Das Bohei war nicht ganz klein, als die Werbeplattform Adical vor drei Monaten unkorrekte und erheblich überzogene Reichweiten für die von ihnen vermarkteten Blogs kommunizierte, die sie im Nachhinein als Missverständnis eines Journalisten deklarieren musste. Man könnte auch von schamloser Übertreibung sprechen, oder von Lüge, und anderen wenig erfreulichen Dingen.

Wie es damals der – nach eigenen Angaben – Unternehmer Peter Turi tat, dessen Karriere bei medien2, wo er als Chefredakteur vorgeshen war und dann von Bord ging, oder bei Vanity Fair online, wo kurz nach dem Eingehen meiner vom Verlag grundsätzlich akzeptierten Abmahnung wegen einer falschen Tatsachenbehauptung sowie einer Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzung sein Blog geschlossen wurde, nicht wirklich als geradlinig bezeichnet werden kann. Wie auch immer, es gibt von dieser Person einen neuen Versuch, mit einem Medienangebot für Medienmacher professionell tätig zu werden. Zu diesem Zweck also gab dieser Herr ein Interview, in dem wir neben der Bezeichnung der Blogosphäre als “präprofessionell” den Satz lesen dürfen:

Spätestens Anfang 2008 wird turi2 komplett anders aussehen als heute und statt 2.000 Lesern am Tag hoffentlich 5.000 haben. Dann steigen wir in die Werbevermarktung ein.

http://www.dwdl.de/article/news_11226,00.html

Nun, es ist zu hoffen, dass er dann ein wenig besser aufpasst, was er wo und wie kommuniziert. Denn vor zwei Monaten hat mir Turi in einem anderen Interview nicht nur ein erlogenes Zitat untergeschoben, sondern auch zu seinem sog “Mediendienst” noch ausgeführt:

Für die paar hundert Freunde, Bekannte und Verwandte, die ab und an vorbeischauen, ist der aktuelle Claim „turi2 – für Medienmacher“ noch viel zu hoch gegriffen.

Manche werden sagen, dass Klappern zum Geschäft gehört. Manche werden vielleicht sagen, dass es hinter vielen OpenBC-Fassaden noch schäbiger aussieht als in der sogenannten professionellen Blogosphäre. Aber das primäre Gut, mit dem man bei uns hausieren geht, sind nicht drittklassige Elektrogeräte, die nach drei Wochen privat im Müll landen, sondern Offenheit und in Ableitung daraus auch Glaubwürdigkeit. Turis aktuelles Blog liegt heute in der Blog.de-Topliste bauf Platz 10, was die zweite Aussage weitaus glaubwürdiger erscheinen lässt. Kaum ein Kunde ist so blöd, dass er nicht vorher mal genau schaut, welche Angaben sich im Netz verifizieren lassen. Und während man jenseits kommerzieller Zwänge durchaus mit literarischen Verfremdungen arbeiten kann, wird aus falschen oder unglaubwürdigen Zugriffszahlen schnell ein Problem. Und zwar nicht nur für die Prahler, sondern für jeden, der glaubt, mit einem Blog sein Geld verdienen zu können.

Nicht alle Werber koksen. Die wenigsten Werber koksen. Aber wenn ich von Kokserbranche spreche, weiss jeder, was ich meine, und jeder kennt einen, der kokst, und hat dann noch den ein oder anderen naturprallen Freak vor Augen. Man muss gar kein übelmeinender Journalist sein, der Blogs verachtet, um sich auch für Blogger passende Formulierungen zu überlegen. Die Blogosphäre hat sich durch einige Protagonisten inzwischen einen guten Ruf erarbeitet, und das war alles andere als leicht. Mit Ehrlichkeit, Nachdruck und konsequentem Handeln. Anders gesagt: Mit dem Gegenteil dessen, was manche Möchtegern-Profis beim Start ihrer Unternehmungen an den Tag legen. Das ganze Übel der klassischen Medien ist von Beginn an dabei, von verdeckter PR über gekaufte Inhalte und Schleichwerbung bishin zu wirren Behauptungen zu Reichweite und Userzahlen. Es könnte einem eigentlich egal sein, wenn in der Aussenwirkung getrennt werden würde zwischen den paar schwarzen Schafen, die einen üblichen, runtergekommenen Medienbetrieb auf Blogbasis aufbauen wollen, und denen, die einfach nur gerne bloggen. Und selbst die Aussenwirkung könnte einem egal sein, wäre dann nicht früher oder später der Vorwurf im Raum, Blogger würen zwar Medien kritisieren, aber das Maul halten oder beschwichtigen, wenn welche von ihnen selber Scheisse bauen.

Wenn man über die deutsche Blogosphäre redet, ist von Bloggern sehr häufig das Argument zu hören, ihre Grösse sei auch der mangelnden Unterstützung der Medien zuzuschreiben, die Blogs ausbeissen, statt zu fördern, wie das im englischen und französischen Sprachraum geschah. Kann sein. Aber der extrem holprige Start der sog. Profis, die Akzeptanzprobleme, auf die sie treffen werden, und der Niedergang der Glaubwürdigkeit, die ein “Core Asset” ihrer Geschäftsplanung ist, wird hausgemacht sein. Und die Frage, ob sie dabei von Bloggern erwischt werden, oder von Journalisten, wird keine grosse Rolle spielen, denn wenn so blöd gelogen, getrickst und gefälscht wird wie beim Ãœbergang vom Blog zum kommerziellen Medium, von Leuten, die manchmal noch nicht mal kapieren, dass sie in juristische Minenfelder laufen, dann wird das so oder so hochgehen. Ich glaube auch nicht daran, dass man Blogger intern zur Seite nehmen kann und vorsichtig darauf hinweisen, dass dieses und jenes jetzt nicht so doll war, oder noch dämlicher, zu äussern, dass jeder von uns irgendwie käuflich ist. Selbstkontrolle, wie wir in den letzten Tagen gesehen haben, funktioniert im Journalismus kaum, und ich wüsste nicht, wieso es bei Profibloggern fundamental anders sein sollte.

Nicht nach den diversen präprofessionellen Ausrutschern der letzten Wochen und Monate. Wenn sich da nicht schleunigst etwas ändert, liefern die Blogs den nächsten Fall a la StudiVZ demnächst selbst. Unseriös ist das meiste vieles schon jetzt.