absicherung – wer den Fehler macht und eine der diversen Legenden ĂŒber Don Alphonso als Tatsachen ĂŒber die Realperson hinstellt, kann schon mal eine Abmahnung vom realen Menschen bekommen.

Das Ergebnis? Man bekommt einen sehr prĂ€zisen Eindruck von Don Alphonso, aber nur einen vagen Eindruck von der Realperson. Mit der AuthentizitĂ€t ist es nicht weit her. Stellt sich die Frage: Warum lesen Leute das? FrĂŒher hĂ€tte ich angenommen, dass es an der gerade mal so ausreichenden Ähnlichkeit zwischen mir und der Kunstfigur liegt. Wer den Don kennt, dem ist die reale Person nicht wirklich fremd, es gibt da ein hohes Mass an Übereinstimmungen, ohne dass man es zwingend an einzelnen ErzĂ€hlungen festmachen könnte. Irgendwo in der NĂ€he vom Don bin ich, so nah lasse ich die Leute ran – und wen ich nĂ€her ranlasse und privat kennenlerne, schaue ich mir vorher genau an. Das heisst nicht, dass ich nicht manchmal auch wirklich ehrliche Texte schreibe und den Don beiseite lasse – aber die Identifikation dieser Texte ist schwierig, selbst wenn dabei die nötige Personifizierung des Blogautors rĂŒberkommt.

Allerdings: Ich habe eine Umfrage gemacht, wie die anderne das so halten. Bislang gab es rund 80 sehr spannende Antworten per Kommentar, Mail und GesprĂ€ch, und die meisten machen das ebenso. Manche empfinden es noch nicht mal als Problem, sondern wollen speziell dieses Vexierspiel. Dass es so ist, stört keinen, solange er sich dennoch ernst genommen fĂŒhlt. Insofern gibt es wohl so eine Art Gentleman Agreement, ohne dass man zwingend zur eigenen Kunstfigur dazu schreiben mĂŒsste. Literarisierung vielleicht sogar als QualitĂ€t, der erfundene Charakter besser als die angeblich ehrliche Person, die sich dann aber durch Verschweigen schĂŒtzen, Seiten von sich ausblenden und damit auch verstellen muss?

Abgeleitete Fragen: Mangel von Ehrlichkeit Problem bei politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen, wo bleibt da der Einfluss? Die Frage ist insofern wichtig, als es in den letzten Wochen ein paar neue Angebote gab, journalistisch als Don Alphonso zu schreiben. SubjektivitĂ€t und dazu noch einer Kunstfigur: Es ist meines Erachtens grosser Unterschied zum Journalismus. Einerseits sage ich als Journalist weniger von dem, was ich mir wirklich ĂŒber ein bestimmtes Thema denke, bin dann aber möglicherweise unterschwellig manipulativ, um meine Ziele zu erreichen. Was ist letztendlich besser? Andererseits ist Literatur eher der einfache Weg; es Ă€hnelt dem ErzĂ€hlen von Anekdoten oder Gleichnissen: Es ist so leicht, eine selbstgemachte Mangold-Tarte zu photographieren, die frisch aus dem Ofen kommt, und damit die Leser zu bewegen, mal wieder auf den Wochenmarkt zu gehen; viel leichter jedenfalls, als sich in die Problematik und die Segnung modernen Supermarktwaren einzuarbeiten und kritisch zu wĂŒrdigen. Trotzdem, es ist eine Form von Journalismus, eher im eigentlichen Wortsinn und liegt nah an der Literatur, aber auch das kann beim Leser Debatten und Umdenken bewirken.

Das klingt jetzt nach Anything goes, nach Beliebigkeit, nach einem leichtfĂŒssigen Überschreiten von Grenzen und dem Zweck, der die Mittel heiligt. Gibt es dadurch nicht neue Probleme? Meines Erachtens ja – aber es sind durchaus Probleme, die man so auch im Journalismus findet. Literarisierung und Persönlichkeit können zu weit gehen. Literarisierung ist ein Spiel, das als solches erkennbar ist, und offensichtlich von beiden Seiten akzeptiert wird, weil es allgemein notwendig ist. Kann aber auch umschlagen in den Glauben, dass man Lesern einfach alles erzĂ€hlen kann. Das ganze kann schnell zu Borderline werden, wenn Leser fĂŒr dumm verkauft werden. Beispiele sind die angeblich drastisch ehrlichen Sexblogs, die in D allesamt nach Fake riechen, Jubelmeldungen ĂŒber erreichte Besucherzahlen und sonstige Beweise einer angeblichen Relevanz im Kreise der Irrelevanten,

Das andere Problem betrifft die Persönlichkeit. Denn die kann auch umschlagen zur glattgebĂŒgelten Personality, zur wiedererkennbaren Marke, deren PrimĂ€rziel die Vermarktung ist. Begleitet wird das durch extensives Getrommel und Bitten, das eigene Ziel aktiv zu fördern – einen Charterfolg, ein Lektorat fĂŒr ein Buch, das kein Verlag drucken will, irgendwelche Abstimmungen zu faken. Bei Morningshowmoderatoren, im horizontalen Gewerbe und bei doppelmoralischen Politikern meiner bayerischen Heimat zeigt sich, dass man das Produkt einer Personality durchaus erfolgreich betreiben und einer gewissen Fanbase auch verkaufen kann – die als Marken agierenden Vertreter der BlogosphĂ€re waren bislang dagegen eher erfolglos.

Was kann man daraus lernen? Meines Erachtens ist eines der entscheidende Kriterium in der erzĂ€hlenden BlogosphĂ€re immer noch Vertrauen. Vertrauen in den Autor, und Vertrauen in die FĂ€higkeit der Leser, unter all den Verschiebungen der RealitĂ€t doch den Kern zu sehen. Meines Erachtens ist das keine Basis fĂŒr ein GeschĂ€ftsmodell, aber es macht sehr viel Spass – und das ist zumindest fĂŒr mich der Grund, diesem unperfekten, arroganten, hochnĂ€sigen schlechteren Sohn aus besserem Hause, diesem Don Alphonso, weiter zu schreiben.

12.9.2007 | 20:04 von DonAlphonso

Was bringt Werbung in Blogs?

Dazu ein kleiner Exkurs: Als ich meinen Roman geschrieben habe, wurden den ersten 500 Bestellern eine signierte und nummerierte Sonderausgabe bei Dotcomtod angeboten. Und zwar, bevor das Buch auf dem Markt oder auch nur gedruckt war. Es gab damals den Vertrag und das fertige Manuskript und eben dieses Angebot, das man durchaus als Werbung bezeichnen kann. Damals gingen die 500 Exemplare tatsĂ€chlich in der Vorbestellung weg, und sorgten dafĂŒr, dass dann nach der Ausliefrung recht schnell eine zweite Auflage gedruckt wurde. Insofern will ich keinesfalls ausschliessen, dass Blogwerbung funktionieren kann – zumindest nicht in einem Umfeld wie Dotcomtod.

Nun war das in grauer Vorzeit von 2003, und wenn man heute versucht, an Conversion Rates und Klickzahlen zu kommen, wird einem von Seiten der Business Blogger so gut wie nichts gesagt. Es kommen unverbindliche Bemerkungen wie “zufriedenstellend”, “doch, ganz gut” und “kann nicht klagen”. Nachdem diese Leute ansonsten aber durchaus dazu neigen, die Erfolge ihrer angeblichen Userzahlen und glĂ€nzenden Siege an der Awarenessfront rauszutrompeten, klingt das ein wenig, hm, reduziert. Man ahnt, dass es nicht so doll sein kann, aber nichts genaues weiss man nicht. Aber zum GlĂŒck kann man ja empirisch forschen.

Nehmen wir mal den Mediendienstversuch des Peter Turi (Disclosure: Ich habe die Turi2 GmbH und seinen damaligen Auftraggeber Condenet wegen Urheberrechtsverletzung und anderer Geschichten abmahnen und die Turi2 GmbH anzeigen lassen). Dort kann man im Moment fĂŒr 100 Euro eine Textanzeige schalten, die man bei ihm angeblich “ĂŒber 4.000 Medien- und Meinungsmachern” tĂ€glich zeigen kann, nachdem Turi vor nicht langer Zeit. Wirkliche Belege jenseits der Behauptung kenne ich nicht, eher Zweifel an den AusfĂŒhrungen, aber das ist jetzt auch nicht wirklich wichtig – wichtig ist die Frage, wie Werbung dort wirkt. In den letzten beiden Tagen hat eine Autorin dort ihr Buch bei Amazon bewerben lassen. Nun gibt es bei Amazon eine interessante Funktion: Wenn BĂŒcher bestellt werden und im Amazon-Lager ausgehen, zĂ€hlt Amazon sehr zeitnah die letzten 5 Exemplare runter. Gestern vormitteg waren noch drei Exemplare vorhanden – und jetzt sind es immer noch drei. Demzufolge wurden bei Amazon seitdem 0 StĂŒck verkauft. Ich wĂŒrde meinen wollen, dass wirklich effektive Werbung etwas anders aussieht.

Und dann war da noch die Aktion “BAS stĂŒrmt die Charts”, mit der ein unter “MC Winkel” firmierender Blogger versucht hat, eines seiner MusikstĂŒcke von seinen Bloglesern ein paar hundert mal runterladen zu lassen, um somit als erste Downloadsingle in die Charts einzusteigen. Die Aktion bekam durch einige Verlinkende Blogger und bloggende GeschĂ€ftspartner eine Menge Aufmerksamkeit, und in diesem Fall glaube ich gerne, dass die Aktion von einer knapp fĂŒnfstelligen Zahl an Lesern zumindest zur Kenntnis genommen wurde. Wie ein Blick in die Charts zeigt, gab es die paar hundert Downloads nicht. Was es gab, waren ein paar Dutzend Kaufmeldungen in den Kommentaren von MC Winkels Blog. FĂŒr einen virtuellen Gegenstand, der im Bereich von ca. einem Euro liegt.

Was lernen wir daraus? Man kann Zahlen aufsexen, Freunde einspannen, Wichtigkeit behaupten und Kommerz in eine Aktion verpacken, man kann viel erzĂ€hlen, wenn der Tag lang ist, aber am Ende muss sich der Kommerz irgendwie rechnen. Ich weiss nicht, ob Blogleser generell das falsche Publikum sind; auf meinem Blog gibt es einen Link zu meinem Roman, und darĂŒber werden immer noch welche gekauft, aber eben auch nicht so viel, dass man auf eine extrem starke Bindung der Leser an den Blogger schliessen könnte. Ich glaube, dass man fĂŒr das Verkaufen und Werben in Blogs schon noch eine Menge mehr braucht, als nur den Banner, die Anzeige, oder ein paar schleimige Aufrufe. es ist sehr schwer, und warum es manchmal so lala klappt, wie bei den Toni-Mahoni-CDs bei Spreeblick, und dann oft wieder ĂŒberhaupt nicht, ist nicht einfach zu erklĂ€ren.

Es kann aber meines Erachtens nur besser als normale Werbung funktionieren, wenn man das System von Geben und Nehmen berĂŒcksichtigt, das das Bloggen mit ausmacht. Einfach nur bloggen, um dann als “Marke” zu verticken, bringt nichts. Und angesichts der Arbeit, die man in ein Blog steckt, bis es wirklich gut ist, wird dann auch eine Werbeaktion nie genug einbringen, um allein den Aufwand zu rechtfertigen. Aber ich fĂŒrchte, das sind Überlegungen, die dem kommerziellen, am schnellen Erfolg orientieren Teil der BlogosphĂ€re viel zu sperrig und unangenehm, und ein paar schnelle LĂŒgen vom Podium runter sind so einfach.

Ach so, und: Was macht eigentlich der Blogvermarkter Adical?

11.9.2007 | 17:21 von DonAlphonso

Kleine Umfrage zum Thema Literarisierung

Das hier wendet sich an Blogger, die so ein gutes, altes Tagebuch im Netz fĂŒhren und vor allem von sich selbst und dem erzĂ€hlen, was sie so erleben. Mich wĂŒrde interessieren, wie Ihr es in Euren Blogs mit der Ehrlichkeit haltet – ehrlicher Grund: Ich bin am kommenden Freitag in Karlsruhe bei einem Kongress und muss da etwas zum Theme Literarisierung und Persönlichkeit erzĂ€hlen.

Stellt Euch also die folgende Situation vor: Ihr erlebt etwas, das in jeder Hinsicht blogbar ist. Witzig, spannend, interessant, es sagt viel ĂŒber Euch und ĂŒber Euer Umfeld aus. Gleichzeitig aber liest genau jenes Umfeld mit, und Ihr habt Zweifel, ob das ganze im Internet stehen sollte, wo Euch jeder nachrecherchieren kann. Die Frage ist jetzt: Was macht Ihr? Schreibt Ihr dennoch, weil man lieber einen guten Freund als eine gute Geschichte verliert? Seid Ihr gnadenlos diskret und verzichtet auf jeden Hinweis? VerfĂ€lscht Ihr die Geschichte, dass es auf niemanden mehr zurĂŒckfallen kann? Und ist dieses Erfinden, Literarisieren, um es mal nett zu sagen, fĂŒr Euch vertretbar? Und wie geht Ihr als Leser mit offensichtlichen LĂŒgen von Nichtkunstfiguren in Blogs um (Ihr kennt das: Überzogene Userzahlen, Karriereblabla, der tollste Stecher zwischen Alpen und Förde)?

Um Antworten in den Kommentaren wÀre ich Euch dankbar.

11.9.2007 | 11:26 von DonAlphonso

Das Exitproblem des Web2.0

Einer der GrĂŒnde, warum die New Economy 2000 scheiterte, war die KOnzentration auf ein einziges Revenue Modell: Werbung. Damals hatten Marktforscher blumig Steigerungsraten in diesem GeschĂ€ft von 200 und mehr Prozent pro Jahr versprochen. Als sich diese Erwartungen als falsch herausstellten – und viele Startups das Generieren von Einnahmen auf der Jagd nach Grösse ohnehin strĂ€flich vernachlĂ€ssigt hatten – kam es zum Crash. Schnell galt Werbung als zu unverlĂ€ssiges GeschĂ€ftsmodell fĂŒr junge, schnell wachsende Firmen. Die Probleme konnten nur kurzfristig ĂŒberdeckt werden, indem es zu Anzeigentausch kam, aber um die Jahreswende 1999/2000 war klar, dass man sich mit falschen Zukunftshoffnungen verspekuliert hatte. Das fĂŒhrte zu Misstrauen gegenĂŒber den börsennotierten New-Economy-Firmen, und dem Domino-Effekt, der bis September 2001 eine Wirtschaft auslöste, die manche Deppen aus Politik und Beratung als “Jobmaschine Internet” verkauft hatten.

Man hĂ€tte erwarten können, dass im aktuellen Hype rund um User Generated Content, Communities und “Andere arbeiten lassen” ein anderes Risikomanagement eingefĂŒhrt worden wĂ€re. Prinzipiell ist es nicht weiter schwer, sich schon beim Business Plan zu ĂŒberlegen, welche anderen Optionen man auftun kann, Einnahmen zu erzielen. Nur: Werbung ist die einfachste Antwort, man sucht sich einen Werbevermarkter, der die Kunden bringt, man hat keinen Aufwand, kein Generve mit den Kunden und braucht auch kein Personal fĂŒr GeschĂ€ftsentwicklung. Werbung ist als System eingefĂŒhrt, kann sehr schnell Geld einbringen und steigt zusammen mit dem Wachstum der Firma an – bis sie dann an einen verkauft wird, der glaubt, etwas damit anfangen zu können.

Wir waren bis vor kurzem sogar an dem Punkt, an dem ĂŒber neue BörsengĂ€nge gesprochen wurde. Der T-Shirt-Drucker Spreadshirt wurde von Seiten der Hypevertreter oft als Kandidat genannt, und auch der IPO eines Bloghosters war fĂŒr 2007 angedacht. Das dĂŒrfte jetzt mit der Kreditkrise und stark gesunkenen Kursen vorbei sein. Bleibt also nur der bewĂ€hrte Verkauf an ein Medienunternehmen, was in den letzten Monaten hĂ€ufig zu beobachten war. Das dĂŒrfte in Zukunft schwerer werden, denn mit der Kreditkrise gibt es inzwischen auch eine fĂŒhlbare Krise bei der Werbung. Die Medienunternehmen mit ihren bekannten Produkten weniger, Startups mit ihrem neumodischen Zeug ungleich stĂ€rker trifft.

Ich wage eine Prognose: Wenn die aktuelle Krise am Geldmarkt weiter geht, werden Medienfirmen schnell alle unsicheren Investitionen streichen. Das GrĂŒndungsphĂ€nomen unter dem Begriff Web2.0 mit seinen mannigfaltigen Me-too-Projekten ist heute schon ausgereizt. Wer ausser Werbung keine Idee fĂŒr das Geldverdienen hat, wird es schnell schwer haben: Unsichere Einnahmen, keine Exitoption jenseits der Insolvenz. Die nĂ€chsten Wochen werden spannend. Besonders fĂŒr die, die gedacht haben, irgendwer wĂŒrde schon kommen und die Firma kaufen.

11.9.2007 | 2:58 von DonAlphonso

Bitte nicht anschleimen

Liebe, dumme Onlinetochter einer gerade zum Markte getragenen Zeitung,

wĂ€rest Du so nett und wĂŒrdest Du aufhören, Dich mit bescheuerten Votings an Blogger ranzuschleimen? Nachdem Dein Laden nĂ€mlich von allen deutschen Zeitungen in den letzten Monaten die dĂŒmmsten BeitrĂ€ge ĂŒber Blogs geschrieben hat, wĂ€re es wirklich nett, wenn zu all der Ignoranz jetzt nicht auch noch diese billige Form des rektalen Bekriechens dazu kĂ€me – noch dazu, wenn sie mit einer bescheuerten Klickliste auch noch wirkt wie der Versuch, Leute mit ander Leuten Engagement zu Klicken fĂŒr Werbung zu verfĂŒhren. Und sage Deinem Autor, dass er sich mal mit dem Thema Zitatrecht auseinander setzen möchte – zusammenhanglos Texte kopieren ist Ă€hnlich grenzwertig wie die Gossenbildliste aus dem Panoramaressort oder Eure gnadenlos vergeigte Bloglesung.

Du Premiumcontentmarke, Du.

Mfg

Don

6.9.2007 | 21:43 von DonAlphonso

Intelligentes Blogintegrieren bei Intelligent Life

Zuerst die schlechte Nachricht: Deutsche Blogger, die halbwegs schreiben können, werden in den nĂ€chstenn Wochen von hirmnlosen Entwicklervollspacken deutscher Medien- und anderer SchleichwerberhĂ€user belabert werden, doch was fĂŒr ihr geniales, neues, geplantes High End Magazin zu schreiben, das wird ganz gross und innovativ und auf dem deutschen Markt einzigartig.

Diese Leute werden erbĂ€rmliche LĂŒgner sein, denn seit gestern ĂŒberlegen sie, wie sie ein Magazin kopieren sollen, das die gute Nachricht ist: Der Economist gibt ab jetzt vierteljĂ€hrlich die Zeitschrift “Intelliget Life” heraus. All die Luxusbeilagen von FTD oder Handelsblatt, Park Avenue oder Vanity Fair wirken danneben als peinliche, dreiste, geschmacklos Rannuttungen an die werbetreibende Luxusindustrie. Intelligent Life ist von der erste Seite an die Grand Dame unter den billigen Flittchen, oder auch der erfahrene Unternehmer unter einem Haufen schriller New-Economy-Versager, es ist das, was die erhoffte Zielgruppe auf Augenhöhe anspricht, und nicht auf Unterschichtenschick herabzuziehen versucht. Engagierter Journalismus, edle Aufmachung sehr nah am Buchdruck, kluge Essays und keinerlei Versuche, auf Teufel komm raus die neueste Karre, Uhr, Zigarre und Pseudoluxusreise zu verticken. Und weit vorne auch eine Blogumschau, die zeigt, wie es geht:

Ein grösseres Thema, hier der Umgang mit den natĂŒrlichen Ressourcen, anhand der Geschichten verdeutlicht, die Blogger erzĂ€hlen. Ein langes, rundes, vielseitiges StĂŒck, das den adĂ€quaten Rahmen fĂŒr die verschiedenen Aspekte bildet, das sich nicht wertend in den Vordergrund schiebt und versucht, auf Augenhöhe mit den Bloggern zu erzĂ€hlen. Genau so muss es sein, könnten die Blogumschauschreiber von FR und was auch immer jetzt bitte kĂŒndigen?

Das andere, und wirklich Mutige ist aber die Website zu Intelligent Life. Sie ist ein Blog:

http://www.moreintelligentlife.co.uk/

Und zwar eines, das auch die manche langen Geschichten aus der Printausgabe online stellt. Ohne nervige Registrier- und ClickzwĂ€nge, eigenstĂ€ndig bebildert, und sie wird mit weiteren BeitrĂ€gen aktuell gehalten. Kommentierbar, ĂŒbersichtlich, ohne Flashorgien, kurz: Da hat ein Magazin verstanden, wie man ein Blog benutzt, um ĂŒber Monate bis zum nĂ€chsten Termin im GesprĂ€ch zu bleiben. Intelliget Life macht in jeder Hinsicht das, wofĂŒr deutsche Konzerne zu dumm und feig waren. Jetzt werden sie es abschreiben und nachĂ€ffen. Und auch diesmal nicht kapieren, dass man mehr dazu braucht, als Software und Pseudeprominente: Sowas wie Überzeugung, Seele und den Mut, es mal ohne billige Tricks und Anbiederung zu versuchen.

5.9.2007 | 10:44 von DonAlphonso

Warum ein weiteres Blogranking nicht wirklich nötig ist

Eine Replik. Ich war mit “Rebellen ohne Markt” einer der ersten Nutzer des Counters des Blogdienstes “Blogscout”, als das Ding noch nicht öffentlich wear. Die Idee war damals, einen Counter zu schaffen, der zuverlĂ€ssig war, nicht fĂŒr unschöne Cookies, Spam und Werbung genutzt wurde, und der Aufschluss gab ĂŒber die Unterschiede zwischen echten Lesern und denen, die von Google reingeschwemmt werden. Das ist jetzt Geschichte, Dirk Olbertz hat seinen Counter geschlossen. Und?

Es gibt keine Ragliste mehr. Meines Erachtens ist die Rangliste, die Hierarchie, zusammen mit der Profilierungssucht mancher Blogger ein Problem. Das Ă€usserte sich auch darin, dass “grosse” Blogs mit nicht wirklich sinnvollen Kommentaren zugeschissen wurden, um Traffic auf die eigene Seite zu lenken und das Ranking zu verbessern. Nach meiner Beobachtung hat das etwas abgenommen, als Dirk Olbertz in einem ersten Schritt solche Spampersonen in seiner punktebasierten Liste nach hinten kickte, und jetzt sind tatsĂ€chlich manche 1-Satz-Störer weg.

GetĂ€uscht, erfunden und gelogen wird auch ohne Counter. Es ist im kommerziellen Teil der BlogosphĂ€re nicht unĂŒblich, sich mit erfundenen Zahlen selbst ins GesprĂ€ch bringen, um da vorne mit dabei zu sein. Das nervige GedrĂ€ngel, wie es aktuell ein “Branchendienst” macht, der 4-5000 Medienmacher erreichen will, die Übertreibungen eines Werbenetzwerkes oder irgendwelche Hobbymusiker, die auf ihre Serverstats verweisen und das magische Wort Million niederschreiben – das gehört dazu, wie die Manipulatiosversuche vieler Medien, die Auflagenzahlen möglichst optimistisch zu sehen. NatĂŒrlich könnte da ein von allen akzeptierter und genutzter Counter Abhilfe schaffen, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass in der Selbstbejubelung die “optimierten” Zahlen herangezogen werden. Oft auch mit dem dreisten Hinweis, der Counter wĂŒrde Fehler machen, und die Serverstats seien viel zuverlĂ€ssiger.

Es gab ein paar spannende Dinge, die man beim Counter beobachten konnte: TatsĂ€chlich gibt es manchmal Peaks, und manche frĂŒher bekannten Blogs verlieren oder gewinnen kontinuierlich an Leserschaft. Insgesamt aber hat sich in der Zeit von Blogscout gezeigt, dass die “LeuchttĂŒrme”, die grösseren Blogs, kaum mehr wachsen. Bildblog, Spreeblick, mein Rebellmarkt, Riesenmaschine, das alles dĂŒmpelt schon lĂ€nger auf einem gewissen Niveau, oder verliert sogar an Leserschaft. Nach meiner Auffassung ist das ok, die BlogosphĂ€re ist so gross, da ragen die alle eh kaum heraus, es sind bedeutungslose Zwerge unter hunderttausenden, denen es wurscht ist, was die da machen. Das Ding, in dem wir uns bewegen, ist dezentral, anarchisch und braucht keine kĂŒnstliche Hierarchie, um zu existieren.

Insofern wĂ€re ein Blogcounter, dem sich alle unterwerfen, ihn nicht manipulieren und es als Anlass begreifen wĂŒrden, keine dreisten LĂŒgen mehr zu verbreiten, vielleicht ganz nett. Aber ohe Sanktionsmöglichkeiten hat sich der Counter bisher als Quelle unschöner Verhaltensweisen gezeigt, es ist nicht nur ein Schwanzvergleich, es ist Abwichsen auf der aufgeblasenen Irrelevanzgummipuppe, und das ganze mit einem Benehmen, das auf Dauer einen Kontrollmechanismus unabdingbar gemacht hĂ€tte. Das Ende von Blogscout wird alle wieder zwingen, auf die eigene QualitĂ€t zu achten, wenn sie unbedingt vorne sein wollen – die bequeme Topliste, an deren Spitze man sich einrichtet und die Leser beschert, ist Geschichte. Und darf es auch gerne bleiben.