Tausende oder doch nur 10 Blogger als postpubertäre Selbstfindungsveranstaltung?
Disclosure: Ich habe letztes Jahr bei einem Besuch eines Seminars der Uni Leipzig bei Herrn Dr. Martin Welker extrem schlechte Erfahrungen gemacht, sowohl was die Unwahrheiten und unzutreffende Darstellungen der Veranstaltung durch manche Studenten in der Öffentlichkeit, als auch die, vorsichtig gesagt, nachlässige Reaktion des Leiters auf die Folgen anging. Ich habe seit 2000 mit Journalistikstudenten zu tun, seit 2004 vor allem beim Thema Blogs – und ich hoffe wirklich, dass ich einfach den Ausrutscher erwischt habe, und nicht die Regel in Leipzig
Ich würde mir manchmal wünschen, die Vertreter der Medien und der Publizistik würden ein wenig unvoreingenommener an die Thematik “Blogs und Öffentlichkeit” herangehen. Gerade bei den Wissenschaftlern wäre ich froh, wenn sie erst mal alles althergebrachte Wissen beiseite schieben würden und neu lernen wollten. In der Archäologie ist es eigentlich immer so: Man hat ein Gräberfeld, man sieht im Boden die Umrisse, aber keiner weiss, was sich darin befindet. Also gräbt man erst mal aus, dokumentiert, sammelt, nimmt die Befunde so exakt wie möglich auf, und zieht dann Schlussfolgerungen – immer im Wissen, das das nächste Gräberfeld alles wieder umwerfen kann, indem es ganz andere Befunde liefert. Als sich in meinem Fach die Forscher Kossina und Virchow über Grabungsbefunde gestritten haben, standen beide vor völlig neuen Befunden, und am Ende hatte keiner recht – und trotzdem bauten auf ihren, durch den persönlichen Konflikt geprägten Lehren zwei Schulen auf, die sich noch über Jahrzehnte auf Basis falsch interpretierter Befunde stritten.
So ähnlich ist es auch mit der Beurteilung von dem, was man als “Blogosphäre” bezeichnet. Ich kenne beides, Journalismus und Blogs, und wenn ich auch in vielem anderer Ansicht bin, so werden mir doch die meisten, die in beiden Berufen einigermassen gut ankommen, recht geben, dass es Ähnlichkeiten gibt, aber auch sehr viel Trennendes. Das Trennende ist sstark ausgeprägt, dass der simple Vergelich zwischen den Disziplinen nicht weiterhilft.
Insofern bin ich dann immer froh, Beiträge wie den Text “Im Reich der Freiheit” von Prof. Dr. Michael Haller von der Uni Leipzig über die kontroverse Podiumsdiskussion des DJV von letzter Woche zu finden – es gab da ja durchaus auch weniger kluge Reaktionen. Haller bezieht sich dabei vor allem auf anwesende Journalisten und Blogger und ihr Selbstbild, und leitet in einer gar nicht unklugen Äquidistanz einige spannende Thesen ab, wie etwa über Blogger:
Die real existierende Szene der Blogger hat ein anderes Gepräge. Eitles Gerede („sorry, aber ich …“), redundantes Geschwätz („da hat XX natürlich Recht …“), argumentlose Vorurteile („Wir Blogger denken da …“), auch Belehrfreude („bitteschön, kann man sogar googeln ….“), Von-oben-herab-Geschreibe („war wieder Schwachsinn, diese Diskussion“) – nur gelegentlich stößt man auf eine informative oder plausibel begründete Einschätzung wie auf die berühmte Stecknadel im Heuhaufen.
Etwas überspitzt, keine Frage, aber das ist auch nicht der Anspruch, mit dem viele Blogger schreiben. Und natürlich sind die Diskussionen nicht immer vergleichbar mit einem wissenschaftlichen Diskurs; spannend sind sie dennoch, wenn auch nicht habermastauglich. Muss es das sein? Umgekehrt sieht Haller auch sehr klar analysierte Defizite im Journalismus:
Die Verantwortlichen in den Mainstreammedien haben das Lebensgefühl und die Weltsicht der Unter-30-Jährigen wirklich nicht begriffen; dass sie mit aufgeblasenen Belanglosigkeiten (Knut, Britney, Dschungelcamp) ihre Titelblätter und Nachrichtensendungen füllen – und zeitgleich mit geschwellter Brust über ihre „öffentliche Aufgabe“ schwadronieren: Das kotzt die an Sinnfragen interessierten jungen Leute definitiv an. Man kann die Erwartungsenttäuschung sehr vieler junger Leute sehr gut nachvollziehen, wenn sie davon erzählen, was sie vom „großen“ Journalismus (nicht nur Sat.1 und die Springer-Presse, auch Stern und Spiegel, ARD und ZDF) erwartet und was sie von ihm tatsächlich bekommen haben: die Einsicht, dass der Unsinn die Welt regiert.
Journalisten würden antworten, dass sie nur das liefern, was die Leute wissen wollen. Aber prinzipiell kann man das akzeptieren. Oder besser, man könnte es akzeptieren. Würde sich Haller seinen beitrag am Ende nicht völlig mit einer falschen Aussage zerschiessen. In Bezug auf eine Rapperin und ihren Auftritt gemeinsam mit dem ehemaligen Vanity Fair-Chefredakteur Ulf Poschardt sagt er (Hervorhebung von mir):
Denn schon am Tag nach der TV-Sendung haben tausende Blogger schwadroniert, ob die Frau echt oder falsch, klug oder dumm sei, ob sie nur provoziere oder den Machismo-Kult der Hardcore-Rapper persifliere, ob man ihr Gequassel „geil“ oder „öde“ finden und ihre Bums-Rapp-Hymnen hören oder nicht hören solle. Insgesamt ein gigantisches Pennäler-Palaver, das unter Pennälern völlig in Ordnung ist, weil man dort (noch) nicht weiß, wie man sein Leben erleben wird. Vielleicht erweitert sich die Blogosphäre zu einer postpubertären Selbstfindungsveranstaltung der Mediengesellschaft. Ich habe nichts dagegen, im Gegenteil, ich möchte davon träumen, dass sie nicht in ihrer Redundanz ersticken, sondern die Frischluft des Diskurses gewinnen wird. Aber redet bitte nicht von Journalismus, so verdreht der real existierende auch sein mag. Journalismus liefert das aktuelle Ereigniswissen, auf das sich die meisten Blogger stürzen wie die Geier auf den Kadaver, und besonders gierig dann, wenn ein Mainstream-Fernsehsender eine „Porno-Rapperin“ präsentiert.
Könnte man sagen, wenn es stimmen würde Der haken an der Sache: Die Behauptung, tausende Blogger würden es thematisieren, ist nachweislich falsch. Zu dem Vorfall gibt es weniger als ein Dutzend Blogpostings, eines davon bezeichnenderweise bei einem “Branchendienst” eines Urheberrechtsverletzers namens Peter Turi, und zwei weitere bei Bloggern, die solche Themen gewohnheitsmässig, möglichweise wegen des Googletraffics abfeiern. Sprich: Das Thema ist unter den über 100.000 aktiven deutschen Blogs praktisch nicht existent, eine winzige, teilweise awarenessgeile Minderheit hat sich darauf gestürzt, von “Tausende Blogger” kann überhaupt keine Rede sein.
Es ist nicht zu bestreiten, dass es in der Blogosphäre höchst unschöne Erscheinungen gibt: Gekaufte PR durch Trigami, Googlespamming durch Linkparaden, und oftmals auch dümmliches Nachplappern anderer Blogger und Medien. Aber nicht in diesem Fall, nicht im Mindesten in diesem Ausmass. Was nicht verwundert, denn den meisten geht es um das Erzählen ihrer eigenen Geschichte. Ohne “Relevanz”, “Nachrichtenwert” oder Schielen auf Sensationen. Das Elend der Blogosphäre ist so vielschichtig wie ihr Glanz, und genauso vielschichtig müsste auch die Analyse durch die Wissenschaft sein.
Insofern: Der Beitrag ist zwar in einem Kernpunkt grundfalsch, aber gar nicht so dumm. Auf einem guten Weg, vielleicht. Was fehlt, ist die Recherche und die Fähigkeit, sich mal voll auf das neue mit all seinen Facetten einzulassen. Und das ist mehr als nur die Frage nach der Öffentlichkeitswirkung. Sehr, sehr viel mehr.
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Erster!
Ich grüße wie immer Martin aus Frankfurt.
Mich erstaunt immer wieder, wie sehr – nicht unkluge – Menschen manchmal ins Straucheln geraten, wenn sie sich bemühen, das in Zahlen zu fassen, was im Internet geschieht. Mit Blick auf Blogs mag das vielleicht auch daher rühren, dass dann als “Blogger” tatsächlich die gelten, die “ins Internet schreiben” – gleich, ob dies im Blog, auf Myspace, in den Kommentaren eines fremden Blogs, in einem Forum, im Chat oder auf irgend einer Community Seite geschieht.
Was solche Fehler erklären könnte. Sie aber nicht besser macht.
(“nicht habermastauglich” ist für mich nach der letztwöchigen Diskussion übrigens das neue “das haben wir schon immer so gemacht”. Wahlweise auch – aber an diesen Stellen vielleicht etwas überkandidelt – einsetzbar für ein plattes “was soll das denn”…)
Bist du neuerdings das Bindeglied zwischen Lanu und Spreeblick?
Mhm, wenn ich da lese: junge Leute unter 30 seien angekotzt vom “prof. Journalismus” – dann denke ich bei mir: ich bin 47. Ich kenne eine Menge Blogger über 40. Von wem redet der Haller da eigentlich?
Gerade aufgrund der Lebenserfahrung maße ich mir an, beurteilen zu können, wann ein “Journalist” Müll von sich gibt, der mit dem realen leben nix zu tun hat, verdammt noch mal.
Ich kann ehrlich gesagt mit dem Geschwafel nicht viel anfangen und lese das nicht halb so positiv wie Don. Es ist akademischer Mist in meinen Augen, auch wenn er “volkssprachlich” daherkommt.
Henning, manche unterschätzen die Rückschlagkraft des Mediums. Aber das lernt man nur durch Leiden. Dass es einem Journalistik-Prof passiert – mei, auch BWL-Professoren gewinnen nicht immer an der Börse. Es ist aber, Frank, um Längen besser als das, was ich in und nach dem Seminar erlebt habe. Die Äusserung, JayKay, verstehe ich nicht. Spreeblick ist mir zu kommerziell und langweilig, Lanu hat ein Aufmerksamkeitsdefizit, und beide hocken in Berlin, wo sie hinpassen.
Eben deshalb: Die Mischung zwischen “Wir wollen GeldGeldGeld” und “Scheiße, ich versinke in die Bedeutungslosigkeit”. Resultiert für mich daraus:
Spreeblickmäßig:
– “Blogger als Beruf”: Wieviel Blogger in Deutschland betreiben das beruflich? (mal von den üblichen Sternundsonstwas”bloggern” abgesehen?
Lanumäßig:
– Beitrag zerschießen….weil er falsch gezählt hat oder weil er seine Prioritäten falsch gesetzt hat? Mal ehrlich: Hast du es nötig, auf einzelnen Worten rumzuscheissen (sorry die Wortwahl)? War schon bzgl. Leipzig so. Einer vertippt sich oder nimmt was falsches an und dann ist gleich alles fragwürdig? (Ich wills verstehen, erklärs mir gern)
Ging mir -für mein Empfinden, vielleicht lieg ich falsch- ziemlich in Richtung “Journalisten können keine Blogger” und das ist mir etwas zu einseitig.
Nochmal: Inhaltlich liegst du sicher richtig, aber ist es nicht eine Sache des “wie”?
Haller for President!
es sind aber 100 Blogger.
kannst du denn die urheberrechtsverletzungen belegen?
danke und gruß aus dem ach so coolen berlin!
Das ist bei diesem zugegebenermaßen recht aufgeweckten Herrn wohl der übliche Spagat zwischen der überfälligen Kritik am Alten und dem Noch-Misstrauen gegenüber dem Neuen. Eine Interims-Unposition also.
Ich nehme erschwerend an, er darf sich in dieser überschaubaren Szene der Kommunikationswissenschaft nicht allzu verbalradikal gebärden. Sonst hat plötzlich er ‘die Pappnase auf’ …
… und ich dachte beim Titel an das komische FH-Projekt in Düsseldorf, von dem ich auch nicht weiß, was ich halten soll … 24 Stunden Dauer-PR-Rekord?
http://wortschaft.fh-duesseldorf.de
Komische Idee, auf Zeit bloggen?
Hmm, erstaunlich d’accord muss ich mit dem Text von Herrn Haller gehen. Bis auf die Ãœbertreibung bezüglich der “sex-n-crime”-Blogger (bis nach dem Lesen des Kommentars wusste ich gar nichts über diese Dame geschweige denn, dass es eine Blogsau wäre, die mal wieder getrieben gehört) finde ich Hallers Meinung recht ausgewogen und gut.
Hätte da schlimmeres erwartet :)
(disclaimer: ich bin bei M.H. “in die Lehre gegangen” und kenne seine öffentlichen Verlautbarungen wie auch seine didaktischen Fähigkeiten)
Jaykay, ohne das Fass nochmal ganz öffnen zu wollen: Wenn sich Leute als Elitehochschule fühlen und dann noch nicht mal in der Lage sind, Zitate im Kontext ohne Verfälschung wiederzugeben, dann ist das ein Problem für den Beruf, den sie später mal ausüben wollen. So wie der Medizinstudent, der bei seiner ersten Runde im Praktikum gleich mal alles schräg zusammennäht, weil er glaubt, er kann schon alles. Und daneben steht der Lehrer und nickt freundlich dazu, denn es sind ja seine Leute. In unserem Beruf ist das absolut unterirdisch, und wenn dann ein Kumpel von denen noch mit dem Anwalt ankommt, fliegen halt die Fetzen.
Ansonsten mache ich das hier nebenbei als reines Hobby während einer ziemlich stressigen Tätigkeit, sage einige Kongresse ab, weil es mir zuviel wird, und Leserzahlen sind mir egal.
Und pardon, natürlich ist es ein Unterschied, ob es Tausende sind oder nur zehn. Von Vertipper kann da keine Rede sein. Der in diesem Text mitschwingende Kulturpessimismus gegenüber der Bloggerei hat einen einzigen konkreten Beleg: Diese Tausende. Der Beleg ist im besten Fall falsch und im schlechtesten Fall die Basis für andere, die sich dann auf Haller berufen, weil der Wissenschaftler ja herausgefunden hat, dass es so ist. Dass sowas ausgerechnet einem Professor passiert, der dafür da ist, Leute zu Journalisten auszubilden, die genau so etwas nicht tun, hat einen gewissen Beigeschmack.
Und was die Urheberrechtsverletzung angeht: Vanity Fair hat eine Unterlassungsverpflichtungserklärung nach dem Bilderdiebstahl durch Peter Turi abgegeben, und die Verwendung des Videos von Eva Hermanns Abschied bei Kerner mit Turi2-Bapperl ist ziemlich deutlich nicht durch das Zitatrecht gedeckt.
Ah, Du bist der, der noch Technorati nutzt. :)
Der eine (Professor) will Diskurse im Internet, der andere (Don) Geschichten “mit einem Gesicht dahinter”. Die breite Masse will Brot (Adical) und Spiele (Uri-Geller-Show) ob im Internet oder bei RTL. Das Problem ist, dass das alles im Internet zusammengeschüttet wird. Muss halt jeder seinen Kram wieder raussuchen, was etwas mühsam sein kann. Und wenn er es gefunden hat, ist es so speziell, dass es für die einzige im Internet geldverdienende Klick-Industrie wieder uninteressant wird.
Zum Herrn Professor, der gerne mehr Diskurse möchte, kann man nur sagen, soll er sich doch daran beteiligen. Das Problem ist doch, dass sich von diesen Herrschaften keiner im Internet einem Schlagabtausch stellt. Das hat ja keiner von denen nötig. Da sind sie sich zu fein zu. Sie lästern lieber über das Niveau und wenden sich mit Ekel ab.
In dem Zusammenhang ist auch interessant, dass in den meisten Journalisten-Blogs – also die mit angeblich noch etwas Niveau – nur ganz wenige Betreiber in den Kommentaren mitdiskutieren. Die sich verweigernde Elite ist also das eigentliche Problem, nicht die Masse und Unterschiedlichkeit der Teilnehmer.
Chapeau! Der Blogeintrag trifft bei mir einen Nerv, weil beschreibt gleichermaßen zwei – leider weitverbreitete – Erscheinungen in der lieben Medienwelt: Zum einen jene der vorschnellen, unrecherchierten Verallgemeinerung, und zum anderen die Zunahme an Belanglosigkeiten und Tratsch- wie Sexgeschichten, auf die sich mittlerweile auch die sogenannten „seriösen“ Medien zuhauf stürzen, um gekauft und geklickt zu werden.
Das Interessante ist übrigens, dass die Argumentation, nämlich „Journalisten würden … nur das liefern, was die Leute wissen wollen,“ sowohl als Vorwurf gegen Journalisten dient wie ebenso als Rechtfertigung derselben dafür, dass sie so einen Mist verzapfen.
Es sollte doch möglich sein, gegen den Trend zur Niveaulosigkeit anzuschreiben, ohne dabei – und das ist wahrscheinlich auch eine Kunst – in Selbstgefälligkeit abzudriften. (Schließlich wollen alle gerne gelesen werden, sonst würden wir uns ja nicht bemühen, das öffentlich zu tun.) Versuchen sollten wir es – Blogger wie Journalisten gleichermaßen.
Und ja stimmt, Brainbomb, das Internet bietet Gottseidank genügend Platz für Nischen fernab von „Brot und Spiele“. Nur machen diese (zumindest die Betreiber) leider auch nicht satt, solange das mit den Werbekunden nicht funktioniert bzw. solange keine kreativen, alternativen Einnahmequellen aufgetan werden können. Any ideas..? :-)
Weil aber die Leute von den Medien immer nur das geliefert bekommen, was die Journalisten geschrieben haben, ist es schwer zu entscheiden, ob dies immer das ist, was die Leute wissen wollen. Es gibt ja keinen Vergleich, kein zweites Mediensystem. Mit dem Henne-und-Ei-Taschenspielertrick können sich die Journalisten dann perfekt heraussabbeln …
Roll over Blog&Rock:
Die Kultur der Phamphletisten
Quelle ist schon eh bissi ältär,2003, passt trotzdem noch.
Das eine schliesst ja nicht das andere aus. Klar wollen die Leute Gottschalk, Dschungel-Camp und Fussball-WM. Nur ob sie auch die endlose Vor- und Nachbetrachtung in den Medien wollen, da habe ich meine Zweifel.
@#16 – bärbel,
da du ja nach ‘any ideas’ gefragt hast, was hältst du von der vorstellung, dass worte (mit der großen ausnahme des entertainment) immer noch durch den druck zu geld transformiert werden?
genau da beginnt aber das dilemma. bevor jemand worte in die druckmaschine jagen lässt, liest er sie sich gründlich durch, da der druck kosten verursacht, die er erst mal wieder einbringen muss. ansammlungen häufig verwendeter floskeln, und mögen sie auch noch so glattpoliert sein, bringen keine druckkosten ein.
nehmen wir deinen beitrag als beispiel:
‘… die Zunahme an Belanglosigkeiten und Tratsch- wie Sexgeschichten, auf die sich mittlerweile auch die sogenannten „seriösen“ Medien zuhauf stürzen…’ – aha, seit wann tun die das denn so mittlerweile?
‘Es sollte doch möglich sein, gegen den Trend zur Niveaulosigkeit anzuschreiben … Versuchen sollten wir es – Blogger wie Journalisten gleichermaßen.’ – fragen: womit? weshalb?
‘Und ja stimmt…’ – und ja, und nein und so weiter, so etwas lässt sich einfach nicht drucken, ehrlich.
textproduktion als broterwerb ist entweder durch äußerst einschränkende arbeitsverträge oder eine völlig andere qualität der sprachverhackstückung gekennzeichnet und im letzteren fall zusätzlich durch eine hohe existenzielle unsicherheit. es scheint tatsächlich nur zu gehen, wenn man besser ist.
meinst du wirklich, dass werbung die folgen qualitativer defizite auszugleichen hat? wenn ja, dann liegst du richtig. aber sie tut es eben auch nur gegen viel geld. that’s life.
@Bärbel, zum Thema “Any Ideas”
ich habe mal vor kurzem mit dem Gedanken gespielt, ein Portal “Schlagabtausch.de” zu bauen, wo 2-3 Leute mit Interesse an echtem Diskurs gegeneinander antreten können zu beliebigen Themen, meinetwegen mit Bewertungen durch das Publikum (wer hat gerade die besseren Argumente, wer liegt vorne und soweiter. Beteiligung von Professoren an solchen Diskussionen natürlich erwünscht). Aber ich habe für die Umsetzung keine Zeit. Ist ja klar! Ich habe dann trotzdem mal geschaut, ob die Domain “Schlagabtausch.de” noch frei ist. Die hatte sich aber dieser Domain-Grabber SEDO (o.ä.) unter den Nagel gerissen. Auf mein Gebot von 1 Euro kam dann die automatisierte Fehlermeldung zurück: “Gebote beginnen üblicherweise im 3-stelligen Bereich!” (Diese Wegelagerer! Schlagabtausch.eu ist aber noch frei, wer möchte?)
Zurück zum Thema. Warum reden Kommunikationswissenschaftler immer nur über Blogs und Communities? Und das immer nur auf altmodischen Tagungen und Plenumssitzungen? Und diskutieren ihre Konzepte nicht im Internet? Weil sie immer nur über bekannten Kram referieren können. Weil sie sich vor dem direkten “Schlagabtausch” mit jedermann fürchten. Sie könnten sich ja blamieren.
Lösungen für von ihnen selbst formulierte Probleme wollen ihnen einfach nicht einfallen. Dazu sind sie nicht kreativ genug. Warum schaffen sie sich nicht ihre diskursiven (wenn’s geht, demokratischen und nicht elitären) Plattformen im Internet, wenn sie schon danach rufen? Sie sind doch “Kommunikationswissenschaftler”! Leider von der Mentalität wohl nicht gerade bei den Ingenieuren angesiedelt.
Zeit und Geld haben sie, diese Beamten, die kriegen doch monatlich ihr Geld, da brauchen die doch nicht auf Klickraten zu schielen. Schließlich wird ein Großteil von OpenSource ja auch an Universitäten entwickelt von Assistenten auf BAT-II-Stellen.
Was die Diskursfähigkeit im Internet angeht, bin ich übrigens optimistisch. Sobald jemand auftaucht, der ein wenig argumentieren kann, halten die Schwätzer die Klappe und verdünnisieren sich. Das ist zwar nicht gut, wenn man auf Klickraten schielt (z.B. in den Kommentaren von SpOn und DerWesten) aber sehr gut, wenn es um Qualität geht. Don schafft das hier ja auch und dass bei sehr respektabler Reichweite. Aber die sollte eben nicht das Kriterium sein. Im öffentlich subventionierten Raum wären solche Plattformen also denkbar!
Was ich bei den o.g. Zitaten Hallers nicht so ganz genau erkennen kann, ist, wo der Unterschied zwischen “Bloggen” und Journalismus ist.
Eitles Geschwätz, Redundanz – so sie nicht aus der “schnellen Kommunikation” von Kommentar/Diskussion stammen – gibt es doch im Journalsimus genauso. Wenn ich mir bspw. all die vielen diskurs-, und vor allem, diskussionsfreien polit. Schwenks der Medien seit 1998 ansehe, habe ich Schwierigkeiten, einen besonderen “Wert” von Journalimus festzustellen.
Besonders lustig ist, wenn Haller “Sinnfragen” ins Spiel bringt – ich wüßte nicht, daß Journalisten in den letzten 15 Jahren dazu irgendetwas beigetragen hätten. Und das soll sich in Zukunft ändern ? Bei Medien, deren jeweilige Klientel immer älter wird ?
Ich habe wiederholt den Eindruck, daß eine “gloriose” Vergangenheit beschworen wird – als der Prof noch jung und die Zukunft (durch Journalisten) gestaltbar – die aber so, aus verschiedenen Gründen NIE MEHR wiederkommen wird.
[…] medienrauschen.de blogbar.de bewerberblog.de mrtopf.de marketing-blog.biz blog.oliver-gassner.de multimediablog […]
Wenn man wie Herr Haller eine Professur und eine Meinung zum Journalismus hat, sollte er den real existierenden Johurnalismus vor sich hertreiben, wie eine Sau durchs Pressedorf.
Macht er aber nicht, das Weichei!
[…] Die Diskussion um Blogger, Blogosphäre und Journalismus lässt mich nicht los. Eine Reaktion auf den von mir zitierten Beitrag von Michael Haller machte mich besonders stutzig. Don Alphonso begründete seine Kritik an Hallers These von “tausenden” Bloggern, die auf die Attacke der “Porno-Rapperin” “Lady Bitch Ray” auf Ulf Poschardt im öserreichischen Fernsehen angesprungen seien, mit Zahlen von Technorati – und es las sich, als gebe Technorati Aufschluss über das Geschehen in sämtlichen Blogs dieser Erde. Das stimmt aber nicht so ganz. Sämtliche Blogs, die keine Pings erlauben, werden schon mal gar nicht mitgezählt. Und das Technorati-Ranking sagt eigentlich nichts über den Traffic aus, sondern zunächst einmal nur etwas über die Akzeptanz innerhalb der Blogosphäre.  […]
Um hier nochmal aufzugreifen, was eigentlich schon längst abgestanden ist, ja schon moderig riecht:
Das war meines Wissens EINE Studentin, die für ihre Fehler ordentlich Lehrgeld bezahlt hat und in Zukunft (hoffentlich) bessere Faktenkontrolle betreiben wird, ehe sie so einen Bockmist referiert oder schreibt. Sicher hat der Seminarleiter sie in Schutz genommen, weil es ja auch zu einem gewissen Teil seine Aufgabe ist. Was hinter den Kulissen zwischen dir und Dr. Welker abgelaufen ist, kann ja keiner wissen. Du könntest da ja für Aufklärung sorgen, indem du einen erhellenden Beitrag schreibst, was bisher nicht geschehen ist.
Einfach gleich die ganze Branche, die Uni oder auch nur das Seminar schlecht zu reden, finde ich doch etwas übertrieben. Du hast mit deinem Vortrag in der Uni (bei mir zumindest) Sympathiepunkte gesammelt, durch den unsouveränen Umgang hinterher hast du sie aber wieder verspielt.
Daher mein Fazit: Dein Satz “Das Elend der Blogosphäre ist so vielschichtig wie ihr Glanz, und genauso vielschichtig müsste auch die Analyse durch die Wissenschaft sein.” ist ebenso zutreffend, wenn du ‘Blogosphäre’ durch ‘Journalismus’ und ‘Wissenschaft’ durch ‘Don Alphonso’ ersetzt.
Andreas, es war nicht eine, sondern ein halbes Dutzend Leute, man könnte auch sagen angedünkelte Möchtegern-Elite-Studenten, die einen Haufen Blödsinn geschrieben haben, und ein selbst alles andere als sauber agierender Veranstalter, der auch nach einem Haufen Bitten schlicht und einfach untätig geblieben ist, und dem es erkennbar egal war, was da verbreitet wird. Dass es ihm nicht gefallen hat, was ich in Leipzig gesagt habe, ist das eine – aber nachdem schon die ersten Medien im begriff waren, die Lügen von Stefan Niggemeier und einiger Personen abzuschreiben, musste ich selbst etwas tun. Von “Lehrgeld” kann da keine Rede sein, wenn die betreffende Person eine klare Lüge löscht. Das alles blieb noch in einem angesichts der Verhaltens dieser Leute ausgesprochen netten Rahmen, und alles, was ich jetzt tue ist: Ich schreibe ehrlichkeitshalber dazu, dass ich dieses Institut als höchst unerfreuliche Veranstaltung erlebt habe und deshalb voreingenommen sein könnte. Dass der Unsinn des Leiters trotz Kommentaren und Beiträgen immer noch unverändert nachzulesen ist, zeigt halt, wie die dort ticken.
Apropos Journalisten^^.
Hier ein Beitrag der brand eins (die ich eher nicht so schätze wg. ihre neoli-e-beralen Ausrutscher in Richtung Jeder kann es schaffen tschakkaa”, was mir sehr zuwider ist).
Dieser Artikel aber ist gut, Lesebefehl:
http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=2557&MenuID=130&MagID=97&sid=su84752121732745468&umenuid=1Sorry
Sorry Don, ich wusste nicht, wo sonst hinpacken. Da ergreift man jede Niggeligmeier-Vorlage.
[…] Blogbar “Tausende oder doch nur 10 Blogger als postpubertäre Selbstfindungsveranstaltung” […]