8.9.2006 | 13:51 von DonAlphonso

Mission accomplished

Opel zum Opelbloggen: “Eine Wiederholung wird es so schnell aber kaum geben.

Bleiben nur die Fragen: Waren die Agenturen, die eigenen Zielvorstellungen und die käuflichen Blogger so schlecht? Oder war der Widerstand so wirksam? Eine Mischung von beidem? Ich tippe auf letzteres.

Und wer ruft demnächst mal bei der braunen Brause mit dem Todesschwadronenproblem in Austria an und fragt, ob die nochmal was mit Blogs machen wollen? Gerüchte besagen, dass man nicht gerade überwältigt vom Erfolg war.

30.8.2006 | 15:41 von DonAlphonso

Nach unten durchgereicht – Freundin präsentiert Blogs nicht mehr so doll

Das lausige Blogangebot der im Burdaverlag erscheinenden Frauenzeitschrift “Freundin” ist befördert worden – nach unten und zu einem weitaus kleineren Bildchen. Bislang nervten die riesigen Zeichnungen der demzufolge kuhäugigen “Blogger” wie aus dem Strategiebuch der Werbefritzen gleich rechts oben, gewissermassen auf der Pole Position der Website, wo sie dummdreiste Begeisterung für gesponsorte Autofahrten versprachen – und damit wenigstens in einem Punkt das Niveau gewisser Teile der deutschen Bloggerei erreichten. Ansonsten mühte man sich mit dem Instrument ziemlich unbegeistert ab, wie die üblichen wohlinformierten Kreise des Arabellaparks ausplaudern: Kein Wunder, hatte man die Autoren doch recht schnell und unsanft mit ihrer neuen Rolle als Blogger konfrontiert. Allgemein ist da von Ernüchterung die Rede. Der Herd der Küchenbloggerin ist seit vier Wochen kalt, die auf diesen August spekulierende heiratswillige Klette Bloggerin scheint irgendwo verloren gegangen zu sein (Lockruf von Robbie Williams?), und das Büro mit den 2 Meinungen könnte für Burda nicht ganz atypisch vielleicht schon Richtung Arbeitsamt, man kann ja nie wissen…

Oder sie haben einfach keine Lust mehr. Das hat jetzt Konsequenzen: Die Crew des Antreibers Dorin Popa musste ihren bevorzugten Platz für anderen, allerdings herkömmlich publizierten Content abgeben. Angesichts des wirklich miesen Traffics – wenn die einen Verlinken, kommen in 24 Stunden keine 10 Besucher über diesen Link – nicht so erstaunlich, und angesichts der Qualität und Postinghäufigkeit nur logisch. Man mag sich vielleicht herausreden, dass das Angebot jetzt etabliert ist und die Position nicht mehr braucht. Aber mir scheint, dass ich gerade an der Biegung des Flusses, in dem meine toten Feinde schwimmen, ein paar lila pedikürte Fussnägel auftauchen. Going south tits up, baby.

28.8.2006 | 12:52 von DonAlphonso

Die Topliste der deutschen Blog-Berater und Consultants

Ich halte nichts von Blogberatung. Wer in diesem Bereich Beratung braucht, soll einfach die Finger davon lassen. Wer sich mit dem Thema auseinandersetzen will, soll das selbst tun. Wer glaubt, dass man sich einfach so einen Consultant holen kann, und dann wird alles gut, die Blogger werden ihn akzeptieren und jede erdenkliche Scheisse vom viralen Marketing und Contentklau bis zur Stinkebrause von Freunden kolumbianischer Todesschwadronen lieben, kann auf diesem und anderen Blogs nachlesen, wie sowas ausgehen kann. Blogger wissen oft ziemlich gut, wie man gerade die Verbindung von Berater und Beratendem unter Druck setzt. Abgesehen davon: Die Anzahl der durch Berater organisierten, erfolgreichen PR-Blogs ist ziemlich klein, und selbst für das Erkennen dieser Erfolge sollte man meist schon erheblich naturprall sein – bei PR ist das ja weniger ein Problem.

Am Samstag hatte ich ein längeres Telefonat mit einem Industrievertreter, der trotz obiger Thesen und Unterfütterung mit Beispielen nicht davon abzubringen ist, sich eine Art Sicherheitspolster zu schaffen, wenn es um die Frage “Seine Firma und die Blogs” geht. Er suchte einen kompetenten Partner, und als ich ihm meine Meinung sagte – die allermeisten der sich selbst als Berater ausgebenden Personen sind schlichtweg Scharlatane – bemängelte er das Fehlen eines Leitfadens, wer denn nun was taugt. Es sei ja nicht so wie bei der normalen Beratung, dass man einach zu einer der grossen Consultingfirmen gehen und eine gewisse Mindestqualität erwarten kann. Und es stimmt, von aussen ist es extrem schwierig, die guten Leute überhaupt erst mal zu finden und dann zu beurteilen.

Nachdem ich mir hier Gedanken über Empfehlungsbloggen gemacht habe, und keiner damit Probleme hatte, ist es deshalb vielleicht eine gute Idee, hier mal eine Liste derjenigen Personen aufzustellen, die man, wenn man unbedingt will, in Betracht ziehen kann. Leute, die einen echten Gegenwert für das Geld bringen, und einen nicht in das nächste teure Folgeprojekt treiben. Vielleicht habe ich den ein oder anderen guten Berater übersehen, sehr sicher sogar, aber es sind sicher nicht viele, und der Rest ist ahnungslos, rennt einem Hpe hinterher, hat keinerlei Erfahrung, ist Ramsch der New Economy, hat keinerlei Erfolge und Erfahrung vorzuweisen, und so weiter. Disclaimer: Mit manchen bin ich befreundet, andere kann ich persönlich nicht so doll leiden, mit anderen habe ich mich schon gnadenlos gestritten, manche der Genannten können sich auch gegenseitig nicht leiden, aber unabhängig davon, hier sind sie, die wenigen guten, frei erhältlichen Berater – in zufälliger Reihenfolge.

Majo von IT&W. Der Elder Statesman der Blogs. Ist von Anfang an dabei und hat schon viele Leichen den Fluss hinuntertreiben sehen. Hat selbst ein gut laufendes kommerzielles Blog aufgbaut. Bietet zwar keine Beratung explizit an, ist aber Profi genug, wenn die Firma passt, etwas zum Thema zu sagen. Grosses Verständnis für die “Szene”. Wichtig: Reden ist alles, Charts sind nichts. Einen miesen Blogberater erkennt man daran, dass er eine Powerpoint hat. Ein guter Berater berät.

Johnny von Spreeblick. Johnny macht ein kommerzielles Blog und hat trotzdem eine Menge Respekt in der Szene. Weil er ehrlich ist, offen, und sich den Diskussionen stellt. Ich denke, es gibt kaum eine Situation beim Bloggen, die Johnny nicht schon erlebt hat und aus eigener Erahrung schildern kann – inclusive der berüchtigten Sautreiben. Phantastischer freier Redner.

Volker Weber von Vowe. Gilt als sehr geradlinig, ehrlich und direkt. Keiner der lauten Sorte, bringt sehr viel Erfahrung zum Thema mit. Gerade was die technische Seite und dieses ominöse Web2.0 angeht.

Nico Lumma, der Mann mit der m. E. grössten Erfahrung in der Umsetzung von Kundenprojekten. Die zwar nicht immer optimal gelaufen sind, aber angesichts der Awareness in der Blogosphäre sehr sicher durch die (auch hier tobenden) Stürme der Entrüstung gesteuert wurden. Lernfähig, reaktionsschnell, unkompliziert, mit Agentur im Hintergrund und sehr viel Wissen und Vorahnung zur weiteren Entwicklung dieses Blogdings und der Medien.

[EDIT 2: Nachdem die folgende Person aktive Bloggerbestechung mit Notebooks und Software im Wert von 3000 US-Dollar als vertretbare “Bemusterung” ansieht, würde ich heute (1. Januar 2007) eine Zusammenarbeit mit ihm oder seiner Firma Edelman im Bereich von Blogs dezidiert nicht mehr empfehlen. Meines Erachtens hat sich da einiges im Verständnis und im moralischen Gefüge geändert.
[EDIT: Nach diesen Erkenntnissen und dem kompletten Versagen von Edelman in allen erkennbaren Kommunikationsformen würde ich folgende Empfehlung heute nicht mehr so abgeben.]

Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach, der Haltungsturner. Ist heute bei Edelman, einer Agentur, die sich in Sachen Blogs als erbärmliche, korrumpierende und damit auffliegende Versagertruppe in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Dass sie ausserdem den Cluetrain-Weinberger, bekanntlich Verfasser des katastrophalsten Wirtschaftsbuches seit den Tulpenkatalogen der Tulpomanie durch die Lande tingeln lässt, macht die Sache auch nicht besser. Aber, ganz GROSSES ABER: Wolfgang hat die Blogberatung hier in Deutschland selbst aufgebaut und ist damit der Marktführer. Das wäre er nicht, wenn er nicht sehr gut wäre, mit viel Verständnis für die Kundschaft. Offensichtlich ist selbst ein PR-Laden wie Edelman lernfähig. Wenn das kein Erfolg ist.

Patrick Breitenbach, der Werbeblogger. Ein weiterer Fall eines von einer Agentur übernommenen Bloggers, wobei Buena la Vista famose Arbeit in der Würzburger Provinz, fernab des üblichen Metropolengewäschs leistet. Wie der Name schon sagt, kann Patrick viel über alle Arten von Werbung und ihre Chancen und Risiken in Blogs erzählen. Er hat da auch schon so einiges erlebt. Am Anfang fand ich manche seiner Einlassungen etwas blauäugig, inzwischen aber, nach Jahren des Watens im Blut der an den Blogs gescheiterten Koksnasen, ist er wirklich gereift.

Martin Roell. Nochmal einer der ruhigeren Sorte. Ebenfalls mit sehr viel Erfahrung im Umgang mit Blogs und Bloggern. So eine Art Pionier in Deutschland. Am besten bitten, den ganzen Flipchartkrempel, den er beruflich haben muss, wegzulassen und zu erzählen.

Das Energiebündel Robert Basic. Witzig, kompetent, eine Rampensau und ein guter Verkäufer – womit viele Blogger ja eher ein Problem haben. Ich glaube, es gibt keinen Aspekt, von dem Robert keine Ahnung und keine explizite Meinung hat. Eine gute Alternative zum knochentrockenen Buzzword Bullshit Bingo, das andere, weniger gute Berater fabrizieren.

Allen vorgestellten Beratern ist gemein, dass sie eine Menge Reputation bei den Bloggern mitbringen. Es gibt andere, die oft verlinkt werden – aber da sollte man vorsichtig sein, es gibt inzwischen ganze Berge von Marketing-PR-Word-2-Mouth-Guerilla-Startup-Bloggern, die sich gern gegenseitig verlinken, aber ansonsten als Lachnummern gelten. Eine Buchung solcher Gestalten kann durchaus dazu führen, dass man extraschnell ins Kreuzfeuer der Kritik gerät.

Und bei dieser Herbeiführung des Krisenfalles bin ich ganz sicher auch ein kompetenter Berater. Sie wollen Ärger? Immer nur her damit :-). Eine Sache noch: Wer meint, dass ich ihn ungerechterweise vergessen habe, kann sich in den Kommentaren melden. Gerne gebe ich dann meine Beurteilung ab.

23.8.2006 | 2:03 von DonAlphonso

Übrigens, Opinio und so

Es gab ja mal eine gedruckte Opinio, ein Magazin der Rheinischen Post nur mit Leserbeiträgen. Dessen anstehender Tod wurde hier schon verkündet. Die Rheinische Post schweigt bislang eisern. Eine indirekte Todesbestätigung gibt es inzwischen auch. Nicht: Opinio gedruckt war als eigenes Heft eine Pleite, sondern eher positiv:

Jeden Dienstag gibt es in der Rheinischen Post und der Neuß-Grevenbroicher Zeitung sowie der Bergischen und der Solinger Morgenpost eine gedruckte OPINIO-Seite. Auflage: ca. 400.000. Die Seite ist in der Regel in unmittelbarer Nähe der Netzwerk- (Computer-)Seite zu finden. Auf der Seite meist drei Artikel, die aus dem OPINIO-Portal stammen. Außerdem stellen wir einen Autoren der Woche vor.

Und jetzt alle Gläubigen an das Blogbizz zusammen: 1, 2, 3, Always look on the bright side of blogs… dadamm, dadam, dadadadadadamm…

23.8.2006 | 1:22 von DonAlphonso

Empfehlungsmarketing zu Ende gedacht

Es gibt auf meinem Blog Rebellmarkt eine Kategorie “Sehr zu empfehlen”, in der ich Tipps zum Restaurieren, Unikate, manchmal auch ein Buch und einmal eine CD vorstelle. Also Dinge, die ich für schön und sinnvoll erachte, das – für mich – auch begründen kann und den Lesern mit allen Vorbehalten nahebringe. Es ist keine Werbung, ich bekomme kein Geld, keine Prozente, ich stehe zu den – meist längst toten – Verfassern in keinem Kontakt. Es ist sauber und für meinen teil unkomerziell.

Ich kann das verantworten, wenn es um Dinge bis, sagen wir maql, 25 Euro geht. 25 Euro bringen keinen um, wenn es mal doch nicht gefällt. Jetzt steht aber ein Thema an, das erheblich höhere Kosten nach sich zieht. Ich denke, ich habe für meine Musik und meinen Raum und die Aufstellungsprobleme darin die perfekten Boxen gefunden – 500 Euro das Paar. Ich bekomme keine Prozente, es ist die Lösung schlechthin, der Hersteller baut in Deutschland und ist ein Kleinstbetrieb von einem Freak, der sich um das Marketing wenig und um den Klang sehr viel kümmert. Sie sind in meinem Fall the best bang for the buck, und ich denke, es würde manchen Lesern helfen, wenn ich sie auf das Produkt hinweise, das so selten ist, dass man sicher nicht einfach drüber stolpert.

Nur – selbst wenn ich sage, bitte hört es euch selbst an und entscheidet nicht auf Basis meiner Empfehlung, und es geht schief, weil manche der Empfehlung folgen und es halt nicht zu ihrer Musik und ihrer Anlage und dem Raum passt. Wie stehe ich dann da? Anders jedenfalls als ein Amazonempfehler. Bei denen weiss ich, dass teilweise die ersten 10 Rezensionen von Freunden geschrieben wurden. Und anders als bei den diversen Testplattformen, die längst von Agenturwichse verseucht sind. Die Leute dort sind meist anonym, es gibt keine Bindung zwischen denen und den Lesern. Im Blog ist das nochmal was ganz anderes. Was dem Kokserpack der Agenturen feuchte Höschen macht, ist genau das Problem – meine Nähe zu meinen Lesern.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass, wenn so eine Empfehlung daneben geht, die Nähe die gleiche ist, wenn ich weiss, dass irgendjemand für diese Nähe bezahlt. Ich glaube auch nicht, dass es noch Vertrauen gibt, wenn sich herausstellt, dass der Empfehler einem dreckigen PRoleten aufgesessen ist. Vielleicht ist man zynisch genug, das weiterzulesen und im Hinterkopf die Verpflichtung des anderen präsent zu haben. Ironischerweise lese ich lieber das Blog des Vermarkters als das der Vermarkteten.

Die Nähe jedenfalls geht dabei flöten – sei es nun als Streuverlust bei den Freunden des bezahlten Empfehlers, die das wissen und sich nicht darum kümmern, sei es als Zynismus der Leser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so viel empfehlen kann, dass es sich für ihn wirklich auszahlt, bis er nur noch als Arschlochhinhalter für die Werber wahrgenommen wird. Menschliche Beziehungen, die einen Grossteil der Blogbeziehungen ausmachen, sind etwas fundamental anderes und weitaus vielschichtiger, als dass es in irgendwelche Cluetrain Manifestos passen würde. Der Widerspruch zwischen Freundschaft und was verticken ist einfach zu gross.

Und selbst, wenn es üblich werden würde, jeden gekauften Dreck zu bloggen, wie es sich ja manche Vermarkter erträumen, um entsprechend Kunden zu gewinnen – was wäre dann das Ergebnis? Jeder erzählt den anderen irgendwelche Blödsinn über Krempel, von dem er wenig bis nichts versteht, siehe Opeltester. Dabei leben Blogs doch davon, dass man nach eigener Neigung erzählt. Man stelle sich das mal vor, man geht in ein Cafe, und alle erzählen, was sie sich in den letzten Tagen wo gekauft haben, dann versteht man vielleicht, wie beschweuert solche Visionen sind. Keine Frage, es gibt solche Typen, die einen Abend über ihr neues Handy faseln. Aber die kriegen garantiert kein Blog hin, das was taugt. Bestenfalls die Tussi ins Bett, die am nächsten Morgen kein Thema ausser dem neuen Nagellack hat.

Und ich weiss noch immer nicht, ob ich über die Boxen schreiben soll.

16.8.2006 | 1:21 von DonAlphonso

Reiseblog gend zum Hades

Man kann sich, wenn man kein Kuschelblogger ist, ja so einiges anhören. Gerade von Leuten, die aus dem Bloggen ein Business machen wollen. PR-Tanjas, abgehalfterte Onlinejournaille und Dotcom-Versager aller Art haben gegen die Blogbar angeschrieben und mit bösen Worten nicht gespart, wenn man sie auf die Vergeblichkeit ihres Unterfangens hinwies. “Notorisch überheblicher Kritiker” etwa nannte mich die Autorin von Reiseblog.de, dem Blogableger des wahrlich nicht kleinen virtuellen Reisebüros Weg.de, und versprach eine Reise durch Afrika und keine Werbung.

Man könnte sagen, die haben den Hoster Blogg.de im Konzern, die haben Geld, das muss was werden – ich war anderer Ansicht. Nun ist gerade Hochsaison, 8 Monate hatte das Reiseblog Zeit zum üben – und wie läuft es?

– Seit dem 12. Juli gibt es keinen Eintrag mehr
– Seit über einer Woche sind die Kommentare voller Spam, und keiner Löscht sie
– Die versprochene Reise durch Afrika ist wahrscheinlich an Malaria eingegangen
– http://www.reiseblog.de/ liefert seit Monaten und trotz Information der Betreiber einen Failure Request, es geht nur ohne www
– Und die aktuellsten Meldungen sind gnadenlos PR-Meldungen, die ins Blog geklatscht wurden.

Für ein Reiseblog in der Hochsaison ist das etwas wenig. Und dafür ganz schön viel tot. Blogbusiness halt.

10.8.2006 | 5:12 von DonAlphonso

Der Virus im Podex der Viralmarketeers oder Philipp Retingshof bei VM-People

“Jeda Schmoan aus Amerika kummt zu uns nüba”, pflegte meine Grossmutter zu sagen, und sie hatte natürlich Recht. Ein stümperhafter Schmarn amerikanischer Bauart, sozusagen ein defekter Virus, grassiert gerade in einigen Blogs – Dutzende scheinbar zufällig ausgewählte Blogger bekamen Briefe, die sie auf die Spur einer jüngst verstorbenen Helena Stavros und eines bloggenden Restaurators namens Philipp Retingshof (http://www.philippretingshof.de/, ich verlinke keinen Werberdreck) bringen sollte. Brav fanden sich die Blogger bereit, darüber heftig zu schreiben und zu linken.

Es dauerte ungefähr die Trocknungszeit zwischen Grundierung und Farbfassung eines Wiener Barockstuhles, bis ich wusste, wer dahinter steckt. Die Agentur im Hintergrund hatte zwar einiges getan, um Spuren zu verwischen – verschiedene Absendeorte der Briefe, falsche Namen bei der Domainregistrierung, und so weiter – sich ansonsten aber gnadenlos stümperhaft abgestellt. Unter all den eher belustigten und neugierigen Postings ragte eines heraus, das eines gewissen Patrick Möller, der natürlich gleich in heller Aufregung bibberte und zitterte, bis er ein Wiki zum Thema aufgesetzt hatte. Als jemand, der Experte sogenannter ARG-Spiele rumblogt, ein erstaunliches Verhalten. Das Blog des Restaurators war etwas zu durchdacht und gut gemacht, um das Werk eines Amateurs zu sein, und weil der gute Mann auch seine Handschrift bei Flickr präsentiert, die so gar nicht zu der Schrift auf den Briefen passt, ist klar, dass da noch mehr mitspielen. Mutmasslich eine Agentur mit mindestens drei Leuten, Schreiber, Teckie, kreativ-graphischer Kopf. Lustigerweise war Patrick Möller erst vor Kurzem Praktikant bei der Agentur VM-People. Die wiederum sind Spezialisten für Viralkampagnen. Also, behaupten sie. Internet halt.

Der Rest ist dann nicht mehr schwer. Schon bei ihrer ersten ähnlichen Kampagne “Rettet den Fussball” ging es um Historisches, das mit einem gefakeden Institut begründet wurde. Das alles liest sich für einen Laien recht schlüssig, nur hat der Verfasser blöderweise Klassische Archäologie, Vor- und Frühgeschichte und Historische Hilfswissenschaften studiert und begreift beim ersten Durchlesen, dass hier die gleiche Mischung aus Publikumsverarsche und bullshitgetünchter Ahnungslosigkeit ist, die auch einen Restaurator mit “Diplom für Restaurierung von archäologischem Kulturgut” auzeichnet, der sich dann mit hochgradig unarchäologischen Kleinmöbeln, Kommoden und Spiegeln abgibt – nur mal ein Tipp, Holzmöbelrestaurierung spielt mangels existierender Gegenstände der klassischen Antike nicht so die Rolle. Sowas kotzt mich zwar fachlich an, ist aber ein deutliches Indiz, dass die gleichen Leute am Werk sind. Dass der Restaurator und die Agentur bei Flickr das gleiche Parkett haben, nagelt am Ende den Sarg zu.

In meinen Augen sind VM-People nichts anderes als – sorry, ich muss leider dieses Wort verwenden – Werber. Werber, die Schleichwerbung ohne Gegenleistung platzieren wollen, die nach Awareness geifern wie alle ihrer Sippe, aber auf Leute abzielen, die sich für cleverer halten als der Rest, und trotzdem mitspielen. Ironisch distanziert zumeist, aber VM-People könnten sich freuen, und ihr Kunde, den vorzeitig aufzudecken ich hier auch schon mal ankündige, ebenso. Solange keiner sich hinstellt und das Schmierentheater Schmierentheater nennt.

SCHMIERENTHEATER!

So, und nun zur eigentlichen Fragestellung. Wie geht man mit solchen Versuchen in Zukunft um? ich möchte hier betonen, dass some of my best friends are advertisers, aber dennoch halte ich eine Bestrafung Interaktion für diese Art des Ranmachens an Blogger für angemessen. Aber welche?

1. Die Methode “Stirb Stavros!”: Ich mein, es sind Werber. Überhebliche Werber, die sich für klüger halten. Da sind Fehler unvermeidlich. Suchen, finden, aus allen Rohren Blogs und Kommentaren mit Aufmerksamkeiten überschütten. Denn lustiger als jedes virales Ballerspiel ist die Vorstellung so eines su-per-klu-gen Werbers, der gerade den Scheiterhaufentanz bei seinem Kunden aufführen muss, dem er vorher sicher nichts davon erzählt hat, wie eklig es sein kann, nach wenigen Stunden aufzufliegen und durch die Blogs gejagt zu werden. Vielleicht werden wir jetzt nie erfahren, wie Helena Stavros starb – aber wir können uns ausmalen, dass die Verkaufe der nächsten blogbasierten Aktion kein Spass wird.

2. Die Methode Erpress CDU-Schatzmei verantwortungsbewusste Geheimhaltung. Endlich mal Geld für Nichtbloggen! Da kann kein Notebook- Opel- oder Asktester mithalten. So eine Kampagne kostet locker einen sechsstelligen Betrag, da sollten doch 2, 3% für die Erhaltung der guten Kundenbeziehung, gerne auch viral in kleinen Scheinen, kein Hindernis darstellen. Vielleicht wird die Agentur dann auch Dauerkunde. (Please use Ironiemodus!!!!)

3. Die Methode Virus mit fiesen Bazillen austreiben: Adressen der betroffenen Sammeln, falsche Briefe mit falschen Spuren verschicken, eigenen Plot ausdenken, falsche Hinweise beim Gegner streuen, etwa “ONASsis STAVris sagt: Helena ist nicht tot! Sie lebt, OH GOTT SIE KOMMEN! SCHNELL! WÄHLT …..” und dann die Nummer einer Berliner Viralagenur mit Wunsch nach Epidemien angeben. Oder sowas. Der Phantasie wären beim interctive multiple player 1st person Ad shooter keine Grenzen gesetzt. Jeden morgen ein neuer Streich. Jeden Abend was zu lachen. Und zu wissen, dass sie auch weiterhin mitspielen müssen. Sie werden ja dafür bezahlt. Und sie dürfen nicht aus der Rolle fallen.

4. Tot stellen, weil man will ja wissen, wie es ausgeht und am Ende vielleicht noch einen Kasten Brause, die mit den Todesschwadronen in Kolumbien und den Pestiziden in Indien, gewinnen.

Alle Varianten haben was für sich, wobei ich Nummer 2 für unmoralisch und sogar rechtswidrig halte, und menschlich fast so enttäuschend wie Nummer 4. Nummer 3 ist auch jetzt noch möglich, denn ich glaube nicht, dass die jetzt einknicken werden; die werden das durchziehen.

4.8.2006 | 16:01 von DonAlphonso

Papistische Betteltour oder Blogcontent beim Bayerischen Rundfunk

Der Bayerische Rundfunk ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts, einen Auftrag durch die Verfassung und einen Jahresetat von rund 900 Millionen Euro. Er betreibt 5 Hörfunkkanäle und zwei Fernsehprogramme. Er gilt unter manchen Kritikern als CSU-nah, konservativ und nicht wirklich als allzu innovativ. Wie nähert sich so ein Sender dem Thema Bloggen und User generated Content, das inzwischen auch Medienkonzerne wie n-tv, Burda und die BBc begeistert?

Böse Zungen aus dem Norden und erfahrene Beobachter aus Bayern würden vielleicht Folgendes sagen: Das eher selten gehörte Jugendprogramm “Zündfunk”, das vor nicht allzu langer Zeit als potentielles Opfer für eine Zwangsverschickung auf das ungeliebte Digital Audio Broadcasting DAB galt und deren Redaktion eher eine, vorsichtig gesagt, spezielleZielgruppe bedient, versucht sich an von der Staatsregierung geförderte Themen dranzuhängen. Wichtig im Moment für die Christsozialen: Der Papstbesuch, der im September über Bayern hereinbricht.

Und das geht dann so: Die Redaktion fordert Leute an den Orten des Besuches auf, sich zu melden. Derer fünf werden dann von einer BR-Jury rausgesucht, um für den Zündfunk und den Bayerischen Runfunk – dem Vernehmen nach kostenlos, oder hier besser für Gotteslohn – über den Papstbesuch ein Blog zu führen. Die heissen dann “Zündfunk-Papstkurier”. Und schreiben täglich. Und – es lebe die Konvergenz – sind auch on Air zu hören. Aus Papstmetropolen wie Marktl am Inn. Aber, heyheyhey, sie werden auch online vorgestellt, dürfen hinter die Kulissen der Sendung schauen und, Gipfel der Nettigkeit, sich Tricks bei den Profis des Zündfunks abschauen.

Klingt wie eine Satire. Ist es aber nicht. Sondern Realität in einem Haus, das 900.000.000 Euro jedes Jahr ausgibt. Übrigens, bisherige Versuche in die Richtung hatten auch keine Kommentare. Was braucht man sowas in Bayern. Eben.