19.12.2006 | 13:04 von DonAlphonso

Blogdruck machen – Führung von vorne statt hirnloser Horde

“I seem to have ruined everybody’s brandy and cigars and dreams of victory and war.”
Rhett Butler, Gone with the wind

Angesichts der diversen Aufreger, die die letzte Zeit die Runde gemacht haben und die mitunter etwas wirkungslos verpufft, mitunter aber auch die Bonker gesprengt haben, eine kleine strategische Überlegung, wie man als Blogger Dinge durchsetzen kann.

1. Der Jamba-Ansatz (Der Stosstrupp): Ein Thema liegt in der Luft, ein kleiner Blogger greift es auf, zieht es as Anführer an der Spitze konsequent durch und alle anderen folgen mit Gebrüll. Kann, wie im Fall von Jamba, zu einer Menge negativer Aufmerkamkeit für die Firma und massive Imageprobleme führen.

2. Der Transparency-International-Ansatz (Die Panzerspitze): Ein Thema passiert einem kleinen Blog, aber es findet sich ein schlagkräftiges Team von Leuten, die wissen, wo der Barthel den Most holt und man der anderes Seite weh tun kann. Die nehmen sich dann gezielt die Organisation und ihre Helfershelfer vor. Folge wie bei Jamba.

3. Der StudiVZ-Ansatz (Tieffliegerangriff mit P-38 Lightnings): Ein Thema fällt jemandem auf, der recherchiert rum, findet noch ein paar andere Entschlossene und Munition bis zum Abwinken. Jeden Tag ein gezielter Angriff, weil genug Feuerpower da ist, bringt irgendwann den Lagen in Schieflage, bis er pfeift und Leute losschickt, die einem dann schleimige Angebote machen, die weiter was in Fresse bedeuten. Stay tuned, heute Abend gibt es wieder Rizinusdiät im Bonker.

4. Der Abmahnungsgesetz-Ansatz (Sabotage): Ein Thema wird viral verbreitet, alle sind sich einig und machen Druck auf diejenigen, die den Lauf der Ereignisse bestimmen.

5. Der Saftblog-Ansatz (wirrer Sturmangriff auf gesicherten Schützengraben): Ein Thema wird in die Blogs getragen. Alle brüllen rum, jeder macht, was er meint, man wirft ziellos Granaten, schiesst in die eigenen Reihen, von irgendwoher tauscht ein dummdreister Profilneurotiker auf und brüllt Waffenruhe, obwohl das Gegenteil der Fall ist, keiner weiss, was jetzt genau los ist, und am Ende sind alle irgendwie schlechter dran als vorher.

Freunde der Blasmusik: Blogs haben eine Menge Macht und Durchschlagskraft. Im Laufe der Jahre gibt es die Entwicklung, dass mit weniger Bloggern viel grössere Geschichten gefahren werden können. Desto entschlossener und überlegter einzelne den Kurs der Debatte bestimmen, desto besser läuft die Sache. Irgendwelche winselnde Scharlatane oder Zersetzer oder Kriegsprofitler aus PR, Marketing und obskuren englischen Ltds. werden von den Ereignissen einfach überrollt, weil sie allenfalls reagieren können, aber nicht den Lauf der Ereignisse bestimmen. Haut ihnen aufs Maul und dann weiter. Das heisst nicht, dass es immer “funktionieren” muss, vielleicht ist es auch mal ganz gut, wenn die Selbstzufriedenheit der Blogosphäre mal fett was auf die Schnauze bekommt, wie im Fall vom Saftblog. Das heisst auch, dass man sich der eigenen Macht bewusst sein muss. Und es bedeutet, dass man nachdenken muss, bevor man mitbrüllt. Gewisse Geschichten wie der Fall “Unister” und “Zündfunk” waren jetzt nicht wirklich Glanzleistungen der Bloggersolidarität, und wenn es ganz mies läuft, kommt einmal eine Firma auf die Idee, Blogger als leicht erregbar, schnell hinschreibende Horde zu missbrauchen. Vielleicht machen sich jetzt über fdie Feiertage die Betroffenen ein paar Gedanken, wie wir nun die Macht und die Kraft einsetzen, die wir uns selbst erarbeitet haben.

Entscheidend ist es immer in solchen PR-Konflikten – denn genau das sind die Blogwars – nie die Offensive aus der Hand zu geben. Immer ein Druckmittel mehr haben, als man veröffentlicht. Dem anderen keine Chance geben, sich zu erholen. Einen Plan haben, und den kompromisslos durchziehen, und von vorne führen, nicht irgendwelche Prätorianer vorschicken. Nicht lang rumquatschen, sondern sich einfach mit den relevanten Leuten abstimmen, die helfen können und losschlagen. Und genau überlegen – wo ist die schwächste Stelle des Gegners. Wo erwartet er keinen Angriff. Und immer an die goldene Regel der Partisanen denken: Der Partisan greift niemals zweimal von der gleichen Seite an.

Ja, ich weiss, viele mögen diese militaristische Sprache nicht. Aber hey, PRoleten richten auf der anderes Seite seit langem War Rooms ein, die Konflikte von Bloggern mit anderen sind genau die PR-Krisen, die War Rooms auf der anderen Seite erfordern, und wer meint, dass diese Konflikte ab und zu sein müssen (der Verfasser gehört durchaus dazu), sollte sich über den Charakter der Auseinandersetzung keine Illusionen machen. Es ist nun mal so, dass es jeden von uns erwischen kann, da ist es nicht dumm, sich vorher zu überlegen, was man tut. Ich sage das hier und jetzt, weil ich es mit Euch bereden will – und nicht mit den PRoleten, die mir in den letzten Wochen vier hochdotierte Einladungen geschickt haben, ihnen das mal zu erklären, und zwar genauso hart, wie es oben steht. Mache ich nicht. Die sollen keinesfalls besser werden, und weil sie nicht dabei waren, können sie auch nichts mit den Geschichten anfangen. Aber wir müssen noch viel lernen, denn wir stehen gerade erst am Anfang einer neuen medialen Entwicklung, und es ist für die Selbstbestimmung der Blogger meines Erachtens absolut entscheidend, dass wir selbst definieren, wo die Grenzen dessen sind, was wir zulassen. Was das ist, wo es gerechtfertigt ist, darüber können wir gerne intern streiten, und am Ende ist wieder jeder individuell für das verantwortlich, was er tut, weil wir keine Masse sind, sondern Individuen – aber wenn es dann losgeht, bitte nur so, dass die anderen die Quittung kriegen.

17.12.2006 | 23:11 von DonAlphonso

Facebook und warum ich für die Prügelstrafe bin,

namentlich für Blogger und Johurnaille, die jeden Scheiss abschreiben und sich damit zum hirnlosen Büttel für Geschäftsinteressen höchst fragwürdiger Natur machen.

Wer in der ersten Runde von Web2.0, der sog. New Economy dabei war, weiss, dass man Journalisten, Beratern, Marktforschern, PRoleten und besonders Unternehmern aus diesem Bereich erst glauben sollte, wenn man sie vorher dreimal sorgfältig gefoltert hat. Wenn man selbst nichts im Kopf hat, ist das eine gute Methode, die Wahrheit aus ihnen mitsamt der Organe rauszukitzeln – ab der Milz werden sie gesprächig. Wem das zu brutal ist: Alternativ helfen Krankheiten wie “Hirn” und “Charakter” – die aber in diesen Kreisen als weitgehend ausgerottet gelten dürfen – um mal hinter die Fassaden des Drecksbusiness und der unvermeidlichen Kamarilla zu schauen.

Having said this, wollen wir uns nun zu Gemüte führen, wie man eine wenig erfolgreich operierende social networking Site mit Hilfe diverser Blog- und Mediengestalten sowie ihrer Abschreiber gross macht. Es geht um die Studentenplattform Facebook.com, die heute mutmasslich der Marktführer in der westlichen Welt sein dürfte. Das hat eine Menge positiver Medienberichte zur Folge, insbesondere die immer wieder aufflackernden Gerüchte, das Portal werde mit Milliarden bewertet und irrsinnig teuer an einen der grossen Player wie Yahoo oder Google verkauft.

1. Akt: Michawl Arrington, jüngst wegen einer Entlassung in die Kritik geratener Betreiber eines Hypemediums für Startups names Techchrunch.com, erwartet seine Leser am 12. Dezember mit einer ganz grossen Neuigkeit: Eine “Source” habe ihm Dokumente zugespielt, die zeigen, wie und weshalb Yahoo geplant hat, Facebook zu übernehmen. Nun ist es nicht das erste mal, dass interne Schriftstücke von Yahoo an die Medien weitergereicht werden – im November etwa hat das Wall Street Journal einen Brandbrief des Senior Vice President Brad Garlinghouse veröffentlicht, in dem die Web2.0-Strategie von Yahoo mit den Aufkäufen von Deli.cio.us und Flickr eine harsche Abreibung bekommt. Eine Rundmail ist aber nochmal etwas anderes als das, was da an Techchrunch weitergegeben wurde: Detaillierte Planungen und Vorhersagen zur Entwicklung von Facebook. Arrington hat dabei kräftig auf die Pauke und verweist auf irrwitzig tolle Erwartungen für die nahe Zukunft:

Things really heated up mid year. Yahoo proposed a $1 billion flat out acquisition price based on a model they created where they projected $608 million in Facebook revenue by 2009, growing to $969 million in 2010. By 2015 Yahoo projects that Facebook would generate nearly $1 billion in annual profit. The actual 2006 number appears to be around $50 million in revenue, or nearly $1 million per week. These revenue projections are based on robust user growth. By 2010, Yahoo assumes Facebook would hit 48 million users, out of a total combined highschool and young adult population of 83 million.

Fast eine Milliarde Umsatz für 2010! Und 48 Millionen User! Das vertickt Arrington GANZ GROSS seinen Lesern und markiert die Zahlen in der Aufstellung mit riten Kringeln. Eine Milliarde, so Arrington, wolle Yahoo für facebook zahlen.

2. Akt: Nur drei Tage später bringt Bloomberg eine fette Geschichte über die Pläne von Facebook. Peter Thiel, Mitglied im Facebook-Vorstand, will einen marktwert von sage und schreibe 8 Milliarden für Facebook erkennen. Von der bei Techchrunch veröffentlichten Milliardenofferte hat Blomberg auch schon gehört, und verkauft sie gleich weiter:

Facebook, having turned down a $1 billion offer from Yahoo, is taking a different path than YouTube, which sold itself to Google Inc. for $1.65 billion, and MySpace, now owned by News Corp. Thiel, one of Facebook’s three board members, said the company is focused finding the best way to make money from its millions of members. Started in 2004 by Harvard University student Mark Zuckerberg, Facebook is now one of the fastest growing sites on the Web. Thiel, 39, says the site’s college-aged users make it worth $8 billion or more, as much as Viacom Inc.’s MTV music video channel. Facebook’s visitors in the U.S. doubled to 11.6 million from a year earlier, according to Nielsen//NetRatings, a market researcher in New York.

Das klingt doch alles prima, Riesenwachstum, schnelle Gewinne.

3. Akt: Die Scharlatane der Blogosphäre kochen seitdem über vor Freude, sowas hört man gern. Zumal allgemein schon länger betont wird, dass Facebook eine Million Umsatz pro Woche, 50 Millionen Umsatz im Jahr…

MOMENT MAL

Woher wissen wir das eigentlich? Wer behauptet das? Nun, amüsanterweise ist das eine Sache, über die nur aus der Ecke von Facebook.com gemunkelt wird, wie etwa hier im Oktober dieses Jahres:

Consider some of the figures bandied about for Facebook. Last January, Facebook founder Mark Zuckerberg, now 22, reportedly turned down a $750 million offer from Viacom, holding out for $2 billion, according to news accounts. This fall he is said to be mulling over a $900 million offer from Yahoo. Those are big numbers considering that the business, started early in 2004, has a modest nine million users and is believed to have annual revenue of around $50 million, though some experts expect that to double soon.

Alles nur Gerüchte, könnte man meinen. Aber da gibt es eine überraschende Parallele, und zwar im schon erwähnten Dokument von Techchrunch: Dort sagte man vor einigen Monaten für 2006 einen Umsatz von insgesamt 50 Millionen voraus. Komischer Zufall, was? Die alten, offensichtlich aus dem Facebook-Umfeld verbreiteten Umsatz-Zahlen entsprechen dem, was Yahoo erwartet hat. Na schön, könnte man sagen, dann passt ja alles, zumal wir Dank Bloomberg, Facebook und Nielsen, siehe oben, auch wissen, dass sich die Besucherzahlen verdoppelt haben, 11,6 Millionen Besucher allein in den USA könnte ja hinkommen… aber… und jetzt bitte nochmal genau, ganz genau hinschauen, da, wo ich den grünen Kringel gesetzt habe:

Yahoo legt für die 50 Millionen Umsatz das Erreichen von insgesamt 14 Millionen registrierten studentischen Nutzern in den USA/evtl. englischen Sprachraum zugrunde, die dann die Basis für das weitere Wachstum sein sollen. Da passt es natürlich prima, dass Facebook genau diese Woche noch schnell seine Nutzerzahlen nach oben korrigiert hat: Laut Google-Cache vom 11. Dezember waren es noch über 12 Millionen Nutzer, jetzt sollen es über 13 sein. Nachdem man Ende September den Laden für alle Arten von Usern – und nicht nur Studenten – weltweit geöffnet hat – damals waren es nur 9,5 Millionen. Von 6.2 Millionen Ende 2005 auf 9,5 Millionen – das sind 3,3 Millionen, dafür hat Facebook 9 Monate gebraucht. Von 9,5 auf 13 Millionen sind es dagegen 4,5 3,5 Millionen, und das soll innerhalb von nur 2,5 Monaten gelungen sein. Sprich, die Wachstumsgeschwindigkeit hätte sich in der letzten Zeit, bis zur jetzt laufenden grossen Geschichte mit der 8 Milliarden Dollar Bewertung rund verfünffachtvervierfacht. Aber hallo.

Man kann das drehen und wenden, wie man will, mit allen best case Szenarien für Facebook: Das Ziel von 14 Millionen US-Studenten verfehlen sie immer noch meilenweit, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das exponentielle Wachstum, das die Yahoo-Erwartung prognostiziert. Nur redet keiner darüber. Aber dieses Yahoo-Leck bei einem unkritischen Jubelperser Blogger, die grosse Bloomberg-Geschichte, die passenden Zahlen von Nielsen, die in der Aussendarstellung die für Facebook weniger schmeichelhaften Zahlen von Comscore ersetzt haben, die nochmal hochgeschraubten Zahlen der Eigenangabe, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommt – sorry Leute, diese Geschichte stinkt zum Himmel. Und alle schreiben es ab.

Und deshalb bin ich für die Prügelstrafe für Journalisten und Blogger. Wir hatten diese – mit Verlaub – Scheisse schon von 1998 bis 2001, und wenn die jetzt noch immer nichts im Guten gelernt haben, dann hilft nur der Stock. Und die Peitsche, von mir aus auch nicht trocken. Und dann in den See, mit einem Gewicht an den Füssen.

16.12.2006 | 18:14 von DonAlphonso

The end of Web2.0 as we know it

Disclaimer: Nein. Auch ohne ihn persönlich zu kennen, konnte ich Loic Le Meur, Euopa-Boss der hier oft schon besprochenen und mir wegen diverser Vorfälle wenig sympathischen Firma Six Apart (Movable Type, Livejournal, Typepad), nicht leiden. Ich habe eine lange Erfahrung mit diesen Typen, inzwischen vertraue ich da einfach meinem Gefühl, und das Gefühl ist schlecht. Ein Versuch meinerseits, zwischendrin mit der Firma Six Apart im Rahmen eines Print-Beitrags ins Gespräch zu kommen, wurde von einem anderen Mitarbeiter angenommen, und benutzt, um eine glatte Lüge abzusetzen, die dann als Statement in den Beitrag gelangt ist. Es war deren Lüge, aber mein Fehler. Das als Vorbemerkung, damit sich jeder weiss, woran er hier ist.

Die Geschichte vom Ende des Web2.0 geht in Kurzform so:
1. Loic Le Meur lädt für den Dezember 2006 nach Paris zur Konferenz Le Web 3.0. Vorgänger war die von ihm ausgerichtete Konferenz Les Blogs 2.0, die schon etwas Schlagseite bekam, als die Six Apart Chefin Mena Trott einen Kritiker vor 400 Besuchern mit dem Wort “asshole” belegte. Grosse Wellen, Entschuldigungen, und sicher auch Lerneffekte bei den Veranstaltern.
2. Die Teilnehmerliste für Le Web 3.0 füllt sich auch dieses Jahr wieder mit illustren Gästen – aber auch mit Leuten, die weniger mit Blogs als vielmehr deren Vermarktung und Kommerzialisierung am Hut haben: Berater, mitunter wenig gut beleumundete VCs, und die üblichen, wohlbekannten Scharlatane der diversen Agenturen (dass ich die nicht mag, müsste vielleicht auch noch in den Disclaimer). Insgesamt fast 1000.
3. Die erleben zusammenbrechende WLAN-Verbindungen, Gäste, die den Mund nicht aufbekommen, VC-Pitches und überhaupt viel, was irgendwie nicht mehr so viel mit Blogs zu tun hat. Begeisterungsstürme bleiben aus, der Event scheint zu einem Schaulaufen der Grossen mit altbekannten Thesen zu werden.
4. Loic Le Meur schmeisst am zweiten Tag das Programm um und lässt statt Blogger lieber Politiker wie den Hardliner Nicolas “Vorstädte kärchern” Sarkozy ran. Kommt nicht gut, das Publikum protestiert und wendet sich grösstenteils verärgert ab.
5. Sam Sethi, Autor des Blogs Techcrunch.co.uk (ein Ableger der glleichnamigen kommerziellen amerikanischen Nachrichtensite), wagt es, Kritik an diesen Problemen zu äussern.
6. Loic Le Meur macht deshalb die Mena Trott und nennt Sethi in einem Kommentar “asshole”, was so einiges über die Unternehmenskultur bei Sux Apart vermuten lässt.
7. Techchrunch-Boss und Leweb3-Medienpartner Arrington löscht den Kommentar, rüffelt erst Sethi und schmeisst ihn dann wegen Insubordination raus, das Blog wird dicht gemacht, und Mike Butcher, ein weiterer Autor sagt Ade. Hier Arrington, Sethi, Butcher.
7. Bis heute keine Entschuldigung von Loic Le Meur. Orkan in der Blogosphäre. Wo man sich gestern noch auf Schultern klopfte, sticht man heute mit Dolchen.

Mein Bauchgefühl ist diesmal einer der tiefen Dankbarkeit. Dankbarkeit für Leute wie Le Meur und Arrington und viele andere, die den Weg in ein Geschäft auf Teufel komm raus gehen wollen. Die sich dabei einen Dreck um das scheren, was man sonst von ihnen denkt. Ich glaube nicht, dass sie die Blogosphäre verraten haben, wie das mitunter zu lesen ist. Sie vollziehen eine gewaltsame Trennung von Bloggern und Unternehmern mit Blogs. Und zeigen dabei, dass die Lektionen der letzten Jahre vollkommen vergebens waren. Wenn diese Leute das neue Web repräsentieren, dann muss mir mal wer erklären, was es bitte von den psychisch gestörten CEO-Phantasien der New Economy oder von der klassischen, harten Sklaventreibermentalität der Old Economy unterscheidet. Die Benutzung einer kastrierten Contentsoftware namens Blogs?

Veteranen der ersten Welle zwischen 1999 und 2001 werden wegen der hier kritisierten Petitessen nur lächeln können. So ist das nun mal, wenn man erste politische, publizistische und wirtschaftliche Macht bekommt. Da laufen dann die Politiker auf und die Scharaltane, und wollen auf die Podien. Und es finden sich immer mehr als genug Entrepreneure, die mitspielen, für einen Kontakt, ein Gespräch und ein Photo. Ungeschminkte Wahrheiten stören da nur, Arschkriecher findet man genug in den anwesenden PR-Agenturen. Das ganze wird sich selbst regeln und sich abheben vom normalen Bloggervolk. Ich glaube nicht, dass sich ein Le Meur daran stört, wenn nächstes Jahr nur noch 400 “Entscheider” und 50 Alibiblogger aufkreuzen, Hauptsache das Bild in der Öffentlichkeit passt. Umgekehrt gehe ich nicht von allgemeiner Trauer unter der grossen Masse der üblichen Blogger aus, wenn sich diese Gruppe absondert und ihr Ding macht. Ein paar werden in beiden Welten hängen, sicher kein lustiger Job, aber hey, wer meint, dass er sich das geben muss…

Bleibt die Frage, ob es trägt. Und da habe ich enorme Zweifel. Zumindest in unserem Sprachraum. Da sind die entsprechenden Events nämlich eher Ladenhüter. mcm Web2.0 in St. Gallen: Mau, sehr mau, massenhaft Trommelei bei den Journalisten, doch bitte die Reihen zu füllen. Chance Web2.0: Trotz verlängertem Frühbucherrabatt massenhaft nicht zahlende Blogger. CScout in der BLM in München: In letzter Minute Wild Cards für Blogger, auch die erste Runde war schon kein Hit. Und die hier versuchen es schon wieder. Da löst sich Web2.0 in der Business-Ausführung von der Bloggerei. Der “Digital Lifestyle Day” bei Herrn Burda dürfte im Januar natürlich voll werden – wennŽs nichts kostet, kommen alle Scharlatane, Ex-Pleitiers und sonstige Buffetprasser (mit Ausnahme eines Gründers aus einem gewissen Bonker in Berlin, den man wohl wieder von der Keynote-Liste gekegelt hat).

Macht mal hin, Ihr da. Viel Spass – da kommt zusammen, was zusammen gehört. Die gern von PRoleten formulierte Phrase von “im Mainstream angekommen” passt zumindest auf Euch selber, mit Glitzerevents, Aprikotpolitikschüsseln und CSUblauen Kotztüten auf den Podien, und Christiansen2.0 mit “bitte die Klappe halten”, man darf die Sponsoren ja nicht verprellen.

13.12.2006 | 11:51 von DonAlphonso

Stiftung Lügen&Lückentest für StudiVZ

Nach der letzten grossen Abschaltung, als eine Reihe von Sicherheitslecks beim skandalerschütterten Startup StudiVZ bekannt wurden, verlautete aus dem Bonker Hauptquartier des üppig finanzierten Startups folgendes:

Wir haben an verschiedenen Stellen Mechanismen eingebaut, um automatisierte Profilabfragen und automatisierten Nachrichtenversand zu erschweren.
Wir haben einen automatischen Mechanismus zum Erkennen von Crawlingversuchen installiert.

Schliesslich hatte es hier eine Anleitung gegeben, wie man ganz bequem die Datenbank von StudiVZ weitgehend leer saugen kann, um damit allerlei Schabernack (etwa Profiling) zu betreiben. Das hat StudiVZ mehr oder weniger eingestanden, aber ohne die Nutzer über die wirkliche Brisanz der Lücke aufzuklären. Ausserdem behauptet StudiVZ

Datenschutz ist uns wichtig!
[…]
Wir werden deine personenbezogenen Daten niemals zu Werbe- oder Marketingzwecken an Dritte weitergeben oder anderweitig Dritten zugänglich machen.

Kann, je nach Interpretation dieser Worte, schon so sein. Jetzt ist es aber so, dass StudiVZ momentan, gerade jetzt, für das Abgrasen sämtlicher nicht geschützter, personenbezogener Daten wie Freundeslisten, Bilder und Gruppenzugehörigkeit offen wie ein Scheunentor ist. Alles, was man braucht, ist wie schon im ersten Fall ein Script, das, mit der richtigen, lückenversehenen URL ausgestattet, sich munter durch StudiVZ wühlt. Trotz obiger Versprechungen funktioniert das reibungslos, wie man mir in den ülicherweise wohlinformierten Kreisen versichert hat. Ich habe es natürlich – nichtautomatisiert – auch probiert, und tatsächlich, es geht.

Jeder verantwortungsbewusste Seitenbetreiber würde jetzt sein System runterfahren, die Lücke suchen und schliessen. StudiVZ macht das bekanntlich anders, die lassen ihr System lieber anderthalb Stunden offen, selbst bei wirklich schweren Sicherheitsproblemen, und reparieren am offenen Herzen. Mit Datenschutz hat sowas nichts zu tun. Deshalb verändern wir jetzt mal die Regeln für den Wettlauf StudiVZ-Hase vs. Blogbar-Igel zu Ungunsten des Hasen. Ich veröffentliche hier die für das Abgrasen verwendbare Lücke, und zwar als später nachvollziehbar kryptographierte URL:

http://www.studivz.net/rzofmbki4gg6uuo0bdnd5aykp9

StudiVZ kann jetzt

– versuchen, den Code zu knacken (Die auf deutschen U-Booten verwendete Enigma war ein Dreck dagegen ;-))
– endlich anfangen, ihr komplett unsicheres System zu schützen
– eine Woche warten, bis ich den Schlüssel zum Code veröffentliche und zuschauen, wie vermutlich eine ganze Reihe von interessierten Leuten ihre Saugrüssel in die Datenbank stecken. Denn wenn sogar ich verstehe, wie das geht, kann das jder Hilfstekkie bei Springer auch – und die sparen sich, wenn das Gerücht stimmt, eine Menge Geld beim Kauf von Daten, die bald jeder haben kann.
-versuchsweise 256.000 Euro an mich überweisen ;-).

So richtig sinnvoll dürfte ander nur die zweite Alternative sein. Mal schaun, wie ernst sie jetzt den Schutz der Daten ihrer User nehmen. Wenn da jemand sitzen sollte, der Ahnung vom Thema hat, sollte es nicht schwer sein. Wenn nicht – tja. Selbst schuld, wie das typische Studi-VZ-nahe Spamschwein hier oft zu sagen pflegt. Im Ernst, wenn die es nicht finden, dann macht es keinen Sinn, denen was zu sagen. Dann ist es reine Flickerei an einem Sieb.

12.12.2006 | 21:03 von DonAlphonso

Was openpeople.de offen hat

Während in Paris die Konferenz der europäischen Datendiebe, Blogosphärenparasiten, Klingeltondrückerkolonnen, Contentsklaventreiber und PR-Hofschranzen sowie weiterer unschön riechender Untoter der New Economy LeWeb3 tagt, zeigt man den dort Anwesenden in Deutschland, wie das geht mit den Supidupi-Communities im schicken Web2.0. Die Rede ist von typographia media GmbH, dem vermutlich sechstgrössten Email-Adressensammler Deutschlands. Kennt natürlich kaum jemand, denn solche Firmen legen nicht viel Wert auf Publicity.

Besagte Firme jedenfalls hat eine Ausgründung mit dem schönen Namen openpeople.de, das eine Mischung aus Partycommunity, dem hier oft gescholtenen StudiVZ und ähnlichen Veranstaltungen sein soll:

Mit openPeople betreibt typographia media ein Web 2.0 Portal, welches den Freundeskreis aus dem realen Leben im Internet abbildet und attraktive Services rund um das Thema Freundschaft bietet.

Und um da Leute reinzuziehen, hat man eine Email-Aktion angeleiert, die offensichtlich viele Teilnehmer der Community Kiezkollegen.de erreicht hat. Irgendwie scheint typographia da an Adressen gekommen zu sein. Nutzer der Kiezkollegen beschwerten sich über Spam – und darauf reagierte man bei der schuldigen Klitsc Firma mit einer Mail wie folgt:

gerne möchten wir zu unserer heutigen Promotion-Aktion Stellung nehmen, die manche von Euch falsch verstanden haben.

Jaja, das kennt man, das ist bester StudiVZ-Stil, auch deren Gruppe mit Stalkerattitüde und der Völkische Beobachter wurden von manchen Leuten wie mir angeblich missverstanden. Zum Glück – oder Pech für typographia – gibt es aber noch Leute, die dergleichen nicht mit einem Schmunzeln, sondern mit einer Anzeige beantworten – ein probates Mittel, das sich gegen jede Art von BauernfängEntrepreneur schon vor Web 1.0 bewährt hat. Ich behaupte: Fist-to-Mouth wird sowieso der grosse Trend angesichts der überall auftauchenden Personalities, die es im Web2.0 mit zu Word-to-Mouth umgetauften Spam probieren.

11.12.2006 | 14:10 von DonAlphonso

Ich würde StudiVZ jetzt abschalten

bevor jemand auf dumme Gedanken kommt, so von wegen mal schaun, welche Absprachen die Campus Captains so treffen. Oder sonstwie gucken, was so geht bei Rechtsextremen, Sexgruppen und dem neugegründeten Stalkergrüppchen. Das sieht mir ziemlich übel aus. Und sehr einfach.

Passenderweise wird gerade beim StudiVZ-Verhaltenscodex das Kapitel “Privatsphäre” diskutiert. Wie wäre es mit einem Passus: “Is nich”?

11.12.2006 | 0:24 von DonAlphonso

Der real existierende Ichauchrevoluzzer. 2.0.

Als am 21. Januar 1793 das Fallbeil den Kopf Ludwig XVI vom dann nicht mehr wirklich dazugehörigen Körper trennte, wurde die moderne PR geboren. Das kam so: Am Rande der Place de la Concorde (Einigkeit ist bei so einer Zweiteilung ein Treppenwitz der Geschichte) standen betrübt ein Hoflieferant, der auf den Hofschulden sitzen blieb, eine intrigante Hofschranze, der keinen Job mehr hatte, und eine Kokotte, die einen neuen Bezahler für Schaumwein und Tand suchte, nachdem der letzte den Jakobinern zum Opfer gefallen war. Da standen sie also und fühlten sich ziemlich unwohl angesichts der jubelnden Menge. Die Kokotte und die Hofschranze verstanden jedoch den grossen Schmerz des Hoflieferanten, trösteten ihn, geleiteten ihn nach Hause, sagten ihm, dass er doch ein toller Hecht sei, frassen die Vorratskammer leer und beschlossen, das professionell zu betreiben: Das also war die Geburt der PR, wie wir sie heute kennen.

Dennoch, Revolutionen, das wissen die modernen Hoschranzen und Kokotten, sind immer Beispiele für ein Scheitern ihres Berufsstandes an den realen Gegebenheiten, wenn sich die Mehrheit nicht mehr bescheissen und belügen lässt. Das Fallbeil ihrer Gründungsstunde bleibt ihnen schaudernd in Erinnerung. Insofern möchte ich bezweifeln, dass sie es ernst meinen, wenn sie wie aktuell die hier und andernorts wegen Fakeblogs und irrwitziger Listenkonstrukte durch die Mangel genommene PR-Agentur Edelman eine “Me2Revolution” ausrufen. Mit Blogs, die angeblich das grosse Ding der Online-Bescheiss Anlügu Kommunikation sein sollen. Weshalb Edelman zur bloggenden PR-Agentur wird.

Zu diesem Zweck hat Edelman in Deutschland selbst mit viel Trärä ein Blog gestartet, mit einem Namen, der ihnen sicher mal todespeinlich sein wird: http://przweinull.de/. Das Ding ist jetzt auf den Tag genau 2 Monate alt, und es begann mit der PR-Katastrophe der zusammen mit Technorati entwickelten Top-Blogliste zur Überwachung und Verkaufe der Blogger an Edelman-Kunden. Die von einem Edelman-Mitarbeiter als “Winzszene” bezeichnete deutsche Blogosphäre zeigte der Agentur, wo der Barthel den Most holt. Dafür, dass sie es angeblich können wollen, sah Edelman ziemlich mies aus.

Und heute? Nun, auf die grosskotzig angekündigte, dann als “beta” verkaufte Top-Bloggerliste warten wir bislang vergebens. Da scheint die Lust bei Edelman wohl etwas nachgelassen zu haben. Und überhaupt scheint die Me2Revolution am Fussvolk der Agentur ziemlich vorbei zu gehen. Dafür, dass sich das Blog als 2.0 anpreist, gibt es ganz schön viel Nullnullige Schreiberei: 3 der angeblich 6 Autoren haben bislang 0 Beiträge verfasst. Null. Nichts. Kein Wort. In zwei Monaten. Mit dem Revolutionsgeist wäre Frankreich heute bei Louis XXV angekommen. 1 in Worten ein eigenlobender Beitrag stammt von der Agenturschefin, ein weiterer Mitarbeiter hat in der langen Zeit zumindest drei Beiträge geschrieben. Der grosse Rest der Revolution bleibt allein beim eingekauften Blogger “Haltungsturner”. Muss eine grossartige Sache sein, den Kunden Online Conversations einer Agentur verkaufen zu wollen, die es so przweinullmässig drauf hat.

Revolution. Klar. Aber nur, wenn der Prosecco alle ist, nehme ich an.

8.12.2006 | 23:06 von dogfood

Blogg.de – You’re entering the world of pain

Es gibt Blogeinträge, die schreiben sich von selbst, weil die nackten Fakten erschreckend genug sind.

Laut dem blogg.de-Metablog blogworkorange sind heute nachmittag anscheinend alle Kommentare des Blog-Providers Blogg.de zwischen Mitte August 2006 und 4. Dezember 2006 unwideruflich gelöscht worden.

Alle.

Für ein Blog-Provider ein GAU.