20.4.2005 | 13:10 von dogfood

Häh?

Wobei sich die Frage stellt <…>

19.4.2005 | 23:23 von DonAlphonso

Dying by numbers

Im Rahmen der Fragestellung, wie Blogs geführt werden, gibt es seit etwas über einem Monat eine neue 30er-Gruppe von Blogs eines bekannten, grossen Bloghosters – der übrigens exakt einen Monat nach der Einrichtung dieser Gruppe das 50.000. Blog verkündete. Nach seiner Zählung, natürlich.

Die Ergebnisse meiner kleinen Untersuchung kommen zu einem anderen Ergebnis. Von der zweiten Gruppe, angelegt im Dezember, bloggen nur noch zwei Personen regelmässig und einer ab und zu- vielleicht einmal die Woche. Sprich – die Hälfte der aktiven Blogs von Mitte Februar ist inzwischen auch tot.

Die dritte Gruppe von Mitte Januar hat weiterhin 4 mehr oder weniger aktive Blogger, eine weitere Bloggerin hat gerade angekündigt, ihr Blog relaunchen zu wollen.

Die neueste Gruppe hat gerade mal 7 Blogs, die über die ersten paar Postings hinausgekommen sind und in den letzten drei Wochen aktiv waren – eines davon allerdings mit der Mitteilung:

Is ja irgendwie auch nich so spannend, wenn man nich ein sehr ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis hat. Ich denke ich lass es auch wieder.

Was er dann auch getan hat – vielleicht eine simple Erklärung für die vielen anderen, die ebenmfalls das Zeitliche gesegnet haben.

Nach einem halben Jahr lässt sich folgendes vorläufiges Fazit ziehen: Nur jeder vierte Blogger kommt über die ersten paar Worte hinaus – über die Hälfte richtet das Blog lediglich ein, ohne Texte zu erstellen. Das erklärt auch meines Erachtens die Diskrepanz zu den Zahlen bei Blogstats, wo für den Bloghoster nur rund 23.700 Blogs angegeben werden.

Vermutlich hält nicht mal jeder Zehnte der Anmeldungen das Bloggen länger als ein paar Monate durch, wobei sich heavy User und sporadische Blogger in etwa die Waage halten. 5000 Beiträge sollen bei dem Hoster täglich geschrieben werden – die Zahl ist wohl dadurch zu erklären, dass eine manche heavy User schon mal auf 30, 40 Einträge pro Tag kommen; ob die im Kelly M.-Style hingeworfenen Gedankenfetzen allerdings für Leser attraktiv sind, ist eine andere Frage.

Übrigens, es gibt noch eine andere Blogleiche: Das Newsblog, das die Zusammenarbeit der News Frankfurt mit dem Bloghoster dokumentieren sollte, schweigt seit fast zwei Monaten.

15.4.2005 | 22:58 von DonAlphonso

Vom nächsten grossen Ding und falschen Freund

Klingt erst mal suoer, was da in Amerika von kompetenter Seite in einer Rede vor Zeitungsverlegern verbreitet wird: Ein Verleger sieht ein, dass er nicht genug getan hat, um seine Zeitungen auf die Bedrohung durch das Netz vorbereitet zu haben. Er habe nach dem Boom der späten 90er Jahre zu wenig getan. Und er vermute, dass sich seine Zuhörer bgenauso verhalten hätten, in derHoffnung, diese komische digitale revolution werde von selbst vergehen.

Aber jetzt will der Mann zupacken. Mit einer neuen Strategie für das Internet, die er seinem Medienkonzern verordnet, und die seine Produkte für junge Menschen attraktiver machen soll. Es ist ihm inzwischen klar, dass man mit Pay Content kein Geld verdienen kann.

Blogger, und jetzt wird es spannend, sollten ermutigt werden, Teil von Nachrichtenseiten zu werden. Das würde die Meinungsvielfalt verbessern und die Leserschaft besonders ansprechen, im Original::

[…] At the same time, we may want to experiment with the concept of using bloggers to supplement our daily coverage of news on the net. There are of course inherent risks in this strategy — chief among them maintaining our standards for accuracy and reliability. Plainly, we can?t vouch for the quality of people who aren?t regularly employed by us ? and bloggers could only add to the work done by our reporters, not replace them. But they may still serve a valuable purpose; broadening our coverage of the news; giving us new and fresh perspectives to issues; deepening our relationship to the communities we serve, so long as our readers understand the clear distinction between bloggers and our journalists.

Wer das sagt? Nun, es ist der Stellvertreter des Leibhaftigen auf Medienerden, Schmuddeljournaillenbesitzer, Schmierfinkbezahler und Chefpropagandist des White Trash, Rupert Murdoch. Give him all your souls, Bloggers.

14.4.2005 | 21:01 von dogfood

Vom nächst großen Ding

… ist in der Donnerstagsausgabe des “Kölner Stadtanzeigers” die Rede und meint Weblogs. Die Journalistin Simone Deckner hat einen einführenden Artikel geschrieben und mit mir ein Interview geführt.

Das zweieinhalbstündige Interview fand übrigens vor knapp zehn Tagen im “Frank und Frei” im Schanzenviertel statt. Wir hatten die gleiche Bedienung wie zwei Monate zuvor, als ich mit Don dort saß. Diese Bedienung, Marke “Schweden-Glück”, zirka zwei Meter groß, blond, Pferdeschwanz, hatte bei Don den eh schon seit Stunden vorherrschenden Minderwertigkeitskomplex ob des Körperwuchses noch mal verstärkt, was sich dann bei ihm im Blog niederschlug (“in rauen Mengen auftretenden grossen, blonden, nordischen Menschen“).

13.4.2005 | 13:47 von DonAlphonso

Pay Reibach Content

So, jetzt ist er fertig, der grosse 9000-Zeichen-Artikel über jüdische Weblogs – leider wird er nicht online gehen, sondern nur auf totem Kolz erscheinen. Vielleicht kann ich mit denen einen Deal machen, dass der in einem Monat hier online gehen darf – aber hier sind schon mal die Links, die die Spannbreite des Themas aufweisen:

Lilas Briefe aus Rungholt
Michelle’s Aliyah Adventures
Katie-Yael
Stephen Green Vodkapundit
Richard Silverstein
Esther Kustanowitz Urban Kvetch
Esther Kustanowitz Jdaters
Jewlicious @ the Beach
Ari DavidowŽs Klezmershack
Ari DavidowŽs Hebrew Typesetter
Jewishwhistleblower
Belledejour

So sieht übrigens das Plakat einer jüdischen Springbreak-Party in Californien aus, die auch ausdrücklich Blogger einlädt, weil ja auch der Rabbi (der verhaute Typ in der Mitte ein Blog hat, darf ich eigentlich sagen, dass ich verdammt neidisch bin? Ich bin verdammt neidisch. So. Ich will sowas auch haben.

Die Blogs sind im Beitrag total durcheinander, aber dennoch mit einem roten Faden versehen. Wenn schon alle anderen immer den gleichen WhothefuckisWinerScobleSchwartzTrott-Content pasten und kopieren, muss man es eben selbst machen. Übrigens war es unheimlich leicht, den Artikel in einem jüdischen Magazin unterzubringen, ganz im Gegensatz zu den erbärmlichen Zickereien gewisser IT-Blätter. Vielleicht muss man einfach nur mal wegkommen von der Ausrichtung auf Technik und schauen, was Blogs in anderen Bereichen leisten.

13.4.2005 | 4:57 von DonAlphonso

Bloggers Liebling Michelle Delio hat möglicherweise gekummert

Sowas tut weh: Steve Fox, der Chefredakteur von Infoworld, muss einräumen, dass die freie Journalistin Michelle Delio bei vier Artikeln im Verdacht steht, Quellen passend für vier bei Infoworld erschienene Artikel erfunden zu haben:

The pieces […] include statements from seven unverifiable sources — subjects for whom a company name or affiliation was not supplied. Although the quotes may, in fact, be legitimate, Delio has not responded to our requests for her sources? contact information.

Der letzte der fraglichen Artikel ist ein auch in Deutschland rezipierter Artikel über Weblogs und Wikis im Unternehmenseinsatz – ein hübsches Stück voller netter Worte über Business-Blogger und ideal geeignet, einen Trend herbeizuschreiben. Infoworld hält ihn in einer bereinigten Form aufrecht, prüft aber noch alle anderen Quellen, weil sie ebenfalls gefälscht sein könnten.

Es könnte einer der grösseren Skandale der amerikanischen Medien werden – und auch all die Abschreiber abstrafen, die sich bei Delios Artikeln recht häufig in Aufbau und Vorgehen bedient haben. Michelle Delio hat als freie Journalistin vor allem für Wired und die MIT Technology Review gearbeitet, und desöfteren auch über Blogs geschrieben, so auch von der ersten Blogtalk-Konferenz in Wien. Bislang zieht Wired hunderte von Delio verfasste Artikel noch nicht zurück, lässt sie aber gerade überprüfen. Dadurch bekommt auch der deutsche Ableger der MIT Technology Review von Heise ein Problem – ein in Amerika bereits zurückgezogener Artikel ist in Deutschland erschienen und mit entsprechendem Vermerk immer noch online. Delio beteuert ihre Unschuld.

12.4.2005 | 23:54 von DonAlphonso

Warum man sich das mit den Lesungen gut überlegen sollte.

Es wird einige Leute geben, die werden auf diesen Beitrag mit Gedanken oder Postings wie “Es gibt sehr gute Gründe für das was ich tue”, “Der unterstellt uns, was er selber tut”, “Ich bin überhaupt nicht neidisch” und “Ich habe das Recht das zu tun, und Kritik muss man ertragen können” reagieren.

Lesungen bringen Ärger

Im vorrausgehenden Artikel wurde beschrieben, wie das Fehlen gewisser Charakteristika des Literaturbetriebs Bloglesungen zu einem grossen Spass werden lässt. Dennoch: Man sollte sich das mit den Lesungen als Organisator gut überlegen. Es wird noch eine Weile dauern, bis Lesungen aus Blogs so normal sind, dass nicht oft ein gewisses Keifen losgeht. Lesungen sind eine Ausnahmesituation, bei Lesungen wird das gleichförmige Nebeneinander des normalen Bloggens durchbrochen, man exponiert sich, und das ruft die Geiferer auf den Plan. Egal, ob im Umfeld dieses Buches oder bei anderen.

Neben den generellen, oft auch nur oberflächlich so scheinenden Privatfehden gibt es nach meinem Erleben zwei Gründe für die Geiferer: Die Angst vor dem Draussen und der Umstand, dass für manche die Blogosphäre längst zu einer Art Literaturbetrieb geworden ist, in dem all das Miese und Kaputte der realen Bücherwirtschaft kopiert und angewandt wird.

Die, die Angst vor dem Draussen haben

Blogs in Deutschland haben in der Wahrnehmung “draussen” während der letzten beiden Jahre einen erheblichen Wandel durchgemacht. Es wird sehr viel mehr darüber berichtet, es werden neue Aspekte besprochen, es gibt Thesen über Blogs jenseits der Blogosphäre – wenn man so hochtrabend formulieren will, einen öffentlichen Diskurs, der nur teilweise von den Bloggern beeinflusst wird. Statt dessen äussern sich Berater, Juristen, PRoleten, selbsternannte Experten und Marktforscher. Zeitgleich hat sich auch die Blogosphäre enorm verändert. Vor zwei Jahren war ein neuer Server der grossen Community Antville ein Thema in der Netzeitung – heute ist Antville ein eher kleiner Hoster, und ob es einen neuen Server gibt oder nicht, wäre den Medien nicht mal drei Zeilen wert.

Inzwischen kommt das “Draussen” von selbst und versucht – mehr oder weniger geschickt – zu begreifen, was da “Drinnen” wirklich passiert, wer das schreibt, wie es geht, wer es liest. “Drinnen” reagieren viele ältere Blogger mit Hohn und Verachtung auf diese Versuche, weil man “draussen” nicht begreift, was wirklich geschieht, und weil man nicht zu Unrecht befürchtet, dass sich das Bloggen dadurch verändert. Die Anzahl der Blogs steigt durch die Berichte an, neue Gruppen beginnen mit dem Bloggen, die Medien schnitzen sich daraus ihre Spezialisten, Gastautoren, Stars, oder schicken die eigenen Leute rein. Das sorgt bei manchen für Unsicherheit, Unbehagen, oder auch Sorge um die Meinungsführerschaft in oder von bestimmten Gruppen. Es gibt keine Stammplatzgarantien mehr – wenn es sie denn je gegeben hat.

Diese Kreise hängen an den Medien und debattieren reaktiv über das, was von Draussen an Meinung kommt – unabhängige Gedanken oder längere Texte zum Thema bleiben meist aus. Eine Lesung, quasi das Gegenstück zu den Medien, eine eigene Schnittstelle des “Drinnen” zum “Draussen”, auch wenn es nur ein halböffentlicher Rahmen ist, muss ihnen als Verrat, zumindest aber als Bedrohung oder bestenfalls Anbiederung erscheinen. Hier wagt es jemand, die Trennung zwischen den Eingeweihten, der In-Group, und den Unwissenden aussen in Persona, als einzelner Blogger zu durchbrechen, und – deutliches Zeichen für diese Angst – ihnen als verdammenswerter “Sprecher der Blogosphäre” erscheinen – und sie sind nicht dabei. Entsprechend gross ist dann das paranoide Gemaule, ganz gleich wie klein, banal, unwichtig und unbedeutend der Anlass ist.

Die, die selbst gerne Teil der Lesung wären

Schriftsteller haben wenige Freunde unter Schriftstellern. Autoren sind auf sich allein gestellt, es gibt zwischen ihnen einen ständigen Kampf ums Überleben, um die Wahrnehmung, um die Plätze im Katalog, um die Lesungen, um das nächste Buch, um die Rezensionen, gegen die Newcomer. Jeder Neuling im Literaturbetrieb wird erst mal erstaunt sein von dem Gezänk, das da abgeht, von wegen Hochkultur. Es sei denn, er ist Blogger. Dann dürfte einiges wohlvertraut sein.

Wer eine Lesung oder einen Sammelband mit Bloggern organisiert, wählt 5 oder 15 aus, sondern entscheidet sich gleichzeitig auch gegen rund 40.000 andere. Den meisten ist das herzlich egal, es ist auch nicht böse gemeint, aber es gibt welche, die das anders sehen. Nennen wir sie mal: Blogger mit Ambitionen und ihre Peer Groups. Diese kleine Gruppe hat begriffen, dass Bloggen ein Thema mit Potential ist. Ein Thema, das Medien, Leser und eventuell auch Verlage anspricht. Manche von denen haben 1, 2, viele Manuskripte in der Schublade. Manche hoffen, damit dem grausligen Schicksal “Book on Demand” zu entkommen. Es sind Vertreter einer Gruppe, die man als Schriftsteller schnell kennen lernt: Autoren ohne Verlag. Wer sein erstes Buch macht, wird Menschen verlieren, die er für seine Freunde gehalten hat. Das Buch ist die Grenze zwischen denen, die bleiben, und denen, die in der Schublade bleiben. Es gibt im Literaturbetrieb zwischen Bestseller und Verramschen viele Graustufen – zwischen Autor und Nichtautor nur Weiss und Schwarz. Und oft auch Krieg.

Blogger-Nichtautoren und ihre Peer Groups, ihr, wenn man so will, “Groupie-Umfeld”, haben die bittere Erfahrung des Scheiterns gemacht. Einerseits ist Bücher schreiben ein verdammt hartes Stück Arbeit, zum anderen sind Verleger mit irgendwelchen Wie heissen die Dinger ach so Blogs und ein paar hundert Besuchern nicht zu beeindrucken. Ein Blogger unter vielen, ein Manuskript unter vielen – Bloggen taugt nicht beim Verleger. Aber Lesungen, mit 30 oder mehr Besuchern; Lesungen, bei denen die Presse kommt – das taugt den Verlegern. Die Lesung ist ein vorpublizistischer Raum, den die da “Draussen” verstehen. Da will man also rein – und wenn man draussen bleibt, disst man einen Teilnehmer im Blog, schleimt andere an, und schreibt hintendrein noch eine Mail, dass das eigentlich eine Aufforderung zum Kräftemessen sei, die man zwar eigentlich gar nicht nötig habe, aber vorlesen will man eben auch. Oder jemand aus der Peer Group macht einen auf Literaturkritik, nach dem Motto: “Wenn schon mein Idol nicht darf, mache ich die anderen eben runter”. Oder man erklärt der Peer Group in einem Grundsatz-Papier, dass man eigentlich sehr viel besser und toller ist und zwar auf eine Weise, die dann auch diejenigen toll finden, die die oben genannten Verlustängste haben.

Im Literaturbetrieb laufen diese Konflikte bestenfalls halböffentlich ab – man muss sich schon gut auskennen, um zu begreifen, warum mancher Autor bei manchem Feuilleton nie besprochen wird und andere in den Himmel gehoben werden. Die Zusammenrottung der Neider, die sich bei den Buchmessen an Häppchentischen befreundeter Betriebsclans abspielt, hat in der Blogosphäre eine ganz andere Publizität. Um das aber zu verstehen, muss man wissen, wer wann was für eine Buchidee hatte. Manche sind öffentlich bekannt, andere kennt man nur gerüchteweise, weil es ein paar Leute mit Angeboten an gewisse Verlage versucht haben.

Nicht alle Kritiker fallen in diese Gruppe, es gibt auch welche, denen es einfach nicht gefällt, so what, das gehört zum Lesungsgeschäft – aber gerade die mieseren Stücke haben ihre Ursache oft im Unterschied zwischen denen, die Vorleser sind oder auswählen, und denen, die wie schon so oft nicht ausgewählt wurden

Was kann man dagegen tun

Nichts. Man könnte diese Leute umschmeicheln, sie integrieren, sie zum Teil der Lesung machen. Und sich mit diesem egomanen Pack den Abend versauen. Das nächste Mal werden sie ihre Freundeskreise als Vorleser vorschlagen, und wenn dann sich mal ein Journalist in die Lesung verirrt, sind das diejenigen, die ihn voll in Beschlag nehmen. Man sollte genau schauen, wen man sich einlädt. Lieber einen guten Newcomer als eine verrottete Diva mit Allüren. Die Organisation klein halten, die Planung komplett durchziehen und erst, wenn alles geklärt ist, bekannt geben. Die Keifer danach deutlich angehen – wer glaubt, es besser zu können, soll es selbst tun. Das ist die freie Marktwirtschaft. Die Erfahrung aus dem Literaturbetrieb lehrt, dass man den Events der lauten Kritiker gelassen entgegenschauen kann: Desto lauter sie sind, desto weniger werden sie selbst etwas auf die Beine stellen. Denn eigentlich wollen sie dann ja gar nicht, ist doch eh nur Internet. Muss sich auch keiner von dem hier angesprochen fühlen, echt.

11.4.2005 | 23:11 von DonAlphonso

Warum Bloglesungen gut sind

Nachdem es jetzt in letzter Zeit einige gut besuchte Lesungen mit mehreren Bloggern unter ganz unterschiedlichen Vorraussetzungen gab, ist es Zeit für eine kleine, dreiteilige Zusammenfassung. Warum also? Aus dem gleichen banalen Grund, warum auch Bloggen gut ist:

Weil es Spass macht.

Und das ist, wie übrigens die anderen Punkte auch, ein erheblicher Unterschied zu Lesungen, die man als Profischreiber macht. Wenn ich aus meinem Roman lese, muss ich Performance bringen. Ich bin im Wettkampf mit anderen Autoren um die Gunst des Publikums. Es ist ein Teil des Jobs. Der ist zwar schön, aber dennoch bleibt immer dieses Gefühl im Nacken, dass man hier als Schriftsteller mit einem eingebildeten, idiotischen und trotzdem zu erfüllenden Qualitätssoll konfrontiert ist. Deshalb Lampenfieber, deshalb Stress, deshalb nach der ersten Lesung tot ins Bett fallen – von wegen Literaturgroupies ficken, muahaha, alles Legende.

Natürlich sind diese Gefühle vor einer Bloglesung auch da, aber nicht so stark. Schliesslich sind es ja mehrere Leser. Es geht eigentlich um nichts, ausser um den Spass. Man trifft sich mit den Organisatoren (bei uns waren es alles in allem vier), spricht die Sache bei einem Abendessen durch, macht den Termin fix, verteilt ein paar Aufgaben und spricht über die Texte. In der Woche zuvor treffen sich die Teilnehmer in freudiger Erregung, um das Lesen zu üben, was dann auch manchmal gemacht wird, schmeisst ein paar Texte doch noch schnell vor der Lesung um, und dann ist auch schon der grosse Tag da.

Der Tag, an dem gelesen wird. Vor anderen Menschen. Der Gedanke am Morgen: Bitte, lieber Gott, wenn ich im Laufe dieser Woche sterben muss, dann bitte heute vor der Lesung. Der Gedanke 1 Stunde vor der Lesung: Verdammt, alle anderen sehen so sexy aus, nur ich nicht. Der Gedanke 1 Minute vor dem Beginn: Was zum Teufel mache ich hier? Der Gedanke beim Weg auf das Podium: Ich hasse es. Ich werde mich 1000 mal verlesen. Ich sollte davonlaufen. Ich sollte zumindest einen andere Text nehmen. Beim Applaus: Hey, gar nicht so schlecht. Bei der Aftershow-Party: Geschafft. Nachts um drei beim Döner (laut): Wann ist die meine nächste Lesung?

Dass es so – vergleichsweise harmlos – läuft, liegt unter anderem daran, dass man nicht Alleinunterhalter ist. Es sind noch andere Leute da. Und ein wohlmeinendes Publikum. Und damit kommen wir zum nächsten Punkt:

Weil es das Publikum gibt

Bei der letzten Lesung in Berlin kamen ungefähr 50 Leute. Mit einer Woche Vorankündigung, nur mit ein paar Postings bei den teilnehmenden Bloggern, ohne Pressearbeit oder Flyer, unter der Woche. Wer schon mal in Berlin Lesungen mitgemacht hat, wo nur 6 Leute incl. Verlagsvertreter kommen, kann ermessen, was das bedeutet. 50 Besucher ist schon ziemlich gut. Vielleicht auch mehr als gut, weil manche davon vielleicht sonst nicht auf normale Lesungen gehen. Was daran liegt, dass Blogger aus ihrer Internet-Leserschaft die Zuhörer für die Lesung im realen Leben gewinnen.

Und das ist ein enormer Unterschied zu normalen Lesungen: Bei denen müssen Verlage mit viel Arbeit und Aufwand die Besucher erst mal ansprechen, bewerben, informieren und auf einen Autor scharf machen, den sie eigentlich nur von den Büchern kennen – wenn man Glück hat. Die Beziehung zum Publikum ist bei einem Blogger völlig anders als bei normalen Autoren des Literaturbetriebs. Ein Blogger produziert praktisch ununterbrochen seine Literatur, es ist sehr egoman, daher kennt man ihn und weiss, was einen wahrscheinlich erwartet – und kommt.

Insofern ist es mit Bloggern in den grösseren Städten wahrscheinlich leichter, die Bude voll zu kriegen, als es mit anderen, offen gesagt, unbekannten Autoren wäre. Was nicht heisst, dass Blogs für normale Zuhörer uninteressant wären – als wir auf der Frankfurter Buchmesse sehr kurzfristig eine Lesung gemacht haben, blieben die Leute auch da.

Weil die Aftershow Parties besser sind

Nach normalen Lesungen bleibt immer eine gewisse Distanz zwischen Autor und Besucher. Zum einem liegt das an den unvermeidlichen Durchgeknallten, die einen immer wieder anlabern, oft mit der Bitte, doch ihr unfassbar tolles Manuskript dem eigenen Verleger ans Herz zu legen, an den Nervtötern, die gelehrte Coreferate halten, und den Autobiographikern, die einen vollsülzen, während die kesse Brünette aus der dritten Reihe mit dem Deppen neben ihr abzieht, statt gefälligst zu warten und einem als Literaturgroupie das schwere Autorenleben zu versüssen.

Diese Probleme gibt es bei Bloglesungen nicht. Es löst sich alles schnell in eine eher lockere Atmosphäre auf, weil einen die meisten Zuhörer schon irgendwie kennen, und man kann relativ schnell auf einer Ebene miteinander reden. Es gibt kein Gefälle, es ist auch nicht so verkopft wie bei normalen Lesungen, wo meistens das Buch das Thema ist. Man bleibt weitaus länger zusammen, hat andere und bessere Themen, es ist eben eher Party als der lesungstypische kleine Weinumtrunk mit Salzstangerl und Etepetete.

Zusammengefasst:

Es ist sehr anders als normale Lesungen und im Literaturbetrieb, definitiv auch für Einsteiger geeignet, leicht und ohne grossen Aufwand oder Kosten durchzuführen, und wenn man danach laufend angesprochen wird, doch bitte mehr davon zu machen, ist es eine runde Sache – bis auf die Dinge, die hier morgen besprochen werden.