PR-Konferenzen Warm-Up I: Was wurde aus der AG-SM?
In zwei Monaten verantalten eine Politikberatungsfirma namen New Thinking und eine PR-Agentur mit dem witzigen Namen Spreeblick Verlags KG erneut eine als Bloggertreffen getarnten PR-Event, die die Veranstalter und die mit ihnen geschäftlich verbundenen Kreise als von der Basis akzeptierten, relevanten Teil, ja sogar als Spezialisten für Neues im Internet der Öffentlichkeit präsentieren soll. Nicht ausschliessen möchte ich, dass sie sich im stillen Kämmerlein scheckig lachen über Leute, die Geld ausgeben, um ihrer Reputation auch nach einigen Fehlschlägen und nicht ganz so toll gelaufenen Projekten wieder ein wenig Glanz für 2009 zu verleihen.
Natürlich werde ich auch 2009 mit einem gewissen mokanten Lächeln vom anderen Ende der Republik aus all die eitlen Hoffnungen und Ideen begleiten, von denen man ein Jahr später nichts mehr hören will. Angesichts der Wirtschaftskrise und des 300-Euro-Versagens gewisser ehemaliger Blogkollegen und anderer Vermarkter angesichts der Realitäten wird es sicher nicht ohne Vergnügen ablaufen.
Trotzdem möchte ich erst einmal ein paar Reste betrachten, genauer, die bei der letztjährigen PR-Konferenz re:publica mit viel Trara und “Wir machen es ganz gross” gegründete Arbeitsgemeinschaft Social Media. Die sollte das Verständnis und Wissen zur Vermarktung der neuen “sozialen Medien” fördern, und damit den Verlierern im Kampf um Onlinewerbung – Blogs. Communities und anderen neuen, auf Nutzerbeziehungen basierenden Internetprojekten – den Weg zu den Vermarktungsfleischtöpfen ebnen. Beispiel Blogger: Nachdem die Nutzerzahlen eher niedrig und kaum verwertbar sind, wollte die AGSM versuchen, den Blick von Werbekunden weg von den Klicks hin zur Besonderheiten dieser wertvollen Beziehungen zu lenken. Vor fünf Monaten habe ich ja schon mal darauf hingewiesen, dass dort nicht so arg viel passiert ist – wie auch bei der Vermarktung von Blogs generell, die immer noch reichlich dümpelnd daherkommt.
Jetzt, 10 Monate nach der Gründung und damit für Onlineverhältnisse nicht eben schnell, erscheint auf der Website der AGSM dieser Beitrag: Ein Ruf für Papier als Anregung, um endlich der Kundschaft etwas anderes als banale Klicks präsentieren zu können.
Alle Betreiber von Social-Media-Angeboten, Produzenten von Social-Media-Inhalten, Kommunikationsdienstleister, Forscher und Techniker im Bereich der Social Media sind hiermit aufgerufen ihre Ansichten, Erfahrungen und Kenntnisse zum Thema „Relevanzmaße für Social Media“ beizusteuern, um damit eine standfeste Grundlage für die weitere Relevanzmessungs-Debatte in Deutschland und möglicherweise international zusammen zu tragen.
Ziel ist, die Relevanzmessung für Social Media als Konzept genauer zu beschreiben und ihre Besonderheiten messbar zu machen. Aus den Diskussionsbeiträgen entstehen Vorschläge für eine Messung als Ergänzung zu den gängigen Reichweitenmaßen, die am 17. Februar in einer Expertenrunde diskutiert werden sollen.
Wir freuen uns über jeden veröffentlichten Blog-Post, jedes Videostatement, jeden Tweet (#agsm #relevanz) oder als Paper eingereichte Beiträge. Eine abschließende Zusammenfassung (mit Backlinks zu jedem Blog-Post und Download-Möglichkeit der Papers) wird hier veröffentlicht.
Mal abgesehen davon, dass ich mir Thesen als Twitterpost oder Videobotschaft etwas, äh, sagen wir mal, wenig relevant erachte: 10 Monate? Ein wenig Gelaber, ein paar halbsinnvolle Postings und ein paar lächerliche Schwätzereien der üblichen Verdächtigen? Ist das alles?
Liebe AGSM, wer 10 Monate braucht, um mal rumzufragen, wie das funktionieren soll, was man hochwissenschaftlich und superprofessionell selbst tun wollte, sollte die PR-Konferenz in Berlin zum Anlass nehmen und die Selbstauflösung verkunden. Wenn es nur ein Haufen drittklassiger Blogger wäre von der Art, wie sich gerade ein paar Gschaftlhuber als Blogführer einer Gewerkschaft ins Spiel bringen, würde ich nichts sagen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ziel der AGSM ernsthaft die Gründung einer Lachnummer zur Erheiterung der Blogbar war.
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Eine reine Marketing-Veranstaltung. Was will man da erwarten?
Im Vorstand sind nur Vertreter von Vermarktern
– Burda Community Network,
– contentXperten
– Ausschnitt Medienbeobachtung
– bigmouthmedia
… und seit ein paar Wochen auch ethority, der das wissenschaftliche Feigenblatt im Vorstand dorthin als “Director Digital Strategy & Research” gewechselt ist.
“Relevanz” ist für die nur das, was sich in klingender Münze auszahlt. Der AAL-Ansatz mit dem Aufruf zu Diskussionsbeiträgen ist putzig.
Am Anfang, als das Kind noch “Adical” hieß, sah es zumindest so aus, als wolle man ein Erlösmodell fürs Bloggen finden, damit Blogger es sich leisten können Vollzeit zu schreiben. Da konnte man zumindest sagen, dass Haeusler und co. mit dem Konzept ein hehres Ziel verfolgten.
Mittlerweile, und das kommt mit dem neuen Namen “AdNation” irgendwie auch zum Ausdruck, hat man das Gefühl, dass es nur noch ums Geldverdienen geht. Und da fragt man sich schon: Wenn es wirklich nur noch um die Kohle geht, warum treten sie ihre Blog “Projekte” nicht einfach in die Tonne und versuchen es mal ernsthaft mit kommerziellen Publishing? Das versuchen zwar auch viele und nur wenige schaffen es. Aber es wäre wenigstens konsequent und hätte ein klar definiertes Ziel.
So wie man dort aktuell die Sache angeht, fehlen nur noch die roten Plastik-Nasen, damit alles ein in sich stimmiges Bild ergibt.
wenn die empfänglichkeit für werbung in “sozialen medien” zu gering ist müssen also andere relevanzmaße herangezogen werden, wie?
ein widerspruch in sich. die lösung lautet nicht sich die statistiken im ivw-style schönzulügen sondern das problem im kern anzugehen: für user *und* werbewirtschaft attraktive webseiten zu programmieren. das sind allerdings dann webseiten, die eher nichts mit nabelschau und gequassel zu tun haben, sondern mit produktreviews und information.
Was die AGSM und ihre Mitläufer wieder mal übersehen, ist die Tatsache, das SocialMedia schon im Unternehmensumfeld angekommen und damit in der Nutzung auch schon professionalisiert ist. In vielen Firmen ist es mittlerweile übliche Projektbeschreibungen und ähnliches über ein Wiki oder Blogsystem zur Verfügung zu stellen. Aber das ist anscheinend nicht das, was sich die Spreeblocker und Co als “Geschäftsmodell” vorstellen. Vielleicht verstehen sie es auch bloß nicht…
@#4: Nicht nur, dass das Thema bereits in Unternehmen angekommen ist. Längst hat auch die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (AGOF) ihre Absicht kundgetan, sich verstärkt mit der Frage zu befassen, wie das Geschehen in social networks im Rahmen der AGOF-Zahlen besser abzubilden wäre. Damit ist das window of opportunity für die AG-SM, wirklich marktrelevantes zu diesem Thema beizusteuern, vermutlich die längste Zeit offen gewesen.
Wenn ich jetzt diesen Ruf nach Papier vernehme, dann kann ich daraus kaum einen anderen Schluss ziehen, als dass man seitens der AG-SM die ganze Zeit über nicht mal den Ansatz einer Idee hatte, wie die spezifische Wertigkeit des Geschehens im social web empirisch zu erheben wäre.
Also wird es wohl darauf hinauslaufen, dass die großen Mitspieler, werkenntwen und die VZs, ihren Input zu diesen Fragen direkt bei der AGOF anbringen, dort wo er “währungsrelevant” ist, wie man in Planerkreisen sagt. Damit ist schon mal der AG-SM-Anspruch hinfällig, für das ganze social web zu sprechen, man bleibt also allenfalls eine Nischenexistenz im Dienste von Blogvermarktern und Twitter-Enthusiasten. Und je länger man sich Zeit lässt, wenigstens zu diesen Themen klare Standards und nachvollziehbare Relevanzmaße vorzulegen, umso schwieriger wird es, die von Sascha Lobo proklamierte “Professionalisierung” der Blogosphäre noch zuwege zu bringen.
Man betrachte nur einmal das Wiki der re:publica. Änderungen der letzten 30 Tage? Bis eben – keine.
Der aktuelle Stand der Programmplanung – nicht vorhanden. Oder nicht vorzeigbar.
Totgeburt, das. Oder einfacher: Thema durch. Dann lieber zum Wannsee, Netbookschwenken.
Die Arbeitsgemeinschaft Social Media ist wirklich eine ziemliche Enttäuschung. Wie kann man nur mit einer so großen Ankündigung an die Öffentlichkeit gehen und dann weitgehend abtauchen?
Ein Glück für die Beteiligten, dass die Thematik kaum je über die Blogosphäre hinaus bekannt wurde. Dadurch hält sich der Verlust an Reputation in sehr engen Grenzen…
Ich schließe mich den Vorrednern an. Während in “Bloggersdorf” immer noch gegrübelt wird, ist die Webkompetenz (oder der Web-2.0-Hype) längst im Marketing und der PR angekommen, sprich dort, wo die Fleischtöpfe, ergo die Budgets, sitzen. Externe “Fachkompetenz” von Blog-Autodidakten braucht da niemand mehr. Das spiegelt sich auch in der Literatur wider: Während es im Marketingbereich schon längst wissenschaftliche Literatur über Web-Vermarktung gab, hat die digitale Bohème höchstens Luftblasen a la “Mein Blog und ich – Chancen und Risiken” auf den Markt geworfen.
Da muss man erkennen, dass die Relevanz und Monetarisierung nie über einen kleinen, selbstreferenziellen Zirkel hinaus gehen wird. Schade eigentlich – aber hausgemacht.
Für “Marketing und Wirtschaft” hat das Web 2.0 ein paar interessante Softwaretools zur zielgruppengerechten Kommunikation hervorgebracht – und das Fachwissen darüber, wie man diese anwendet oder besser nciht anwendet. Die Tools sind kostenlos, und das Fachwissen darüber kann man bei Beratern mieten, so man sich die richtigen heraussucht. Dazu brauchts keine Konferenz mehr, keinen Hype und kein Bloggersdorf.
Vorteil: man kann jetzt wieder in Ruhe beim Macciato sitzen (wers mag) und Zeitung lesen, on- oder offline. Dabei muss man nicht mal mehr so tun, als sei man bei der Arbeit oder sonst irgendwie “wichtig”.
Da ich nicht unbedingt zu denen gehöre, die den Grundgedanken hinter der AG-SM von vornherein scheiße fanden oder es schon immer gewusst haben wollen, dass dabei nichts Gescheites rumkommt, kann ich eine gewisse Enttäuschung über die mageren Zwischenergebnisse nicht verhehlen.
@strappato: Gerade hinter einer Marketingveranstaltung hätte man ja einen gewissen Drive erwarten dürfen. Natürlich weiß ein Mediaplaner oder Werbekunde auch ganz genau, dass Vermarkter versuchen, die Stärken ihres jeweiligen Werbeträgers herauszuarbeiten. Oder dass ein Vermarkterverbund was für die ganze Mediengattung tut. So machen ARD und Privatfunker zusammen die Studie “Qualitäten der Radiowerbung”, jeder im Markt weiß, dass das Pro-Domo-Forschung der Dudelfunker ist, aber wenn die Argumente und Schlussfolgerungen methodisch einigermaßen sauber und nachvollziehbar sind, erleichtert das den Agenturen und Kunden die entscheidung für diesen Werbeträger erheblich. Diese Begleitforschungstätigkeit ist auch ein Professionalitätsnachweis, ohne den man sich als Medium in der sehr zahlenverliebten Werbewirtschaft sehr schwer tut.
Selbst der Bundesverband der Anzeigenblättchen findet Argumente, warum im Hausflur rumliegende Blättchen werbetechnisch der Knaller sind, warum bleiben dann Blogs so stumm, wenn es darum geht, die Stärken des Mediums herauszuarbeiten? Vielleicht weil das, was Blogs eigentlich ausmacht, doch nicht so recht in die Vermarktungs- und Verwertungslogik der Werbewirtschaft passt, wie sich das die Kommerzialisierungsvorturner vorgestellt haben.
[…] Für die nächste re:publica wird euphorisch die Werbetrommel gerührt. Aber nicht mit Don Alphonso, der wie immer als griesgrämiger Gargamel die Schlumpfenparty zerstören will. Das ganze sei ein PR-Event für schlechte Blogger, die auch schlecht bleiben würden, während er selbst und die Veranstalter sich ins Fäustchen lachen würden, dass kleine naive Blogger dafür Geld ausgeben. Re:publica also eher eine fiese Marketingveranstaltung, die die Authentizität von Blogs in der kapitalistischen Mühle zermalmt? […]