Extreme-AAL: Kölner Stadtanzeiger saugt für alle Zukunft Inhalte
Seit ein paar Monaten haben viele Printkonzerne die Meinung, man könne die Leser nicht nur als Werbeanschauer ausnutzen, sondern sie als Schreiber im Internet zusätzlich einspannen. Internet kostet Geld, Redakteure sind teuer, also sollen die Leser doch bitte selbst dafür sorgen, dass der Rubel rollt. Der Kölner Stadtanzeiger hat jetzt ebenfalls so ein Portal ins Netz gestellt, mit dem Namen NetzStadtmenschen.de (http://ocs.zgk2.de/). Gewünscht werden dort Bilder, Ausgehtips und Blogeinträge. Und zwar von leuten, die besser nicht in die AGB schauen.
Denn dort stellt der Kölner Stadtanzeiger nach Eltern.de einen neuen Rekord beim Thema “Internetinhalte für lau kassieren”. Und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie man sich auf sowas einlassen kann. Konkret fordert das Portal alle nicht exklusiven, aber zeitlich und räumlich unbegrenzten Verwertungs- und Verbreitungsrechte. Was immer man dort einstellt: Laut der AGB kann man bei allen mit der Zeitung verbandelten Firmen damit anstellen, wozu immer man lustig ist. Werbung, verkaufen, selbst abdrucken. Wie hochproblematisch das werden kann, wird deutlich, wenn der Kölner Stadtanzeiger Bilder von Personen für Werbezwecke verwendet: Laut AGB stimmt der Nutzer zu, dass er die Rechte an seinen Arbeiten hat. Vermutlich keiner fragt jedoch Personen auf seinen Bildern, ob sie damit einverstanden sind, eventuell auch in der Werbung verwendet zu werden. Falls jetzt aber jemand ein Problem hat und gegen die Zeitung oder ihre Partner, die das Material übernommen haben, vorgeht – ist rechtlich der Nutzer dran, der das Bild online gestellt hat. Denn in den AGB stellt er die Zeitung von allen Kosten frei, die in solchen Fällen entstehen.
Und damit das auch für immer so bleibt, findet sich eine Klausel, die eventuell die Rettung bedeuten kann. Unter § 6 heisst es nämlich:
Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Nutzer dem KSTA im oben genannten Umfang auch die Rechte für unbekannte Nutzungsarten einräumt, falls und sobald dies gesetzlich zulässig ist. Für die Rechteeinräumung über unbekannte Nutzungsarten gelten dann im Übrigen die jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen.
Völlig gaga und meines Erachtens mutmasslich sittenwidrig: Kein Autor soltte automatisch Rechte für Nutzungsarten einräumen, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Werke noch nicht existierten, oder per Gesetz neu geregelt werden. Ausserdem hat der Nutzer einen Anspruch auf angemessene Vergütung gemäss §32 UrhG, von der in der Regel nichts zu lesen ist. Natürlich scheint in diesem Passus eine Zukunftshoffnung auf weitere Verwertungsgeschenke an die Verleger im Web2.0 durch – von denen ich aber ernsthaft hoffe, dass sie kein Verantwortlicher dieser AGB sie je im Berufsleben erleben wird. Solche Medienfirmen mit derartigenn Rechtsauffassungen gegenüber ihren Lesern braucht meines Erachtens kein Mensch. (Der Hinweis auf das “Angebot” kam von Maternus)
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Diese Art “Verträge” sind doch inzwischen überall Usus. Bei der Rheinischen Post bzw. deren Ableger OPINIO sieht das nicht anders aus. Wer sich also darauf einläßt, ist selber schuld.
Besonders interessant ist der Punkt “3.” bei OPINIO; da kann es ohne weiteres passieren, daß man sein eigenes Urheberrecht wegen einer geringfügigen Bearbeitung durch “RPG” nicht mehr wahrnehmen darf…
Pardon, das muss heißen: “§5, Punkt 3.”
Ich sehe da noch ein ganz anderes Problem, wie ich schon vor wenigen Tagen schrieb. Die Leser sollen online dazu bewegt werden, als Kritiker von Gaststätten, Restaurants usw. zu agieren. Dabei werden sie in der Rubrik “Stadtmensch” auch dazu aufgefordert,
>>Schreiben Sie Ihre eigene Restaurantkritik, geben Sie Ihr Urteil über die Bar, den Club, die Diskothek oder den Biergarten Ihrer Wahl ab. Empfehlungen vom Leser für andere Leser – oder auch Warnungen vor miesem Service und schlechtem Essen.
Ich sehe da noch ein ganz anderes Problem, wie ich schon vor wenigen Tagen schrieb. Die Leser sollen online dazu bewegt werden, als Kritiker von Gaststätten, Restaurants usw. zu agieren. Dabei werden sie in der Rubrik “Stadtmensch” auch dazu aufgefordert,
“Schreiben Sie Ihre eigene Restaurantkritik, geben Sie Ihr Urteil über die Bar, den Club, die Diskothek oder den Biergarten Ihrer Wahl ab. Empfehlungen vom Leser für andere Leser – oder auch Warnungen vor miesem Service und schlechtem Essen.”
Mein Anfrage in deren Blog dazu ist leider nicht mehr auffindbar. Eine bewusste Löschung möchte ich den Verantwortlichen nicht unterstellen.
BTW, der KSTA lässt schon seit einer geraumen Zeit bloggen, mindestens schon ein halbes Jahr, wenn nocht sogar länger.
“Stadtmenschen” heißt das grausliche Angebot, nicht “**Netzmenschen”.
Neben vielem anderen ist es ja auch meine lokalpatriotische kölsche Seele, die mal wieder Schaden nimmt, wenn sich führende Protagonisten der Domstadt exakt so aufführen, wie es das Vorurteil über die viertelprofessionellen Dauerkarnevalisten beschreibt und uns so mal wieder der Lächerlichkeit preisgeben.
Sämtliche Rechte abtreten – alle Pflichten übernehmen…
Ist das nicht die neue Linie in Tadelschund? Egal, ob Presse, andere Medien, Vertragswerke, Politik, Sicherheit, Soziales.
Mal sehen, wann der Zeitpunkt kommt, an dem man durch eine Arztbehandlung die Nutzungsrechte am behandelten Organ automatisch abtreten muß…
a) Den ekligen “zukünftigen Nutzungsarten” werden wir bald verstärkt wiederbegegnen, da die Verwerterlobby es geschafft hat, die Zulässigkeit in die Urheberrechtsnovelle schreiben zu lassen — nachdem die Klausel z.B. in Verlagsverträgen vor einigen Jahren höchstrichterlich für nichtig erklärt worden war.
Aber sich auf künftige Rechtslagen zu berufen, finde ich schon sehr dreist.
b) Untentgeltliches Abtreten von Nutzungsrechten ist eigentlich nur für einfache Nutzungsarten möglich. Leider ist die “angemessene Vergütung” bisher ein zahnloser Tiger geblieben, da die konkrete Ausgestaltung auf Verbändeebene geregelt werden soll. Indes sind der Verband der Ãœbersetzer und die Verlage bis heute, nach fünf Jahren, noch nicht zu einer Einigung gekommen. Und welcher Verband sich für Amateur-Content-Provider zuständig fühlt und einsetzt und obendrein von den Verlagen als Tarifpartner anerkannt werden wird, ist mir bis dato schleierhaft.
Trotzdem glaube ich, dass sich die Verlage mit derartigen AGBs eine tickende Zeitbombe ins Nest legen, die ihnen noch teuer zu stehen kommen könnte, wenn ausgenutzte Nutzer sich erstmal in großem Stil zur Klage gegen die Verlage bereit finden sollten. Darauf, dass letzteres nicht passiert, spekulieren die Verwerter wohl. Dennoch würde ich als Aktionär schon mal hinterfragen wollen, was die Rechte- und Lizenzenabteilungen da so treiben.
Nostradamus hat gesprochen und die AGB kreiert…….. *lol*
Der Kölner Stadt-Anzeiger rief vor Jahren mal dazu auf, an seiner qualitativen Verbesserung mitzuwirken und bat die Leser um konkrete Vorschläge. Ich habe damals dazu geraten, in der Domstadt Konkurrenz zuzulassen. Konkurrenz ist immer ein Antidot gegen qualitativen Schlendrian und publizistische Inzucht.
Hier liegt das Problem: Ich kann dem Kölner Stadt-Anzeiger inzwischen keine Nachrichten mehr entnehmen, welche ich nicht (z.T. besser recherchiert) schon vorher dem Internet entnommen habe. Der einzige Mehrwert, der diesem Druckerzeugnis also bliebe, wäre die profunde journalistische Reflexion und Nacharbeit. Doch die Riege jener, welche dies im Hause DuMont Schauberg noch vermögen, ist klein geworden.
(Als ich Ende der sechziger Jahre aus der schwäbischen Provinz nach Köln kam, war der KStA für mich die Zeitung.)
Was bleibt also angesichts jährlich sinkender Auflagenzahlen (ivw.de)? Der hilflose Versuch, eine Leserschaft zu umarmen, welche dem Printmedium schon lange untreu geworden ist. Gepaart mit dem doofen Appell an deren Eitelkeit, wonach man sich bei Stadtmenschen.de wie bei Beckmann auf der Couch fühlen dürfe.
(Was nun die AGB anbelangt: Solange es Kölner gibt, die in ihren Leserbriefen den Herausgeber Alfred Neven DuMont als klügsten Kopf Kölns preisen, solange kann die nicht dreist genug sein.)
Berechtigte Warnung. Aber mal andersrum gefragt: Wenn der KSTA eine Plattform bietet, wo Leserbriefe veröffentlicht und Kommentare geschrieben werden können, und in den AGBs klar formuliert, unter welchen Bedingungen das möglich ist, dann muss doch wirklich jedem Schreiber klar sein, dass seine Einträge da in jeder erdenklichen Weise weiter verwendet werden. Man kann dann schreiben oder es lassen – freie Wahl.
Und wenn Lisa Müller sich bemüßigt fühlt, über ein Restaurant eine Kritik zu schreiben, und der KSTA macht ihr das möglich (obwohl Lisa Müller dafür vielleicht weder hinsichtlich der Urteilsfähigkeit, noch hinsichtlich der Formulierungskunst qualifiziert ist), warum um Himmels willen, soll Lisa Müller davon jetzt und in Zukunft irgendwie profitieren, dass der KSTA ihr da eine Plattform bietet?
Meine These: Solche Meinungsplattformen funktionieren überhaupt nur unter so ungleich gewichteten AGBs, wo die Plattform alle und der Kommentator so gut wie keine Rechte hat. Darum noch mal die Perspektive umgedreht: Es gibt am Ende zwei Alternativen, nämlich solche Meinungsplattformen (mit solchen AGBs), oder keine Meinungsplattformen.
Und wer da schreibt ist selbst schuld.
Und wenn ich hier kommentiere, und der Don zitiert daraus irgendwann in irgendeinem Medium, warum soll ich dann da noch irgendwelche Rechte beanspruchen können?
Wenn ich sowas nicht will, muss ich das Kommentieren eben sein lassen.
Die Aachener Zeitung/Nachrichten machen jetzt auch mit eigenen Leserblogs mit. Die vorgesehenen Themen sind äußerst massenkompatibel (Lokales, Fußball, Kinder und Tiere). Die Verwertung beschränkt sich nur auf alle Zwecke des Verlages im Rahmen des journalistisch redaktionellen Angebotes. Wie bei Eltern darf man auch die Kosten des Verlages übernehmen: http://www.az-web.de/blogs/serendipity/uploads/Downloads/AGB.pdf